Quiz Radiologe 2014 · 54:1016–1019 DOI 10.1007/s00117-014-2745-0 Online publiziert: 4. September 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

U. Schedelbeck1 · A. Strehl2 · K. Herrmann3 · T. Bley1 · C.O. Ritter1 1 Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg 2 Institut für Pathologie, Universität Würzburg, Würzburg 3 Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin, Universität Würzburg, Würzburg

Rasch progrediente beidseitige Mammaraumforderungen Anamnese

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, hier kann auch Ihr Fall dargestellt werden! Haben Sie Anregungen oder eine interessante Falldarstellung?   Senden Sie diese bitte in elektronischer Form (CD, E-Mail) an: Prof. Dr. Thomas Helmberger Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie   und Nuklearmedizin Klinikum Bogenhausen Städtisches Klinikum München GmbH Englschalkinger Straße 77 81925 München Tel. 089/9270-2201 E-Mail: thomas.helmberger@  klinikum-muenchen.de Die Autorenhinweise finden Sie unter www.DerRadiologe.de

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Eine 34-jährige Patientin wurde von einem niedergelassenen Gynäkologen zur weiteren Abklärung bei rasch progredienten, beidseitigen Mammaraumforderungen in unsere Abteilung für Mammadiagnostik überwiesen. Auf dem Überweisungsschein war die Frage nach Fibroadenomen formuliert worden. Weitere klinische Angaben lagen zum Untersuchungszeitpunkt zunächst nicht vor. Auf Nachfrage berichtet die Patientin von einer bekannten akuten myeloischen Leukämie (AML) mit Erstdiagnose 08/2011, wobei nach allogener Stammzelltransplantation 10/2011 und Reinduktionstherapie mittels Cytarabin, „donor lymphocyte infusion“ (DLI) und Cyclophosphamid 04/2012 bei Rezidiv zuletzt eine Komplettremission erreicht wurde. Bei sehr schlankem Ernährungszustand fanden sich zum Zeitpunkt der aktuellen Vorstellung bereits inspektorisch nachweisbare Raumforderungen beider Mammae mit korrespondierendem derbem Tastbefund.

Bildgebung In der digitalen Mammographie in 2 Ebenen (kraniokaudal und mediolateral oblique) zeigten sich homogene, dichte Massen mit mehreren Zentimetern Ausdehnung innerhalb des dichten Drüsenparenchyms, die insbesondere in der mediolateral obliquen Projektion links gut nachvollziehbar waren (. Abb. 1).

Sonographisch stellten sich diese echoinhomogen und kräftig perfundiert dar (. Abb. 2). Die Begrenzung war unscharf gegenüber der Umgebung und die Elastizität war deutlich herabgesetzt entsprechend Ueno-Score 4 [2]. Zur histologischen Abklärung folgte die sonographisch geführte Hochgeschwindigkeitsstanzbiopsie beidseits.

Abb. 1 8 Mammographie beidseits in 2 Ebenen. Mit Pfeilen markierte Masse in der linken mediolateral obliquen Aufnahme

Abb. 2 8 Sonographische Dokumentation. B-Bild-Sonographie, Elastographie (Mitte links) und farbkodierte Duplexsonographie (unten)

D Ihre Diagnose?

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Diagnose: Beidseitige mammäre Chlorome bei fulminantem Rezidiv einer akuten myeloischen Leukämie Histopathologischer Befund Histologisch zeigten sich beidseits ausgedehnte Infiltrate durch eine maligne Population mittelgroßer Zellen, deren Morphologie in den konventionellen Färbungen für eine Neoplasie aus dem

hämatologischen Formenkreis spricht (. Abb. 3, obere Reihe). In den immunhistochemischen Zusatzuntersuchungen (. Abb. 3, untere Reihe) sind die Infiltrate maligner Zellen hoch spezifisch positiv für CD117 und CD34, negativ für CD5 und CD20, CD 30 und die Färbung für TdT zeigt lediglich eine unspezifische zytoplasmatische Hintergrundreaktivität. Die proliferative Aktivität (Ki67) ist sehr hoch und liegt bei über 90%. Zusammenfassend handelt es sich um Mammastanzbiopsate beidseits mit ausgedehnten Infiltraten durch eine blastä-

re Zellpopulation, wobei die Morphologie und der Immunphänotyp für eine erneute Manifestation der aus der Vordiagnostik bekannten AML sprechen. Hinweise für das Vorliegen eines Mammakarzinoms ergeben sich nicht.

Epikrise Zwei Wochen nach der Biopsie wurde die Patientin in schlankem Ernährungszustand (BMI 19,4 kg/m2) und reduziertem Allgemeinzustand stationär aufgenommen. Neben einer bekannten kutaDer Radiologe 10 · 2014 

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Abb. 3 8 Oben von links nach rechts: Hämatoxylin-Eosin(HE)-Färbung in Vergrößerungen 100:1, 200:1 und 400:1. Unten von links nach rechts: Immunhistochemie mit PanLeu, Ki67 und CD34

Abb. 4 8 Axiale Fusionsbilder der FDG-PET-CT. Intensiv FDG-avide Raumforderungen beider Mammae (links), subxyphoidal (Mitte) im kleinen Becken (rechts). FDG-PET Fluordesoxyglukose-Positronenemissionstomographie

nen, mukosalen und intestinalen GvHD („graft versus host disease“) bestanden jetzt zusätzlich progrediente, massive und immobilisierende Beinödeme, eine Orthopnoe und starker Hustenreiz sowie klopfschmerzhafte Nierenlager. Laborchemisch zeigte sich ein akutes Nierenversagen. In einer vor der Therapie durchgeführten Fluordesoxyglukose-Positronenemissionstomographie(FDG-PET)-CTBildgebung waren neben den bekannten intramammären Chloromen beidseits weitere Weichteilraumforderungen subxyphoidal und intramuskulär (Becken, Oberschenkel) sowie pelvine Raumforderungen nachweisbar, wobei letztere aufgrund einer beidseitigen Ureterkompression ursächlich für das postrenale

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Nierenversagen waren (. Abb. 4). Nach einer Konditionierung erfolgte eine erneute Stammzelltransplantation. Bei vorbestehender Herzinsuffizienz und akutem Nierenversagen entwickelte die Patientin einen symptomatischen Aszites sowie Anasarka und musste in der Folge hämodialysiert werden. Der weitere Verlauf war kompliziert, und die Patientin verstarb in pneumogener Sepsis nach Aspiration und Reanimation 2 Wochen nach der Stammzelltransplantation.

Differenzialdiagnosen Differenzialdiagnosen rasch progredienter Mammaraumforderungen umfassen neben primären Mammatumoren

(schlecht differenziertes Mammakarzinom, Sarkom, Phylloidestumor, Riesenfibroadenom) auch Lymphome und sekundäre Mammaneoplasien wie Metastasen und Manifestationen systemischer, hämatoonkologischer Erkrankungen wie z. B. der AML. Chlorome („chloros“, griech. grün), auch bezeichnet als granulozytäre Sarkome, Myeloblastome oder „grüne Tumoren“, sind extramedulläre, solide Tumoren als Manifestationen einer AML oder anderer myeloproliferativer Erkrankungen und kommen bei der AML in 3–8% der Fälle vor [1, 4]. Sie können beim nichtleukämischen Patienten der hämatologischen/medullären Manifestation vorausgehen, einen Schub oder ein Rezidiv an-

Fachnachrichten kündigen oder koinzidentell auftreten. Typisch ist ein Befall von Lymphknoten, Knochen, ZNS, Haut und Weichteilen, der Befall von Darm, Lunge oder der Brustdrüse ist jedoch sehr selten [3, 5].

Fazit Bildmorphologisch suspekt, ätiologisch jedoch unspezifisch präsentierten sich die Chlorome unserer Patientin, sodass die endgültige Diagnose – wie so oft in der Radiologie – ohne entsprechende klinische und anamnestische Angaben kaum getroffen werden kann.

Korrespondenzadresse Dr. U. Schedelbeck Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum Würzburg, Oberdürrbacherstr. 6, 97080 Würzburg [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  U. Schedelbeck, A. Strehl, K. Herrmann, T. Bley, C.O. Ritter geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur 1. Anders M, Düber C, Teifke A, Gamm H (2000) Das Chlorom (granulozytäres Sarkom, Myeloblastom). Rofo 172:282–286 2. Itoh A, Ueno E, Tohno E et al (2006) Breast disease: clinical application of US elastography for diagnosis. Radiology 239:341–350 3. Kim SJ, Hong WS, Jun SH et al (2013) Granulocytic sarcoma in breast after bone marrow transplantation. J Breast Cancer 16(1):112–116 4. Mereuta A, Steinhauser Motta JP, Kempa AT, Stanzel F (2013) Zwei Patientinnen mit einer mediastinalen Raumforderung und Verlegung eines Hauptbronchus durch ein Chlorom. Pneumologie 67P506 5. Pfannenberg AC, Horger M, Lengerke C, Claussen CD (2004) Chlorom der Nebenniere und des Peritoneums: CT-Diagnostik einer seltenen Erstmanifestation der akuten myeloischen Leukämie (AML). Rofo 176-P030

Biologika-Therapie nach Krebserkrankung: kein erhöhtes Rückfallrisiko Gentechnisch hergestellte Rheumamedikamente – sogenannte Biologika – standen lange im Verdacht, das Rückfallrisiko bei Krebspatienten zu erhöhen. Neue Daten entkräften diese Annahme. Insgesamt werden derzeit deutschlandweit etwa 64.000 Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA) mit Biologika behandelt. Das RABBIT-Register erfasst seit 2001 die Krankheitsverläufe von fast 13.000 dieser Patienten. Forscher des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums in Berlin werteten nun in einer bisher unveröffentlichten Studie die Daten von 367 Patienten aus, die in der Vergangenheit an Krebs erkrankt waren. Etwa gleich große Patientengruppen wurden entweder nur mit synthetischen Basistherapeutika (sDMARD), mit dem Biologikum Rituximab oder TNF-alpha-Inhibitoren behandelt. Einige Patienten erhielten andere Biologika. Es zeigte sich kein erhöhtes Risiko für ein Krebsrezidiv bei RAPatienten mit einer etwa drei bis sieben Jahre zurückliegenden Krebserkrankung bei einer Biologika-Therapie im Vergleich zur sDMARDBehandlung. Nicht abschließend geklärt ist das Risiko für das Auftreten von Hautkrebs unter einer TNF-Inhibitor-Behandlung. Bisher liegen wenige Daten vor, die mit zwei zusätzlichen Melanomen je 10.000 Patientenjahren unter TNF-Inhibitor-Therapie ein leicht erhöhtes Risiko zeigen. Weitere Studien sollen hier Klarheit bringen. Da RA-Patienten aber per se ein erhöhtes Krebsrisiko tragen, raten die Forscher ihnen zur Teilnahme an Angeboten zur Krebsfrüherkennung.

Kindermumie: Todesursache Herzfehler Wissenschaftler und Herzspezialisten des Herz- und Diabeteszentrums NRW haben bei der Detmolder Kindermumie das seltene Hypoplastischen Linksherzsyndrom als Todesursache diagnostiziert. Die Mumie des acht bis zehn Monate alten Kindes stammt ursprünglich aus Peru und wird im Lippischen Landesmuseum Detmold ausgestellt. Im Rahmen des „Deutschen Mumien-Projekts“ wurde ihr Alter auf 6500 Jahre bestimmt. Über die Todesursache jedoch gab es lange nur Vermutungen. Herzspezialisten rekonstruierten nun in einer Kooperation mit Informatikern der Universität Paderborn mittels ComputertomographieAufnahmen ein 3-D-Modell des Herzens der Mumie. So stellten Sie fest, dass das Kind an dem sehr seltenen angeborenen Hypoplastischen Linksherzsyndrom starb. Typisch für diese Erkrankung ist eine sehr kleine linke Herzkammer sowie eine deutlich vergrößerte rechte Herzkammer. Begleitend findet sich häufig auch ein Fehlen der Scheidewand zwischen dem rechten und linken Herz-Vorhof und eine stark erweiterte Lungenschlagader. Diese komplexe Herzfehlbildung führt unbehandelt im frühen Säuglingsalter zum Tod. Heute können bei frühzeitiger Diagnose die meisten Patienten mit drei Operationen so behandelt werden, dass ein weitgehend normales Leben möglich ist. Die Erkenntnisse der Forscher belegen erstmalig, dass der schwerwiegende Herzfehler bereits vor Tausenden von Jahren vorgekommen ist. Quelle: Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum, www.hdz-nrw.de

Quelle: Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)

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