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Fachwissen: Leser fragen

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Maschinelle Autotransfusion

Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Ernil Hansen1 Klinik für Anästhesiologie / Klinikum der Universität Regensburg

Die maschinelle Autotransfusion (MAT) hat die Direktretransfusion von Wund- und Drainageblut abgelöst und ist seit Jahren ein etabliertes, sicheres, zuverlässiges und erfolgreiches Verfahren zur Verringerung von Transfusionsrisiken. Zur Anwendung gibt es allerdings immer wieder Fragen.

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MAT und heparininduzierte Thrombopenie: Beim Einsatz von Sammelbehältern und Geräten zur MAT, z. B. „C.A.T.S.“ der Firma Fresenius oder „Cellsaver“ der Firma Haemonetics, wird regelhaft Heparin als Antikoagulans eingesetzt. Kann bzw. darf diese Antikoagulation mit Heparin auch bei Patienten angewandt werden, bei denen ein heparininduzierter ThrombopenieTyp II (HIT II) vorliegt oder vermutet wird? Oder gibt es hierfür Empfehlungen, andere Wege zur Antikoagulation zu gehen, z. B. Zitratlösungen zu verwenden?

Kontraindiziert Die Verwendung von Heparin zur Antikoagulation bei MAT gilt bei vorliegender HIT II als kontraindiziert. Es erfolgt keine vollständige Auswaschung und bereits geringe Restmengen Heparin können die HIT-Komplikationen auslösen [1, 2]. Vor allem stehen mehrere praktikable Alternativen zur Verfügung. Danaparoid Danaparoid wurde als Antikoagulans getestet und vorgeschlagen [3]. Empfohlen wird eine Konzentration in der Lösung von 3 E/ml NaCl-Lösung und im Wundblut von 0,6 E/ml. Für einen Liter Antikoagulanslösung sind also 4 Ampullen à 750 E nötig, mit Kosten von 114,80 € (laut Roter Liste 2013). Ein Leserbrief äußerte sich kritisch [4], da Kreuzreaktionen mit Heparin auftreten können. Weitere Nachteile sind die lange Halbwertszeit und die erhöhte Empfindlichkeit bei Niereninsuffizienz.

Lepirudin Ebenso wurde Lepirudin getestet und vorgeschlagen [5]. Auch hier äußerte sich ein Leserbrief kritisch [6]. Lepuridin kann eine allergische Reaktion auslösen. Es ist derzeit nicht mehr im Handel. Argatroban Prinzipiell kommt auch Argatroban in Frage, allerdings liegen bisher keine Publikationen dazu vor. Der Hersteller empfiehlt eine Konzentration von 50 mg / 1000 ml NaCl-Lösung und von 10 μg/ml Wundblut. Für 1 l Antikoagulanslösung wird demnach eine Verpackungseinheit mit 2,5 ml Argatroban 100 mg/ml benötigt, mit Kosten von 233,12 € (laut Roter Liste 2013). Zitrat Wegen des Fehlens allergischer Reaktionen und aus Kostengründen erscheint Zitrat als Antikoagulans empfehlenswert [1, 4]. Zur Verfügung stehen hier Blutstabilisator-Lösungen wie ACD, die in Blutdepots Verwendung finden. Aus einem 21 %-igem Zitrat-Konzentrat (Seracit 1M ®, 250 ml-Beutel) kann durch Zugabe von 100 ml zu 900 ml NaCl-Lösung eine geeignete Mischung hergestellt werden. Als reine Zitratlösung ist aber auch eine 4 %-ige Fertiglösung verfügbar (Sodium Citrate 4 % ®, 1 l-Beutel). Gegenüber Heparin bewirkt Zitrat mehr Hämolyse, aber eine geringere Komplement- und Thrombozytenaktivierung [7]. Nachteilig ist die Kumulationsgefahr, wenn eine Leberinsuffizienz die Zitrat-Metabolisierung stark einschränkt. Die Kosten für 1 l Antikoagulanslösung mit Zitrat belaufen sich auf nur etwa 10 €.

Grundsätzliche Regeln Für die Antikoagulation bei MAT mit diesen Substanzen, einschließlich Heparin, gilt grundsätzlich: ▶ Die Antikoagulanslösung, d. h. die Substanz angesetzt in 1 l NaCl oder eine Fertiglösung, soll mind. in einem Verhältnis von 1 : 5 dem Wundblut zugesetzt werden – eher großzügig, denn jede Gerinnungsaktivierung erhöht die Kontamination mit biologisch aktiven Stoffen und jedes koagulierte Wundblut ist für eine Retransfusion verloren. ▶ Die Elimination wird besser nicht als Konzentrationsveränderung beschrieben (Reservoir vs. MAT-EK; wie in [3] und [5]), sondern als Verringerung der Substanzmenge, die ja auch die Belastung und die Nebenwirkungen bestimmt [8]. ▶ Bei regelgerechtem Betrieb wird das Antikoagulans wie alle im Plasma gelösten Substanzen zu 90–99 % ausgewaschen. Der Automatikbetrieb erreicht diese hohe Eliminationsrate am sichersten – im Gegensatz zu einem verringerten Waschvolumen, einer erhöhten Aufbereitungsgeschwindigkeit (z. B. Notfall-Programme) oder wenn „halbvolle Glocken“ (bei Geräten mit LathamZentrifugenkammer) gewaschen werden [1]. In letzterem Fall fließt die Waschlösung am Erythrozytensediment bevorzugt vorbei und das Volumen des Überstands mit restlichem Antikoagulans im MAT-EK ist erhöht. ▶ Keine Substanz wird mit der MAT vollständig entfernt. Deshalb ist es bei der Abwägung wichtig, ob quantitative (z. B. mengenabhängige Gerinnungshemmung) oder potenzierende Zusammenhänge (allergische Reaktionen, Kaskadenaktivierung) zu berücksichtigen sind.

Leser fragen – Experten antworten. Die maschinelle Autotransfusion. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2014; 49: 308–309

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Systeme zur Wund- / Drainageblutretransfusion und Retransfusion via MAT: Nach wie vor finden in den Krankenhäusern Systeme zur Retransfusion von Wund- / Drainageblut ohne weitere Aufbereitung („Waschen“) Anwendung, obwohl diese in den Hämotherapierichtlinien (Richtlinien 2005, Punkt 2.8.3) ausdrücklich nicht empfohlen werden. Darf – medizinisch und rechtlich – das mit Systemen zur direkten Retransfusion von Wund- oder Drainageblut gewonnene Blut mittels Geräten zur MAT aufbereitet und schließlich in so aufbereitetem („gewaschenem“) Zustand retransfundiert werden?

Gefahren Eine Retransfusion von ungewaschenem Drainageblut würde in Deutschland Ignoranz gegenüber Fortschritt und Standards der Transfusionsmedizin sowie gegenüber den bestehenden rechtlichen Regelungen bedeuten. Die Gründe gegen ein solches Verfahren sind ausreichend dargelegt und belegt [1– 3]. Die rechtliche Beurteilung ist eindeutig. In den Hämotherapie-Richtlinien [4] und den Querschnitts-Leitlinien [5] – nach dem Transfusionsgesetz der Stand der Wissenschaft – heißt es dazu unter Punkt 2.8.3, bzw. 10.1.1.3: „Die Transfu-

MAT-Geräte Das Sammeln von Drainageblut in sterilen Einmalsystemen kann demnach durchaus medizinisch sinnvoll sein und die Retransfusion nach maschineller Aufbereitung rechtlich zulässig. Allerdings sind „Systeme zur direkten Retransfusion“ dazu weder notwendig noch besonders geeignet oder günstig. Sie sind weitaus teurer als die entsprechenden Reservoir- oder Drainagevorrichtungen der Autotransfusionsgeräte, und eine Verbindung mit Autotransfusionsgeräten zum Einleiten des Wundblutes in die Waschzentrifuge ist nicht vorgesehen oder vorbereitet. Dagegen sind für die verschiedenen MATGeräte Sammelsysteme auch für Drainageblut verfügbar und zugelassen. Einzelne MAT-Geräte (wie OrthoPAT® und CardioPAT®) sind speziell für die Verarbeitung von Drainageblut entwickelt worden, andere (wie Cell Saver®, Electa®, XTRA® oder C.A.T.S. ®) nutzen das Reservoir für intraund postoperative Autotransfusion. Leitlinien Die Aufbereitung und Retransfusion von Drainageblut hat sich insbesondere in der Orthopädie [6, 7] und der Herzchirurgie [8] etabliert und bewährt. In einer Leitlinie der Society of Thoracic Surgeons und der Society of Cardiovascular Anesthesiologists wird die postoperative Retransfusion von gewaschenem Mediastinalblut in Kombination mit anderen blutsparenden Maßnahmen mit Evidenzgrad B ausdrücklich empfohlen [9]. Eine Direktretransfusion dagegen wird auch dort strikt abgelehnt: „Direct reinfusion of shed mediastinal blood from postoperative chest tube drainage is not recommended as a means of blood conservation and may cause harm. (Level of evidence B).”

Fazit Die Verwendung von Heparin zur Antikoagulation bei MAT gilt bei vorliegender HIT II als kontraindiziert. Brauchbare Antikoagulanzien mit jeweiligen Vor- und Nachteilen sind Danaparoid, Lepirudin, Argotroban sowie Zitrat. Eine Retransfusion von ungewaschenem Drainageblut ist mit dem heutigen Stand der Wissenschaft nicht zu verantworten. Die MAT ist eine praktikable Alternative. ◀

Literaturverzeichnis 1 Hansen E, Pawlik M. Reasons against the retransfusion of unwashed wound blood. Transfusion 2004; 44: 45–53 (Suppl. 2) 2 Waters JH, Dyga RM. Postoperative blood salvage: outside the controlled world of the blood bank. Transfusion 2007; 47: 362–365 3 Liumbruno GM, Waters JH. Unwashed shed blood: should we transfuse it? (Comment) Blood Transfus 2011; 9: 241–245 4 Bekanntmachung der Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie) gemäß §§12 und 18 des Transfusionsgesetzes (TFG). Bundesanzeiger 2010; 62: Nr.101a 5 Bundesärztekammer. Querschnitts-Leitlinie zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten, 4. Auflage 2008, zuletzt geändert Januar 2011 6 del Trujillo MM, Carrero A, Munoz M. The utility of the perioperative autologous transfusion system OrthoPAT® in total hip replacement surgery: a prospective study. Arch Orthop Trauma Surg 2008; 128: 1031–1038 7 Thomas D, Wareham K, Cohen D, Hutchings H. Autologous blood transfusion in total knee replacement surgery. Br J Anaesth 2001; 86: 669–673 8 Wang G, Bainbridge D, Martin J, Cheng D. The efficacy of an intraoperative cell saver during cardiac surgery: a meta-analysis of randomized trials. Anesth Analg 2009; 109: 320–330 9 The Society of Thoracic Surgeons Blood Conservation Guideline Task Force, Ferraris VA et al. Perioperative blood transfusion and blood conservation in cardiac surgery: the society of thoracic surgeons and the society of cardiovascular anesthesiologists clinical practice guideline. Ann Thorac Surg 2007; 83: 27–86 (Suppl. 1)

Interessenkonflikt Der Autor hat in den letzten 3 Jahren mit den 3 Autotransfusionsgeräte-Herstellern Fresenius, Haemonetics und Sorin gemeinsame Workshops über „QM der MAT“ gehalten und mit Sorin firmenunterstützte MATForschung durchgeführt.

Beitrag online zu finden unter http://dx. doi.org/10.1055/s-0034-1376448

Leser fragen – Experten antworten. Die maschinelle Autotransfusion. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2014; 49: 308–309

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Literaturverzeichnis 1 Hansen E, Seyfried T. Maschinelle Autotransfusion. Anaesthesist 2011; 60: 381–390 2 Waters J, Shander A. Perioperative blood management : A Physicians Handbook. 2. Aufl. Bethesda: American Association of Blood Banks; 2009: 67–69 3 von Lüpke U, Marx A, Teßmann R, Lindhoff-Last E. Danaparoid (Orgaran) zur Antikoagulation bei der maschinellen Autotransfusion mit Cell Saver 5 (Haemonetics). Anaesthesist 2001; 50: 26–31 4 Lorentz A. Leserbrief: Es geht sicherer und kostengünstiger ... Anaesthesist 2001; 50: 792 5 Marx A, von Lüpke U, Teßmann E, Lindhoff-Last E. Auswaschverhalten von Lepirudin als Antikoagulans bei der maschinellen Autotransfusion mit dem cell-saver. Anesth Intensivmed 2001; 36: 162–166 6 Lorentz A. Leserbrief zu „Auswaschverhalten von Lepirudin …“. Anasthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2001; 36: 768–769 7 Mortelmans Y, Vermaut G, Van Aken H et al. Quality of washed salvaged red blood cells during total hip replacement: a comparison between the use of Heparin and Citrate as anticoagulants. Anesth Analg 1994; 79: 357–363 8 Hansen E, Dietrich D, Kasper SM et al. Vorschläge zum internen Qualitätsmanagement bei der Retransfusion von intra- oder postoperativ gewonnenem Wund- / Drainageblut. Anästhesiologie & Intensivmedizin 2002; 43: 81–84

sion von intra- oder postoperativ gesammeltem Wund- oder Drainageblut ohne vorherige Aufbereitung (Waschen) kann aufgrund der Gefahr einer Gerinnungsaktivierung, Zytokin- und evtl. Endotoxineinschwemmung sowie Einschwemmung anderer biologisch aktiver Substanzen nicht empfohlen werden.“ Vor allem steht eine praktikable Alternative zur Verfügung: die MAT.

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