FORTBILDUNG

NOTFALLCHECKLISTE

Rektumprolaps Beim Hausbesuch im Altenheim fragt Sie die besorgte Schwester, ob Sie sich den Anus einer 78-jährigen Heimbewohnerin mit einem demenziellen Syndrom ansehen können. Ihr sei heute bei der Pflege etwas Merkwürdiges aufgefallen. Die Frau hatte einige Tage vorher schon über Schmerzen nach dem Stuhlgang geklagt, und eine Kollegin der Schwester hatte auch einmal Blut am Stuhl bemerkt.

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Sofortdiagnostik Sie können mit einem Blick die Diagnose stellen: für einen ausgetretenen Rektumprolaps sind zirkulär angeordnete rosarote Falten typisch, vergleichbar mit einem Bienenkorb. Sämtliche Wandschichten des Rektums sind durch den nicht mit prolabierten Anus ausgetreten. Beim Analprolaps, einer Ausstülpung der Analhaut bzw. -schleimhaut, verlaufen die Falten radiär radiär, und der Analsphinkter ist intakt, wenn auch mit vermindertem Tonus. Die Schleimhaut fühlt sich sehr fest an, weil sie aus zwei vollständigen Darmwänden besteht und ein peritonealer Bruchsack dazwischen liegen kann. Häufig findet man ein Schleimhautödem, gelegentlich Ulzerationen. Ein Rektumprolaps kann in jedem Alter vorkommen, er findet sich jedoch gehäuft bei Kindern vor dem dritten Lebensjahr und bei älteren Erwachsenen. Frauen sind fünfmal häufiger als Männer betroffen. Prädisponierend sind

Abb. 2 Colostomie-Öffnung einer 81jährigen Patientin mit Z. n. Rektumkarzinom; Melanosis der Kolonschleimhaut infolge eines langjährigen Gebrauchs von Laxanzien vom Anthrachinon-Typ.

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zahlreiche vaginale Geburten und eine chronische Obstipation durch ein Sigma elongatum. Bei Kindern kann auch eine chronische Diarrhö die Ursache sein. Zu Beginn kommt es zur Invagination der Schleimhaut des oberen Rektumsanteils in die Rektumampulle (innerer Prolaps). Durch Reiben der Schleimhäute aneinander können Blutungen auftreten. Im Lauf der Zeit stülpen sich alle Wandschichten durch den Analkanal, sodass ein äußerer Prolaps entsteht. Symptome

Die Patienten klagen über ziehende Schmerzen, Druck- und Fremdkörpergefühl im Anorektalbereich. Es kann auch zu Blutungen aus Verletzungen oder Ulzera kommen. Die Patienten reponieren den Prolaps oft lange Zeit selbst und gehen erst zum Arzt, wenn Komplikationen auftreten. Häufig geht der reponierbare Prolaps mit einer Obstipation einher, seltener kommt es zur Diarrhö und zu unkontrollierten Stuhlabgängen. Mögliche Ursachen Die genauen Ursachen sind unklar. Diskutiert werden eine hereditäre Schwäche des Beckenbodens bzw. der Sphinktermuskulatur, Schwangerschaften, Dammrisse, ständige Erhöhung des intraabdominellen Drucks, chronische Obstipation oder anatomische Anomalien. Therapeutische Maßnahmen Sofern kein ausgeprägtes Schleimhautödem vorliegt, kann der Prolaps akut re-

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Abb. 1 Rektumprolaps.

poniert werden. Man drückt den Vorfall mit gut eingefetteten Handschuhen vorsichtig zurück. Vorher kann man versuchen, ein mögliches Ödem auszudrücken. Dieses Verfahren darf nicht angewandt werden, wenn Hinweise auf einen fi xierten, inkarzerierten Prolaps bestehen, z. B. eine düsterrote Schleimhautverfärbung. Hier kann einen eine Melanosis coli in die Irre führen (s. Abb. 2). Eine dauerhafte Sanierung des Rektumprolaps muss nach entsprechender endoskopischer und elektromyografischer Abklärung chirurgisch erfolgen. Wegen der ätiopathogenetischen Unklarheiten wurde eine Reihe von Op.Verfahren vorgeschlagen, die entweder eine Verengung der Analöff nung oder eine abdominelle Rektopexie unter Verwendung von Kunststoffimplantaten anstreben. Wegen der möglichen unangenehmen Folgen sollte man sich in die Hände eines spezialisierten Kolorektalchirurgen begeben. Woran noch denken, was noch tun? Die Differenzialdiagnose des Rektumprolaps umfasst prolabierte Hämorrhoiden, Analprolapse, größere vorgefallene anorektale Polypen oder Tumoren. Auch an monströs hypertrophe Marisken oder perianale Thrombosen sollte man denken. Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. med. Hermann S. Füeßl Privatpraxis für Integrative Innere Medizin Renatastraße 30, D-80639 München E-Mail: [email protected]

MMW-Fortschr. Med. 2015; 157 (4)

[Rectal prolapse].

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