Herzog u. a.: Zuverlässigkeit des Haemoccult-Tests

Deutsche Medizinische Wochenschrilt

Aktuelle Diagnostik

Redaktion: Prof. Dr. H. Hornbostel, Hamburg Prof. Dr. W. Kaufmann, Köln Prof. Dr. W. Siegenthaler, Zürich

Die Zuverlässigkeit des Haemoccult-Tests

Dtsch. med. Wschr. 103 (1978), 48-49 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart.

P. Herzog, K. Ewe und K. H. Hoitermüller I.

Medizinische Klinik und Poliklinik der Universit5t Mainz (Direktor: Prof. Dr. H. P. Wolff)

Seit einem Jahr Ist der Haemoccult-Test Bestandteil der gesetzlichen Vorsorgeuntersuchung. Ziel des Tests Ist der Nachweis von okkultem Blut im Stuhl. Reihenuntersuchungen von 900 asymptomatischen Patienten zeigten nach Testung des Stuhles bei 5% ein positives Ergebnis (3). Durch Folgeuntersuchungen wurden bei 2% der Patienten bis dahin nicht bekannte gastrointestinale Karzinome und Polypen entdeckt. Bei weiteren 2% fand sich eine Divertikulose, während bei 1% keIne Biutungsquelle gefunden wurde. Vergleichbare Untersuchungen in Deutschland haben ähnliche Ergebnisse erbracht (2). In letzter Zelt häufen sich jedoch Mitteilungen über falsch-negative Haemoccuit-Tests und deren mögliche Ursachen (1, 4, 5, 7, 8-10). Diese Berichte haben uns veranlaßt, die Aussagefhhlgkeit des Haemoccult-Tests anhand der in der Literatur vorliegenden Daten kritisch zu prüfen. Das Prinzip des Tests beruht auf der peroxi-

Ein Test für Relhenuntersuchungen sollte folgende Anforderungen erfüllen: 1. niedrIger Preis, 2. Praktlkabilität, 3. Reproduzierbarkeit, 4. niedrige Zahl falsch-negativer Ergebnisse, 5. Vermeidung falsch-positiver Befunde. Die Punkte 1-3 scheinen erfüllt: Der Preis für das Testmateriai Ist mit etwa DM 1,- pro Einzeitestung relativ niedrig, die Untersuchung wenig eingreifend, der eigentliche Test kann durch medizinisches Hilfspersonai erfolgen und ist nicht an räumliche oder Instrumentelle Ausstattung gebunden. Die Reproduzlerbarkeit (Beurteilung derselben Proben durch verschiedene Testpersonen) war mit 96%iger Ubereinstimmung (7) deutlich höher als bel den bisher praktizierten Methoden wie GuajakLösung oder Hämatest.

datischen Wirkung des Hämoglobins, welches, in der Stuhiprobe enthalten, auf ein mit haltbarem Guajak-Harz imprägniertes Filterpapier aufgetragen wird. Nach Zugabe von l-2 Tropfen Entwicklerlösung (stabilislertes 11202) wIrd bei Anwesenheit von Hämoglobin Sauerstoff abgespalten, der das Guajak zum blauen Farbstoff oxidiert: 2 H20 + Oa Hämoglobin + 2 H202 oxidiertes Guajak 02 + Guajak (farblos) (blau)

Falsch-negativ heißt: trotz Vorhandenseins von Blut im Stuhl oder trotz vorhandenen Karzinoms ist der Test negativ. Bei der routinemäßigen Anwendung des Haemoccult-Tests geht man von der Annahme aus, daß gastrointestinale Tumoren bluten und somit in einem Frühstadium (schon beim Auftreten von okkultem Blut Im Stuhl) erfaßt werden können. Die Ergebnisse der Reihenun-

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Falsch-negative HaemoccultTestergebnisse

© 1978

Georg Thieme Publishers

tersuchungen bei asymptomatischen Patienten scheinen diese Annahme zu belegen. Sowohl von Greegor (3) als auch von Deyhle und MItarbeitern (1) sowie Warm und Mitarbeitern (10) wurden jedoch auch Karzinome und Polypen bel negativem Ausfall des Haemoccult-Tests nachgewiesen. Diese Befunde weisen darauf hin, daß keineswegs alle Tumoren im Dickdarmbereich durch den Test erfaßt werden. Die Häufigkeit falsch-negativer Haemoccult-Tests für nicht erfaßte Karzinome liegt zwischen 0,1 und 20% (1, 3). Die Analyse der falsch-negativen Ergebnisse hat folgende verschiedene Ursachen aufgezeigt: keine oder zu geringe Blutung des Tumors, Veränderung des Testergebnlsses durch Lagerung der Stuhlproben und Beeinflussung der Tests durch Pharmaka. Blutungsmuster. Greegor (3) hat darauf hingewiesen, daß nicht blutende gastrointestinale Tumoren sehr selten sind. Es fehlen jedoch bis heute ausgedehnte Untersuchungen über das Biutungsmuster (Blutungshäufigkeit und -charakteristik) von Tumoren und Präkanzerosen des Magen-Darm-Traktes. Aus Einzelbeobachtungen Ist bekannt, daß gastroIntestinale Tumoren intermittierend bluintermittierende ten (S). Eine Tumorblutung kann trotz mehrfacher Testung des Stuhls dem Nachweis entgehen und so die Ursache eines falsch-

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Praxis-Forum

Nr. 2, 13. Januar 1978, 103. 3g.

(6). Bei der Durchsicht dieser Ergebnisse

drängt sich die Frage auf, wieviel Blut ein Tumor pro Tag in den Darm abgeben muß, damit er sicher erfaßt wird, und ob es mögiich ist, durch eine baliastreiche Diät die Ausbeute an positiven Tests zu erhöhen. Stroehiein und Mitarbeiter (9) haben mittels einer Isotopenmethode den enteraien Blutverlust verschiedener gastrointestinaler Läslonen quantitativ ermittelt und mit dem positiven Ausfall der Haemoccult-Tests in Beziehung gesetzt. Bei einem Blutverlust von 20-29 mi/d fanden sie bei 82% und bei einem Blutverlust von 30 ml/d bei 93% der Proben einen positiven Ausfall des Haemoccult-Tests. Diese Untersuchungen belegen, daß nicht unerhebliche Mengen an Blut in den Darm gelangen müssen, um zu einem positiven Testergebnis zu führen. Ein Teil der falsch-negativen Ergebnisse ist wohl darauf zurückzuführen, daß der tägliche Blutverlust mancher gastrointestlnaier Tumoren unter der von Stroehlein und Mitarbeitern (9) nachgewiesenen, zum positiven Testausfail erforderlichen Blutmenge liegt. Diät. Die Kenntnis der zum positiven Haemoccult-Test notwendigen Biutmenge im Stuhl veranlaßte einzelne Autoren dazu, Patienten eine schlackenreiche Kost zu verabreichen, unter der Vorstellung, durch mechanische Irritation der Läsion eine Blutung auszulösen oder zu verstärken. Deyhie und Mitarbeiter (1) konnten bei einer Patientengruppe zeigen, daß bei fleischfreier Kost 20% der Karzinome und 50% der Poiypen durch den Haemoccuit-Test nicht erfaßt werden. Durch die zusätzliche tägliche Gabe von 50 g Nüssen zur Diät bei einer zweiten Patientengruppe sank die Zahl der nicht erfaßten Karzlnome auf Null und die der präkanzerosen Polypen auf 30%. Diese Steigerung der Ausbeute an positiven Ergebnissen Ist beeindrukkend, jedoch wurde die Wirkung der unterschiedlichen Diät an zwei verschiedenen Patientengruppen untersucht. Somit kann aus diesen Ergebnissen nicht gefolgert werden, daß die diätetischen Zusätze wie Nüsse die Ausbeute an positiven Tests steigern. Bei weiteren Untersuchungen sollten in »Cross over«-Experimenten unter ballastrelcher und -armer Kost mit der Isotopenmethode der Blutverlust gastrointestinaler Tumoren bestimmt und mit dem Ausfall des Haemoccult-Tests korreliert werden. Erst nach dem Vorliegen

kontrollierter Daten können Empfehlungen für den Ballastgehalt der Nahrung gegeben werden. Lagerung der Stuhiproben. Neben der Blutungscharakterlstik Ist auch die technische Handhabung des Tests von Bedeutung für die Ausbeute eines positiven Ergebnisses. Nach Lagerung der Stuhlproben bei Raumtemperatur über 2-8 Tage werden 14 bzw. 15% der initial positiven Proben negátiv (5, 7). Stroehlein und Mitarbeiter (8) berIchteten, daß nach viertägiger Lagerung bei Raumtemperatur 40% der anfänglich positiven Proben negativ wurden. Aus diesen Untersuchungen folgt, daß das zeitliche Intervall zwischen dem Auftragen der Stuhlproben und der Testung möglichst kurz sein und Lagerung bei Raumtemperatur vermieden werden sollte. Falls eine kurzfristige Lagerung unumgänglich Ist, sollte sie bei 4 C Im Kühlschrank erfolgen, da die Zahl falsch-negativer Ergebnisse unter diesen Bedingungen auf etwa 2% (7) absinkt. Ein Postversand der zu testenden Proben Ist wegen der dadurch bedingten Latenzzeit von 2-3 Tagen zu vermeiden. Wells und Pagano (11) haben kürzlich In einer vorläufigen Mitteilung berichtet, daß Rehydratatlon gelagerter Proben (Zusetzen von l-2 Tropfen Wasser vor der Zugabe der Entwickleriösung) zu einer erheblichen Verminderung falsch-negativer Testungen führt. Einfluß von Pharmaka. Die Einnahme von Ascorblnsäure verursacht falsch-negative Haemoccult-Testergebnisse (4). Da Ascorbinsäure Bestandteil zahlreicher Präparate zur oralen Eisensubstitution Ist, kann das Untersuchungsergebnis verfälscht werden. Eine orale Eisentherapie ohne beigefügte Ascorbinsäure beeinflußt den Haemoccult-Test nicht (5).

Falsch-positive HaemoccultTestergebnisse Ais »falsch-positiv« werden Testergebnisse bezeichnet, die trotz des Fehlens eines blutenden Darmtumors die charakteristische blaue Farbreaktion bei der Untersuchung des Stuhls zeigen. Neben Hämoglobin besitzt auch Myogiobin die Peroxidaseaktivität, an deren Vorhandensein der Haemoccult-Test gebunden ist. Eine hohe MyoglobinkonzentratIon im Stuhl kann eine positive HaemoccuitReaktion hervorrufen. Deshalb sollte eine fleischfreie, gemüse- und früchtereiche Ernährung 3 Tage vor und während der Untersuchung eingehalten werden (3). Eine »falsch-positIve« Haemoccult-Testung kann sowohl durch exogen zugeführtes Hämo- oder Myoglobln ais auch durch eine enterale Blutung nach Salicylat-Therapie hervorgerufen wer-

den. Die Beachtung der oben erwähnten diätetischen Empfehlungen ebenso wie das Absetzen saiicylsäurehaltlger Medikamente wird den Anteil falsch-positiver Testergebnisse herabsetzen (1, 3).

Bewertung

Unter Beachtung der erwähnten dlätetischen Empfehlungen kann der Haemoccuit-Test zum Nachweis von okkultem Blut, das ein Frühsymptom des Dickdarmtumors sein kann, eingesetzt werden. Neuere Untersuchungen haben jedoch eine Rate falsch-negativer Ergebnisse von 15-20% bei Karzinomen gezeigt. Eine Steigerung der Empfindlichkeit des Tests kann durch Absetzen interferierender Medikamente, beispielsweise Ascorbinsäure, und eine möglichst rasche Testung der Stuhiproben erreicht werden. Da aber ein gastrointestinaler Blutverlust von 20-30 mi/d erforderlich Ist, um den Haemoccult-Test In einem hohen Prozentsatz positiv werden zu lassen, wird sich stets bei einer bestimmten Anzahl von Tumorpatienten ein falsch-negativer Testausfall ergeben. Diese experimentellen Befunde belegen ebenso wie die Beobachtung von Warm und Mitarbeitern (10) die Notwendigkeit der eingehenden klinischen röntgenologisch-endoskopischen und Untersuchung bei Verdacht auf einen Tumor im Gastrointestinaltrakt auch bei negativer Haemoccult-Testung. Literatur Deyhie, P., H. J. Ntiesch, E. Kobler, S. Jenny, H. SAubeñi: Der Haemoccult-Test in der vorsorge des Dickdarmkarzinoms. (vorlaufige Mitteilung.) Schweiz. med. Wschr. 106 (1976), 297. Gnauck, R.: Okkuites Blut im Stuhl als Suchtest nach kolorekialem Krebs und pr8kanzer6aen Polypen. z. Gastrocnt. 12 (1974), 239. Greegor, D. H.: Occult blood testing for detection of asymptomatic colon cancer. Cancer (Philad.) 28 (1971), 131.

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Dr. P. Herzog, Prof. Dr. K. Ewe, Prof. Dr. K. H. Holtermüller I. Medizinische Klinik und Poliklinik der Universität 6500 MaInz, Langenbeckstr. 1

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negativen Tests sein. Eine Steigerung der Stuhiuntersuchungen auf mehr als drei führt nur zu einer minimaien Zunahme der entdeckten Tumoren oder Präkanzerosen im Gastrointestinaitrakt

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[Reliability of hemoccult test].

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