Leitthema Med Klin Intensivmed Notfmed 2014 DOI 10.1007/s00063-013-0322-3 Eingegangen: 26. Februar 2014 Angenommen: 19. März 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

K. Lenz · M. Binder · R. Buder · A. Gruber · B. Gutschreiter · M. Voglmayr

Das Auftreten einer Niereninsuffizienz (NI) ist eine häufige und meist schwerwiegende Komplikation bei Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung. Die Niereninsuffizienz geht mit einer erhöhten Mortalität einher, wobei diese vom Auslöser abhängig ist [25]. Die 3-MonatsÜberlebensprognose des Patienten mit Niereninsuffizienz im Rahmen eines hepatorenalen Syndroms (HRS) beträgt 15–30%. In rezenten Studien wurde gezeigt, dass bereits geringgradige Einschränkungen der Nierenfunktion in Abhängigkeit davon, ob sie frühzeitig verbessert oder zumindest stabilisiert werden kann, mit einer deutlich erhöhten Mortalität assoziiert sind [30, 43]. Die Mortalität wird zusätzlich von der Schwere der Lebererkrankung bestimmt [4].

ten durch eine adäquate Volumentherapie die Nierenfunktionseinschränkung gebessert werden. Bei etwa einem Drittel führt eine adäquate Volumentherapie jedoch zu keiner Verbesserung bzw. Normalisierung der Nierenfunktion. Dies wird als hepatorenales Syndrom (HRS) bezeichnet. Das HRS wird als ein funktionelles Nierenversagen definiert, das durch eine adäquate Volumenexpansion nicht gebessert werden kann. Als adäquate Volumentherapie wird die Gabe einer Albuminlösung mit einer Albumindosierung von 1 g /kgKG empfohlen. Obwohl auslösende Ursachen, wie gastrointestinale Blutung, Infektion, sog. Überdiurese etc., in der Vorgeschichte oft zu eruieren sind, kann das HRS sich auch spontan entwickeln. Es können 2 Typen unterschieden werden [34]: F HRS Typ 1 mit einer raschen Verschlechterung der Nierenfunktion, definiert als Anstieg des Serumkreatinins auf das Doppelte des Ausgangs-

Ursachen und Häufigkeit Eine NI kann bei etwa 20% der mit einer Leberzirrhose stationär aufgenommenen Patienten im Rahmen ihres Klinikaufenthalts beobachtet werden [15]. Mehr als die Hälfte der Patienten, die mit Aszites stationär aufgenommen werden, entwickelt zusätzlich in den folgenden 14 Monaten eine NI [41]. Bei etwa einem Drittel der Patienten kann eine intrarenale, bei zwei Dritteln eine prärenale Komponente, bei 1% eine postrenale Ursache als Auslöser des Nierenversagens gefunden werden (. Abb. 1; [15]). Histologische Veränderungen der Niere wurden noch häufiger gefunden [40]. Bei prärenalem Nierenversagen kann bei über 60% der Patien-

Abteilung Innere Medizin und Intensivmedizin, Konventhospital Barmherzige Brüder Linz, Linz

Niereninsuffizienz bei Patienten mit Leberinsuffizienz werts und >2,5 mg/dl innerhalb von 2 Wochen und F HRS Typ 2 mit einer langsamen Verschlechterung der Nierenfunktion und einem Serumkreatinin >1,5 mg/ dl. Dies geht parallel meist mit einer Verschlechterung der Leberzirrhose sowie mit portaler Dekompensation und dem typischen Befund eines therapierefraktären Aszites einher.

Hepatorenales Syndrom Pathophysiologie Bei Patienten mit Leberzirrhose kommt es parallel zur Zunahme der portalen Hypertension zu einer progredienten Abnahme des systemischen Gefäßwiderstands, vorwiegend bedingt durch eine Vasodilation im Splanchnikusgebiet. Zu Beginn kann durch eine Erhöhung des Herzminuten-

Zirrhose

akute Niereninsuffizienz 19%

postrenal 68%

intrarenal 32%

chronische Niereninsuffizienz 1%

prärenal 1%

Abb. 1 9 Ursachen und Häufigkeit der Niereninsuffizienz bei Zirrhose. (Adaptiert nach [15])

Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 2014 

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Leitthema Erhöhter intrahepatischer Gefäßwiderstand Portale Hypertension

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verminderter sinusoidaler Blutfluss

Aktivierung des hepatorenalen Reflexes Arterielle Vasodilation im Splanchnikusstromgebiet

Stimulierung der renalen sympathischen Aktivität Renale Vasokonstriktion

Zirrhotische CMP Abnahme des effektiven Blutvolumens

Abnahme der Nierendurchblutung vermehrte tubuläre Natriumrückresorption

Aktivierung der Barorezeptoren

Aktivierung des Sympathikus, des RAAS Nichtosmotische Ausschüttung von ADH → Vermehrte renale Wasserrückresorption Abnahme der Nierendurchblutung Nierenversagen – hepatorenales Syndrom

volumens (HZV) dieser erhöhte Blutfluss in das Splanchnikusgebiet kompensiert und eine suffiziente Durchblutung aller Organe aufrecht erhalten werden. Bei fortgeschrittenem Stadium der portalen Dekompensation ist die Möglichkeit der Erhöhung des HZV ausgeschöpft.

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Es kommt zu einer Umschichtung des Blutflusses in das Splanchnikusstromgebiet Es kommt zu einer Verminderung des effektiven Blutvolumens und einer Umschichtung des Blutflusses aus verschiedenen Organen – wie der Niere – in das Splanchnikusstromgebiet ( . Abb. 2). Bei bereits geringgradig eingeschränkter Herzfunktion, einhergehend auch ohne klinische Zeichen einer Herzinsuffizienz und verursacht durch auslösende Ursachen, wie z. B. Alkohol, Hämochromatose, Hepatitis C [29] oder zirrhotische Kardiomyopathie, tritt die Nierenfunktionsstörung aufgrund der fehlenden Kompensationsmöglichkeit bereits früher ein. Sie wird vielfach als einer der Auslöser für die Entwicklung eines HRS diskutiert [19]. Der arterielle Blutdruck wird durch Stimulierung der Barorezeptoren über eine Aktivierung vasopressorischer Systeme, wie das Renin-Angiotensin-Aldos-

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teron-System (RAAS), das sympathische Nervensystem und die nichtosmotische Ausschüttung von Vasopressin, aufrechterhalten. Dies führt einerseits zu einer renalen Vasokonstriktion, andererseits zu einer vermehrten renalen Wasserrückresorption. Eine erhöhte sympathische Aktivität führt ferner zu einer Aufhebung der Autoregulation der Nierendurchblutung, wodurch die Nierenfunktion von der Höhe des Blutdrucks abhängig wird [39]. Die Aktivierung eines hepatorenalen Reflexes – bedingt durch eine Zunahme des sinusoidalen Drucks bzw. durch Verminderung des sinusoidalen Blutflusses [21] – führt zu einer Stimulation efferenter sympathischer Fasern, die im Lumbalbereich umgeschaltet werden und mit einer Erhöhung der Aktivität der renalen sympathischen Fasern und konsekutiver renaler Vasokonstriktion einher gehen [37]. Ferner wird eine erhöhte Synthese humoraler und renaler vasoaktiver Mediatoren postuliert [9].

Diagnose und Klinik Die diagnostischen Kriterien des hepatorenalen Syndroms beinhalten nach [34] die folgenden Kriterien: F fortgeschrittene Zirrhose mit Aszites; F Serumkreatinin >1,5 mg/dl (>133 µmol/l);

Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 2014

Abb. 2 9 Pathomechanismen zur Entstehung des hepatorenalen Syndroms. CMP Kardiomyopathie, RAAS Renin-AngiotensinAldosteron-System, ADH antidiuretisches Hormon

F fehlender Serumkreatininanstieg (500 mg/dl, Mikrohämaturie (6 l Aszites vermindert die Infusion von Humanalbumin in einer Dosierung von 8 g pro entferntem Liter Aszites ebenfalls das Auftreten einer Niereninsuffizienz [14]. Bei Patienten mit Alkoholhepatitis wurde durch Gabe von Pentoxifyllin das Auftreten eines Nierenversagens nach einem Monat, jedoch nicht nach 6 Monaten vermindert [26]. Aszites stellt bei Zirrhose einen relevanten Risikofaktor für eine kontrastmittelinduzierte Nephropathie dar, das Risiko bei normaler Nierenfunktion ohne Aszites ist hierbei unklar. Es wird jedoch empfohlen, dass alle Patienten mit Leberinsuffizienz, bei denen eine Kontrastmitteluntersuchung durchgeführt wird, standardmäßig im Rahmen einer entsprechenden Prophylaxe mit Kristalloiden hydriert werden [23].

Therapie des hepatorenalen Syndroms Die meisten Studien umfassen die Gabe von Vasopressoren in Kombination mit Albumin (. Tab. 1). Die ersten wurden bereits vor über 40 Jahren mit Vasopressinanaloga durchgeführt [18]. Vor über 30 Jahren wurde gezeigt, dass die Gabe von Ornipressin bei Patienten mit HRS zu einer Verbesserung der Nierendurchblutung und der glomerulären Filtrationsrate führt [22]. In der Folge wurden durch Terlipressin diese Befunde bestätigt. Terlipressin ist ein synthetisches Peptid, das aus einem Lysin-Vasopressin-Molekül und 3 zusätzlichen Glyzinresten besteht. Es wird über Exopeptidasen in das aktive Lysin-Vasopressin mit maximalen Plasmaspiegeln nach 60–120 min und einer vorwiegenden V1-agonistischen Wirkung metabolisiert. Zusätzlich besteht ein akuter Effekt mit raschem Wirkeintritt und kurzer Wirkdauer [33]. Die Dosierung von Terlipressin betrug in den meisten Studien 0,5–2 mg als Bolusinjektion alle 6 h, wobei die Dosis bis zum Ansprechen (Abfall des Serumkreatinins

[Renal insufficiency in patients with hepatic insufficiency].

Renal dysfunction is a common complication of cirrhosis, occurring in approximately 20 % of all hospitalized patients with cirrhosis and associated wi...
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