Bronchusstumpfnachresektion und Deckung von kontralateral – eine Möglichkeit zur Versorgung einer späten Bronchusstumpfinsuffizienz nach Pneumektomie Resection and Coverage of a Bronchial Stump by Contralateral Thoracotomy – A Therapeutic Option Einleitung

Fallbericht

!

!

Die Inzidenz der Bronchusstumpfinsuffizienz (BSI) nach Pneumektomie wird zwischen 0 und 16% angegeben [1–3]. Es handelt sich um eine lebensbedrohliche Komplikation mit einer Letalität von 6–21,2 % [4, 5]. Eine frühzeitige Diagnosestellung mit operativer Revision kann einen letalen Ausgang verhindern. Das Ausmaß und die Technik der operativen Revision richtet sich nach dem Zeitpunkt des Auftretens der BSI (Früh‑ oder Spätinsuffizienz), der Schwere der Infektion in der Pneumektomiehöhle, der Stumpflänge und dem Allgemeinzustand des Patienten. Ziel muss es sein, die Fistel suffizient zu verschließen und gleichzeitig den infizierten Pleuraraum zu behandeln. Mittels nachfolgender Kasuistik soll eine operative Variante beschrieben werden, die eine definitive Versorgung ohne Rethorakotomie und mit kurzer Hospitalisierung ermöglicht.

Bei einer 38 Jahre jungen Patientin mit einem Kartagener‑Syndrom wurde wegen Bronchiektasen in einem auswärtigen Krankenhaus 2003 eine Mittellappenresektion links und im Januar 2013 eine Oberlappenresektion rechts vorgenommen. Aufgrund einer kompletten „destroyed lung“ des rechten Lungenunterlappens erfolgte am 17. 04. 2013 in unserer Einrichtung eine Komplettierungspneumektomie rechts. Der Verschluss des Stammbronchus erfolgte mit einem Klammernahtgerät (TA 30–4.8). Der postoperative Verlauf war zunächst komplikationslos mit Ausbildung eines Serothoraxes rechts. Die Entlassung erfolgte bei subjektivem Wohlbefinden und einem bronchoskopisch regelrechten Bronchusstumpf. Wegen akuter Hustenanfälle wurde die Patientin am 20. 08. 2013 (4 Monate nach der Komplettierungspneumektomie) wieder aufgenommen und mittels Computertomogramm (CT) sowie Bronchoskopie eine Bronchusstumpfinsuffizienz (2 mm im Durchmesser) diagnostiziert. Die Patientin hatte keine systemischen Infekt-

Abb. 1 Computertomogramm des Thoraxes: Situs inversus mit geschrumpftem Hemithorax rechts; Z. n. Pneumektomie mit Seropneumothorax, ausgeprägter parietaler und mediastinaler Schwartenbildung sowie Nachweis einer Bronchusstumpfinsuffizienz (Pfeil).

zeichen und die kontralaterale Lunge war röntgenologisch unauffällig. Das durch die Fistel bronchoskopisch abzusaugende Sekret war glasig und mikrobiologisch keimfrei. Im CT des Thoraxes zeigte sich der Situs inversus, die deutliche Schrumpfung der Thoraxhöhle rechts, die Stumpfinsuffizienz, ein Seropneumothorax und eine ubiquitär über 2 cm dicke parietale " Abb. 1). und mediastinale Schwarte (l Nach links‑endobronchialer Intubation mit einem Doppellumentubus und Rechtsseitenlagerung wurde eine linksseitige posterolaterale Thorakotomie vorgenommen, wobei der Interkostalmuskelschlauch von der Rippe abpräpariert und dorsal gestielt wurde. Die kontinuierlich maschinell beatmete linke Lunge (PEEP: + 5 cmH2O) wurde unter minimaler manueller Kompression nach ventral verlagert. Damit wurde eine ausreichende Einstellung des dorsalen Lungenhilus erreicht, die eine problemlose Präparation der Tracheabifurkation bzw. des rechten Bronchusstumpfs ermöglichte. Während der gesamten Operation traten keine Ventilations‑ oder Oxygenierungsprobleme auf, die eine Änderung des Beatmungsregimes erforderten. Der rechte Stammbronchus wurde unmittelbar an der Tracheabifurkation zirkulär freipräpariert, angezügelt und mittels Klammernahtgerät (TA 30–4.8) verschlossen. Nach Durchtrennung distal der Klammernahtreihe wurde der Bronchus mit einer Kocher‑Klemme gefasst und aus dem Media" Abb. 2). stinum vollständig exstirpiert. (l Der neue Bronchusstumpf wurde mit dem vorbereiteten Interkostalmuskel" Abb. 3). schlauch gedeckt (l Nach Dränage und Verschluss der linksseitigen Thorakotomie erfolgte die Umla-

Abb. 2 Nachresezierter rechter Stammbronchus (Pfeil) nach Thorakotomie links. Die Klemme fasst den insuffizienten Bronchusstumpf, der komplett exstirpiert wird. Insert: Exstirpierter Bronchusstumpf (Pfeil markiert die Insuffizienz).

Lesser T, Herrmann J. Bronchusstumpfnachresektion und Deckung …

Zentralbl Chir

Heruntergeladen von: University of Pittsburgh. Urheberrechtlich geschützt.

Kasuistik

Kasuistik

gerung auf die linke Seite. Die rechte Pleurahöhle wurde mittels einer Minithorakotomie durch partielle Resektion (5 cm) einer Rippe eröffnet. Unter videothorakoskopischer Sicht wurde über diesen Zugang die Pneumektomiehöhle inspiziert, unter Sicht gespült und dräniert. Nach 3 × täglicher Spülung mit Kochsalzlösung und negativem mikrobiologischen Befund wurde am 5. postoperativen Tag nach Instillation einer Antibiotikalösung (Gentamicin 80 mg/l) die Dränage entfernt. Der weitere postoperative Verlauf war komplikationslos. Es bildete sich ein regelrechter Serothorax rechts aus, röntgenologisch war die linke Lunge unauffällig. Die Patientin konnte am 8. postoperativen Tag entlassen werden. Bei der klinischen und laborchemischen Verlaufskontrolle nach 1 Jahr fanden wir die Patientin im guten Allgemeinzustand ohne Zeichen einer Infektion. Röntgenologisch fand sich ein Fibrothorax rechts. Hinweise für eine Ossifikation des interkostalen Muskellappens stellten sich nicht " Abb. 4). dar (l

Diskussion !

Die BSI ist eine lebensbedrohliche Komplikation, die in 0–16% nach Pneumonektomie auftreten kann. Vielfältige Ursachen dafür werden beschrieben: Neo‑/adjuvante Therapie, Immunkompromittierung, höhere Tumorstadien, bronchialarterielle Minderversorgung auf der rechten Seite, durchblutungsstörende Präparationstechniken, zu langer Bronchusstumpf, aber auch chronische Entzündungen der Lunge oder der Pleura [5–9]. In unserem Fall bestand kein malignes Tumorleiden, sondern angeborene Bron-

Abb. 4 Röntgenthorax 1 Jahr postoperativ mit Fibrothorax rechts.

chiektasen bei Kartagener‑Syndrom. Die rezidivierenden bronchialen Infektionen, eine bestehende ziliäre Dysfunktion sowie der 3 cm lange Bronchusstumpf (Pneumektomie auf Seite des Aortenbogens) könnten in unserem Fall zur Entstehung der Spät‑BSI geführt haben. Die Komplettierungspneumektomie rechts erfolgte nicht in einer akuten Infektsituation. Jedoch bestehen Bronchiektasen im linken Unterlappen, die weiterhin Ursache für rezidivierende Bronchitiden und Bronchopneumonien sind. Wesentliche Therapieprinzipien beim Feststellen einer Bronchusstumpfinsuffizienz nach Pneumektomie ist der umgehende Bronchusstumpfverschluss, die Re‑ Insuffizienzprophylaxe durch Deckung des Stumpfes und die Infektsanierung der Pneumektomiehöhle. Die operativen Möglichkeiten des Bronchusstumpfverschlusses werden vom Ausmaß der Infektion, von der Bronchusstumpflänge und vom Zeitpunkt des Auftretens der Insuffizienz bestimmt. In unserem Fall handelt es sich um eine Spät‑BSI mit ausgeprägter parietaler und mediastinaler Schwartenbildung, jedoch ohne Infektionszeichen der Pneumektomiehöhle und mit einem ausreichend langen Bronchusstumpf. Die Präparation des Bronchusstumpfs von ipsilateral ist aufgrund der mediastinalen Verschwartung und des vorhandenen Aortenbogens sehr schwierig, risikoreich

Lesser T, Herrmann J. Bronchusstumpfnachresektion und Deckung …

Zentralbl Chir

und mit einer möglichen Devaskularisierung des proximalen Bronchus verbunden. Aus diesen Gründen ist die Präparation des Bronchusstumpfs und die Nachresektion von der Gegenseite eine wenig traumatisierende Alternative. Bei subtiler Präparation unmittelbar entlang der Bronchuswand werden mediastinale Strukturen wie Ösophagus oder Ductus thoracicus nicht tangiert. Hauptaugenmerk sollte auf den rechtsseitigen Pulmonalarterienstamm gelegt werden, da dieser unmittelbar ventral des Stammbronchus verläuft. Weiterhin bestehen auch kontralateral mehrere Möglichkeiten, den Bronchusstumpf mit gut durchblutetem Gewebe zu decken. Der laborchemische und mikrobiologische Ausschluss einer bakteriellen Infektion der Pneumektomiehöhle ist eine wichtige Voraussetzung, um auf eine offene Pleuradränage ggf. mit VAC‑Therapie zu verzichten. Durch den sicheren Bronchusstumpfverschluss von der Gegenseite konnte die Pneumektomiehöhle belassen und mit einer Antibiotikalösung plombiert werden. Trotz fehlenden Keimnachweises ist immer von einer potenziellen Keimbesiedlung auszugehen, sodass eine Instillation einer Antibiotikalösung gerechtfertigt ist. Nachteilig ist, dass ein Assistent für die Ventralverlagerung der beatmeten Lunge benötigt wird. Des Weiteren ist die notwendige

Heruntergeladen von: University of Pittsburgh. Urheberrechtlich geschützt.

Abb. 3 Bronchusstumpfdeckung (Pfeil) mit einem dorsal gestielten Interkostalmuskellappen (1: Trachea; 2: linker Stammbronchus; 3: linker Oberlappenbronchus; 4: Interkostalmuskellappen).

Kasuistik

T. Lesser, J. Herrmann Klinik für Thorax- und Gefäßchirurgie, SRH Wald-Klinikum Gera, Deutschland Literatur 1 Vallières E. Management of empyema after lung resections (pneumonectomy/lobectomy). Chest Surg Clin N Am 2002; 12: 571–585 2 Abbas Ael‑S, Deschamps C. Postpneumonectomy empyema. Curr Opin Pulm Med 2002; 8: 327–333 3 Sarsam MA, Moussali H. Technique of bronchial closure after pneumonectomy. J Thorac Cardiovasc Surg 1989; 98: 220–223 4 Topcuoglu MS, Kayhan C, Ulus T. Transsternal transpericardial approach for the repair of bronchopleural fistula with empyema. Ann Thorac Surg 2000; 69: 394–397 5 Asamura H, Naruke T, Tsuchiya R et al. Bronchopleural fistulas associated with lung cancer operations. Univariate and multivariate analysis of risk factors, management, and outcome. J Thorac Cardiovasc Surg 1992; 104: 1456–1464 6 Hollaus PH, Lax F, Hauck HH et al. Natural history of bronchopleural fistula after pneumonectomy: a review of 96 cases. Ann Thorac Surg 1997; 63: 1391–1397 7 Sonobe M, Nakagava M, Ichinose M et al. Analysis of risk factors in bronchopleural fistula after pulmonary resection for primary

lung cancer. Eur J Cardiothorac Surg 2000; 18: 519–523 8 Suzuki M, Otusji M, Baba M et al. Bronchopleural fistula after lung cancer surgery. Multivariate analysis of risk factors. J Cardiovasc Surg 2002; 43: 263–267 9 Algar FJ, Alvarez A, Aranda JL et al. Prediction of early bronchopleural fistula after pneumonectomy: a multivariate analysis. Ann Thorac Surg 2001; 72: 1662–1667

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-1383339 Online-publiziert Zentralbl Chir © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0044‑409X Korrespondenzadresse Priv.‑Doz. Dr. Thomas Lesser Klinik für Thorax‑ und Gefäßchirurgie SRH Wald‑Klinikum Gera Straße des Friedens 122 07548 Gera Deutschland Tel.: 03 65/8 28 31 51 Fax: 03 65/8 28 31 59 [email protected]

Heruntergeladen von: University of Pittsburgh. Urheberrechtlich geschützt.

Übersicht des Operationsfelds und somit eine sichere Präparation nur durch eine posterolaterale Thorakotomie zu erreichen. Schlussfolgerung für die Praxis: Bei Bronchusstumpfinsuffizienz auf der Aortenbogenseite ist dessen Versorgung mit Nachresektion von der kontralateralen Seite gut möglich. Somit könnte diese Technik eine gute Option für die linksseitige BSI nach Pneumektomie bei den übrigen nicht Situs-inversus‑Patienten darstellen. Das Operationsfeld kann auch bei ventilierter Lunge ausreichend eingestellt werden, ohne dass Gasaustauschstörungen auftreten. Die Stumpfdeckung, z. B. mit einem dorsal gestielten Interkostalmuskelschlauch, ist von kontralateral problemlos durchführbar. Im Falle einer sterilen Pneumektomiehöhle kann nach Spülung und Antibiotikaauffüllung eine Ausheilung unter Umgehung einer aufwendigen und kosmetisch ungünstigen Rethorakotomie mit offener Pleuradränage und ggf. Fensterung oder Thorakoplastik erreicht werden.

Interessenkonflikt: Nein

Lesser T, Herrmann J. Bronchusstumpfnachresektion und Deckung …

Zentralbl Chir

[Resection and Coverage of a Bronchial Stump by Contralateral Thoracotomy - A Therapeutic Option for a Late Bronchial Stump Leak after Pneumonectomy].

[Resection and Coverage of a Bronchial Stump by Contralateral Thoracotomy - A Therapeutic Option for a Late Bronchial Stump Leak after Pneumonectomy]. - PDF Download Free
170KB Sizes 0 Downloads 7 Views