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Resilienz bei chronischer Herzinsuffizienz Resilience in chronic heart failure

Autoren

N. Lossnitzer1 E. Wagner1 B. Wild1 L. Frankenstein2 J. Rosendahl3 K. Leppert3 W. Herzog1 J.H. Schultz1

Institut

1 Klinik für Allgemeine Innere und Psychosomatische Medizin, Medizinische Klinik,

Universitätsklinikum Heidelberg,

2 Abteilung für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie, Medizinische Klinik,

Universitätsklinikum Heidelberg,

3 Institut für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Jena

Psychosomatik, Kardiologie Originalarbeit | Original article

Schlüsselwörter chronische Herzinsuffizienz Resilienz Symptombelastung Depression

q q q q

Keywords chronic heart failure resilience symptom burden depression

q q q q

eingereicht 19.11.2013 akzeptiert 14.02.2014 Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1369862 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 : 580–584 · © Georg Thie0 me Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Dr. sc. hum. Dipl.-Psych. Nicole Loßnitzer Klinik für Allgemeine Innere und Psychosomatische Medizin, Universitätsklinikum Heidelberg Thibautstr. 2 69115 Heidelberg eMail nicole.lossnitzer@ med.uni-heidelberg.de

Zusammenfassung ▼ Hintergrund und Fragestellung: Resilienz im Sinne von „psychischer Widerstandsfähigkeit“ wird immer häufiger auch im Rahmen chronischer Erkrankungen untersucht. Dahinter steht die Frage nach einem konstruktiven Umgang mit Verlusten und schwerwiegenden, krankheitsbedingten Belastungen. Die vorliegende Studie untersuchte Zusammenhänge von Resilienz und somatischen bzw. psychosozialen Variablen bei herzinsuffizienten Patienten, die über eine hohe subjektive Symptomlast (physisch und psychisch) berichteten. Weiterhin wurde untersucht, ob sich die Ausprägung von Resilienz bei diesen Patienten von einer repräsentativen Stichprobe der deutschen Allgemeinbevölkerung unterscheidet. Methodik: Insgesamt gingen die Daten von 186 symptomatisch hochbelasteten herzinsuffizienten Patienten (davon 82 mit und 104 ohne depressive Symptomatik) in die Analyse ein. Aus einer repräsentativen Stichprobe der deutschen Allgemeinbevölkerung (n = 2007) wurde eine nach Alter und Geschlecht gematchte Zufalls-

stichprobe im Verhältnis 2:1 gezogen. Resilienz wurde mit der deutschen Version der Resilienzskala (RS) von Wagnild and Young untersucht. Ergebnisse: Das finale Regressionsmodell ergab signifikante positive Zusammenhänge der Variablen Resilienz mit dem Alter und der erlebten sozialen Unterstützung. Signifikante negative Zusammenhänge ergaben sich mit der empfundenen Hoffnungslosigkeit und dem Vermögen, Affekte bei sich wahrzunehmen und ausdrücken zu können (Alexithymie). Der Vergleich mit der Zufallsstichprobe von 372 Personen ergab, dass depressive herzinsuffiziente Patienten signifikant geringere Resilienzwerte aufwiesen als eine repräsentative Stichprobe der deutschen Allgemeinbevölkerung. Folgerungen: Während Parameter der Erkrankungsschwere nicht mit Resilienz in Zusammenhang stehen, scheinen v. a. psychosoziale Variablen wichtige Korrelate von psychischer Widerstandskraft bei chronischer Herzinsuffizienz zu sein. Der Befund einer geringer ausgeprägten Resilienz bei depressiven herzinsuffizienten Patienten unterstreicht die klinische Relevanz von Depression bei chronischer Herzinsuffizienz und zeigt Ansatzpunkte für gezielte Interventionen auf.

Einleitung ▼ Bei chronischer Herzinsuffizienz handelt es sich um eine der häufigsten internistischen Erkrankungen [23], die für die betroffenen Patienten häufig tiefgreifende Veränderungen in den unterschiedlichsten Lebensbereichen mit sich bringt. Die meisten Patienten beschreiben einen erheblichen Verlust an Lebensqualität [12] sowie eine belastende körperliche Symptomatik [3]. Die dabei auftretende typische Symptom-Trias besteht aus Atemnot, reduzierter körperlicher Belastbarkeit und peripheren Ödemen. Vermutlich infolge dieser Einschränkungen und aufgrund gemeinsamer pathophysiologischer Mechanismen [11] leidet etwa jeder fünfte Patient zusätzlich an einer depressiven

Symptomatik [24]. Diese hat sich als unabhängiger Prädiktor für eine erhöhte Mortalität und einen komplikationsreicheren Krankheitsverlauf erwiesen [13]. In eine ähnliche Richtung weisen auch Befunde zur Schwere der Symptombelastung [4]. Die Forschung der vergangenen Jahre zeigte, dass psychosoziale Variablen und das subjektive Erleben von Symptombelastung einen entscheidenden Einfluss auf Verlauf und Prognose der Erkrankung haben (z. B. [4, 12, 16]). Das Augenmerk wurde dabei jedoch in erster Linie auf pathogene Faktoren gerichtet. Erst in den letzten Jahren werden zunehmend auch protektive Faktoren und Fähigkeiten zur Belastungsbewältigung untersucht [7]. Ähnlich

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Bisher gibt es keine größeren Studien zum Thema Resilienz bei chronischer Herzinsuffizienz, obwohl gerade diese Erkrankung hohe Anforderungen an die persönliche Bewältigungskompetenz der Betroffenen stellt. Wir haben daher Resilienz im Sinne von psychischer Widerstandsfähigkeit bei chronisch herzinsuffizienten Patienten untersucht. Analysiert wurden zunächst korrelative Zusammenhänge von Resilienz und somatischen bzw. psychosozialen Variablen. In den Fokus genommen wurden dafür herzinsuffiziente Patienten, die über eine hohe subjektive Symptomlast berichteten. Innerhalb dieser Gruppe wurde nochmals unterschieden zwischen Patienten, die die Kriterien für eine depressive Symptomatik erfüllten und Patienten, bei denen das nicht der Fall war. In die Analyse wurden beide Gruppen miteinbezogen, da die Forschung der vergangenen Jahre immer deutlicher zeigt, dass depressive und somatische Symptome eng miteinander korrelieren, häufig überlappend vorhanden und schwer zu differenzieren sind [3, 9]. In einem zweiten Schritt wurde die berichtete Resilienz der herzinsuffizienten Patienten mit der einer repräsentativen Stichprobe der Allgemeinbevölkerung verglichen.

Methoden ▼ Patienteneinschluss und Erfassung von hoher Symptombelastung Seit 2004 erhalten alle Patienten, die in der Herzinsuffizienzambulanz der Medizinischen Klinik Heidelberg behandelt werden, ein Depressions- und Lebensqualitätsscreening. Hierfür wird das Depressionsmodul des Patient-Health-Questionnaires (PHQ-9) [21] und der SF-36-Fragebogen zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität [5] verwendet. Der PHQ-9 erfasst kognitive, affektive und somatische Depressionssymptome, die den DSM-IV-R-Kriterien [1] einer depressiven Störung entsprechen. Um Patienten mit einer hohen Symptombelastung zu erfassen, wurde der PHQ-9 um zwei Fragen zu peripheren Ödemen und Atemnot ergänzt. Reduzierte körperliche Belastbarkeit (als dritter Teil der gängigen Herzinsuffizienz-Symptomtrias) wurde im PHQ-9 über die Frage nach Müdigkeit und Energielosigkeit (Item 4) erhoben. Den Patienten der Herzinsuffizienzambulanz wurde die Studienteilnahme angeboten, wenn zwei oder mehr Items des PHQ-9 (plus der beiden Items zu Atemnot und peripheren Ödemen) mit mindestens „an mehr als der Hälfte der Tage” beantwortet wurden. Eine Zuordnung zur Subgruppe der symptombelasteten Patienten mit Depression erfolgte, wenn mindestens eines dieser Items das Item zu Niedergeschlagenheit oder Freudlosigkeit war (entsprechend dem kategorialen Auswertungsalgorithmus des PHQ-9) [21]. Weitere Einschlusskriterien waren eine dokumentierte und klinisch stabile, echokardiographisch und laborchemisch gesicherte, systolische Herzinsuffizienz in den vergangenen beiden Wochen, NYHA Stadium I-IV, sowie eine ausreichende Kenntnis der deutschen Sprache und ein Alter von mehr als 18 Jahren.

Resilienz Zur Erfassung der Resilienz diente die deutsche Version der Resilienzskala (RS) von Wagnild und Young [19, 25, 27]. Dieser Fragebogen umfasst 25 Items, u. a. zu Merkmalen wie Selbstvertrauen („Ich bin stolz auf das, was ich schon geleistet habe“), Unabhängigkeit („Ich kann es akzeptieren, wenn mich nicht alle Leute mögen“) und Anpassungsfähigkeit („Ich nehme die Dinge, wie sie kommen) [18]. Da bisherige Studien keine einheitliche Faktorstruktur ergaben, ging in die Auswertung nur der Gesamtwert der Skala mit ein [19, 25]; ein hoher Wert bedeutet dabei eine hohe Ausprägung von Resilienz. Die psychometrischen Gütekriterien haben sich als sehr gut erwiesen [19, 25], insbesondere für ältere Patienten scheint die Skala sehr reliabel zu sein [18].

Weitere soziodemographische, somatische und psychosoziale Variablen Von allen Patienten wurde ein ausführlicher klinisch-somatischer Status erhoben – inkl. Ätiologie der Erkrankung, linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF), NYHA-Klasse, NT-proBNP-Wert der letzten Blutabnahme und aktueller Medikation. Ferner wurden soziodemographische Variablen wie Alter, Geschlecht, Familienstand, höchster Schulabschluss und aktueller beruflicher Status erfragt. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patienten wurde mit dem SF-36 [5] erhoben. Ferner wurde die Schwere einer generalisierten Angstsymptomatik mit dem GAD-7 [26] erfasst, da Angststörungen neben depressiven Störungen zu den häufigsten psychischen Störungen bei somatisch erkrankten Patienten gehören [15, 22]. Als weitere potenziell relevante Korrelate des Konstrukts Resilienz wurden die wahrgenommene soziale Unterstützung mit dem Fragebogens zur sozialen Unterstützung (F-SozU) [8] erhoben, außerdem Pessimismus und Hoffnungslosigkeit über die Hoffnungslosigkeitsskala (H-R-Skala) [14] und Alexithymie als die Schwierigkeit, eigene Affekte wahrnehmen und ausdrücken zu können, über die Toronto-Alexithymie-Skala-26 (TAS-26) [17].

Statistische Auswertung Zunächst wurden Zusammenhänge der erhobenen Variablen mit Resilienz mittels einfacher Regressionsanalysen überprüft. Alle Variablen, die mit p ≤ 0,05 mit Resilienz korrelierten, wurden in das finale Regressionsmodell übernommen. Einzige Ausnahme bildeten die Variablen PHQ-9 plus und Subgruppe, da diese über dasselbe Messinstrument konstruiert wurden und somit von einer hohen Varianzüberschneidung auszugehen war. Hier entschieden wir uns für die kontinuierliche Variable PHQ-9 plus; eine explorative Überprüfung des finalen Regressionsmodells mit der Variable Subgruppe zeigte jedoch keine veränderten Ergebnisse. Bei zwei Variablen erfolgte eine Dummy-Kodierung, da diese nominal skaliert waren und mehr als zwei Kategorien aufwiesen (Schulabschluss und Ätiologie der Herzinsuffizienz). Die Variable NT-proBNP wurde anhand der Formel t = 2xlg10 (B + 10)-2 transformiert, um eine Normalverteilung zu approximieren (B steht für den NT-proBNP-Rohwert) [10]. Einzelne fehlende Werte in den Fragebögen wurden durch den Mittelwert ersetzt. Für den Vergleich der Resilienz mit Normwerten wurde aus einer im Auftrag der Universität Leipzig vom Meinungsforschungsinstitut USUMA Berlin durchgeführten bevölkerungsrepräsentativen Stichprobe (n = 2007) eine nach Geschlecht und Alter gematchte Zufallsstichprobe im Verhältnis 2:1 gezogen. Dieses Matching erfolgte anhand eines SAS-Programms, das zu jedem Patienten der Herzinsuffizienzstichprobe zufällig zwei nach Alter (± 1 Jahr) und Geschlecht entsprechende Datensätze aus der Stichprobe der Allge-

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wie das Konzept der Salutogenese [2] beschäftigt sich auch die Resilienzforschung damit, wie es möglich ist, trotz vielfältiger Einbußen und Verluste, psychisches Wohlbefinden aufrechtzuerhalten und die bisherige Funktionsfähigkeit nach erlittenem Trauma wiederherzustellen [18, 19, 20]. Bezüglich der Definition des Konstrukts gibt es bisher v. a. zwei theoretische Ausrichtungen, die entweder Resilienz als stabiles, überdauerndes Persönlichkeitsmerkmal begreifen oder eher den relationalen Charakter des Konstrukts in den Vordergrund rücken und Resilienz als einen interaktiven Prozess zwischen Individuum und Umwelt beschreiben [6, 20].

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Tab. 1

Somatische, soziodemographische und psychologische Merkmale der symptombelasteten herzinsuffizienten Patienten. Gesamtgruppe

Patienten mit Depression*

Patienten ohne Depression*

(n = 186)

(n = 82)

(n = 104)

Alter in Jahren, MW ± SD

59,6 ± 13,1

58,8 ± 13,2

60,2 ± 13,0

Geschlecht, männlich

127 (67,9 %)

60 (73,2 %)

67 (64,4 %)

alleinstehend

28 (15,1 %)

15 (18,3 %)

13 (12,5 %)

berentet[**]

110 (59,1 %)

51 (62,2 %)

59 (56,7 %)

3 Hauptschulabschluss

109 (58,6 %)

48 (58,5 %)

61 (58,7 %)

3 Realschulabschluss

40 (21,5 %)

16 (19,5 %)

24 (23,1 %)

3 Abitur/Fachabitur

26 (14,0 %)

13 (15,9 %)

13 (12,5 %)

3 dilatative Kardiomyopathie

86 (46,2 %)

39 (47,6 %)

47 (45,2 %)

3 koronare Herzerkrankung

67 (36,0 %)

31 (37,8 %)

36 (34,6 %)

3 Andere

28 (15,1 %)

10 (12,2 %)

18 (17,3 %)

3 NYHA I

11 (5,9 %)

5 (6,1 %)

6 (5,8 %)

3 NYHA II

83 (44,6 %)

40 (48,8 %)

43 (41,3 %)

3 NYHA III

88 (47,3 %)

35 (42,7 %)

53 (51,0 %)

3 NYHA IV

3 (1,6 %)

2 (2,4 %)

1 (1,0 %)

LVEF (%), MW ± SD

37,3 ± 14,0

36,4 ± 13,9

39,9 ± 14,1

NT-proBNP (pg/ml), Median

693,0

693,00

693,0

3 Betablocker

175 (94,1 %)

74 (90,2 %)

101 (97,1 %)

3 ACE-Hemmer

122 (65,6 %)

61 (74,4 %)

61 (58,7 %)

3 Diuretika

135 (72,6 %)

56 (68,3 %)

79 (76,0 %)

3 AT1 Antagonisten

62 (33,3 %)

24 (29,3 %)

38 (36,5 %)

3 Herzglykoside

61 (32,8 %)

23 (28,0 %)

38 (36,5 %)

PHQ-9 plus zusätzliche Items (Atemnot und Ödeme), MW ± SD

13,08 ± 4,71

15,40 ± 5,23

11,31 ± 3,33

GAD-7, MW ± SD

7,54 ± 4,96

8,56 ± 5,18

6,77 ± 4,66

3 körperlicher Gesamtscore

33,15 ± 10,33

31,94 ± 10,57

34,05 ± 10,12

3 psychischer Gesamtcore

42,46 ± 11,90

37,97 ± 11,59

45,81 ± 11,06

TAS-26, MW ± SD

46,07 ± 10,07

47,48 ± 10,72

44,95 ± 9,42

H-R-Skala, MW ± SD

65,42 ± 16,48

67,97 ± 17,79

63,38 ± 15,14

F-SozU, MW ± SD

4,13 ± 0,68

4,10 ± 0,71

4,16 ± 0,66

höchster Schulabschluss (n)

Ätiologie (n)

NYHA Klasse (n)

Medikation (n)

Lebensqualität: SF-36, MW ± SD

n = Anzahl untersuchter Patienten; MW = Mittelwert; SD = Standardabweichung; NYHA = New York Heart Association; LVEF = linksventrikuläre Ejektionsfraktion; NTproBNP=N-terminal brain natriuretic peptide; PHQ-9=Depressionsmodul des Patient Health Questionnaire; GAD-7 = Fragebogen zur Erfassung der Schwere einer generalisierten Angstsymptomatik; SF-36=Fragebogen zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität; TAS-26 = Toronto-Alexithymie-Skala -26; H-R-Skala = Skala zur Erfassung von Hoffnungslosigkeit; F-SozU=Fragebogen zur sozialen Unterstützung * nach kategorialem Auswertungsalgorithmus des PHQ-9 [21] ** Früh-, Witwen-, Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsrente

meinbevölkerung auswählte. Auf diese Weise ergab sich ein Datensatz von 372 Personen. Der Vergleich der Resilienz erfolgte zunächst anhand von einem T-Test (Vergleich der Gesamtgruppe der herzinsuffizienten Patienten mit der Stichprobe der Allgemeinbevölkerung). Zur Analyse der Unterschiede zwischen den Subgruppen wurde eine Varianzanalyse mit der dreifach gestuften Variable Gruppe sowie anschließende Posthoc-Tests gerechnet.

Ergebnisse ▼ Stichprobenbeschreibung 201 chronisch herzinsuffiziente Patienten wurden in die Studie eingeschlossen. Von 15 Patienten fehlten Angaben, so dass die Daten von 186 Patienten ausgewertet werden konnten (q Tab. 1). Zum Ausschluss von Selektionseffekten wurden die nicht einbezogenen Patienten hinsichtlich Alter und Geschlecht

mit den ausgewerteten Patienten verglichen. Hier ergaben sich keine signifikanten Differenzen (mittleres Alter: 59,6 ± 13,08 vs. 56,8 ± 19,01; p = 0,65/Männer 68,3 % vs. 66,7 %, p = 0,95).

Korrelate der Resilienz Die einfachen linearen Regressionsanalysen ergaben signifikante Zusammenhänge zwischen Resilienz und NT-pro-BNP bzw. Resilienz und Alter. Weiterhin zeigten sich für alle psychischen Parameter (Lebensqualität, soziale Unterstützung etc.), den PHQ-9plus-Summenscore und die Subgruppenzugehörigkeit (depressiv oder nicht) signifikante Zusammenhänge mit der Resilienz (alle p ≤ 0,007, q Tab. 2). Das finale Regressionsmodell zeigte schließlich nur für die Variablen Alter, Hoffnungslosigkeit (H-R-Skala), soziale Unterstützung (F-SozU) und Alxithymie (TAS-26) einen signifikanten Zusammenhang mit Resilienz. Alle anderen Variablen wurden im finalen Regressionsmodell nicht mehr signifikant. Der Determinationskoeffizient (R2) des Modells betrug 0,43.

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Tab. 2 Korrelate der Variablen Resilienz – Ergebnisse der einfachen (p ≤ 0,05) und multiplen Regressionsanalyse*. Einfache Regression

Multiple Regression

p-Wert

170 160

134,58 127,38

131,38

Patienten mit Depression

Patienten ohne Depression

150 140

β**

p-Wert

130 120

Alter

0,001

0,18

0,009

Nt-proBNP

0,033

0,84

0,226

PHQ-9 plus

0,004

0,06

0,422

GAD-7

≤ 0,001

–1,37

0,155

SF-36, PSK

≤ 0,001

0,12

0,123

HR-Skala

≤ 0,001

–0,33

≤ 0,001

TAS-26

≤ 0,001

–0,31

≤ 0,001

F-SozU

≤ 0,001

0,15

0,047

Subgruppe

0,007

0,06

0,94

* Zunächst wurden einfache lineare Regressionsanalysen durchgeführt. Hier

aufgeführt sind nur die Ergebnisse mit p ≤ 0,05. Diese Variablen gingen in das finale (multiple) Regressionsmodell ein (mit Ausnahme der Variablen Subgruppe, siehe statistische Auswertung). ** standardisiertes Beta. Abkürzungen s. Tab. 1

Vergleich der Resilienz Die mittlere berichtete Resilienz der Zufallsstichprobe aus der Allgemeinbevölkerung (n = 372) lag bei 134,58 ± 22,70.  Durch das Matching entsprach die Stichprobe hinsichtlich Alter (60,13 ± 13,36) und Geschlechtsverteilung (68,3 % männlich) der Stichprobe der herzinsuffizienten Patienten. Der T-Test für unabhängige Stichproben ergab im Vergleich mit der Zufallsstichprobe der Allgemeinbevölkerung eine signifikant geringer ausgeprägte Resilienz bei den herzinsuffizienten Patienten (T = –2.4; p =  0,016). Eine Varianzanalyse mit der dreifach gestuften Variable Gruppe (Patienten mit Depression, Patienten ohne Depression und Personen der Allgemeinbevölkerung) erbrachte einen signifikanten Haupteffekt (F = 3,06; p = 0,027) für den Faktor Gruppe. In Posthoc-Tests zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen der Gruppe der depressiven herzinsuffizienten Patienten und der Stichprobe der Allgemeinbevölkerung (p = 0,027). (q Abb. 1). Da sich in Voruntersuchungen auch signifikante Unterschiede zwischen Männern und Frauen fanden [18, 25] und Alter in der Regressionsanalyse ein signifikantes Korrelat der Resilienz darstellte, wurde ergänzend eine Kovarianzanalyse mit den Variablen Alter (± 65 Jahre) und Geschlecht als Kovariaten gerechnet. Diese ergab erneut einen signifikanten Haupteffekt für den Faktor Gruppe, jedoch keine signifikanten Effekte für die Faktoren Alter und Geschlecht (p jeweils ≥ 0,20).

Diskussion ▼ Das übergeordnete Ziel der vorliegenden Studie bestand darin, das Konstrukt Resilienz und dessen korrelativen Zusammenhänge bei symptomatisch belasteten, herzinsuffizienten Patienten zu untersuchen. Unsere Ergebnisse zeigen zusammenfassend, dass Parameter der Erkrankungsschwere eher nicht mit Resilienz in Zusammenhang stehen, psychosoziale Parameter dagegen schon: Hohe Zusammenhänge ergaben sich v. a. für die Variablen soziale Unterstützung und Alter sowie für die Variablen Hoffnungslosigkeit und Alexithymie, wobei es sich bei den letzten beiden um negative Korrelationen handelte. Je höher die empfundene Hoffnungslosigkeit und je geringer die Affektwahrnehmung bzw. der Affektausdruck war, desto geringer ausgeprägt war die berichtete Resilienz. Ein

110 100

Allgemeinbevölkerung

Abb. 1 Mittlere Resilienzwerte der drei untersuchten Gruppen.

weiteres interessantes Korrelat von Resilienz war das Alter der Patienten: Hier ergab sich ein positiver Zusammenhang – ältere Patienten gaben im Schnitt höhere Resilienzwerte an. Möglicherweise fällt es Patienten mit zunehmendem Alter leichter, die Einschränkungen der Herzinsuffizienz im Rahmen des natürlichen Alterungsprozesses zu interpretieren und zu akzeptieren. In eine ähnliche Richtung deutet auch Ergebnisse von Wild et al. [28], die eine geringere Depressivität ihrer Patienten in höherem Lebensalter beobachteten und dies im Rahmen zunehmend effektiverer CopingStrategien interpretierten. Einige andere Studien zeigen jedoch keine oder nur geringe Zusammenhänge zwischen der Ausprägung von Resilienz und dem Alter [18, 25]. Unsere Untersuchung von Querschnittsdaten lässt keine Rückschlüsse auf kausale Zusammenhänge zu. Wir können also nicht genauer eingrenzen, ob z. B. eine hohe soziale Unterstützung die Resilienz stärkt oder umgekehrt eine hohe Resilienz dazu führt, dass die Patienten soziale Unterstützung vielleicht anders wahrnehmen oder soziale Kontakte mehr pflegen. Um solche kausalen Mechanismen zu untersuchen, müssten Längsschnittuntersuchungen mit diesbezüglich sorgfältig formulierten Fragestellungen durchgeführt werden. Ein interessanter Gegenstand zukünftiger Studien wäre auch der Verlauf von Resilienzwerten über die Zeit und damit die Frage, wie diese sich im Zuge kritischer Lebensereignisse (z. B. Hospitalisierung) verändern. Den bei Schumacher et al. [25] berichteten Geschlechtsunterschied (Männer gaben hier im Durchschnitt ein etwas höheres Ausmaß an Resilienz an) konnten wir in unseren Daten nicht replizieren, wobei auch Schumacher et al. den Effekt als gering beschreiben. Leppert et al. berichten in ihrer Übersichtsarbeit, dass die Variable Geschlecht in den meisten Studien nicht signifikant mit Resilienz in Zusammenhang steht [20]. Die geringer ausgeprägte Resilienz bei herzinsuffizienten Patienten mit Depression unterstreicht die klinische Relevanz von Depression bei chronischer Herzinsuffizienz [9, 11, 13]. Auch hier können aufgrund des Querschnitt-Designs keine Kausalitäten postuliert werden. Jedoch ist zu vermuten, dass mangelnde psychische Widerstandskraft im Rahmen einer chronischen Erkrankung die Entstehung einer depressiven Symptomatik begünstigt. Ein Zugewinn von psychischen Bewältigungsstrategien (z. B. hinsichtlich Akzeptanz der Erkrankung, dem Erwerb von Selbstwert- und Selbstwirksamkeitserleben etc.) könnte eventuell dazu beitragen mit den Belastungen der Erkrankung besser zurechtzukommen und den Rückgang einer depressiven Symptomatik unterstützen bzw. dazu beitragen, eine solche gar nicht erst entstehen zu lassen.

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Variablen

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Eine wichtige Limitation unserer Studie besteht darin, dass nur somatisch und psychosomatisch (im Sinne einer depressiven Symptomatik) hochbelastete herzinsuffiziente Patienten untersucht wurden. Hier wäre ein Vergleich mit der Gesamtgruppe von herzinsuffizienten Patienten interessant – nicht nur bezüglich der relevanten Korrelate von Resilienz, sondern auch bezüglich des Vergleichs mit der Allgemeinbevölkerung. Die Ergebnisse unserer Studie sind also wahrscheinlich nicht generalisierbar auf die Gesamtgruppe herzinsuffizienter Patienten. Selbiges gilt bezüglich der Rekrutierung unserer Stichprobe an einer universitären und damit spezialisierten Herzinsuffizienzambulanz. Eine weitere Einschränkung der Studie besteht darin, dass Resilienz über einen Fragebogen erfasst wurde und somit nur als Selbstaussage vorliegt. Diese Aussagen müssen nicht in eindeutigem Zusammenhang mit der tatsächlichen Bewältigung schwerer Ereignisse stehen – eine Limitation, die sich bei allen Fragebogenmessungen ergibt. Allerdings zeigen Studien zu den Gütekriterien der Resilienzskala relativ gute Befunde hinsichtlich deren Validität [18, 19, 25].

Konsequenz für Klinik und Praxis 3Mit der Resilienzskala RS liegt ein psychologisches Screeninginstrument vor, das helfen kann, niedrigresiliente Patienten zu diagnostizieren. Damit können Patienten, die eventuell von einer Verbesserung der Krankheitsbewältigung profitieren, gezielt psychosozial unterstützt werden. 3Die Korrelate von Resilienz (z.B. soziale Unterstützung) geben Hinweise darauf, welche Art von Interventionen diesbezüglich hilfreich sein könnten. 3Die geringere Resilienzausprägung bei depressiven herzinsuffizienten Patienten deutet im Weiteren darauf hin, dass diese Patientengruppe besonders von einer gezielten Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung profitieren könnte. Autorenerklärung: Die Studie fand mit Unterstützung des Postdoc-Programms der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg statt.

Abstract

Resilience in chronic heart failure ▼ Background and objective: The study investigated correlates of resilience in chronic heart failure (CHF) patients suffering from a high somatic symptom burden and/or a clinical relevant depression. Furthermore, the resilience of the sample was compared to a representative sample of the German general population. Methods: 186 patients with CHF and high symptom burden (82 depressed and 104 non depressed) were investigated. Resilience was assessed using the Resilience Scale from Wagnild and Young. For the comparison of resilience, the sample of the general population (372 persons) was matched against the CHF sample regarding the variables age and gender. Results: There was a significant positive association of resilience with age and social support, whereas hopelessness and the inability to understand and describe emotions in the self (alexithymia) correlated negatively with resilience. Comparison with the general population revealed a significantly lower resilience in depressed CHF patients. Conclusions: Resilience seems to be predominantly associated to psychosocial variables such as age or social support rather than to disease-specific parameters such as left ventricular ejection frac-

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[Resilience in chronic heart failure].

The study investigated correlates of resilience in chronic heart failure (CHF) patients suffering from a high somatic symptom burden and/or a clinical...
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