Originalien Unfallchirurg 2014 DOI 10.1007/s00113-014-2657-5 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

B. Scheller1 · S. Wicker2 · H.F. Rabenau3 · I. Marzi4 · S. Wutzler4 1 Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Universitätsklinikum Frankfurt am Main 2 Betriebsärztlicher Dienst, Universitätsklinikum Frankfurt am Main 3 Institut für Medizinische Virologie, Universitätsklinikum Frankfurt am Main 4 Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Frankfurt am Main

Risikoeinschätzung von blutübertragbaren Infektionen durch die Schockraummitarbeiter Zusatzmaterial online Die elektronische Version dieses Beitrags, zu finden unter dx.doi.org/10.1007/s00113-0142657-5, enthält als „Supplementary Material“ den Fragebogen, der bei der beschriebenen Studie verwendet wurde.

Hintergrund Notfallpatienten weisen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung oftmals eine erhöhte Prävalenz blutübertragbarer Infektionen auf [5]. Daten aus den USA beispielsweise zeigten, dass 26% der Traumapatienten HIV-positiv, 4% Hepatitis-B(HBV)-positiv und 33% HepatitisC(HCV)-positiv waren. Bei 18% der Traumapatienten fand sich eine HIV/HCVKoinfektion [24]. Ältere Daten belegten, dass fast jeder 3. Patient, der von der Notaufnahme direkt in den OP verlegt wurde, mindestens eine blutübertragbare Infektion hatte [13]. Mitarbeiter aus der Chirurgie und der Notfallmedizin weisen die höchsten Raten berufsbedingter Blutkontakte auf [6, 17, 26]. Aufgrund der während einer Schockraumversorgung häufig erforderlich werdenden umfangreichen invasiven Maßnahmen ist von einer erhöhten Gefährdung der Mitarbeiter hinsichtlich einer Exposition gegenüber potenziell infektiösen Körperflüssigkeiten des Verletzten auszugehen.

Persönliche Schutzausrüstungen (z. B. Handschuhe, doppelte Handschuhe, Schutzbrille, Mundschutz) können die Exposition der Beschäftigten gegenüber Körperflüssigkeiten minimieren [18]. Die Akzeptanz der Verwendung persönlicher Schutzausrüstung in der Notfallversorgung ist jedoch unzureichend [4, 6, 10, 11, 14, 19]. Am Universitätsklinikum Frankfurt am Main werden jährlich ca. 300 bis 400 Schockraumpatienten behandelt. Bei ca. 10% der Patienten erfolgt eine unmittelbare und notfallmäßige Intervention wie Laparotomie, Thorakotomie oder Anlage einer Beckenzwinge, z. T. bereits im Schockraum. In 8% der Fälle und somit doppelt so häufig wie im bundesweiten Vergleich liegt eine penetrierende Verletzung (meist Schuss- oder Stichverletzung) vor, die oftmals mit massivem Blutaustritt verbunden ist. Gewaltverbrechen als Unfallursache kommen bei Schockraumpatienten des Universitätsklinikums Frankfurt mit 7% deutlicher häufiger als im Gesamtvergleich (2%) vor [3]. In der Schockraumversorgung sind normalerweise ca. 10 Personen plus Rettungsdienstpersonal auf engstem Raum in die Patientenversorgung eingebunden. Die persönliche Einstellung der medizinischen Beschäftigten, deren Erfahrung und Wissen sowie Risikoeinschätzung hinsichtlich der Transmissionswahrscheinlichkeit blutübertragbarer Infektionen bestimmen die Compliance hinsicht-

lich der Verwendung von Schutzmaßnahmen [8]. Um eine Verhaltensänderung zu erreichen, muss das medizinische Personal das Risiko einer Infektionsübertragung realistisch einschätzen können. Ziel unserer Studie war es von daher, das Wissen der Mitarbeiter im Schockraum hinsichtlich der Transmissionswahrscheinlichkeit der blutübertragbaren Infektionen HBV, HCV, HIV sowie die Akzeptanz von Schutzmaßnahmen zu erheben.

Methoden Ein für die Studie entwickelter standardisierter Fragebogen (s. Zusatzmaterial online) wurde über den Zeitraum von 2 Wochen im März 2014 an die Mitarbeiter, die an der Akutversorgung eines potenziell polytraumatisierten Patienten („Schockraumversorgung“) am Universitätsklinikum Frankfurt beteiligt waren, ausgegeben. Die Befragung richtete sich nicht an Mitarbeiter der präklinischen Versorgung. Es wurden insgesamt 100 Fragebögen verteilt. Bevor der Fragebogen entwickelt wurde, fand eine Literaturrecherche zu ähnlichen Studien in PubMed statt. Der Fragebogen wurde aus interdisziplinärer Sicht (Unfallchirurgie, Notfall- und Arbeitsmedizin) erstellt. Der 2-seitige Fragebogen enthielt insgesamt 22 Fragen zu blutübertragbaren Infektionen, TransmissionswahrscheinDer Unfallchirurg 2014 

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Originalien 40%

Häufigkeit [%]

36,6%

35% 30%

26,9%

25% 20,4%

20% 15%

11,8%

10% 5% 0%

80%

4,3%

sehr hoch

hoch

mittel

niedrig

sehr niedrig

Abb. 1 9 Subjektive Einschätzung hinsichtlich des Risikos einer Transmission blutübertragbarer Erreger im Schockraum (n=93)

Haüfigkeit [%] 71,0%

70%

60%

50%

40%

30%

20%

18,3% 10,8%

10%

0% Transmissions0,1–0,3% wahrscheinlichkeit

5%

10–30%

Abb. 2 8 Subjektive Einschätzung hinsichtlich des statistischen Risikos, nach einer Nadelstichverletzung (NSV) bei einem infektiösen Indexpatienten eine HIV-Infektion zu bekommen (n=93). Die Anzahl derjenigen, die korrekt geantwortet haben, ist entsprechend markiert

lichkeit, eigenem Hepatitis-B-Impfstatus, Anwendung persönlicher Schutzausrüstung (Handschuhe, doppelte Handschuhe, Schutzbrille, Mundschutz) und stattgehabten Nadelstichverletzungen (NSV). Für die Studie lag ein positives Ethikvotum der Ethikkommission des Fachbereichs Medizin der Goethe-Universität Frankfurt am Main vor (Referenznummer 266/13).

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Der Unfallchirurg 2014

Statistische Analysen Die statistische Aufarbeitung der Kontingenztabellen erfolgte mit dem FisherExakt-Test bzw. dem χ2-Test (GraphPad Software, San Diego, CA, USA).

Ergebnisse Im Studienzeitraum wurden 15 Patienten im Schockraum behandelt. Die Behand-

lung erfolgte insbesondere bei unklarer Anamnese interdisziplinär unter Beteiligung der Inneren Medizin. Der Schockraum wird z. T. bei rein internistischen Notfällen auch zur kardiopulmonalen Stabilisierung und schnellen Bildgebung fachübergreifend genutzt. Insgesamt ca. 100 Mitarbeiter nahmen an der Versorgung der Patienten teil; 93 Beschäftigte aller Berufsgruppen und Fachdisziplinen füllten den anonymen Fragebogen aus, 36,6% (n=34) der involvierten Mitarbeiter waren aus dem Zentrum für Chirurgie, 23,7% (n=22) aus dem Zentrum für Radiologie, 19,4% (n=18) aus der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, 17,2% (n=16) aus dem Zentrum für Innere Medizin sowie 3,2% (n=3) aus sonstigen Bereichen. Hierbei handelte es sich um 57% (n=53) ärztliches Personal, 34,4% (n=32) Mitarbeiter aus der Pflege bzw. um Assistenzpersonal (z. B. MTRA) und um 8,6% (n=8) Humanmedizinstudenten. Insgesamt 55,9% (n=52) der Befragten waren männlich, 44,1% (n=41) waren weiblich. Die Geschlechterverteilung im ärztlichen Dienst zeigte signifikante (p0,05). Insgesamt 72% (n=67) der Befragten verwenden Schutzhandschuhe im Schockraum und 28% (n=26) tragen doppelte Handschuhe. Die Handschuhe werden von 91,4% (n=85) immer und von 6,5% (n=6) fast immer getragen (. Tab. 2). Eine Schutzbrille wurde von 29% (n=27) der Beschäftigten als verwendete Schutzausrüstung im Schockraum genannt, 24,7% (n=23) gaben an, einen Mund-Nasen-Schutz (MNS) bei der Behandlung im Schockraum zu verwenden und 8,6% (n=8) einen zusätzlichen Schutzkittel. Wenn bekannt wäre, dass es sich um einen infektiösen Patienten handeln würde, würden 55,9% der Befragten zusätzlich doppelte Handschuhe und 50,5% eine Schutzbrille tragen (. Tab. 2). Interessanterweise zeigt sich im Eigenschutz kein Unterschied zwischen dem Gesamtkollektiv und den Mitarbeitern, die eine besondere Angst vor einer HCVInfektion haben. Weder beim konsequenten Tragen von Einmalhandschuhen (91,4 vs. 88,2%, p>0,05) noch bei beson-

Unfallchirurg 2014 · [jvn]:[afp]–[alp]  DOI 10.1007/s00113-014-2657-5 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 B. Scheller · S. Wicker · H.F. Rabenau · I. Marzi · S. Wutzler

Risikoeinschätzung von blutübertragbaren Infektionen durch die Schockraummitarbeiter Zusammenfassung Hintergrund.  Mitarbeiter im Schockraum sind dem Risiko einer beruflichen Exposition blutübertragbarer Erreger ausgesetzt. Verschiedene Studien belegten, dass die Prävalenz von HIV, Hepatitis B (HBV) und Hepatitis C (HCV) bei Notfallpatienten höher ist als bei der Allgemeinbevölkerung. Fragestellung.  Akzeptanz der Mitarbeiter im Schockraum hinsichtlich persönlicher Schutzausrüstung. Wissen bzgl. des Übertragungsrisikos blutübertragbarer Infektionen und subjektive Risikowahrnehmung hinsichtlich HIV, HBV und HCV. Methoden.  Ein anonymer Fragebogen wurde an 100 Mitarbeiter des Schockraumteams (Ärzte, Pflegepersonal und Medizinstudenten) verteilt. Die Mitarbeiter kamen aus den Abteilungen Chirurgie, Radiologie, Anästhesie und Innere Medizin. Ergebnisse.  Das Schockraumpersonal hat nur unzureichende Kenntnisse hinsichtlich blutübertragbarer Infektionen. Das HCV-In-

fektionsrisiko wird überschätzt und die empfohlenen Schutzmaßnahmen bei der Versorgung der Schockraumpatienten nicht konsequent verwendet. Diskussion.  Durch Schulungsmaßnahmen für die Mitarbeiter in der Notfallversorgung sollte das Wissen über arbeitsbedingte Infektionen und die Akzeptanz persönlicher Schutzausrüstung gesteigert werden. Jeder medizinische Beschäftigte sollte Kenntnis haben, ob er über eine ausreichende HBV-Immunität verfügt. Das Wissen um die Maßnahmen der Postexpositionsprophylaxe ermöglicht im Verletzungsfall eine schnelle Versorgung der betroffenen Mitarbeiter. Schlüsselwörter Arbeitsbedingte Infektionen · Nadelstichverletzung · Postexpositionsprophylaxe · Schutzmaßnahmen · Schockraum

Risk estimation of blood-borne infections by emergency room personnel Abstract Background.  Emergency department personnel are at risk of occupational exposure to blood-borne pathogens. Previous studies have shown that the prevalence of human immunodeficiency virus (HIV), hepatitis B (HBV) and hepatitis C (HCV) virus infections among trauma patients is higher compared to the general population. Objectives.  The aim of the study was to investigate the compliance rates of trauma team members in applying standard precautions, knowledge about the transmission risk of blood-borne infections and perceived risk of acquiring HIV, HBV and HCV. Methods.  An anonymous questionnaire was distributed to 100 trauma team members including physicians, nurses and medical students from different medical departments (e.g. surgery, radiology, anesthesia and internal medicine). Results.  The results of the questionnaire showed that trauma team members had in-

deren Schutzmaßnahmen wie dem Tragen doppelter Handschuhe (14,0 vs. 13,7%, p>0,05), Tragen einer Schutzbrille 14,0 vs. 7,8%, p>0,05) und Tragen eines Mundschutzes (9,7 vs. 11,8%, p>0,05) ergeben

sufficient knowledge of the risk of bloodborne pathogens, overestimated the risk of HCV infection and underused standard precautions during treatment of emergency trauma patients. Conclusion.  Further educational measures for emergency department personnel are required to increase the knowledge of occupational infections and compliance with standard precautions. Every healthcare worker needs to be sufficiently vaccinated against HBV. In the case of injury awareness of all measures of post-exposure prophylaxis is of utmost importance for affected personnel. Keywords Occupational infections · Needlestick injury · Postexposure prophylaxis · Standard precautions · Emergency room

sich statisch signifikante Unterschiede zwischen dem Gesamtkollektiv und den Mitarbeitern, die eine HCV Infektion besonders fürchten. Der Unfallchirurg 2014 

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Originalien Tab. 1  Serokonversionsrate nach Nadel-

stichverletzung bei infektiösem Indexpatient   Hepatitis B Hepatitis C HIV

Serokonversionsrate (%) Zirka 30 Zirka 1 Zirka 0,3

Die Transmissionswahrscheinlichkeit ist u. a. abhängig von der Art der Verletzung und der Viruslast des Indexpatienten.

Tab. 2  Verwendete Schutzausrüstung im

Schockraum (n=93) Schutzausrüstungen n (%) Handschuhe 67 (72,0) Doppelte Handschuhe 26 (28,0) Schutzbrille 27 (29,0) Mund-Nasen-Schutz 23 (24,7) Zusätzlicher Schutzkittel 8 (8,6) Zusätzlich verwendete Schutzausrüstungen bei infektiösen Indexpatienten Handschuhe 0 (0) Doppelte Handschuhe 52 (55,9) Schutzbrille 47 (50,5) Mund-Nasen-Schutz 22 (23,7) Zusätzlicher Schutzkittel 13 (14,0) Wie oft werden Schutzhandschuhe verwendet? Immer 85 (91,4) Fast immer 6 (6,5) Selten 2 (2,2) Nie 0 (0) Wie oft werden doppelte Handschuhe verwendet? Immer 13 (14,0) Fast immer 14 (15,1) Selten 44 (47,3) Nie 22 (23,7) Wie oft wird eine Schutzbrille verwendet? Immer 11 (11,8) Fast immer 12 (12,9) Selten 40 (43,0) Nie 30 (32,3) Wie oft wird ein Mundschutz verwendet? Immer 9 (9,7) Fast immer 13 (14,0) Selten 48 (51,6) Nie 23 (24,7)

Als Gründe, keine oder nicht immer eine persönliche Schutzausrüstung zu verwenden, wurde von 32,3% (n=30) der Befragten angegeben, dass die Schutzausrüs­ tung unpraktisch sei oder zu zeitaufwendig (17,2%, n=16). Insgesamt 8,6%, n=8) gaben an, dass die Schutzausrüstung die

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Der Unfallchirurg 2014

medizinische Intervention erschwert, 6,5% (n=6) empfanden die persönliche Schutzausrüstung als überflüssig. Insgesamt 68,9% (n=64) der Beschäftigten hatten mindestens eine NSV in der Vergangenheit gehabt, 10,8% (n=10) der Beschäftigten hatten diese nicht beim D-Arzt gemeldet. In den letzten 12 Monaten hatte jeder 5. Beschäftigte (20,4%, n=19) mindestens eine NSV gehabt, hiervon fanden 15,8% im Schockraum statt. NSV werden in dem Kollektiv derer, die eine HCV Infektion fürchten, tendenziell häufiger gemeldet als im Gesamtkollektiv (66,6 vs. 58,1%, p>0,05). Das Procedere der HIV-Postexpositionsprophylaxe (PEP) nach einer NSV war 86% (n=80) der befragten Mitarbeiter bekannt.

Diskussion Traumapatienten weisen oftmals massive Blutungen auf und müssen umfangreichen invasiven Maßnahmen unterzogen werden. Der Ablauf im Schockraum ist meist wenig vorhersehbar und zeitkritisch. Traumapatienten zeigen in der Regel eine erhöhte Prävalenz blutübertragbarer Infektionen, und das medizinische Personal hat oftmals keine Kenntnis über den Infektionsstatus der betreuten Patienten [5, 6]. Wenngleich die Verwendung persönlicher Schutzausrüstung seit vielen Jahren sowohl im nationalen als auch internationalen Setting empfohlen [16, 22, 23, 25] und ausreichende Schutzkleidung bei der standardisierten Schockraumversorgung nach Advanced Trauma Life Support (ATLS) sogar gefordert wird (http:// www.atls.de), zeigt sich bei dem von uns untersuchten Kollektiv der Mitarbeiter des Schockraums einer großen deutschen Universitätsklinik (überregionales Traumazentrum) eine nur unzureichende Verwendung persönlicher Schutzausrüstung. Während Schutzhandschuhe von allen Beteiligten getragen werden, verwenden 71% keine Schutzbrille und 75,3% tragen keinen MNS und setzen sich somit u. U. dem Risiko einer Infektionsübertragung über die Schleimhäute aus (. Tab. 2). Doppelte Handschuhe werden lediglich von weniger als 30% regelmäßig getragen, dies steht in einem eklatanten Wi-

derspruch zu einem aktuellen Cochrane Review vom März 2014, in dem die Autoren schlussfolgerten: „The preventive effect of double gloves on percutaneous exposure incidents in surgery does not need further research“ [18]. Auf der anderen Seite wird das Risiko einer Infektionsübertragung im Schockraum von über 30% der Mitarbeiter als „sehr hoch“ bzw. „hoch“ eingeschätzt (. Abb. 1) und insbesondere das Risiko einer HCV-Transmission wird überschätzt (. Abb. 4). Berücksichtigt werden muss jedoch, dass es sich bei den von uns genannten Transmissionswahrscheinlichkeiten um statistische Werte handelt, die das durchschnittliche Infektionsrisiko beschreiben. Ein gegenüber der durchschnittlichen Transmissionswahrscheinlichkeit erhöhtes Infektionsrisiko kann sich bei tiefen Verletzungen und einer hohen Viruslast des Indexpatienten ergeben [2, 15].

HCV Auf die Frage, welche Infektionskrankheit die Mitarbeiter am meisten fürchten, wurde HCV am häufigsten genannt (54,8%), HIV wurde in diesem Kontext am zweithäufigsten angegeben (45,2%). Für HBV erfolgte keine Nennung, was sicher an der guten HBV-Impfquote der Beschäftigten liegt. Vor dem Hintergrund der neuen HCVTherapeutika, die exzellente Heilungschancen bei kürzeren Therapiezeiten und besserer Verträglichkeit durch interferonfreie Therapiekonzepte bieten, ist das ein überraschendes Ergebnis. Ein anhaltendes virologisches Ansprechen (SVR) – ein Marker für die Ausheilung einer Hepatitis C – unter einer antiviralen Therapie mit den neuen HCV-Therapeutika findet sich bei dem in Deutschland am häufigsten vorkommenden Genotyp 1 bei 97– 99% der Patienten [1]. Auch bei den anderen Genotypen und fortgeschrittenen Erkrankungsformen zeigen sich hervorragende Therapieerfolge [27]. Dieses Wissen um die mittlerweile gute Behandelbarkeit der HCV-Infektion scheint den Mitarbeitern noch nicht hinreichend bekannt zu sein. Die aktuellen deutschen Empfehlungen finden sich unter http://www.dgvs.de/ leitlinien/aktuelle-empfehlungen/aktuelle-

50%

empfehlung-der-dgvs-zur-therapie-derchronischen-hepatitis-c/.

Häufigkeit [%] 43,0%

45%

HBV

38,7%

40% 35% 30% 25% 20% 15% 10%

9,7%

8,6%

5% 0% 0,1–0,3% Transmissionswahrscheinlichkeit

5%

10–30%

>50%

Abb. 3 8 Subjektive Einschätzung hinsichtlich des statistischen Risikos für einen Hepatitis-B-ungeimpften Mitarbeiter, nach einer Nadelstichverletzung (NSV) bei einem HBsAg-positivem Indexpatienten eine HBV-Infektion zu bekommen (n=93). Die Anzahl derjenigen, die korrekt geantwortet haben, ist entsprechend markiert 45%

Häufigkeit [%]

40,9%

40%

37,6%

35% 30% 25% 20% 15%

11,8% 9,7%

10% 5% 0% 0,4–1,5% Transmissionswahrscheinlichkeit

5%

10–30%

>50%

Abb. 4 8 Subjektive Einschätzung hinsichtlich des statistischen Risikos, nach einer Nadelstichverletzung (NSV) bei einem infektiösem Indexpatienten eine HCV-Infektion zu bekommen (n=93). Die Anzahl derjenigen, die korrekt geantwortet haben, ist entsprechend markiert

Interessanterweise wird das Risiko einer HBV-Transmission für nicht gegen HBV geimpfte Mitarbeiter vom Großteil der Befragten unterschätzt (. Abb. 3). Wenn­ gleich nahezu alle Mitarbeiter (97,8%) gegen HBV geimpft waren, wussten nur 41,9% ihren Anti-HBs-Titer. Das Wissen um eine ausreichende HBV-Immunität ist jedoch eine wichtige anamnestische Information, die im Falle eines beruflichen Blutkontakts über die weiteren therapeutischen Maßnahmen (z. B. Immunglobulingabe) entscheidet [20]. Nach einer erfolgreichen Grundimmunisierung (Nachweis eines Anti-HBsSpiegels von mindestens 100 IE/l 4 bis 8 Wochen nach der 3. Impfstoffdosis) sind im Allgemeinen keine weiteren Auffrischimpfungen oder Anti-HBs-Bestimmungen notwendig. Es gibt gute Evidenz dafür, dass der Impfschutz nach einer erfolgreichen Grundimmunisierung auch im Falle eines späteren Absinkens des AntiHBs-Spiegels unter 100 IE/l aufgrund des immunologischen Gedächtnisses erhalten bleibt [9, 21]. Für Personen mit besonders hohem individuellem Expositionsrisiko empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) momentan sicherheitshalber noch Anti-HBs-Kontrollen alle 10 Jahre und eine Auffrischimpfung, wenn der Anti-HBs-Spiegel auf Werte

[Risk estimation of blood-borne infections by emergency room personnel].

Emergency department personnel are at risk of occupational exposure to blood-borne pathogens. Previous studies have shown that the prevalence of human...
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