Kasuistiken Orthopäde 2014 · 43:467–472 DOI 10.1007/s00132-014-2311-5 Online publiziert: 17. April 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

D. Zajonz1 · M. Werner2 · S. Panzert1 · A.S. Strübing1 · S. Tiepolt3 · E. Fabsits4 · P. Brandmaier5 · C.-E. Heyde1 · T. Prietzel1 1 Klinik für Orthopädie, Unfall- und Plastische Chirurgie, Universitätsklinikum Leipzig 2 Institut für Gewebediagnostik Berlin, MVZ HELIOS Klinikum Emil von Behring, Berlin 3 Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Leipzig 4 Abteilung für Unfallchirurgie, Landeskrankenhaus Villach 5 Klinik und Poliklinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum Leipzig

Sekundäres teleangiektatisches Osteosarkom des linken Femurs Darstellung eines ungewöhnlichen Krankheitsverlaufs

Anamnese Ein 73-jähriger Mann erlitt im September 2002 während eines Urlaubsaufenthalts in Slowenien nach einem Bagatelltrauma eine Fraktur des linken Femurschafts. Radiologisch zeigte sich eine dislozierte Femurschaftfraktur im Bereich einer etwa hühnereigroßen septierten zystischen Auftreibung im mittleren Femurschaftdrittel (. Abb. 1). Der Patient wurde nach Verlegung in ein Landeskrankenhaus in Österreich notfallmäßig mit einem statischen Verriegelungsnagel (380×16 mm) versorgt. Die histologische Begutachtung ergab teils osteoporotisch verschmälerte, lamellär geschichtete Knochenbälkchen sowie Fettmark mit herdförmiger Hämatopoese ohne Hinweise auf Malignität. Die nach Rückverlegung in ein heimatnahes Klinikum erfolgte weiterführende Tumordiagnostik mit komplettem Staging und erneuter Probeentnahme aus dem Femur erbrachte keinen malignomverdächtigen Befund. Zur weiteren Abklärung wurde der Patient in unserer Spezialambulanz vorstellig. Die daraufhin im Dezember 2002 durchgeführte dritte Biopsie im Bereich der Auftreibung des linken Femurs erbrachte erneut keinen Anhalt für Malignität. Es zeigten sich lediglich Fibroblastenproliferationen und gefäßreiches Granulationsgewebe (. Abb. 2a, b). Bei sub-

jektivem Wohlbefinden verblieb der Patient in regelmäßiger ambulanter Kon­ trolle. Bei fehlendem Tumornachweis erfolgte die Weiterbehandlung unter der Arbeitsdiagnose einer aneurysmatischen Knochenzyste. Die bei zunehmenden lokalen Beschwerden im weiteren Verlauf durchgeführten röntgenologischen Verlaufskon­ trollen zeigten eine langsame intramedul-

läre Progredienz der zystischen Läsion nach proximal. Deshalb erfolgte im Juni 2006 eine erneute Biopsie, die histopathologisch den Verdacht auf eine aneurysmatische Knochenzyste erhärtete und keine Hinweise auf Malignität ergab (. Abb. 2c, d). Der Patient gab im Rahmen einer erneuten Vorstellung im Juli 2008 zunehmende belastungsabhängige Schmerzen im linken medialen Oberschenkel an.

Abb. 1 8 Konventionelle Röntgenaufnahmen des linken Oberschenkels vor der Primärversorgung (September 2002). a Hüfte mit proximalem Oberschenkel in a.-p.-Projektion, b distaler Oberschenkel mit Knie in a.-p.-Projektion, c distaler Oberschenkel mit Knie in seitlicher Projektion: Darstellung einer etwa hühnereigroßen zystischen Raumforderung im mittleren Femurschaft mit pathologischer Fraktur und resultierender Fehlstellung Der Orthopäde 5 · 2014 

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Abb. 2 9 Histologische Befunde. a, b Dezember 2002, zystische Läsion aus zell­ armer dünner Wandung und soliden Anteilen mit eosinophiler Matrix, ähnlich wie in einer ­solitären Knochenzyste. c, d Juli 2006, zystische Läsion aus zellarmer dünner Wandung und soliden Anteilen ohne Zellatypien – aneurysmatische Knochenzyste. e, f Juli 2008, zellreicher zystischer Tumor, kleine ­blutgefüllte Hohlräume, Kernatypien (Pfeil) als Zeichen der Malignität – Osteosarkom

Abb. 3 8 Konventionelle Röntgenaufnahmen des linken Oberschenkels mit Hüfte und Knie in a.-p.-Projektion. a Juli 2003, b Mai 2006 mit progredienter nach kranial fortschreitender zystischer Destruktion des Femurs bei erhaltener Kortikaliskontinuität. c April 2008, Lockerung des Verriegelungsnagels mit Bruch des proximalen Verriegelungsbolzens. d Juli 2008, postopera­tive Aufnahme nach subtotalem Femurersatz einschließlich Duokopf (Fa. ESKA, MML-System) bei 13 cm distalem Femurrest mit Knochenzementaustritt im Bereich der entfernten Verriegelungsbolzen. e Distaler Rest des linken Femurs mit subtotalem Femurersatz und Duokopf nach erweiterter Hüftexartikulation im Juni 2009, distal medial ist ausgetretener Knochen­zement sichtbar

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Zusammenfassung · Abstract

Klinischer Befund Anlässlich der Vorstellung vom Juli 2008 war der Patient auf die Nutzung zweier Unterarmgehstützen angewiesen, wobei der Einbeinstand beidseits möglich war. Bis auf einen leichten Druckschmerz über dem Trochanter major und bei Rotationsbewegungen im Hüftgelenk gab der Patient keine Beschwerden an. Im Bereich des linken Oberschenkels war bei reizlosen Narbenverhältnissen weder eine Schwellung noch eine Rötung nachweisbar.

Röntgenologischer Befund Unter Einbeziehung der Voruntersuchungen zeigte sich (. Abb. 3a–c) eine deutlich progrediente zystische Destruktion des gesamten linken Femurs bei erhaltener Kortikaliskontinuität. Die intramedullär nach kranial fortgeschrittene Osteolyse hatte zur Lockerung des Verriegelungsnagels mit Bruch des proximalen Verriegelungsbolzens geführt.

Therapie und Verlauf Aufgrund des Lockerungsbefundes sowie der progredienten zystischen Destruktion erfolgten im Juli 2008 die Entfernung des Verriegelungsnagels, eine subtotale Femurresektion unter Belassung eines distalen Femuranteils von etwa 13 cm Länge und die Rekonstruktion mit einem subtotalen Femurersatz einschließlich Duokopf (Fa. ESKA Implants GmbH, MMLSystem, . Abb. 3d). Die histopathologische Untersuchung des Resektats zeigte ungewöhnliche fibroossäre Reaktionen, welche nur teilweise mit dem morphologischen Bild einer sekundären aneurysmatischen Knochenzyste vereinbar waren, weshalb eine referenzpathologische Begutachtung erfolgte. Diese erbrachte den unerwarteten Befund eines primär intraossären Low-­ grade-Osteosarkoms mit zystischer Morphologie und sekundärer Transformation in ein High-grade-Sarkom (. Abb. 2c, d). Im Rahmen der klinischen Verlaufskontrolle parallel zur histologischen Beurteilung zeigte sich eine progrediente Schwellung im Bereich der linken Glutäalregion und bis an das Hüft-

Orthopäde 2014 · 43:467–472  DOI 10.1007/s00132-014-2311-5 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 D. Zajonz · M. Werner · S. Panzert · A.S. Strübing · S. Tiepolt · E. Fabsits · P. Brandmaier · C.-E. Heyde · T. Prietzel

Sekundäres teleangiektatisches Osteosarkom des linken Femurs. Darstellung eines ungewöhnlichen Krankheitsverlaufs Zusammenfassung Hintergrund.  Dargestellt wird der ungewöhnliche Fall eines 73-jährigen Patienten, der 2002 nach pathologischer Femurfraktur mit primärer Verriegelungsnagelung behandelt wurde. Diagnostik.  Trotz umfangreicher Diagnostik einschließlich mehrfacher Biopsien war kein Tumor nachweisbar. Erst als 2008 eine progrediente zystische Femurdestruktion zur Lockerung des Nagels führte und einen Femurteilersatz notwendig machte, wurde im Resektat ein Osteosarkom diagnostiziert. Therapie.  Starker Tumorprogress erforderte eine erweiterte Hüftexartikulation. Das aktuelle Restaging des jetzt 84-jährigen Patienten ergab keinen Tumornachweis. Schlussfolgerungen.  Wenn ein Malignom auch durch wiederholte Biopsien nicht aus-

zuschließen ist, sollten bei radiologisch suspekten Befunden ein adäquates Tumorstaging sowie eine engmaschige Verlaufskontrolle vorgenommen werden. Bei klinisch stummem, mehrjährigem Verlauf einer zystischen Destruktion eines langen Röhrenknochens, einem Alter über 60 Jahre und dem Fehlen von Fernmetastasen sollte ein untypisches Osteosarkom in die Differenzialdiagnose einbezogen werden. Schlüsselwörter Biopsie · Knochenzyste · Erweiterte Hüftexartikulation · Tumorstaging · Verlaufskontrolle

Secondary telangiectatic osteosarcoma of the left femur. A case presentation of an unusual course of disease Abstract Background.  This article presents the unusual case of a 73-year-old male patient who was treated with primary interlocking nailing after a pathological femoral fracture. Diagnostics.  Despite comprehensive diagnostics including several biopsies, a tumor could not be detected. In 2008 when progressive cystic femoral destruction leading to loosening of the nail necessitated a partial femoral prosthesis, an osteosarcoma could first be diagnosed in the resected bone. Therapy.  Advanced progression of the tumor required an extended hip exarticulation. During the current restaging of the now 84-year-old patient no tumor could be detected.

gelenk reichend. Die daraufhin eingeleitete bildgebende Diagnostik mittels lokaler Magnetresonanztomographie (MRT) und Fluor­desoxyglukosePositronenemissionstomographie mit Computertomographie (FDG-PETCT) (. Abb. 4a, b, c) ergaben den Befund eines ausgedehnten multilokulären Weichteiltumors entlang der Glutäalmuskulatur linksseitig mit Lymphknotenfilialisierung im Bereich ventral des Azetabulums. Fernmetastasen und eine ossäre

Conclusion.  When a malignancy cannot be excluded even by repeated biopsies of radiologically suspicious structures, an adequate tumor staging followed by close monitoring should be carried out. For a clinically silent, long-term course of cystic destruction of a long bone over several years, an age over 60 years and a lack of distant metastases, an atypical osteosarcoma should be considered in the differential diagnosis. Keywords Biopsy · Bone cyst · Extended hip joint disarticulation · Tumor staging · Follow-up

Infiltration des Beckens konnten ausgeschlossen werden. Zur histologischen Sicherung erfolgte eine Biopsie des Weichteiltumors links glutäal. Hierbei zeigte sich nunmehr das histomorphologische Bild eines teleangiektatischen Osteosarkoms (. Abb. 2e, f).

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Abb. 4 8 18FFluordesoxyglukose-Positronenemissionstomographie mit Low-dose-CT von Mitte Abdomen bis Mitte Unterschenkel. a Koronarebene, b Axialebene im Bereich der distalen Femora: gesteigerter Glukosestoffwechsel im distalen linken Oberschenkel medial bis nach ventral paraendoprothetisch reichend. c Axialebene im Beckenbereich mit gesteigertem Glukosestoffwechsel kranial des Femurersatzes bis in Höhe des Beckenkamms reichend. In beiden Lokalisationen dringender Verdacht auf vitales Tumorgewebe

Histologie Zellreicher zystischer Tumor mit kleinen blutgefüllten Hohlräumen und Kernatypien als Zeichen der Malignität – teleangiektatisches Osteosarkom (. Abb. 2e, f).

MRT des Beckens und der Beckenweichteile Darstellung eines ausgedehnten, zum Großteil fettig degenerierten Tumors mit Kontrastmittelaufnahme, Randenhancement und z. T. umgebender Kapsel. Weiterhin besteht dringender Verdacht auf Tumorknoten bzw. Lymphknotenmetastasierung in Nähe zum vorderen Azetabulumanteil. Die tumornahen ossären Strukturen Symphyse, Sitzbein und Darmbein weisen keine Infiltration auf.

FDG-PET-CT Es zeigte sich ein gesteigerter Glukosestoffwechsel in multiplen, teils konfluierenden Arealen kranial des Femurersatzes bis in die Höhe des Beckenkamms reichend, am ehesten im Sinne von zentral

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nekrotischem Tumorgewebe. Im distalen linken Oberschenkel fand sich eine Glukosestoffwechselsteigerung in 2 fokalen Herden lateral bis nach ventral paraprothetisch reichend (. Abb. 4a, b, c). Hier bestand ebenfalls dringender Verdacht auf vitales Tumorgewebe.

Diagnose High-grade-teleangiektatisches Osteosarkom des linken Femurs mit ausgedehnter Infiltration der pelvitrochantären Muskulatur (TNM 2002: rpT3m (n>5), Nx, Mx, L0, V0 Stadium III).

Weitere Therapie und Verlauf Aufgrund des ausgedehnten lokalen Befundes ohne Infiltration ins knöcherne Becken und fehlendem Hinweis auf Fernmetastasen wurde ein kurativer Therapieansatz verfolgt. Im Juni 2009 wurde eine erweiterte modifizierte Exartikulation des linken Beins im Hüftgelenk vorgenommen. Dabei wurden die gesamte extrapelvine Muskulatur sowie das äußere Beckenperiost reseziert. Das

knöcherne Becken konnte nach großzügiger Ausfräsung des Azetabulums mit Glättung der Randstrukturen und Knochenzementaugmentation sowie Deckung durch einen dorsalen Hautlappen erhalten werden (. Abb. 5). Die histologische Aufarbeitung des Amputats ergab ein hochmalignes Osteosarkom mit teleangiektatischer Differenzierung (R0 rpT3m (n>5), Nx, Mx, L0, V0 Stadium III), welches im Gesunden entfernt wurde (. Abb. 2e, f). Bemerkenswert ist, dass auch der distale Femurrest vollständig tumorös infiltriert war. Nach unkomplizierter Wundheilung erfolgte eine postoperative lokale Strahlentherapie der linken Beckenregion. Die im Verlauf durchgeführte bildmorphologische Begutachtung mittels PET-CT ergab keinen Anhalt auf ein Rezidiv des Osteosarkoms. Im September 2012 erfolgte die Radiofrequenzablation einer tumorverdächtigen Raumforderung im Beckenbereich links, die jedoch histologisch nicht bestätigt werden konnte. Bei der letzten Nachuntersuchung im Juli 2013 bestand eine adäquate Lebensqualität. Der betagte Patient trägt keine Beinprothese, ist für kurze Strecken an Unterarmstützen und sonst vorwiegend im Rollstuhl mobil. Klinisch und radiologisch gab es keine Hinweise auf eine Rezidiv oder Metastasen.

Diskussion Das teleangiektatische Osteosarkom zeichnet sich typischerweise durch einen meist monoostotischen Befall der langen Röhrenknochen aus. Über 50% der Tumoren manifestieren sich wie auch im dargestellten Fall in der Nähe des Kniegelenks, des Weiteren zeigt sich eine leichte Häufung beim männlichen Geschlecht. Der Häufigkeitsgipfel der Erkrankung liegt zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr. Jenseits des 60. Lebensjahrs ist das teleangiektatische Osteosarkom äußerst selten [1, 2]. Dennoch wurden durch Sadoghi et al. [3] sieben Fälle mit primärem Osteosarkom beschrieben, die jenseits des 60. Lebensjahrs diagnostiziert wurden. Die Autoren weisen explizit auf die Schwierigkeit der Diagnose bei untypischem Patientenalter und die damit verbundene hohe Fehldiagnosenrate hin.

Abb. 5 9 Erweiterte modifizierte Exartikulation des linken Beins im Hüftgelenk. a Schnittführung, b Operationssitus nach erfolgter Exartikulation sowie großzügiger Ausfräsung, Randglättung und Knochenzementaugmentation des Azetabulums

Typisch für das Osteosarkom ist eine meist frühzeitige hämatogene, überwiegend pulmonale Metastasierung. So sind zum Zeitpunkt der Diagnosestellung in bis zu 20% der Fälle bereits Fernmetastasen nachweisbar [4]. Im vorliegenden Fall konnte trotz mehrfacher Biopsie zunächst kein Osteosarkom diagnostiziert werden. Ob dennoch ein solches vorlag und durch die entnommenen Gewebeproben nicht erfasst wurde, bleibt spekulativ. Ein inapparenter Verlauf über 6 Jahre ohne nachweisbare Fernmetastasierung wäre untypisch für ein primäres Osteosarkom und spricht für dessen sekundäre Genese zum späteren Zeitpunkt. In der Literatur existieren vereinzelte Berichte über sekundäre posttraumatische Osteosarkome. So beschrieben Dorrestijn u. Jutte [5] einen Fall, bei dem sich 2 Jahre nach Femurschaftfraktur ein Osteosarkom entwickelte.

Diagnostische Probleme Auch eine Einstufung als sekundär maligne transformierte aneurysmatische Knochenzyste (AKZ) scheint denkbar. In der Literatur wurde diesbezüglich ein Fall beschrieben, bei dem sich auf dem Boden einer AKZ eine maligne Transformation ähnlich einem teleangiektatischen Osteosarkom entwickelte [6]. Der klinisch stumme Krankheitsverlauf über 5 Jahre und die progrediente zystische Durchbauung des betroffenen Knochens ähneln dabei dem hier dargestellten Fall. Allerdings betrug das Lebensalter des Patienten bei Diagnosestellung nur 22 Jahre. Festzuhalten bleibt weiterhin, dass in diesem Fall die primäre Histologie der AKZ mit atypischen (pseudosarkomatö-

sen) Knochenkernen beschrieben wurde und daher nicht von einer klassischen AKZ ausgegangen werden kann [6]. Die Manifestation einer primären Knochenzyste wäre im Alter von über 70 Jahren sehr ungewöhnlich [7]. Leider liegt die im Rahmen der Primärversorgung entnommene initiale Histologie nur als schriftlicher Befund vor. Hierin sind jedoch keine atypischen Kerne oder malignitätssuspekten Befunde beschrieben. Auch die erneute Biopsie aus dem Jahre 2006 zeigte keine derartigen Veränderungen. Erst nach dem Verfahrenswechsel im Jahr 2008 fanden sich im Resektat eindeutige Malignitätskriterien. Die Zusammenschau der verschiedenen histologischen Befunde inklusive der initialen Biopsien lässt aus heutiger Sicht das Vorliegen eines ursprünglich niedrig malignen Osteosarkoms mit zystischer Morphologie vermuten, welches sich später in ein High-grade-Osteosarkom mit teils teleangiektatischer Morphologie transformiert hat. Ein klassisches teleangiektatisches Osteosarkom scheint wegen des fortgeschrittenen Alters und des inapparenten Verlaufs über 6 Jahre äußerst ungewöhnlich. Die Primärversorgung mit einem Verriegelungsnagel ist aufgrund der potenziellen intramedullären Verschleppung von Tumorzellen kritisch zu diskutierten. Da man initial nicht von einem primären malignen Knochentumor ausging, sondern von einer Knochenmetastase oder einer Zyste, ist diese Versorgungstechnik angesichts der Fraktur nachvollziehbar. Eine präoperative Schnittbildgebung wäre jedoch zur besseren Dignitätsbeurteilung angezeigt gewesen. Die Verriegelungsnagelung wurde durch die im Ver-

lauf von 6 Jahren durchgeführten 4 Biopsien zunächst bestätigt, die ausnahmslos keine Hinweise auf Malignität ergaben, weshalb bis zu diesem Zeitpunkt eine weite Resektion und tumorendoprothetische Rekonstruktion nicht zu rechtfertigen waren. Auch vor dem lockerungsbedingten und somit mechanisch notwendigen Verfahrenswechsel auf proximalen Femurersatz gab es in der radiologischen Diagnostik keine Hinweise auf ein Malignom, sodass wir uns nach wiederholter Diskussion im interdisziplinären Tumorboard für dieses Vorgehen entschieden haben. Ob eine andere Strategie mit kompletten Femurersatz trotz fehlendem Tumornachweis die spätere Tumorprogression und Exartikulation verhindert hätte, bleibt spekulativ.

Krankheitsverlauf Eine exakte Klärung des gesamten Krankheitsverlaufs ist schwierig, da eine Dokumentation erst nach pathologischer Fraktur im September 2002 erfolgte. Einiges spricht dafür, dass der zystische Befund im Femurschaft bereits längere Zeit vorher bestand und somit bis zur Diagnosestellung des Osteosarkoms mehr als 6 Jahre vergangen sind. Auch wenn der Charakter der primären Läsion (Transformation in eine AKZ oder bereits in ein Low-grade-teleangiektatisches Osteosarkom) nicht sicher geklärt werden kann, scheinen beide Varianten aufgrund des eher inapparenten Verlaufs, der fehlenden Fernmetastasierung auch nach 6 Jahren und dem späten Manifestationsalter als ungewöhnlich für ein teleangiektatisches Osteosarkom [8]. Der Orthopäde 5 · 2014 

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Buchbesprechungen Trotz des untypisch langem, anfänglich stummen und in der Endphase fulminanten Verlaufs mit raschem Tumorprogress eines High-grade-Osteosarkoms mit teleangiektatischer Morphologie war es möglich, eine kurative Therapie mit weiter Tumorresektion zu realisieren, obwohl die Primärtherapie mit Verriegelungsnagel und der Verfahrenswechsel auf proximalen subtotalen Femurersatz retrospektiv als nicht optimal einzuschätzen sind. Dennoch konnten im dargestellten Fall eine relativ hohe Lebensqualität des inzwischen 83-jährigen Patienten bei subjektiver Beschwerde- und objektiver Tumorfreiheit sowie ein adäquates Mobilitätsniveau erreicht werden.

Fazit für die Praxis F Bei Verdacht auf eine pathologische Fraktur ist eine lokale Schnittbildgebung zur Operationsplanung anzustreben. F Der dargestellte Fall zeigt, dass selbst durch mehrfache offene Biopsien ein Malignom nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen ist, sodass bei radiologisch suspekten Befunden ein adäquates Tumorstaging sowie eine engmaschige Verlaufskontrolle, insbesondere vor operativen Eingriffen, erfolgen sollten. F Auch bei initial inapparentem, mehrjährigem Verlauf einer zystischen Destruktion eines langen Röhrenknochens, einem untypischen Manifestationsalter über 60 Jahre und dem Fehlen von Fernmetastasen sollte ein untypisches Osteosarkom in die Differenzialdiagnose einbezogen werden. F Weiterhin scheint es möglich, dass bei fehlender Fernmetastasierung auch bei fulminantem Verlauf ein kurativer Therapieansatz mit weiter Tumorresektion im Gesunden realisiert werden kann.

Korrespondenzadresse Dr. T. Prietzel Klinik für Orthopädie, Unfall- und Plastische   Chirurgie, Universitätsklinikum Leipzig Liebigstr. 20, 04103 Leipzig [email protected]

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Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  D. Zajonz, M. Werner, S. Panzert, A.S. Strübing, S. Tiepolt, E. Fabsits, P. Brandmaier, C.-E. Heyde, T. Prietzel geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur 1. Huvos AG, Rosen G, Bretsky SS, Butler A (1982) Teleangiectatic osteogenic sarcoma. Cancer 49:1679–1689 2. Bielack SS, Kempf-Bielack B, Delling G et al (2002) Prognostic factors in high-grade osteosarcoma of the extremities or trunk: an analysis of 1,702 patients treated on neoadjuvant cooperative osteosarcoma study group protocols. J Clin Oncol 20:776– 790 3. Sadoghi P, Leithner A, Clar H et al (2010) The ­threat of misdiagnosis of primary osteosarcoma over the age of 60: a series of seven cases and review of the literature. Arch Orthop Trauma Surg 130:1251– 1256 4. Buddingh EP, Anninga JK, Versteegh MI et al (2010) Prognostic factors in pulmonary metastasized high-grade osteosarcoma. Pediatr Blood Cancer 54:216–221 5. Dorrestijn O, Jutte PC (2011) Osteosarcoma in the distal femur two years after an ipsilateral femoral shaft fracture: a case report. J Med Case Reports 21:198 6. Saito T, Oda Y, Kawaguchi K et al (2005) Five-year evolution of a telangiectatic osteosarcoma initially managed as an aneurysmal bone cyst. Skeletal Radiol 34:290–294 7. Schaser KD, Bail HJ, Haas NP, Melcher I (2002) Treatment concepts of benign bone tumors and tumor-like bone lesions. Chirurg 73:1181–1190 8. Benjamin RS, Patel SR (2009) Pediatric and adult osteosarcoma: comparisons and contrasts in presentation and therapy. Cancer Treat Res 152:355– 363

S. Hentsch, R.E. Willburger (Hrsg)

Pschyrembel Orthopädie und Unfallchirurgie De Gruyter 2013, 1. Aufl., 350 S.,   (ISBN 978-3-11-028560-4), Hardcover,   39.95 EUR Die Autoren legen mit ihrem Buch ein tolles Nachschlagewerk vor, in dem sämtliche Begriffe, auch Krankheitsbilder und Behandlungstechniken, nach Stichworten geordnet sind und in einem sehr ausführlichen Text Erläuterungen bis hin zu tabellarischen Auflistungen geben. Hervorragend auch die Bebilderung, die einem Lehrbuch entspricht und keine Wünsche offen lässt. Dieses Buch hat nicht den Anspruch, Lehrbücher zu ersetzen, sondern es ist in der Form des bekannten Pschyrembels gehalten und dient damit als Nachschlagewerk für Begriffe. Somit ist es nicht nur ein „Muss“ für Schreibbüros, sondern dient ebenso als schnelles Nachschlagewerk für die Weiterbildung junger Kollegen, beispielsweise in der Ambulanz. J. Grifka (Bad Abbach)

[Secondary telangiectatic osteosarcoma of the left femur. A case presentation of an unusual course of disease].

This article presents the unusual case of a 73-year-old male patient who was treated with primary interlocking nailing after a pathological femoral fr...
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