Blut, Band 33, Seite 247-251 (1976) Chirurgische UniversitfitsklinikTtibingen (Direktor: Prof. Dr. L. Koslowski)

Selenkonzentration und Aktivit~it der Glutathionperoxyclase im Lysat menschlicher Erythrozyten Karlheinz Schmidt und Wolfgang Heller Zusammenfassung Die Selenkonzentration in menschlichen Erythrozyten wurde nach nasser Veraschung des biologischen Materials mit Hilfe einer fluorometrischen Bestimmungsmethode gemessen. In den Erythrozyten derselben Blutproben wurde die Aktivit~it des Selenoenzyms Glutathionperoxydase (EC 1.11.1.9) mit terti/irem Butylhydroperoxyd als Akzeptorsubstrat bestimmt. Die Ergebnisse lassen erkennen, dab nur etwa 10% des gesamten Selengehaltes menschlicher Erythrozyten an das Enzym gebunden sind. Zwischen der Enzymaktivit~it und der Selenkonzentration besteht keine Korrelation. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse kann vermutet werden, dab der protektive Effekt des Selens in Glutathionperoxydase gegen oxydative Zellsch~idigung nicht die einzige Funktion dieses Elements sein kann. Summary The concentration of selenium in human red cells was measured by a fluorometric determination method after wet digestion of the biological material. In the red ceils from the same blood samples the activity of the selenoenzyme glutathione peroxidase (EC 1.11.1.9) was determined with tertiary butyl hydroperoxide as acceptor substrate. The results show that only 10% of the total selenium content of human red cells is fixed to the enzyme. No correlation between the enzyme activity and the selenium concentration could be found. On the basis of these results can be presumed that the protective effect of selenium in glutathione peroxidase against oxidant damage of cells is not the only biological function of this element. Key words: Selenoenzymes,glutathione peroxidase, selenium determination. Seit neben der toxischen Wirkung des Selens auch Krankheitserscheinungen als Folge yon Selenmangel bekanntgeworden sind, ist das Interesse an der physiologischen Bedeutung dieses Elements st~ndig gestiegen. Die Selen-Mangelerscheinungen zeigen sich in Dystrophien verschiedener Organe, wobei Myodystrophien (white muscle disease, Maulbeerherz-Krankheit) und Nekrosen yon Leber, Pankreas und Niere am Mufigsten anzutreffen sind. Im Zuge der Untersuchung dieser Krankheitsbilder hat sich erwiesen, dab Selen, Tocopherol und schwefelhaltige Aminos~uren in funktioneller Hinsicht einander nahestehen, da jede dieser drei Verbindungen vor einer durch Mangelern~ihrung bedingten Lebernekrose schiitzen kann. Als Wirkungsmechanismus wird eine Stimulierung der in ihrer Aktivitfit abgefallenen Enzyme alpha-Ketoghitarat-Dehydrogenase und Pyruvat-Dehydrogenase angenommen [6]. Eingegangen am 14. 1. 1976

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K. Schmidt und W. Heller

Neuere Untersuchungen [1,5] sehen die Bedeutung des Selens weniger im Zitronensiturezyklus als vielmehr in einer Anti-Oxydans-Wirkung. Danach ist Selen ein notwendiger und integraler Bestandteil des Enzyms Glutathionperoxydase (Glutathion: H202 oxidoreduktase, EC 1.11.1.9), das den Abbau von Hydroperoxyden und Peroxyden der Fetts~uren katalysiert und die Funktion hat, eine oxydative Sch~digung biologischer Membranen zu verhindern. Es wurde jedoch inzwischen auch in einigen mikrobiellen Enzymsystemen, z. B. im Glycin Reduktase System aus clostridium stricklandii, Selen als notwendiger Bestandteil ges [7], so dab sich die Hinweise mehren, dab die Anti-Oxydans-Wirkung die metabolischen Funktionen dieses Elements nur zum Teil erkl/irt. Es erscheint danach wichtig zu untersuchen, ob im Erythrozyten neben dem antioxydativ wirksamen Selen noch ein weltered. Selenpool vorhanden ist, der fiir andere Funktionen zur Verftigung steht. Im Hi,nv blick auf diese Frage ermittelten wir beim Menschen den an die Glutathionperoxydase gebundenen Anteil des erythrozyt~ren Selens. Material und Methodik Zur quantitativen Bestimmung toxischer Spurenelemente wurden zahlreiche Methoden entwickelt, die sich auch fiir die Selenbestimmung eignen [3]. Den praktischen Bediirfnissen kommt jedoch bisher die Fluorometrie am weitesten entgegen, da der apparative Aufwand fiir ein klinisches Labor vertretbar ist und die Empfindlichkeit der Messung den Bereich der Normalwerte bequem erreicht. Die gr6Bte Fehlerquelle ergibt sich aus der Notwendigkeit, die organische Matrix durch Veraschung zu zerst6ren, ohne dab es zu einem Verlust an Selen kommt. Auf eine Standardisierung der Veraschungstechnik wurde daher in dieser Arbeit gr6Bter Wert gelegt, Die Bestimmung des Selens erfolgte fluorometrisch durch Umsetzung des Selens mit 2,3-Diaminonaphthalin [4,8]. Apparate: Zur nassen Veraschung des Erythrozytenlysats wurde eine Apparatur entwickelt, die eine Serienanalyse unter v611ig gleichen Bedingungen erlaubt (Abb. t). Die Fluoreszenzmessungen wurden mit einem Fluoreszer~z-Spektrophotometer (MPF 3 der Firma Perkin-Elmer) durchgefiihrt.

Abb. 1: Apparatur zur nassen Veraschung organischer Selenverbindungen fiir die fluorometrische Bestimmnng.

Aktivitat der Glutathionperoxydase im Lysat menschlicher Erythrozyten

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Arbeitsvorschrifi I. Gewinnung des Erythrozytenlysats ACD- oder Citratblut wird zentrifugiert (2000 g, 10 min, 4 ~ C), der bully-coat elatfernt und die Erythrozyten zweimal mit physiologischer Kochsalzl6sung gewasehen. Durch Einfrieren und Auftauen werden anschlieBend die Erythrozyten lysiert. Danaeh wird der H/imoglobingehalt des Lysats bestimmt und mit bidest. Wasser ein Hb-Gehalt yon 40 g/1 ei~lgestellt. 2. Nasse Veraschung Es werden 3 ml Lysat in Rundkolben pipettiert, 5 ml 65%ige Salpeters~ture zugesetzt, ein Ktihler aufgesetzt und die Mischung 1 Stunde stehen gelassen. Ansehliel3end wird langsam aufgeheizt, bis die Salpeters~iure bei eingesehalteter Wasserk~hlung im unteren Drittel des Ktihlers kondensiert. Wenn das Reaktionsgemisch zur Ruhe gekommen ist, setzt man 2 ml 72%ige Perchlors~ure zu, kocht kurz weiter und schaltet dann die Kiihlung ab. Man kocht weiter, bis sich Perchlors~iurenebel im Kolben zeigen, dabei destilliert ein Tell der Salpeters/iure ab. Danach wird kurz scharf erhitzt, bis die Perchlors~iure an der Kolbenwagd kondensiert. Daraufhin gibt man 6 ml bidest. Wasser zu und l~il3t~aber Nacht stehen. 3. Bestimmung Anderntags werden 1 ml 0,1 M EDTA-di-Natriumsalz und 40 ml 0,1 N Salzs~iure zugegeben und der pH mit 10 M Natronlauge auf 1 eingestellt. Nun gibt man 5 ml 0,1~oige 2,3-Diaminorlaphthalinl6sung in abgedunkeltem Raum zu, liiBt 20 Minuten bei 50 ~ C inkubieren, danach i Stunde abkiihlen (im Dunkeln) und/~berftihrt anschlieBend die Mischung in einen Scheidetrichter, in dem 10 ml Cyclohexan vorliegen. Jetzt wird 1 Minute intensiv gesehfittelt. Die wfiBrige Phase wird verwors die Cyclohexanphase zweimal mit je 25 ml 0,1 M Salzs~iure gewaschen. Die gewaschene Cydohexanl6sung wird zentrifugiert (2000 g, 2 min, 4 ~ C) und der t~berstand in eine Fluoreszenzkiivette gegeben. Danach wird die relative Fluoreszenz gemessen: Xexe360 nm, Xem522 rim. Bei Absolutwerten zwischen 20 und 100 ng Selen lag die relative Standardabweichung bei mehrfachen Messungen eines Selenitstandards bei 5%. Bei mehrfachen Messungen kristalliner Glutathionperoxydase, d. h. proteingebundenem Selenstandard, lagen die Standardabweichungen bei ca. 10%. Bis etwa 200 ng Selen ergab sich eine lineare Abh~ngigkeit der relativen Fluoreszenz yore Selengehalt, dariiber lagen die Fluoreszenzwerte unter der erwarteten Norm (Abb. 2). Ursache daftir diirfte ein bei hohen Selenkonzentrationen verst~trkt auftretender Verlust w~ihrend der Veraschung sein. Die Nachweisgrenze liegt bei etwa 10 ng Selen.

3O

20

oj

01

02

03

O~

85

Selen (l~g) Abb. 2: Standard-Kalibrierungskurve der fluorometrischen Selenbestimmung mit elnem Selenitstandard.

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K. Schmidt und W. Heller

Die Aktivit~itsbestimmung der Glutathionperoxydase im H~imolysat erfolgte nach der Methode yon Flohd et al. [2]. Als Bezugsgr/513ediente der tt~tmoglobingehalt des Hgmolysats, der vor Beginn der Bestimmung durch Verdtinnung der gepackten Erythrozyten mit destilliertem Wasser (1 : 25) grob eingestellt wurde. Danach wurde eine H~imoglobinbestimmung vorgenommen und die Enzymaktivit~it auf 1 mg H~imoglobin bezogen. Als Untersuchungsmaterial sowohl fiir die Selenbestimmung als auch die Aktivit~itsbestimmung der Glutathionperoxydase dienten Erythrozyten gesunder Versuchspersonen.

Ergebnisse und Diskussion In Tabelle 1 sind die Ergebnisse der Selenbestimmung im Hiimolysat yon 10 Versuchspersonen den Aktivit~iten der Glutathionperoxydase im H~imolysat gegeniibergestellt. Die Bestimmungen zeigen Aktivititen mit einem Mittelwert yon 1,97 mU/ mg Hb. Man gewinnt allerdings den Eindruck, dab eine zweigipflige H~iufigkeitsverteilung der Aktivitfiten vorliegen k6nnte. Diesen Befund mit einer genetischen Variabilitiit des Enzyms zu erkl~iren, wtirde eine populationsgenetische Studie erfordern mit einer sehr grogen Zahl yon Probanden, was fiber die Fragestellnng dieser Arbeit hinausgeht. Proband

Aktivit~it mU/mg Hb

l~nzymgebundenes Selen ng/mg Hb

Gesamtselen ng/mg Hb

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

1,24 2,12 1,97 0,97 1,34 2,26 2,39 2,13 2,16 2,66

0,012 0,021 0,019 0,009 0,013 0,022 0,024 0,021 0,021 0,026

0 35 0 15 0 40 0 40 0 25 0 35 0 40 0 40 0 35 0 40

Tab. 1: Das enzymgebundene Selen wurde aus den gemessenen Aktivit/iten errechnet, da die spezifische Aktivit~it des reinen, kristallinen Enzyms bekannt ist (500 U/mg). Der Selengehalt pro Enzymmolekiil wurde durch Neutronenaktivierung zu 4 Selen pro Molekiit ermittelt. Es ist somit ein Vergleich des an die Glutathionperoxydase gebundenen Selens mit dem Gesamtselen des Erythrozyten m/Sglich. Dabei zeigt sich, dab nur zwischen 2 und 14 Prozent des Gesamtselens der Erythrozyten an das Enzym gebunden sind. Eine Korrelation zwischen der Aktivit~it der Glutathionperoxydase und dem Gesamtselengehalt ist nicht gegeben, was bei dem geringen Anteil des enzymgebundenen Selens auch verstiindlich ist. DaB noch andere Selenspeicher vorliegen als nut die Glutathionperoxydase, wird auch aus der hohen positiven Korrelation zwischen Nahrungsselen und Serumselen ersichtlich. Im Serum liegt Selen haupts~ichlich an Albumin bzw. einen AlbuminGlutathionkomplex gebunden vor.

Aktivita't der Glutathionperoxydase im Lysat menscblicher Erythrozylen

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A u f G r u n d der hier ermittelten Ergebnisse k a n n man annehmen, dab die Rolle des Selens im antioxydativen Schutzsystem der Zellen n u t eine Teilfunktion dieses Elements darstellt. Jedenfalls steht anch im Erythrozyten s weitere F u n k t i o n e n ein gr/Sgerer Selenpool zur Verfiigung. Die Autoren danken Herrn Dr. A. Wendel s die f2berlassung kristalliner Glutathionperoxydase sowie Frau G. Biiucker for hervorragende technische Assistenz.

Literatur: 1. Floh4 L., Gtinzler W. A. & Schock H. H. : Glutathione Peroxidase: A Selenoenzyme, tvEBS Fed. Eur. Biochem. Soc. Lett. 32, 132 (1973). 2. Giinzler W. A., Kremers H. & Flohd L. : An improved Coupled Test Procedure for Glutathione Peroxidase in Blood. Z. klin. Chem. klin. Biochem. 12, 444 (1974). 3. Lisk D. J. : Recent Developments in the Analysis of Toxic Elements. Science 184, 1137 (1974). 4. Lott P. F., Cukor P., Moriber G. & Solga J. : 2,3-Diaminonaphthalene as a Reagent for the Determination of Milligram to Submicrogram Amounts of Selenium. Anal. Chem. 35, 1159 (1963). 5. Rotruck J. T., Pope A. L., Ganther H.

E., Swanson A. B., Hafeman D. G. & Hoekstra W. G. : Selenium: Biochemical Role as a Component of Glutathione Peroxidase. Science 179, 588 (1973). 6. Schwarz K. : Role of Vitamine E, Selenium, and Related Factors in Experimental Nutritional Liver Disease. Fed. Proc. 24, 58 (1965). 7. Turner D. C. & Stadtman T. C. : Purification of Protein Components of the Clostridial Glycine Reductase System and Characterization of Protein A as a Selenoprotein. Arch. Biochem. t?iopbys. 154, 366 (1973). 8. Watkinson J. H. : Fluorometric Determination of Selenium in Biological Material with 2,3-Diaminonaphthalene. Anal. Chem. 38, 92 (1966).

Anschr. d. Verf.: Dr.Dr.K. Schmidt, Laboratoriumder ChirurgischenUniversit~itskliniken, 7400 Tiibingen.

[Selenium concentration and activity of glutathione peroxidase in lysate of human erythrocytes].

Blut, Band 33, Seite 247-251 (1976) Chirurgische UniversitfitsklinikTtibingen (Direktor: Prof. Dr. L. Koslowski) Selenkonzentration und Aktivit~it de...
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