1768

Deutsche Medizinische Wochenschrift

Haasis, Larbig: Serumglykosidkonzentration und Digiralisintoxikarion

Dtsch. med. Wschr. loo (1975), 1768-1773 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Serumglykosidkonzentration und Digitalisintoxikation

Serum concentration of glycosides and digitalis intoxi-

cation Mcdizinischc Universitarsklinik Tübingen, Lehrstuhl III (Prof. Dr.

K.

Kochsick)

Bei 299 Patienten wurde nach Einnahme von Digoxin oder eines seiner Derivate eine Serumglykosidkonzentration von 2,3 ng/ml oder höher

gefunden. Die mittlere Serumglykosidkonzentration betrug 3,4 ± 1,3 ng/ml bei einer Streubreite von 2,3 bis 11,0 ng/ml. Höhere Serumglykosidkonzentrationen gingen auch mit höhergradigen AV-Blockierungen oder tachykarden ektopen Reizbildungsstörungen einher. Eine das übliche Maß überschreitende Dosierung fand sich in 10°/o der Fälle. Eine eingeschränkte Nierenfunktion war mit 72°/o die häufigste Ursache für die Digitalisintoxikation. Es ergaben sich Hinweise darauf, daß ein niedriges Körpergewicht ein potentielles Risiko für eine Intoxikation bedeutet. Die Serumglykosidkonzentration nach Einnahme von Digoxin, 3-Acetyldigoxin oder (-Methyldigoxin läßt sich radioimmunologisch rasch und zuverlässig bestimmen (12, 13, 15, 23-27, 38, 39). Für die diagnostische Sicherung der Digitalisintoxikation bringt die Kenntnis der aktuellen Serumglykosidkonzentration neue Gesichtspunkte und Vorteile (1, 13, 14, 26, 37, 39). Man kann somit von der jeweiligen Serumgiykosidkonzentration ausgehend zeitlich zugeordnete EKG-Verläufe beurteilen, während frühere Untersucher vorwiegend vom EKG-Befund aus den Grad der Glykosidintoxikation abschätzen mußten (2-4, 6-8, 10, 16, 28, 29, 32, 36). Diese Untersuchung beschäftigt sich mit dem Problem der Giykosidkumulation und soil klären, in welchem Bereich die Serumglykosidkonzentration bei bestimmten elektrokardiographischen und klinischen Zeichen der Glykosidintoxikation liegt, ob sich Beziehungen zwischen Art der Rhythmusstörung und Höhe der gemessenen Serumglykosidkonzentration herstellen lassen und welche Faktoren im einzelnen zu der Giykosidintoxika-

tion geführt haben.

Methode und Patienten Die Serumglykosidkonzentration wurde radioimmunologisch bestimmt (23-25, 27, 38). Erfaßt wurden Patienten, die einerseits eine Serumglykosidkonzentration von 2,3 ng/mi und mehr hatten und andererseits typische glykosid-induzierte EKG-Verläufe mit Normalisierungstendenz unter Glykosidpause aufwiesen. Bei Schrittmacherpatienten und einigen letal verlaufenen Fällen wurde die Zuordnung nur zu einem EKG-Streifen vorgenommen. Waren mehrere Rythmusstörungen zum Zeitpunkt der EKG-Registrierung vorhanden, so wurde ausschließlich die weitergehende berücksichtigt. Blutentnahmen erfolgten 12 Stunden oder später nach der letzten Glykosideinnahme, um Verfälschungen der sSteady-states-Konzen-

Serum glycoside concentration was 2.3 ng/ml or more in 299 patients digitalised with digoxin or digoxin derivatives. Mean serum glycoside concentration was 3.4 ± 1.3 ng/ml (range 2.3-11.00 ng per ml). Usually, high serum concentrations were associated with advanced degrees of A-V block or rapid ectopic rhythms. Digitalis intoxication as a result of digoxin

or digoxin-derivative overdosage occurred in only 10°/o of patients. Almost three quarters of those with intoxication had impaired renal function. There was some evidence that low body-weight increased the potential risk of intoxication.

tration durch Verteilungsmechanismen zu vermeiden. Die statistische Auswertung der Ergebnisse erfolgte nach dem t-Test für unverbundene Stichproben. Tab. 1. Aufschlüsselung der insgesamt 299 Patienten mit Serum2,3 ng/ml glykosidkonzentrationen Elektrokardiogramm

muldenförmige ST-Senkung, präterminal negative T-Welle Schrittmacherpatienten

Patienten n

Serumglykosid-

64

2,9 ± 0,57

konzentration ± s) [ng/mi]

(Sc

41

2,8 ± 0,72

Rhythmusstörungen

194

3,6 ± 1,50

insgesamt

299

3,4 ± 1,30

Ergebnisse Die mittlere Serumglykosidkonzentration der insgesamt 299 Fälle betrug 3,4 ± 1,3 ng/ml bei einer Streubreite von 2,3 bis 11,0 ng/ml. In dieser Gruppe befanden sich 41 Schrittmacherpatienten mit Kammerstimulation, bei denen sich trotz einer Serumglykosidkonzentration von 2,8 ± 0,72 ng/ml aus dem E)ektrokardiogramm keine Hinweise auf eine Glykosidintoxikation ergaben. Exakte

elektrokardiographische Verlaufsuntersuchungen waren somit bei 258 Fällen möglich. In 64 Fällen (25%) fanden wir eine Serumglykosidkonzentration von 2,9 ± 0,57 ng/mi, sahen aber zu diesem Zeitpunkt im Eiektrokardiogramm nur mehr oder weniger ausgeprägte muldenförmige ST-Senkungen mit Cbergang in abgeflachte oder präterminal negative T-Wellen. Verschiedenartige Rhyth-

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R. Haasis und D. Larbig

Haass, Larbig: Serumglykosidkonzentrarion und Digitalisintoxikarion

musstörungen fanden wir bei 194 Fällen (75%) mit einer Serumglykosidkonzentration von 3,6 ± 1,5 ng/mi, die gegenüber der Patientengruppe mit ausschließlichen Kammerendteilveränderungen signifikant höher lag (P 0,05) (Tabelle 1). Serumglykosidkonzentration und EKG-Befund. Die häufigste Rhythmusstörung war bei 51 von 194 Fällen (27%) und einer Serumglykosidkonzentration von 3,4 ± 0,93 ng/ml die Verlängerung der PQ-Zeit, danach folgten 32 Fälle (17%) mit ventrikulären Extrasystolen bei einer Serumglykosidkonzentration von 3,0 ± 0,57 ng/mi, die sich gegenüber dem Wert von 2,9 ± 0,57 ng/ml bei ausschließlichen Kammerendteilveränderungen nicht signifikant unterschied. Demgegenüber bestand jedoch eine Signifikanz zwischen der Serumglykosidkonzentration bei PQ-Verlängerung und ventrikulärer Extrasystolie (P < 0,025) sowie zwischen PQ-Verlängerung und ausschließlichen Kammerendteilveränderungen (P < 0,01). Eine Aufschlüsselung der weiteren Fälle enthält Tabelle 2. Von den sieben Fällen mit Knotenrhythmus wiesen zwei einen tachykarden und fünf einen bradykarden Charakter auf.

[Serum concentration of glycosides and digitalis intoxication(author's transl)].

Serum glycoside concentration was 2.3 ng/ml or more in 299 patients digitalised with digoxin or digoxin derivatives. Mean serum glycoside concentratio...
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