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Soziale Angststörungen Social Anxiety Disorders

Ulrike Willutzki, Philipp Victor Psychologie und Psychotherapie, Universität Witten/Herdecke

!

Das Konzept der sozialen Angststörung soll umfassend vermittelt werden. Hierzu werden Informationen zu Phänomenologie, Epidemiologie, Diagnostik und Behandlungsansätzen gegeben. Nach Hinweisen zur Gestaltung der therapeutischen Beziehung wird das therapeutische Vorgehen in der kognitiven Therapie und der psychodynamisch orientierten Therapie veranschaulicht.

Störungskonzept und Kriterien !

Soziale Ängste sind ein weitverbreitetes und nicht per se pathologisches Phänomen: So ist der Wunsch, in Bewerbungsgesprächen, bei Prüfungen, Geschäftsessen oder privaten Festlichkeiten informiert und sicher zu wirken bzw. andere für sich zu gewinnen, durchaus sinnvoll. Zudem trägt die Sorge davor, in wichtigen sozialen Leistungssituationen schlecht dazustehen bzw. privat seltsam oder unsicher oder inkompetent zu wirken, bei mittlerem Anspannungsniveau vielfach zu einer besseren Leistung bei. Wird die Angst jedoch zu groß und die Sorge, demütigende oder peinliche Angstsymptome zu zeigen, zum ständigen Begleiter, kommt es oftmals zu bedeutsamen Beeinträchtigungen der Lebensführung und zu erheblichem Leidensdruck. So werden berufliche oder schulische Leistungssituationen gemieden oder es kommt zu Schwierigkeiten bei privaten Kontakten und in Beziehungen. Die soziale Phobie wird in der Literatur immer wieder als wenig erforscht und als in der psychosozialen Versorgung zu wenig berücksichtigt beschrieben. Dem gegenüber stehen epidemiologische Untersuchungen, die von einer Lebenszeitprävalenz von bis zu 12 % ausgehen und die soziale Phobie damit nach affektiven Störungen und Alkoholproblemen als dritthäufigste psychische Störung sehen [1]. Diagnosekriterien. Die soziale Phobie wurde 1966 von Marks und Gelder [2] als Unterform der „pho-

bischen Neurosen“ beschrieben. Als gesonderte Diagnosekategorie wurde die soziale Phobie erstmals 1980 in das DSM-III [3] aufgenommen. Als soziale Phobie wurden damals relativ eng umgrenzte Beeinträchtigungen in sozialen Situationen kodiert; offenes Vermeidungsverhalten war ein notwendiges Merkmal für die Diagnosestellung. Die Diagnosekriterien wurden 1987 ausgeweitet (DSM-III-R [4]): Einerseits wurde berücksichtigt, dass soziale Situationen auch ohne offenes Vermeidungsverhalten unter intensiver Angst ertragen werden können; zudem wurde zwischen spezifischem und generalisiertem Typ unterschieden und die Doppelkodierung mit z. B. der selbstunsicher-vermeidenden Persönlichkeitsstörung zugelassen. Dieser Struktur folgte auch das DSM-IV [5]. Im DSM-5 [6] wurden die folgenden Veränderungen gegenüber dem DSMIV vorgenommen: ▶ Es wird nicht mehr gefordert, dass die Person erkennt, dass die Angst übertrieben ist (C-Kriterium im DSM-IV). ▶ Weiterhin wird unabhängig vom Alter eine Störungsdauer von mind. 6 Monaten gefordert (F-Kriterium im DSM-IV). ▶ Die Differenzierung zwischen spezifischer und generalisierter sozialer Phobie entfällt; sofern sich die Ängste auf Sprechen bzw. Darstellung vor Publikum beziehen, soll laut DSM-5 die Spezifikation „nur Performanz“ vorgenommen werden. Während im DSM nicht näher spezifiziert wird, welche oder wie viele Angstsymptome in Angstsituationen zur Erfüllung der Diagnosekriterien auftreten sollten, fordert die ICD-10 bestimmte Symptome als Kernkriterien (Erröten oder Zittern bzw. Angst zu erbrechen oder Miktions- oder Defäkationsdrang bzw. Angst davor) sowie zusätzlich mind. 2 weitere nicht spezifizierte Angstsymptome. Die strengeren Symptomkriterien in der ICD-10 mögen die Diagnoseschwelle erhöhen; gleichzeitig ist es angesichts der Vielgestaltigkeit bedeutsamer sozialer Ängste aus unserer Sicht nicht zu rechtfertigen, einzelnen Symptomen besondere Relevanz beizumessen.

VNR 2760512014144214623 Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1387322 Psychother Psych Med 2014; 64: 481–491 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0937-2032 Korrespondenzadresse Prof. Dr. Ulrike Willutzki Universität Witten/Herdecke Psychologie und Psychotherapie Alfred-Herrhausen-Straße 50 58448 Witten [email protected]

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Lernziele

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Soziale Phobien zeichnen sich nach DSM und ICD durch Ängste vor Demütigung oder Peinlichkeit in sozialen Situationen aus, die die Form situationsgebundener Panikattacken annehmen können. Die gefürchteten Situationen werden vermieden oder unter intensiver Angst ertragen. Die Lebensführung, sowohl beruflich als auch privat, ist deutlich beeinträchtigt.

Epidemiologie, Verlauf und Komorbidität !

Prävalenz. Seit den 1980er-Jahren ist es zu einer Erhöhung der Prävalenzzahlen der sozialen Angststörung in epidemiologischen Studien gekommen, die primär auf die Ausweitung der diagnostischen Kriterien zurückgehen dürfte. Während nach Lieb und Müller [7] die Lebenszeitprävalenz auf Basis der DSM-III-Kriterien auf 1,6 – 3,8 % geschätzt wurde, geht man nach DSM-IVKriterien von 3,1 – 12 % insbesondere für westliche Industriestaaten aus. Für Europa werden etwas niedrigere Lebenszeitprävalenzen von 6,7 % (DSM-IV) angegeben [8]. Hinsichtlich des Geschlechterverhältnisses lassen die epidemiologischen Studien mehrheitlich ein ca. 1,5 – 2-fach erhöhtes Risiko für Frauen vermuten. Der Geschlechtsunterschied ist im direkten Vergleich zu anderen Angststörungen allerdings geringer ausgeprägt [2]. Im Allgemeinen treten die Symptome der sozialen Phobie erstmalig zwischen dem 13. und 20. Lebensjahr auf; ein Peak scheint mit einer 1-Jahresinzidenzrate von 0,72 % zwischen dem 10. und 19. Lebenjahr zu liegen [9]. Der Beginn der generalisierten Form scheint sogar etwas vorverlagert [10]. Eine Erstmanifestation nach dem 25. Lebensjahr ist eher selten. Krankheitsverlauf. Häufig finden sich chronische Verläufe: Von Personen, die die Kriterien für eine soziale Angststörung erfüllen, wird die mittlere Dauer bis zum Aufsuchen therapeutischer Unterstützung retrospektiv mit 10 – 21 Jahren angegeben. In der Allgemeinbevölkerung liegt die retrospektiv eingeschätzte durchschnittliche Störungsdauer zwischen 19 und 29 Jahren [7]. Im Kontrast dazu kommt eine prospektive Studie aus Zürich mit einem 11-jährigen Untersuchungszeitraum zu dem Ergebnis, dass keine Person zu allen 4 Messzeitpunkten alle erforderlichen Kriterien der sozialen Phobie nach DSM-III erfüllt [11]. Prospektive Studien für jüngere Altersgruppen verweisen auf eine höhere Stabilität [7]. Obwohl die Datenlage somit etwas uneinheitlich ist und sowohl chronische als auch günstige Verläufe vorzukommen scheinen, ist davon auszugehen, dass Betroffene vielfach lange unter sozialen Ängsten leiden und bis zur Therapieaufnahme vielfältige, teilweise hochautomatisierte Überlebens- und Vermeidungsstrategien internalisiert haben, die Willutzki U, Victor P. Soziale Angststörungen … Psychother Psych Med 2014; 64: 481–491

ihrerseits zur Aufrechterhaltung der Störung beitragen. Soziale Faktoren. Soziodemografische Daten sprechen für eine deutliche Beeinträchtigung: Betroffene leben seltener mit Partnern zusammen, häufiger bei den Eltern und sind seltener verheiratet. Bis zu 60 % haben keine sexuellen Erfahrungen bzw. sexuelle Schwierigkeiten [12]. Im Vergleich zu Kontrollpersonen zeigen sich vermehrte interpersonelle Schwierigkeiten, Beeinträchtigungen der beruflichen und akademischen Entwicklung und ein niedriger sozioökonomischer Status [10]. Komorbidität. Die Komorbiditätsrate der sozialen Phobie liegt zwischen 69 % und 81 % und damit generell hoch. Parallel treten vor allem Angststörungen auf (bis zu 59 %), wie z. B. die spezifische Phobie (37,6 – 59 %) oder die Agoraphobie (8,8 – 44,9 %). Etwas geringer, aber immer noch hoch, sind die Raten für Major Depression (16,6 – 37,2 %), Dysthymie (10,9 – 12,5 %), Substanzabhängigkeit bzw. -missbrauch (10,9 – 19,4 %) und sexuelle Störungen (vgl. ausführlich [7]). Epidemiologische und klinische Studien deuten darauf hin, dass bei der Mehrzahl der komorbiden Fälle die soziale Phobie vor der anderen Diagnose auftrat [13]. Untersucht wurde dies für affektive Störungen (95 % mit sozialer Phobie vor dem Auftreten der komorbiden Störung), generalisierte Angststörung (90 %), Agoraphobie (80 %) und Alkoholprobleme (65 %). Damit sind Fragen nach der kausalen Beziehung zwischen den Störungen natürlich nicht beantwortet. Möglicherweise treten jedoch häufig affektive Beeinträchtigungen als Ergebnis der mit der sozialen Phobie verbundenen Demoralisierung bzw. Alkoholmissbrauch als Bewältigungsstrategie auf: So steht die soziale Phobie bei Jugendlichen im Zusammenhang mit späterem Alkohol- und Drogenmissbrauch [14].

Die soziale Phobie ist eine der häufigsten Angststörungen. Sie verläuft oft chronisch und stark beeinträchtigend. Die Komorbiditätsraten, insbesondere mit anderen Angststörungen, affektiven Störungen und Alkoholproblemen sind sehr hoch.

Diagnosestellung !

Leitsymptom sozialer Phobien sind nach DSM-IV (und ähnlich im DSM-5) Ängste vor Demütigung oder Peinlichkeit in sozialen Situationen. Dabei wird unterschieden zwischen Interaktionssituationen (Gespräche mit Autoritätspersonen, Gespräche mit Freunden, Sprechen vor Gruppen, Telefonieren) und Leistungssituationen (Prüfungen, Reden halten, vor anderen schreiben, essen oder trinken). Im B-Kriterium des DSM wird ausdrücklich beschrieben, dass soziale Ängste wie situa-

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Differenzialdiagnose Die Unterschiede zwischen der sozialen Phobie und der selbstunsicher-vermeidenden Persönlichkeitsstörung sind eher quantitativ als qualitativ. Dies verdeutlicht die Empfehlung des DSM, bei der Diagnosestellung gleichzeitig die Diagnose einer selbstunsicher-vermeidenden Persönlichkeitsstörung in Betracht zu ziehen sowie die sich stark überschneidenden Kriterien beider Störungen. Dementsprechend wird in der Fachliteratur die Differenzierbarkeit beider Diagnosen in Zweifel gezogen [23, 24]. Insgesamt ist eher davon auszugehen, dass nicht-pathologische Schüchternheit, soziale Phobie und selbstunsicher-vermeidende Persönlichkeitsstörung unterschiedliche Schweregrade einer Störungsdimension darstellen. Die soziale Angststörung ist von anderen psychischen Störungen zum Teil schwer abzugrenzen, vor allem von anderen Angst- oder Zwangsspektrumsstörungen. So können berichtete Symptome wie Panikattacken oder Agoraphobie zunächst an eine spezifische Phobie, Depression oder Essstörung erinnern. Bei der Exploration sind zur Differenzierung die auslösenden Situationen sowie Gedanken und Befürchtungen herauszuarbeiten. Während dies bei affektiven Störungen, spezifischen Phobien oder der Panikstörung häufig möglich ist, ist dies bei der Agoraphobie oft schwierig. Insbesondere das hier ebenfalls relevante Peinlichkeitskriterium kann eine Doppeldiagnose nahelegen, falls sowohl fluchtbezo-

gene Befürchtungen als auch peinlichkeitsbezogene Befürchtungen, die sich nicht ausschließlich auf Symptome oder Flucht beziehen, vorhanden sind.

Strukturierte klinische Interviews wie z. B. SKID, DIPS oder CIDI bieten sich zur Diagnosestellung sozialer Ängste an. Die Abgrenzung zu Schüchternheit, der selbstunsicher-vermeidenden Persönlichkeitsstörung oder anderen psychischen Störungen kann schwierig sein, zumal von einer hohen Komorbiditätsrate ausgegangen werden muss. Die Differenzialdiagnostik wird durch die Berücksichtigung von Verlaufsmerkmalen, eine dimensionale Betrachtung und eine Analyse der Befürchtungen erleichtert.

Ätiologie und Aufrechterhaltung sozialer Ängste !

Für die Entstehung sozialer Ängste ist von einem multifaktoriellen Vulnerabilitäts-Stress-Modell auszugehen. Ambühl, Meier und Willutzki [15] geben einen ausführlichen Überblick über ätiologische Faktoren: Zum einen scheint es eine genetische Veranlagung eher für generalisierte soziale Ängste zu geben. In diesem Kontext wird bereits für das Kindesalter der Temperamentsfaktor der Verhaltenshemmung als ätiologischer Faktor diskutiert: „Behavioral Inhibition“ ist das zurückhaltende Reagieren auf neue, unbekannte Reize bei gleichzeitiger Aktivierung des vegetativen Nervensystems. Ebenfalls wird von einer gewissen „Preparedness“ für soziale Ängste ausgegangen, die phylogenetisch adaptiv ist, sich in einer Sensibilität für Gesichtsausdrücke oder Blickkontakt ausdrückt, die Akzeptanz von Hierarchien in Gruppen erleichtert und somit die Gruppenzugehörigkeit und den friedlichen Zusammenhalt unterstützt. Auf Basis solcher „Preparedness“ besteht möglicherweise eine besondere Bereitschaft für soziale Konditionierungsprozesse. Konditionierung im Kindesalter. Bereits im Kindesalter scheinen eine unsicher-vermeidende Bindung in der Mutter-Kind-Beziehung, wenig emotionale Reaktion der Mutter auf kindliche Signale sowie ein kontrollierender elterlicher Erziehungsstil ungünstig zu sein. Anamnestisch berichten z. B. viele Patienten von traumatischen sozialen Erfahrungen, bei denen sie abwertenden Kommentaren, andauernden Hänseleien, außergewöhnlicher Scham in Leistungssituationen oder gar körperlicher Gewalt ausgesetzt waren. Auch stellvertretende Konditionierungsprozesse, z. B. durch das Beobachten von direkten verbalen oder körperlichen Angriffen und abwertendem Gerede über Abwesende, können soziale Ängste begünstigen. Dazu kann es vor allem im näheren familiären Umfeld zu symbolischer KonditionieWillutzki U, Victor P. Soziale Angststörungen … Psychother Psych Med 2014; 64: 481–491

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tionsgebundene Panikattacken erscheinen können, wobei keine weitere Panikstörung kodiert wird, wenn die Panikattacken nur in konkreten sozialen Situationen auftreten. Laut DSM-IV wird die Angst als übertrieben oder unbegründet erlebt (C-Kriterium; vgl. aber DSM-5 [6]) und führt dazu, dass die gefürchteten Situationen vermieden oder unter intensiver Angst ertragen werden (D-Kriterium). Über das Kriterium der Beeinträchtigung in Lebensführung, beruflichen Situationen, sozialen Aktivitäten und Beziehungen (Kriterium E) wird die soziale Phobie vom weitverbreiteten Unbehagen bzw. subklinischer Schüchternheit abgegrenzt [15]. Im klinischen Alltag kann mangels konkreter Operationalisierung der Diagnoseschwelle die Diagnosestellung dennoch schwierig sein. Die Kriterien der ICD-10 [16] überlappen sich weitgehend mit denen des DSM-IV, sind jedoch weniger differenziert. Zur Diagnosestellung eignen sich insbesondere strukturierte klinische Interviews (SKID-I, SKIDII, DIPS, CIDI) oder Checklistenverfahren (IDCL). Als Fremdbeurteilungsverfahren bietet sich im deutschsprachigen Raum die Liebowitz-SozialeAngst-Skala (LSAS) [17] an. Als Selbstbeurteilungsverfahren haben sich das Soziale-Phobieund-Angst-Inventar (SPAI) [18, 19] sowie der Social Phobia Diagnostic Questionnaire (SPDQ) [20, 21] etabliert (siehe zusammenfassend [22]).

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rung kommen, bei der dysfunktionale Annahmen vermittelt werden („Falle bloß nicht auf“; „Die Welt ist ein feindlicher Ort“; vgl. im Einzelnen [15]). Soziale Erfahrungen. Wie auch bei anderen Angststörungen lässt sich die Entwicklung der sozialen Angststörung im Rahmen der Zwei-FaktorenTheorie als Kombination klassischer Konditionierung und operanter Konditionierung (vor allem durch Vermeidungsverhalten als aufrechterhaltendem Mechanismus) konzeptualisieren [25]. Neuere Modelle [26] fokussieren dagegen stärker die kognitive Natur sozialer Ängste: Zentrale Befürchtung ist, von anderen nicht akzeptiert oder abgewertet, für inkompetent, langweilig oder abnorm gehalten zu werden. Zusätzlich werden neben dem Vermeidungsverhalten Aufmerksamkeitsprozesse, Sicherheitsverhaltensweisen sowie weitere kognitive Komponenten wie Annahmen und intrusive negative bildhafte Selbstbilder (Images) angenommen. Durch Ausbleiben korrigierender Erfahrungen aufgrund vielfältig differenzierter und teils verdeckter Vermeidungsund Sicherheitsmaßnahmen bleiben dysfunktionale Annahmen bestehen; auch positive Interaktionserfahrungen tragen so nicht zum Entkräften der Ängste bei [26]: ▶ dunkle und weite Kleidung schützt vor vermeintlich auffälligem Schwitzen; ▶ das mehrfache Erproben eigentlich spontaner Äußerungen bewahrt vermeintlich davor, etwas Peinliches oder Inkompetentes zu äußern; ▶ heimliches Essen oder Trinken schützt vor peinlichem Verschütten oder Fallenlassen; ▶ Vermeidung persönlicher Gespräche verhindert bei anderen den Eindruck, als Person langweilig oder eigenartig zu sein. Positive Interaktionserfahrungen werden gleichzeitig konsistent auf Sicherheitsverhalten statt auf die eigene Person attribuiert („Nur durch meine dunkle Kleidung hat heute niemand gemerkt, wie ekelig ich schwitze“; „Nur weil ich mich wochenlang vorbereitet habe, haben die anderen nicht gemerkt, wie dumm ich eigentlich bin“). Sicherheitsverhaltensweisen sind unter Umständen ihrerseits auffällig („kontaminieren“ das soziale Verhalten) und führen damit zu negativen sozialen Erfahrungen. Durch erhöhte Selbstaufmerksamkeit in sozialen Situationen werden körperliche unangenehme Veränderungen wie Erröten oder Zittern verstärkt wahrgenommen und es kommt zu einem weiteren Angstanstieg, der seinerseits die Integration positiver sozialer Rückmeldungen behindert. Die Aufmerksamkeit ist dabei nicht nur auf Angstsymptome ausgerichtet, sondern auch auf bedrohliche Situationsreize. Hypervigilant werden negative Reaktionen anderer wahrgenommen, ohne dass es zu einer vertieften Verarbeitung der Situation kommt (vgl. [27]). Teilweise treten bildhafte Vorstellungen (z. B. der Klassendepp, das vom Sandkasten ausgeschlosseWillutzki U, Victor P. Soziale Angststörungen … Psychother Psych Med 2014; 64: 481–491

ne Mädchen) in Angstsituationen auf. Überhöhte Standards und Perfektionismus führen dazu, dass die eigene Performanz trotz positiver Rückmeldung als schlecht eingeschätzt wird. Positive Rückmeldungen werden im Nachhinein durch Reattribuierung entwertet oder umgedeutet. Durch diesen Teufelskreis verstärken sich die zentralen Befürchtungen und negativen Annahmen über soziale Kontakte. Gegebenenfalls trägt auch die offene Vermeidung sozialer Situationen zur Aufrechterhaltung der Ängste bei [25].

Dysfunktionale Schemata hinsichtlich der Bedrohlichkeit der sozialen Umwelt werden durch ausgeprägte Selbstaufmerksamkeit, Sicherheitsverhaltensweisen, bildhafte Erinnerungen, Reattribution und hohe Standards gegenüber relativierenden Erfahrungen immunisiert. Offene Vermeidung sozialer Situationen verhindert vielfach positive soziale Erfahrungen.

Psychotherapie sozialer Ängste !

Therapeutische Beziehung und Aktivierung von Patientenressourcen Die therapeutische Beziehung ist bei der sozialen Angststörung von besonderer Bedeutung [28]: Im Unterschied zu anderen Angststörungen ist die Therapie als soziale Situation häufig selbst Auslöser für Bewertungsängste. Die therapeutische Situation, in der über persönliche Schwierigkeiten gesprochen werden soll, erscheint per se bedrohlich; erhöhte Selbstaufmerksamkeit und Sicherheitsverhaltensweisen schränken die Aufnahmefähigkeit für Impulse des Therapeuten ein und kontaminieren die therapeutische Interaktion. Teilweise kommen die Patienten dadurch in Kontakt mit lange vermiedenen schmerzhaften und selbstwertschädlichen Erfahrungen, was den Symptomstress und die Gefahr eines Therapieabbruchs erhöhen kann [15, 29]. Um Patienten ein möglichst angstfreies Erleben der therapeutischen Beziehung und Situation zu ermöglichen, empfehlen sich neben der Verwirklichung allgemeiner Basisvariablen (wie Verständnis, positive Wertschätzung, Empathie) Strategien der motivorientierten bzw. komplementären Beziehungsgestaltung (vgl. ausführlicher [30]). Therapieeinstieg. So ist zunächst darauf zu achten, dass die Atmosphäre gerade in den ersten Sitzungen möglichst selbstwertförderlich gestaltet wird, um eine gute Beziehung zu ermöglichen (vgl. [30, 31]). Neben der Gestaltung der Rahmenbedingungen können Sitzposition, größere Distanz als in der Regel üblich, reduzierter Blickkontakt sowie Arbeiten an Schaubildern, Tafeln oder Flipcharts den Therapieeinstieg erleichtern. Weitere nützliche Strategien sind ▶ Normalisierungen der Symptomatik,

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Fort- und Weiterbildung ▶ Zusammenfassungen, ▶ flexibles Adaptieren von Rückfragen, ▶ Metakommunikation („hat sich der Patient

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soziale Situation

beim Gespräch ängstlich gefühlt?“) und aktiviert Grundannahmen

▶ die Vermeidung negativer Selbstabwertung

Ressourcenorientiertes Vorgehen. Für Menschen mit sozialen Ängsten ist das Aufsuchen einer Psychotherapie direkt selbstwertschädlich: In ihrem Erleben stellt dies das Eingeständnis dar, dass sie ihre Schwierigkeiten nicht aus eigener Kraft bewältigen können. Auch Veränderungen in der Psychotherapie haben für sie ein Doppelgesicht: Einerseits stellen sie Fortschritte dar; andererseits zeigen sie, dass sich die sozialen Ängste mit vermeintlich recht einfachen Mitteln – die sie selbst nicht entwickelt haben – überwinden lassen. Ein ressourcenorientiertes Vorgehen, das explizit selbstwertstützend ist und den Patienten nicht „behandelt“, sondern seine Möglichkeiten aktiv nutzt, ist daher besonders wichtig [32]. Im Rahmen eines manualisierten kombiniert-ressourcenorientierten Vorgehens haben Willutzki et al. [32] hierbei insbesondere systemische Interventionen genutzt: ▶ Lösungsorientierte Techniken mit Fragen nach Ausnahmen von der Symptomatik; ▶ Fokussierung auf Anteile gesunder Verhaltensweisen, Kognitionen, Gefühle, Selbstbilder oder Körperempfindungen; ▶ Wunderfragen. Weiterhin wurden klassische kognitiv-behaviorale Methoden ressourcenorientiert interpretiert (z. B. indem neben dem Störungsmodell explizit früh in der Therapie ein hypothetisches Lösungsoder Stattdessen-Modell konstruiert wurde, auf das im Therapieverlauf zurückgegriffen wurde). Auch selbstbezogene ressourcenorientierte Elemente wurden genutzt, indem z. B. neben einem vorsichtig-gründlichen Selbstanteil ein mutigeraktiver Teil rekonstruiert wurde, der im Annäherungs-Vermeidungskonflikt an soziale Situationen eher einen handlungsorientierten Zugang unterstützt.

Kognitive Therapie sozialer Ängste Das therapeutische Vorgehen im Sinne des kognitiven Behandlungskonzepts nach Clark und Wells [26] gliedert sich in 4 Abschnitte: Eingangs wird gemeinsam mit dem Patienten ein Störungsmo-

Wahrnehmung sozialer Bedrohung

Selbstaufmerksamkeit Verarbeitung des Selbst als soziales Objekt

Sicherheitsverhalten und Vermeidungsverhalten Abb. 1

somatische & kognitive Angstsymptome

Kognitives Störungsmodell nach Clark und Wells [26].

dell entwickelt. Im 2. Teil werden – weitgehend im geschützten Rahmen des Therapieraums – gemeinsam mit dem Patienten Mechanismen, die zur Abschirmung des Angstschemas vor positiven sozialen Erfahrungen beitragen, untersucht, infrage gestellt und so weit wie möglich reduziert. Im 3. Abschnitt werden die Befürchtungen und Annahmen der Person erfahrungsbasiert hinterfragt und günstigere Annahmen entwickelt. Im letzten Abschnitt werden verbliebene Annahmen und Grundüberzeugungen mit eher verbalen Disputationsmethoden untersucht und möglicherweise bestehende bildhafte angstbesetzte Vorstellungen mit dem aktuellen Selbstbild kontrastiert.

Entwicklung des Störungsmodells Um Patienten ein besseres Verständnis für ihre Problematik zu ermöglichen und eine gemeinsame Sprache bzgl. relevanter Faktoren und Ansatzpunkte zu entwickeln, empfiehlt es sich, ein indi" Abb. 1) zu erarvidualisiertes Störungsmodell (● beiten. Im Sinne des kognitiven Modells zur Aufrechterhaltung sozialer Ängste nach Clark und Wells [26] aktivieren soziale Situationen Grundannahmen, die zu einer Bewertung der Situation als bedrohlich führen. Auf physiologischer Ebene treten Angstsymptome auf; Sicherheitsverhalten soll die Angst reduzieren bzw. die befürchtete Peinlichkeit oder Demütigung verhindern. Die Aufmerksamkeit verschiebt sich auf das Selbst und negative selbstbezogene Bilder („Images“) werden aktiviert. Das Modell wird mit dem Patienten gemeinsam erarbeitet. Hierbei kommt es im 1. Bearbeitungsschritt nicht auf Vollständigkeit an. Es geht vielmehr darum, dem Patienten die Unterscheidung der verschiedenen Faktoren nahezubringen, um ihm eine entsprechende selbstständige Differenzierung in sozialen Situationen zu ermöglichen. Die therapeutische Haltung ist gekennzeichnet durch eine partnerschaftWillutzki U, Victor P. Soziale Angststörungen … Psychother Psych Med 2014; 64: 481–491

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durch zu offensiv präsentierte therapeutische Expertise oder zu häufiges Nachfragen. Auch der Selbstaufmerksamkeitsfokus und Sicherheitsverhaltensweisen, die das Verhalten in der Therapie selbst kontaminieren, sollten registriert und nicht zu spät angesprochen werden (vgl. [30]). Sofern die sozialen Ängste die Aufnahmebereitschaft des Patienten nicht zu sehr beeinträchtigen, kann eine gewisse Aktivierung des Angstschemas nützlich sein, indem sie die Exploration von Befürchtungen und deren Bearbeitung erleichtert.

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liche Beziehung, in deren Rahmen Patient und Therapeut gemeinsam die Befürchtungen als Hypothesen betrachten und auf ihre Angemessenheit hin überprüfen („kollaborativer Empirismus“). Der Therapeut überzeugt den Patienten somit nicht von der Unangemessenheit seiner Befürchtungen, sondern begleitet die Erfahrungen des Patienten und unterstützt ihn bei der Einordnung. Auf Grundlage der Erkenntnisse zur Symptomatik, Entstehung und Aufrechterhaltung der Störung werden gemeinsam therapeutische Ziele festgelegt und nach Möglichkeit priorisiert und bzgl. ihrer Wichtigkeit skaliert. Ergänzend kann Selbsthilfeliteratur angeboten werden, die sich am beschriebenen therapeutischen Rational orientiert (z. B. [33]).

Reduktion von Mechanismen, die die Integration positiver sozialer Erfahrungen beeinträchtigen Im 2. Therapieabschnitt geht es darum, Mechanismen zu reduzieren, die die Integration positiver sozialer Erfahrungen in das Angstschema behindern. Das Vorgehen setzt auf eine empirische fundierte Einsicht in diese Prozesse, die eine schrittweise Veränderung der Mechanismen durch den Patienten selbst ermöglicht. Therapeutische Anknüpfungspunkte sind die Selbstaufmerksamkeit, das Sicherheitsverhalten und die Orientierung an eigenen negativen Gefühlen. Verlagerung der Aufmerksamkeit. Um die Aufnahmefähigkeit der Person für soziale Situationen zu erhöhen und mögliche Aufschaukelungsprozesse durch ausgeprägten Selbstfokus einzuschränken, empfiehlt es sich die Person früh im therapeutischen Prozess bei der Verlagerung der Aufmerksamkeit zu unterstützen. Hierzu wird mit Übungen gearbeitet, die einen Wechsel zwischen Selbst- und Außenaufmerksamkeit ermöglichen. Die Patienten konzentrieren sich zunächst auf das innere Erleben und schildern ihre Erfahrungen, insbesondere die emotionalen Konsequenzen. Im Anschluss wird die Aufmerksamkeit gezielt nach außen gelenkt: Der Patient wird z. B. gebeten, mit geschlossenen Augen Umgebungsgeräusche sehr differenziert wahrzunehmen, einzelne Instrumente eines Musikstücks zu identifizieren oder die verschiedenen Farben des Raumes genau zu beschreiben. Häufig stellen Patienten fest, dass ausgeprägte Selbstaufmerksamkeit eher zu unangenehmen Emotionen führt und sich die Welt bei erhöhter Außenaufmerksamkeit als interessanterer und weniger angstauslösender Ort herausstellt. Auf Basis dieser erfahrungsbasierten Einsicht in die Problematik eines internen Aufmerksamkeitsfokus werden kleine Übungen zur Variation der Aufmerksamkeit vereinbart. Variation des Sicherheitsverhaltens. Nächster Ansatzpunkt für die Infragestellung problemaufWillutzki U, Victor P. Soziale Angststörungen … Psychother Psych Med 2014; 64: 481–491

Rollenspiel 1. Erarbeitung des Sicherheitsverhaltens in sozialen Situationen und Auswahl einer nicht zu schwierigen, in der Therapie spielbaren Situation. 2. Durchführung des Rollenspiels (z. B. jemanden ansprechen) mit möglichst viel Sicherheitsverhalten und Aufmerksamkeitsfokus nach innen. Anschließende Einschätzung auf einer Skala (z. B. von 0 – 100) von Sicherheitsverhalten, Aufmerksamkeitsfokus, Angst und Bewertung des gezeigten Verhaltens (Performanz). 3. Wiederholung des Rollenspiels mit möglichst reduziertem Sicherheitsverhalten und Aufmerksamkeit auf äußere Situationsreize (z. B. das Gespräch). Erneute Skalierung von Sicherheitsverhalten, Aufmerksamkeitsfokus, Angst und Bewertung des gezeigten Verhaltens. 4. Vergleich der beiden Rollenspiele hinsichtlich des Sicherheitsverhaltens und Herausarbeitung der scheinbar paradoxen ungünstigen Folgen. 5. Absprache von kleinen Experimenten mit reduziertem Sicherheitsverhalten im Alltag.

rechterhaltender Faktoren ist das Sicherheitsverhalten. Auch hier geht es um eine erfahrungsbasiert vermittelte Einsicht in die ungünstigen Folgen der von der Person als geradezu lebensrettend erlebten Sicherheitsverhaltensweisen. Hierzu wird ein Rollenspiel mit mehreren Durchgängen durchgeführt, möglichst mit Videoaufzeichnung und gegebenenfalls weiteren Mitspielern. Zur Protokollierung der Experimente zur Reduktion des Sicherheitsverhaltens empfehlen sich Tagebücher. Videofeedback. Video- oder auch Audiofeedback dient dazu, die Orientierung am eigenen negativen Gefühl („Emotional Reasoning“) infrage zu stellen. Hierzu wird wieder ein kurzes, nicht zu schwieriges Rollenspiel durchgeführt. Die Person wird anschließend gebeten genau zu beschreiben, welche auffälligen Verhaltensweisen beim Ansehen der Videoaufnahme zu sehen sein werden („Explizierung des inneren Films“). Dabei werden konkrete Beobachtungsmerkmale erarbeitet (z. B. per Farbskala, wie rot das Gesicht wohl sein wird; genaue Länge möglicherweise auftretender Pausen; Häufigkeit und zeitlicher Umfang von Verlegenheitsgesten). Danach wird die Person dazu angeregt, eine externe Perspektive einzunehmen, und das Video mit häufigen Unterbrechungen angeschaut, um immer wieder mögliche auffällige Verhaltensweisen zu notieren („Explizierung des äußeren Films“). Im Anschluss werden der äußere und innere Film miteinander verglichen und der Mechanismus der Orientierung am eigenen nega-

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Verhaltensexperimente und Befragung der Umwelt Zentrales Element zur konkreten Infragestellung sozialer Befürchtungen ist die Durchführung von Verhaltensexperimenten in konkreten Situationen außerhalb der Therapie. Dies wird folgendermaßen umgesetzt: 1. Herausarbeitung der jeweiligen Annahme, 2. Erarbeitung einer Situation, in der die Annahme geprüft werden kann (wobei hier kleine, alltägliche Situationen, bei denen die Person in Kontakt mit ihren Befürchtungen kommt, wichtiger sind als große, massiv angstauslösende Situationen), 3. genaue Explikation von Kriterien, die für die Annahme sprechen, 4. Durchführen des Experiments und Vergleich mit den Kriterien, 5. Bezug zur Annahme, 6. Erarbeitung weiterer Experimente. Der Patient wird ermuntert, die Verhaltensexperimente mit möglichst wenig Selbstaufmerksamkeit und möglichst wenig Sicherheitsverhalten umzusetzen. Da er sich mit den Verhaltensexperimenten in von ihm gefürchtete Situationen hineinbegibt, kann es durchaus zu erhöhter Anspannung und auch Angstgefühlen kommen. Die Kriterien für bzw. gegen die Gültigkeit dieser Annahmen dürfen sich daher nicht auf die eigene Befindlichkeit beziehen, sondern auf die gefürchteten Reaktionen der sozialen Umwelt. Verhaltensexperimente, vor allem in der 1. Phase, können auch mit Therapeutenunterstützung in der konkreten Situation stattfinden; hierbei kann der Therapeut die Reduktion aufrechterhaltender Mechanismen fördern. Im weiteren Verlauf geht die Durchführung der Verhaltensexperimente in die Hand des Patienten über. Idealerweise entwickelt er zunehmend die Grundhaltung, seine Annahmen als Hypothesen zu betrachten, die es im Einzelnen zu prüfen gilt. Für die Dokumentation der Verhaltensexperimente empfehlen sich Protokollbögen, anhand derer sich der Patient immer wieder mit seinen Annahmen und den Erfahrungen auseinandersetzen kann. Ergänzend können direkte Befragungen der sozialen Umwelt zu einzelnen Annahmen durchgeführt werden. So kann z. B. die Annahme überprüft werden „Menschen, die nervös wirken, sind abzulehnen“. Mit dem Patienten zusammen wird z. B. ein entsprechender Fragebogen entwi-

Imaginationsübung 1. Der Patient imaginiert mit geschlossenen Augen das häufig auf den Beginn der sozialen Ängste bezogene negative Image (gegebenenfalls einschließlich einer typischen Situation). Der Therapeut unterstützt die Aktivierung der mit dem Selbstbild verbundenen Gefühle und Gedanken, z. B. durch Förderung einer indikativischen Beschreibung und „ich“-bezogener Formulierungen. Häufig berichten Patienten von ausgeprägter Scham. 2. Nachdem die Person kognitivemotionalen Zugang zum negativen Selbstbild hatte, unterstützt der Therapeut den Patienten dabei, sein aktuelles Selbstbild (einschließlich Haltung, Gesichtsausdruck, Bewegung; gegebenenfalls wiederum in einer relevanten Situation) zu imaginieren, bis die

Person auch einen emotionalen Zugang zu ihrem aktuellen Selbst hat. 3. In der Folge unterstützt der Therapeut den Wechsel zwischen den beiden Bildern, wobei er sich im Verlauf immer weiter zurücknimmt, und schließlich nur kurze Hinweise (z. B. durch kurzes Klopfen) für den Wechsel gibt. 4. Bei der Auswertung der Übung werden die affektiven Konsequenzen der Bilder differenziert exploriert. Weiter wird dem Patienten Gelegenheit gegeben, die Grundlagen für sein positiveres aktuelles Selbstbild zu formulieren. Zum Transfer in die Alltagssituation werden mit dem Patienten kurze Übungen mit Wechsel zwischen den Images außerhalb schwieriger Situationen vereinbart.

ckelt, der etwa im Wartezimmer der therapeutischen Einrichtung ausgelegt wird. Auch hier wird vorher genau festgelegt, welches Ergebnis erwartet wird. Die Rückmeldungen werden mit der Erwartung verglichen und Konsequenzen für die Annahme erarbeitet. In diesem Kontext können auch Befragungen z. B. in der Fußgängerzone stattfinden, bei denen die Antworten aufgenommen und später ausgewertet werden.

Infragestellung verbliebener Annahmen und Bilder Nach der vorherigen, deutlich empirisch ausgerichteten Phase der Therapie wird im folgenden Therapieabschnitt mit ergänzenden kognitiven Techniken und Imaginationsübungen gearbeitet. Ziel ist dabei die Infragestellung ungünstiger Bewertungen bei gleichzeitiger Aktivierung realistischer Annahmen und Bilder (vgl. zusammenfassend [34]). Auch nach Veränderung der Grundannahmen und einem positiveren Selbstbild verbleiben bei manchen Patienten intrusive negative bildhafte Vorstellungen, die mit starker emotionaler Aktivierung einhergehen (im Erklärungsmodell als „Images“ bezeichnet; vgl. [26]). Zur Veränderung dieser Selbstbilder und ihrer intrusiven Qualität wird die folgende Imaginationsübung durchgeführt. Nach außen wirkt die Übung eher unspektakulär. Patienten berichten häufig eine deutliche emotionale Erleichterung und können zunehmend auch in schwierigen Situationen, in denen das negative Image aktiviert wird, aktiv Zugang zu ihrem aktuellen Selbstbild herstellen. Wild, Hackmann und Willutzki U, Victor P. Soziale Angststörungen … Psychother Psych Med 2014; 64: 481–491

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tiven Gefühl als Bewertungskriterium für die eigene Performanz herausgearbeitet. Mit dem Patienten wird die Problematik dieses Kriteriums erarbeitet und erste Alternativen für eine „realitätsangemessene“ Wahrnehmung sozialer Situationen (z. B. durch Befragung anderer Personen) diskutiert; gleichzeitig wird erarbeitet, dass vermutlich beim Aufsuchen bisher vermiedener sozialer Situationen mehr Ängste auftreten können als zuvor.

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Clark [35] konnten zeigen, dass Varianten dieser Arbeit am Image zur deutlichen Reduktion intrusiver Bilder beitrugen.

Psychodynamisch orientierte Therapie sozialer Ängste Im psychodynamischen Kontext wurde der supportiv-expresssive Therapieansatz nach Luborsky [36] für die Behandlung sozialer Ängste adaptiert (SET; [37]). Den allgemeinen Grundannahmen psychodynamischer Therapieansätze werden psychische Symptome als Folgen ungelöster Konflikte oder von Beeinträchtigungen der Ich-Funktionen verstanden. Der entsprechende Fokus wird als zentrales Beziehungskonfliktthema (ZBKT) aus den Narrativen der Beziehungserfahrungen des Patienten herausgearbeitet. Ein ZBKT besteht jeweils aus 3 Komponenten: ▶ einem Wunsch (W: „Ich wünsche, dass Person X …“), ▶ eine Reaktion der anderen (RO: „Aber Person X wird …“), und ▶ eine Reaktion des Selbst (RS: „Deshalb werde ich …“). In diesem Schema repräsentiert die Reaktion des Selbst (RS) die Symptome des Patienten. Dementsprechend werden aus den am häufigsten berichteten Wünschen, den häufigsten Reaktionen der anderen und den häufigsten Reaktionen des Selbst die zentralen Beziehungskonfliktthemen abgeleitet. Für einen Patienten mit einer sozialen Phobie kann das ZBKT z. B. folgendermaßen aussehen: ▶ W: „Ich möchte im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen und von anderen bestätigt werden.“ ▶ RO: „Aber die anderen werden mich demütigen und abwerten.“ ▶ RS: „Ich schäme mich und bekomme Angst, mich zu zeigen. Deswegen vermeide ich es mich zu zeigen“ (Symptome der sozialen Phobie). Aufgabe des Therapeuten ist es, das ZBKT zu identifizieren, auf dem gegenwärtige Symptome des Patienten beruhen. Hierzu untersucht er die Beziehungsepisoden, die in den Erzählungen des Patienten über Interaktionen mit anderen Leuten im Lauf der Therapie enthalten sind [36]. Gleichzeitig wird das ZBKT als Übertragungspotenzial, als Schema verstanden, das zentrale Wünsche, antizipierte Reaktionen der anderen und des Selbst („Ich wünsche, dass …, aber die anderen werden … deshalb werde ich …“) verknüpft und trotz seiner selbstschädigenden Natur wiederholt reproduziert. Die supportiv-expressive Therapie umfasst einerseits unterstützende (insbesondere eine warme und unterstützende Beziehung) und expressive (interpretative) Bestandteile. Expressive Interventionen beziehen sich insbesondere auf die Unterstützung des Verständnisses des Patienten (kognitiv und emotional) der aktuellen Symptome und des zugrunde liegenden ZBKTs sowie Willutzki U, Victor P. Soziale Angststörungen … Psychother Psych Med 2014; 64: 481–491

auf die Durcharbeitung des ZBKTs. Je beeinträchtigter der Patient ist und je akuter die Probleme sind, desto supportiver und weniger expressiv sollte das therapeutische Vorgehen sein. Therapeutisches Vorgehen. In der 1. Phase erfolgt nach störungsbezogener Diagnostik, biografischer Anamnese und Exploration des ZBKTs die Sozialisation des Patienten mit Informationen über die Störung und ihre Behandlung sowie die Formulierung realistischer Ziele. Nach dieser „kognitiven Vorbereitung für die psychodynamische Behandlung“ ermutigt der Therapeut in der Mittelphase der Therapie zum Gespräch über die Beziehungen zu anderen und bezieht die Symptome der sozialen Ängste auf diese Episoden. Dadurch wird das ZBKT einerseits konkretisiert und andererseits „durchgearbeitet“, sodass der Patient ein vertieftes Verständnis und eine erhöhte Sensibilität für diese interpersonellen Muster gewinnt. Der Therapeut ermuntert den Patienten zur selbstgesteuerten Symptomexposition, durch die die sozialphobischen Schemata auf ihren gegenwärtigen Gehalt geprüft werden und gleichzeitig die Internalisierung des Therapeuten unterstützt wird. Im Verlauf der Therapie ist mit dem Wiederauftreten von Symptomen zu rechnen, wenn die dem ZBKT inhärenten Wünsche (insbesondere den Wunsch nach Nähe, Versorgung, Sicherheit) nicht erfüllt werden oder der Verlust des Therapeuten antizipiert wird. Der Therapeut deutet das Wiederauftreten der sozial phobischen Symptome und bezieht sie auf das ZBKT. In der Abschlussphase spielt die Ablösung vom Therapeuten eine wichtige Rolle: Das Therapieende wird früh thematisiert und möglicherweise auftretende Symptome werden auf das ZBKT und das Therapieende bezogen. Abschließend fasst der Therapeut zusammen, was bezüglich des ZBKTs gelernt wurde.

Die therapeutische Beziehung spielt bei sozialen Ängsten eine entscheidende Rolle, um z. B. ein Gespräch über schambesetzte Befürchtungen und Interventionen zu ermöglichen. Das kognitive Störungsmodell beinhaltet Befürchtungen, Selbstbild, Selbstaufmerksamkeit, Sicherheitsverhalten und Körpersymptome. Kognitive Interventionen setzen hier durch Aufmerksamkeitsverschiebung, Verhaltensexperimente, kognitive Techniken und imaginatives Umschreiben („Rescripting“) an. Als psychodynamisch orientiertes Verfahren kommt der adaptierte supportiv-expresssive Therapieansatz (SET) mit Fokus auf ein zentrales Beziehungskonfliktthema (ZBKT) zur Anwendung. Supportive und expressive Techniken unterstützen die Patienten beim Durcharbeiten und der Symptomexposition.

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Da die Soziale Phobie erst 1980 als gesonderte Störungskategorie in das DSM-III aufgenommen wurde, wurden vergleichsweise spät störungsspezifische Therapieansätze entwickelt und vor allem evaluiert. Zunächst wurden vor allem Trainingsprogramme zur Förderung der sozialen Kompetenz und konfrontationsorientierte Therapieansätze eingesetzt; im Anschluss wurden ausgeprägt kognitiv orientierte Therapiekonzepte entwickelt (z. B. der hier vorgestellte Ansatz von Clark und Wells [26]). Die störungsspezifisch ausgerichtete psychodynamische Therapie wurde erst in den letzten Jahren ausgearbeitet [37]. In der evidenzbasierten Leitlinie zur Psychotherapie der Sozialen Angststörung [38] werden die folgenden Therapieansätze als erwiesenermaßen wirksam qualifiziert: ▶ kognitive Verhaltenstherapie nach Clark und Wells [26], ▶ kognitive Gruppentherapie nach Heimberg [39], ▶ Kombinationen von Expositions- und kognitiver Therapie, ▶ Konfrontationstherapie, ▶ soziales Kompetenztraining und ▶ internetbasierte kognitive Verhaltenstherapie kombiniert mit Therapeutenkontakt. Psychotherapie bzw. Psychopharmakotherapie sind kurzfristig ähnlich wirksam; langfristig ist eine kognitive Psychotherapie der Pharmakotherapie überlegen. Hinsichtlich des Settings sind zwar sowohl Einzel- als auch Gruppentherapie wirksam; im Einzelsetting werden jedoch größere Effekte erzielt. Über verschiedene Metaanalysen hinweg liegt die Effektstärke (ES) verhaltenstherapeutisch ausgerichteter Ansätze bei 0,93 [40]. Nach einer neueren Analyse von Ougroin [41] ist dabei die kognitive Therapie sowohl kurz- als auch langfristig einer rein konfrontativen Therapie überlegen. Nach Willutzki et al. [32] trägt eine zusätzliche Aktivierung von Ressourcen der Patienten zu einem Zusatznutzen (ES > 1,4) gegenüber dem kognitiven (ES = 1,2) Vorgehen bei. Das psychodynamisch supportiv-expressive Vorgehen (PD; [37]) wurde mit dem kognitiven Ansatz (KT) von Clark und Wells [26] in einer randomisiert-kontrollierten Multicenterstudie verglichen [42]. Bezüglich der Remissionsraten zum Therapieende erweisen sich sowohl PD (26 %) als auch KT (36 %) einer Wartekontrollgruppe (9 %) überlegen mit signifikanten Unterschieden zwischen PD und KT. Die Responseraten liegen jeweils bei 60 % (KT), 52 % (PD) und 15 % (Wartekontrollgruppe), wobei es zwischen den beiden aktiven Behandlungen keinen signifikanten Unterschied gibt. Leichsenring et al. [43] konnten in Katamnese-Erhebungen über 2 Jahre zeigen, dass die Responseraten (ca. 70 %) bzw. Remissionsraten (ca. 40 %) stabil bleiben oder sich sogar weiter verbessern. Dabei be-

Fazit Die soziale Angststörung ist eine der häufigsten Angststörungen mit oft chronischem Verlauf, bei der die Angst vor Peinlichkeit oder Demütigung im Vordergrund steht. Im kognitiven Störungsmodell werden die zentralen Befürchtungen herausgearbeitet, die mit körperlichen Symptomen, Selbstaufmerksamkeitsprozessen, Sicherheits- und Vermeidungsverhalten sowie negativen Selbstbildern einhergehen. Da die therapeutische Situation die sozialen Ängste häufig aktiviert, spielt die Beziehungsgestaltung und die Aktivierung von Ressourcen in der Psychotherapie eine besondere Rolle. Als therapeutischer Ansatz hat

sich insbesondere das Vorgehen nach Clark und Wells [26] empirisch bewährt: Auf Basis eines gemeinsamen Störungsmodells werden die zentralen Befürchtungen mittels Reduktion von Selbstaufmerksamkeit und Sicherheitsverhaltensweisen in Verhaltensexperimenten infrage gestellt. Ergänzend werden weitere kognitive Techniken und Imaginationsübungen genutzt. Die Evidenzlage für psychodynamische Verfahren hat sich in den letzten Jahren verbessert, sodass mit dem supportiv-expressiven Therapieansatz nach Luborsky [36, 37] ein weiteres Behandlungsverfahren zur Verfügung steht.

steht ab 6 Monaten nach Therapieende kein signifikanter Unterschied zwischen den Verfahren. Die 2014 erschienene S3-Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen [44] empfiehlt aufgrund der exzellenten Evidenzlage den Einsatz von kognitiver Verhaltenstherapie. „Patienten mit einer sozialen Phobie sollte eine psychodynamische Psychotherapie angeboten werden, wenn sich eine kognitive Verhaltenstherapie nicht als wirksam erwiesen hat, nicht verfügbar ist oder wenn eine diesbezügliche Präferenz des informierten Patienten besteht (B)“ ([44], S. 125). Interessenkonflikt: Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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Zur empirischen Fundierung

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8 Fehm L, Pelissolo A, Furmark T et al. Size and Burden of Social Phobia in Europe. Eur Neuropsychopharmacol 2005; 15: 453 – 462 9 Beesdo K, Bittner A, Pine DS et al. Incidence of social anxiety disorder and the consistent risk for secondary depression in the first three decades of life. Arch Gen Psychiatry 2007; 64: 903 – 912 10 Hazen AL, Stein MB. Clinical phenomenology and comorbidity. In: Stein MB, ed. Social phobia. Washington: American Psychiatric Press; 1995: 3 – 41 11 Degonda M, Angst J. The Zurich study: XX. Social phobia and agoraphobia. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci 1993; 243: 95 – 102 12 Stravynski A, Marks IM, Yule W. Social skills problems in neurotic outpatients. Arch Gen Psychiatry 1982; 39: 1378 – 1385 13 Merikangas KR, Angst J. Comorbidity and social phobia: Evidence from clinical, epidemiologic, and genetic studies. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci 1995; 244: 297 – 303 14 Zimmermann P, Wittchen H-U, Hofler M et al. Primary anxiety disorders and the development of subsequent alcohol use disorders: a 4-year community study of adolescents and young adults. Psychol Med 2003; 33: 1211 – 1222 15 Ambühl H, Meier B, Willutzki U. Soziale Angst verstehen und behandeln. München: Pfeiffer; 2001 16 WHO (World Health Organisation). International classification of diseases (ICD-10). Geneva: World Health Organisation, Division of Mental Health; 1991 17 Stangier U, Heidenreich T. Die Liebowitz Soziale AngstSkala (LSAS). In: CIPS, Hrsg. Internationale Skalen für Psychiatrie. Göttingen: Hogrefe; 2005: 299 – 306 18 Turner SM, Beidel DC, Dancu CV et al. An empirically derived inventory to measure social fears and anxiety: the Social Phobia and Anxiety Inventory. Psychol Assess 1989; 1: 35 – 40 19 Fydrich T. SPAI. Soziale Phobie und Angst Inventar. In: Brähler E, Schumacher J, Strauß B, Hrsg. Diagnostische Verfahren in der Psychotherapie. Göttingen: Hogrefe; 2002: 335 – 338 20 Newman MG, Kachin KE, Zuellig AR et al. The Social Phobia Diagnostic Questionnaire: Preliminary validation of a new self-report diagnostic measure of social phobia. Psychol Med 2003; 33: 623 – 635 21 Fehm L. Social Phobia Diagnostic Questionnaire. Deutschsprachige Version. Unveröffentlichtes Manuskript, Dresden: Technische Universität; 2002 22 Heidenreich T, Stangier U. Störungsspezifische Diagnostik der sozialen Phobie. In: Fydrich T, Stangier U, Hrsg. Soziale Phobie und soziale Angststörung. Göttingen: Hogrefe; 2002: 66 – 86 23 Chambless DL, Fydrich T, Rodebaugh TL. Generalized social phobia and avoidant personality disorder: meaningful distinction or useless duplication? Depress Anxiety 2008; 25: 8 – 19 24 Reich J. The relationship of social phobia to avoidant personality disorder. In: Hofmann SG, DiBartolo PM, eds. From social anxiety to social phobia. Needham Heights: Allyn & Bacon; 2001: 148 – 161 25 Mowrer OH. Two-factor learning theory: summary and comment. Psychol Rev 1951; 58: 350 – 354

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26 Clark DM, Wells A. A cognitive model of social phobia. In: Heimberg RG, Liebowitz MR, Hope DA et al., eds. Social phobia. Diagnosis, assessment, and treatment. New York: Guilford; 1995: 69 – 93 27 Heinrichs N, Hofmann SG. Information processing in social phobia: A critical review. Clin Psychol Rev 2000; 20: 1 – 20 28 Willutzki U. Soziale Phobie – ein vernachlässigtes Problem? PID 2003; 4: 3 – 9 29 Ellis A, Dryden W. The practice of rational emotive behavior therapy. 2. Aufl. New York: Springer; 1997 30 Willutzki U. Allgemeine Prinzipien der Psychotherapie sozialer Ängste: Die Rolle von Ressourcen. In: Stangier U, Fydrich T, Hrsg. Soziale Phobie und soziale Angststörung. Göttingen: Hogrefe; 2002: 370 – 396 31 Hofman SG, Becker E. Angst vor öffentlichem Reden. Ein Therapiemanual. In: Margraf J, Rudolf K, Hrsg. Training sozialer Kompetenz. Baltmannsweiler: Röttger-Schneider; 1995: 192 – 204 32 Willutzki U, Haas H, Neumann B et al. Zur Psychotherapie sozialer Ängste: Kognitive Verhaltenstherapie im Vergleich zu einem kombiniert ressourcenorientierten Vorgehen. Eine randomisierte kontrollierte Interventionsstudie. Z Klin Psychol Psychother 2004; 33: 42 – 50 33 Butler G. Schüchtern – na und? Selbstsicherheit gewinnen. Bern: Hans Huber; 2006 34 Wilken B. Methoden der kognitiven Umstrukturierung. Stuttgart: Kohlhammer; 2006 35 Wild J, Hackmann A, Clark DM. Rescripting Early Memories Linked to Negative Images in Social Phobia: A Pilot Study. Behav Ther 2008; 39: 47 – 56 36 Luborsky L. Einführung in die analytische Psychotherapie: ein Lehrbuch. 2. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht; 1995 37 Leichsenring F, Beutel ME, Leibing E. Psychoanalytisch-orientierte Fokaltherapie der sozialen Phobie. Psychotherapeut 2008; 53: 185 – 197 38 Heinrichs N, Stangier U, Gerlach AL et al. Evidenzbasierte Leitlinie zur Psychotherapie der Sozialen Angststörung. Göttingen: Hogrefe; 2010 39 Heimberg RG, Becker RE. Cognitive-behavioral group therapy for social phobia. New York: Guilford; 2002 40 Butler AC, Chapman JE, Forman EM et al. The empirical status of cognitive-behavioral therapy: a review of metaanalyses. Clin Psychol Rev 2006; 26: 17 – 31 41 Ougrin D. Efficacy of exposure versus cognitive therapy in anxiety disorders: systematic review and meta-analysis. BMC Psychiatry 2011; 11: 200 42 Leichsenring F, Salzer S, Beutel ME et al. Psychodynamic Therapy and Cognitive-Behavioral Therapy in Social Anxiety Disorder: A Multicenter Randomized Controlled Trial. Am J Psychiatry 2013; 170: 759 – 776 43 Leichsenring F, Salzer S, Beutel ME et al. Long-term outcome of psychodynamic therapy and cognitive-behavioral therapy in social anxiety disorder. Am J Psychiatry 2014: 10.1176/appi.ajp.2014.13111514 44 Bandelow B, Wiltink J, Alpers GW et al. Deutsche S3-Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen (15.4.2014). Im Internet: www.awmf.org/leitlinien.html (Stand: 7.8.2014)

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CME-Fragen Soziale Angststörungen A B C D E

Zum Störungsmodell von Clark und Wells trifft folgende 6 Aussage zu: █

Aversion gegen soziale Kontakte Angst, sich in sozialen Situationen demütigend oder peinlich zu verhalten Unsicherheit, wie man sich in sozialen Situationen verhalten sollte seit der Kindheit bestehende Ängste vor sozialen Situationen Panikattacken in sozialen Situationen

A B

C D E

2 █

Welche Aussage zu sozialer Phobie trifft nicht zu?

A B

Es kommt zu einer Beeinträchtigung der Lebensführung. Gefürchtete Situationen werden vermieden oder unter Unbehagen ertragen. Die Doppelkodierung mit einer selbstunsicher-vermeidenden Persönlichkeitsstörung ist unzulässig. Die soziale Phobie ist die dritthäufigste psychische Störung. Es gibt eine generalisierte Form der sozialen Phobie.

C D E

Welche Aussage zur Epidemiologie ist richtig? 3 █ A B C D E

4 █ A B C D E

5 █ A B C D E

Nach dem 25. Lebensjahr ist eine Erstmanifestation unwahrscheinlich. Die Störungsdauer ist mit max. 2 Jahren meist gering. Männer haben ein deutlich erhöhtes Risiko, an sozialer Phobie zu erkranken. Die Lebenszeitprävalenz liegt bei unter 5 %. Am häufigsten liegt komorbid eine Dysthymie vor.

Welchen Aspekt fokussiert der psychodynamisch 7 orientierte supportiv-expresssive Therapieansatz (SET) █ A B C D E

insbesondere? Selbstkonflikt Zwangsprozess Sicherheitsverhalten Übertragungsneurose zentrales Beziehungskonfliktthema (ZBKT)

Welche Aussage bezüglich der Behandlung trifft zu? 8 █ A B

C Welcher Faktor spielt in der Entstehung der sozialen Phobie keine bedeutsame Rolle? Erziehungsstil der Eltern traumatisierende Erlebnisse wie z. B. verbale oder körperliche Angriffe Preparedness Reaktionsverhinderung symbolische Konditionierung

Das Modell berücksichtigt bildhafte Vorstellungen. Das Modell beinhaltet für die soziale Phobie typische Sicherheitsmaßnahmen, die auch in angstfreien sozialen Situationen eingesetzt werden. Die Angst wird durch das Neutralisieren der auslösenden Situationen aufrechterhalten. Die Interpretation der Körpersymptome als gesundheitliche Bedrohung spielt in dem Modell eine zentrale Rolle. Es kommt zu einer Verdrängung traumatischer Kindheitserinnerungen.

D E

Um Patienten nicht zu verängstigen, sollte das Störungsmodell erst kurz vor der Exposition erarbeitet werden. Die Patienten werden als paradoxe Intervention zur Anwendung von möglichst vielen Sicherheitsmaßnahmen in Rollenspielen und Verhaltensexperimenten ermutigt, um deren Wirkung auszutesten. Wegen des eindeutigen Störungsmodells kann auf therapeutische Ziele verzichtet werden. Soziale Kompetenzen müssen unbedingt vor der Expositionsbehandlung geschult werden. Vegetative Symptome werden in Expositionen mittels Entspannungsverfahren beseitigt.

Welche Aussage zu Verhaltensexperimenten und Exposi9 tionen trifft nicht zu? █ A

Welches ist eher keine typische Vermeidungs- bzw. Sicherheitsmaßnahme? sich bei einem Vortrag unauffällig in die hinterste Reihe setzen stets Deo gegen das Schwitzen bei sich tragen sich genau überlegen, was man als nächstes sagt in Angstsituationen Freunde oder Bekannte anrufen, die Sicherheit vermitteln soziale Kontakte reduzieren

B C D E

Es findet ein Fokuswechsel zwischen innen und außen statt. Beobachtungsprotokolle unterstützen die Auswertung. Der Patient wird in Verhaltensexperimenten ggf. ermutigt, sich peinlich zu verhalten. Vor Verhaltensexperimenten sollte eine Konfrontation mit der schwierigsten Situation erfolgt sein. Videofeedback ist ein gängiges Verfahren.

Bei der imaginativen Technik zur Veränderung der Selbst10 bilder ist Folgendes zutreffend: █ A B C D E

Negatives und aktuelles Selbstbild werden imaginiert und ausdifferenziert. Eine aktuelle schwierige Situation wird imaginiert und Alternativverhalten imaginativ eingeübt. Eine mögliche Gefahrensituation wird imaginiert und es werden verschiedene Reaktionen gedanklich eingeübt. Das Selbst wird imaginiert und die Abwehrmechanismen werden herausgearbeitet. Eine schwierige Situation wird durch ein Selbstverbalisationstraining imaginativ bewältigt.

Willutzki U, Victor P. Soziale Angststörungen … Psychother Psych Med 2014; 64: 481–491

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Wie lautet das Kernmerkmal der sozialen Phobie nach 1 ICD-10? █

[Social Anxiety Disorders.]

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