Referat 4

Sozio-~konomische Faktoren* G. Mau und P. Netter, Mainz/Kiel

Sozio-Skonomische Faktoren werden vielfach ffir eine ErhShung der perinatalea Sterblichkeit und der Friihgeburtenfrequenz angeschuldigt, dabei ist der Begriff ,,Sozio-Skonomische Faktoren" recht verwaschen. Im Wesentlichen werden darunter Gr~Ben wie soziale Klasse, Berufst~tigkeit, Art des Berufes, Familienstand und dgl. verstanden. Nat/irlich ist nicht immer anzunehmen, dab die genannten Faktoren alle per se unmittelbar auf den Schwangerschaftsverlauf einwirken, viel h~ufiger wird es eine Vielzahl assoziierter GrSl~en sein, die kausal wirken. Leider ist aus methodischen Grfinden der EinfluB der einzelnen, nachgeordneten Gr6i3en h~ufig schwer zu erkennen, insbesondere, da es sich oft auch noch um Wechselwirkungen und Additionseffekte handelt. Bekannt ist zum Beispiel die deutliche Erh6hung der perinatalen Sterblichkeit bei ledigen Miittern. Die Tatsache, dal~ die Schwangere keinen Trauschein besitzt, diirfte kaum entscheidend sein, vielmehr sind es die vielen assoziierten Gr6Ben wie jugendliches Alter, niedriger Verdienst, schlechte Wohnverh~Itnisse, unregelm~l~iges Leben, inadequate Ern~hrung, mangelnde Schwangerenvorsorge, psychische Belastungen usw., die im Einzelfall verantwortlich zu machen sind. DaB die Gruppe der ledigen Schwangeren heterogen ist, geht aus der Tatsache hervor, dab die Kinder yon Miittern, die ledig konzipieren und geb~ren, eine h6here Sterblichkeit aufweisen als die Neugeborenen yon Miittern, die zwar als ledige konzipieren, dann aber w~hrend der Schwangerschaft heiraten. Wenn eine ledige Frau in der Schwangerensprechstunde zu betreuen ist, mul3 sie, bei Fehlen weiterer Risikofaktoren, also nicht zwangsl~ufig als Risikoschwangere eingestuft werden. Bekannt ist weiterhin die h~ihere perinatale Sterblichkeit bei Kindern aus Arbeiterfamilien und von freiberuflich t~tigen Eltern. Vor allem ffir die freiberuf]ich t~itigen Ehepaare gilt, dal~ sie durchschnittlich etwas &Iter sind. Ein Tell der hgheren perinatalen Sterblichkeit ist damit zu erkl~iren. Dai~ sich diese Gruppen aber auch in ihren Lebensgewohnheiten von den anderen sozialen Klassen unterscheiden, zeigt zum Beispiel die Tatsache, dal~ die Frauen yon Freiberuflern und Arbeitern h~iufiger Arbeitspl~itze haben, an denen sie stehen oder gehen mfissen, als Zeichen einer sffirkeren k6rperlichen Belastung miissen sie zn Hause h~iufiger schwere Gegenstgnde tragen, sie trinken weniger Milch und ihre M~inner sind h~iufiger starke Raucher. Diese LiMe l&Bt sich beliebig fortsetzen, welche der einzelnen Faktoren kausal wirken, ist h~ufig nur schwer zu entscheiden. *Im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms ,,Schwangerschaftsverlauf u. Kindesentwid~lung".

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Auf zwei dieser GrSl3en soll aber noch gesondert eingegangen werden. Einmal handelt es sich um die Frage, ob Berufst~itigkeit eine Auswirkung auf den Schwangersd~aftsverlauf hat oder nicht. Die Angaben in der Literatur hierzu sind widersprfichlich. Bei einem einfachen statistischen Vergleich zwischen berufst~itigen und nichtberufst~tigen Schwangeren land sich im Material der prospektiven Untersuchungsreihe eine etwas niedrigere perinatale Sterblichkeit bei den Kindern berufst~tiger Mfitter. Nach Untergliederung in Parit~tsklassen waren die Ergebnisse dana etwas verwirrend: Bei I.-Parae, also Frauen, die zu Hause keine Kinder zu versorgen batten, schnitten die berufst~tigen etwas besser ab, bei II.-Parae die nichtberufst~itigen. Die Erkl~rung ffir diese widersprfichlichen Ergebnisse war relativ einfach: In der Gruppe der I.-Parae, die keine Kinder zu Hause zu versorgen batten, arbeiteten vor allem die gesunden, anamnestisch nicht vorbelasteten Frauea. Frauen mit einem oder mehreren Aborten in der Anamnese ginger zum Beispiel sehr viel seltener einem Beruf nach als unbelastete. Der Zusammenhang zwischen frfiheren Aborten und einer hSheren perinatalen Sterblichkeit ist abet allgemein bekannt. Bei den II.-Parae kann man dagegen annehmen, dab der gr613te Teil von ihnen wegen des ersten Kindes zu Hause blieb. Man mul5 deswegen wohl davon ausgehen, dal~ eine B erufst~itigkeit insgesamt einen, wean auah nicht sehr starken Einflu6 auf den Schwangerschaftsverlauf ausiiben kann, zumindest bei durch Haushalt und Beruf doppelbelasteten II.-Parae. Ein weiteres wichtiges Ergebnis unserer Analysen erscheint auBerdem nod1 folgendes zu sein: Bei den Untersuchungen fiber die Qualit~t des Arbeitsplatzes stellten wir lest, dab die Kinder yon Frauen mit einer sitzenden T~itigkeit seltener perinatal starben oder zu frfih geboren wurden als die von im Stehen oder Laufen arbeitenden Mfittern (Tab. 1). Wenn im Beruf schwere Gegenst~inde zu tragen

Tabelle 1. Arbeitsplatzqualit~it und Schwangerschaftsausgang Arbeit im

perinatal gest. in 0/o

Geb.-Gew. ~ 2500 g in ~

yon n

Sitz Stand wechselnd

2,6 5,5 4,3

5,2 9,9 8,0

879 473 626

Summe

3,8

7,2

1978

x2 =

p < 50/0

p < 50/0

waren, wurde dieser Untersdlied noch ausgepr~gter. Die Zahl der Frauen, die die Arbeit bereits vor Beginn des Mutterschutzes aufgaben, war rund 5% hSher als bei den im Sitzen arbeitenden Frauen. Abet auch hier ist naturgem~13 trotz weiterer, ausgedehnter Analysen schwer zu beweisen, ob es sich vorwiegend um den

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EinfluB des sozialen Milieus handelt oder aber dieser Faktor, zum Beispiel fiber eine Uterusminderdurchblutung, kausal wirkt. Im Einzelfall sollte man, v. a. bei belastender Anamnese, die Arbeit im Stehen als Risikofaktor ansehen. Dr. G. Mau Universit~it s-Kinderklinik D-2300 Kiel FrSbelstr. 15/17 Dr. P. Netter Inst. f. Med. Statistik und Dokumentation D-6500 Mainz Langenbeckstr. 1 Bundesrepublik Deutschland

[Socioeconomic factors].

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