Leitthema Orthopäde 2014 · [jvn]:[afp]–[alp] DOI 10.1007/s00132-013-2216-8 Online publiziert: 6. Juli 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

P. Moulin · A. Gohritz · J. Meunzel Orthopädie und Wirbelsäulenchirurgie, Schweizer Paraplegiker-Zentrum, Nottwil

Querschnittläsion Eine bleibende interdisziplinäre Herausforderung

Zusatzmaterial online Dieser Beitrag enthält den ASIA-Erfassungsbogen für neurologische Ausfälle online. Dieses Supplementary-Material finden Sie unter dx.doi.org/s00132-013-2216-8.

Die Behandlung Querschnittgelähmter ist mit der Behandlung von Wirbelverletzungen eng verbunden. Die älteste bekannte schriftliche Beschreibung einer Querschnittlähmung ist die einer Tetraplegie nach Halswirbelsäulenluxation. Imhotep, Arzt und Architekt beschreibt 2800 v. Chr. (Papyrus Smith Fall 31) „Die Verschiebung des Wirbels, welche in das Rückenmark reicht, bewirkt, dass der Mann seine beiden Arme und Beine nicht mehr kennt, sein Glied steif ist und Harn herausläuft, ohne dass er es bemerkt“. Für den angehenden Arzt gibt er die folgende Empfehlung ab: „Eine Krankheit, die man nicht behandeln kann“ [6, 18]. Gut 2000 Jahre später kennt Hippokrates (460–377 v. Chr.), dass neben Verletzungen das Rückenmark von selbst erkrankt sein kann mit den selben Ausfallserscheinungen und schreibt: „zieht aber die Krankheit länger hin, so geht Kot und Urin ab, ohne dass es der Patient merkt; danach aber stirbt er in nicht langer Zeit“ [19]. Nach der 1. Jahrtausendwende n. Chr. schreibt der berühmte arabische Chirurg Abul-Qasim (936–1013) in seinem damaligen Standardwerk der Chirurgie: „Bei Verletzungen an der Halswirbelsäule achte man darauf, ob die Hände des Patienten schlaff, unbeweglich, ohne Berührungsempfindung und wie tot sind. Ist dies der

Fall, so wird der Patient in der Regel sterben…. „Bei Verletzungen an Brust- und Lendenwirbel achte man auf die gleichen Symptome in den Füßen und beobachte weiter, ob unfreiwilliger Stuhl- und Urinabgang besteht. Sind diese Symptome vorhanden, so ist die Verletzung tödlich und eine Behandlung unnütz“ [1]. Gegen Ende des 2. Weltkriegs 1944 öffnet die „Spinal Unit“ im Stoke Mandeville Hospital (UK) das erste Zentrum für Querschnittgelähmte der Welt. Unter der Leitung von Ludwig Guttmann wurden systematisch die Akutfolgen der Querschnittlähmung bekämpft sowie auch die Sekundärschäden. Schnell konnte er nachweisen, dass mit einer sachgemäßen Frühbehandlung und Frühaufnahme in einem spezialisierten Zentrum die meisten bekannten Komplikationen vermieden werden konnten. Dadurch war auch erstmals eine eigentliche Rehabilitation möglich. Guttmann erkannte schon früh, dass regelmäßige körperliche Aktivitäten, sportliche Betätigungen und die Wiederaufnahme einer geregelten Berufstätigkeit Voraussetzungen für eine physisch und psychisch soziale Wiedereingliederung waren [16]. Im Sog dieser Erfolge entstanden weltweit ähnliche spezialisierte Zentren zur Behandlung Querschnittgelähmter. Jedoch auch heute, also fast 5000 Jahre nach der Erstbeschreibung, können wir die Rückenmarkläsion als solche noch nicht behandeln. Die Folgen lassen sich beherrschen, sodass eine Querschnittlähmung nicht mehr zwangsläufig zum Tode führt.

Epidemiologie Wenn vor 2 Jahrzehnten hauptsächlich Männer sich eine Querschnittlähmung zuzogen, verschiebt sich heute das Durchschnittsalter nach oben und der Anteil der Frauen wird größer. Ursache hierfür sind die Erhöhung des Durchschnittsalters der Bevölkerung und die Zunahme krankheitsbedingter Querschnittlähmungen. Über die letzten 30 Jahre scheinen sich Inzidenz und Prävalenz der Querschnittlähmungen nicht relevant verändert zu haben [7]. Die Daten für Europa und Nordamerika weisen auf eine Zunahme der Inzidenz hin (für Europa von 10,4 auf 29,7/Mio. Einwohner) bei gleichbleibender Prävalenz. Die Epidemiologie der Rückenmarkläsion scheint sich in den letzten Dekaden verändert zu haben, hin zu einem höheren Anteil von Tetraplegikern und einer kompletten Läsion [28]. Im Allgemeinen entstehen zwei Drittel der Rückenmarkläsionen durch einen Unfall, zwei Fünftel davon durch einen Verkehrsunfall. Wir machten die Erfahrung, dass dieser Anteil in den letzten Jahren zugenommen hat. In Europa ist verglichen mit den andern Industrieländern der Anteil der Arbeitsunfälle mit 13,7% (Schweiz) und 14% (Deutschland) niedrig. Bei unseren Patienten ist der relative Anteil von Tetra- und Paraplegikern seit Jahren ungefähr gleich mit einem Drittel Tetra- und zwei Dritteln Paraplegikern. Im langjährigen Durchschnitt beträgt die Geschlechtsverteilung der querschnittgelähmten Patienten zwei Drittel männliche Der Orthopäde 7 · 2014 

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Leitthema Art des Unfalls (n=110, 89 m, 21 w) 1%

36%

41%

Tetraplegische Patienten haben grundsätzlich einen höheren Bedarf an Unterstützung und medizinischen Maßnahmen und sind schwieriger beruflich zu reintegrieren. Solche Tendenzen haben einen hohen gesundheitlichen sozioökonomischen Impact.

Rückenmarkläsionstypen

21%

1%

Sturz

Sport

Andere

Verkehr

Fremdverletzung

Abb. 1 8 Im Jahre 2013 wurden 191 Patienten im Paraplegikerzentrum Nottwil erstrehabilitiert, davon waren 78% Männer und 28% Frauen. Die Ursache war bei 58% ein Unfall. Das Durchschnittsalter bei Eintritt der Lähmung lag bei 49,5 Jahren bei den Männern und 55,2 Jahren bei den Frauen. Bei den 91 Paraplegikern (47,7%) lag das Durchschnittsalter der Männer (67%) bei 49,2 Jahren und bei den Frauen (33%) bei 52,4 Jahren Bei den 100 Tetraplegikern (52,3%) waren die Männer (77%) im Schnitt 49,7 und die Frauen (23%) 58,8 Jahre alt. Von den 81 (42%) krankheitsbedingten Lähmungen waren 61,7% Männer und 38,3% Frauen betroffen

zu einem Drittel weibliche Patienten. Dieses Verhältnis hat sich während der letzten 10 Jahre leicht zuungunsten der Frauen verändert (. Abb. 1). Auch international, selbst wenn die männliche Dominanz noch größer ist, nimmt der relative Anteil der Frauen zu (USA von 1980 18,2 zu 2006 22,2%). Auch die Zahl der über 60-Jährigen steigt in den amerikanischen Statistiken von 4,75% vor 1980 auf 11,5% in der zuletzt erfassten Periode 2000–2006 (National Spinal Cord Injury Statistical Center [23]). Dadurch steigt auch das Durchschnittsalter bei Eintritt der Querschnittlähmung von 28,7 auf 38,0 Jahre. Auch aus diesen Daten ist eine prozentuale Zunahme der Tetraplegiker sowie der kompletten Läsionen ersichtlich. Zusammen mit der Zunahme des Alters bei Verletzung hat dies einen negativen Einfluss auf die durchschnittliche Überlebenszeit nach Eintritt der Querschnittlähmung.

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Sobald in der Kliniksituation möglich, sollten die neurologischen Ausfälle gemäß des ASIA-Schemas (s. Zusatzmaterial online oder unter http://www.isncscialgorithm.com/Form [3]) erfasst werden, da in diesem System Kennmuskel für die einzelnen Segmente sowie auch die Sensibilitätsprüfungspunkte standardisiert sind. Dies erlaubt auch spätere Verlaufsvergleiche sowie bei Verlegung. Die kompletteRückenmarkläsion ist definiert als ein vollständiger Verlust sensorischer und motorischer Funktionen unterhalb des Niveaus der Rückenmarkverletzung, dies nach Rückgang des spinalen Schocks. Die komplette Rückenmarkläsion ist mit einer meist ungünstigen Erholungsprognose vergesellschaftet. Eine Erholung von mehr als 1–2 neurologischen Niveaus ist ungewöhnlich. Der spinale Schock setzt unmittelbar nach dem Ereignis ein und stellt einen Zustand dar mit vollständiger schlaffer Muskellähmung sowie vollständigem Sensibilitätsausfall unterhalb der Rückenmarkläsion, einhergehend mit einem totalen Verlust der eigen-, fremd- und autonomen Reflexe [5]. Mit Rückkehr des Bulbokavernosusreflexes als distalstem Reflexbogen kann die Auflösung des spinalen Schocks festgestellt werden. Die inkomplette Rückenmarkläsion ist definiert als das Weiterbestehen irgendeiner sensorischen oder motorischen Funktion unterhalb der Verletzungshöhe nach Auflösung der spinalen Schockphase. Dieser Rückenmarkverletzungstyp beinhaltet auch die in Folge beschriebenen Spezialformen des inkompletten Querschnitts. Das Central Cord Syndrome ist am häufigsten bei älteren Patienten zu sehen mit einer zervikalen Spinalkanalstenose infolge ausgedehnter arthrotischer Veränderungen der Wirbelsäule. Klinisch sind beim Central Cord Syndrome die motorischen Defizite an den oberen Extremitä-

ten deutlich ausgeprägter als an den unteren Extremitäten. Die sensorischen Defizite sind sehr variabel unterhalb der Rückenmarkläsion. Das Brown-Séquard-Syndrom ist meistens Folge einer Verletzung von nur einer Hälfte des Rückenmarks, meist nach einer penetrierenden Verletzung. Kennzeichnend ist ein ipsilateraler motorischer Verlust unterhalb des Niveaus der Verletzung, mit gleichzeitigem ipsilateralem Verlust von Sensibilität, bei kontralateralem Verlust von Temperatur- und Schmerzwahrnehmung. Das Vorderhornsyndrom betrifft zwei Drittel des Rückenmarks und lässt die Hinterhornfunktionen intakt. Es ist meistens Folge eines vaskulären Schadens (Spinalis-anterior-Syndrom). Das Hinterhornsyndrom ist äußerst selten und führt zu einem Verlust von Sensibilität, Vibration und Propriozeption bei einem erhaltenen Schmerz- und Temperatursinn.

Akutversorgung Medikamentöse Therapie Die akute Läsion des Rückenmarks löst ähnlich wie bei einer Hirnläsion lokale Veränderungen aus, die in einer physischbiochemischen Kaskade zu einem sekundären Zelluntergang und einer Ausdehnung der Läsion führen. Eine Behandlung der Läsion als solche ist noch nicht möglich, somit geht es darum, eine Ausdehnung der primären Läsion zu verhindern und die Minimierung sekundärer Schäden zu gewährleisten. Alle bisher unternommenen Versuche, die Kaskade (. Abb. 2) medikamentös zu beeinflussen, waren nicht wirklich erfolgreich.

»

Eine Behandlung der Läsion als solche ist noch nicht möglich Die großen Hoffnungen, welche in die Gabe von Methylprednisolon in Megadosen gelegt wurden, haben sich nicht erfüllt. Heute ist die Gabe von Methylprednisolon kein Standard mehr. Im deutschsprachigen Raum haben Konsensuskonferenzen der betroffenen

Zusammenfassung · Abstract Orthopäde 2014 · [jvn]:[afp]–[alp]  DOI 10.1007/s00132-013-2216-8 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 P. Moulin · A. Gohritz · J. Meunzel

Querschnittläsion. Eine bleibende interdisziplinäre Herausforderung Zusammenfassung Einleitung.  Schädigungen des Rückenmarks mit Querschnittsymptomatik bleiben, auch 5000 Jahre nach ihrer Erstbeschreibung, bisher unheilbar. Die Therapie möglicher Folgeschäden der verbleibenden Lähmungen und Sensibilitätsdefizite auf Höhe und unterhalb der Rückenmarkverletzung hat jedoch große Fortschritte gemacht. Methode.  Vorgenommen wurde eine selektive Literaturrecherche mit den Schwerpunkten historische Entwicklung, Epidemiologie, Klassifikation, Akut- und Sekundärrehabilitation bei Querschnittlähmung mit speziellen Aspekten der Handchirurgie bei Tetraplegie, Dekubitusbehandlung und urologischer Spezialversorgung unter Berücksichtigung der eigenen Erfahrungen an einem spezialisierten Rückenmarkverletztenzentrum. Ergebnisse.  Die moderne Behandlung querschnittgelähmter Patienten begann in den 1940er Jahren, v. a. durch die Verdienste von

Sir Ludwig Guttmann. Operativ führt die frühe Dekompression und Stabilisation der knöchernen Verletzung möglicherweise zur Reduktion sekundärer Schädigungen des Rückenmarks. Die endgültige Evidenz fehlt leider noch immer. Die schnellstmögliche Verlegung in ein Querschnittzentrum reduziert erheblich die Zahl der frühen Komplikationen. Epidemiologisch nehmen der Anteil von Frauen und das Durchschnittsalter der Betroffenen zu, ebenso die Anzahl der Tetraplegiker. Häufige Folgezustände einer Querschnittläsion sind Störungen des Verdauungs- und urogenitalen Systems, der vegetativen Regulation, chronische Schmerzen sowie Schluck- und Atemeinschränkungen. Häufige Komplikationen sind Thrombosen und Lungenembolien, heterotope Ossifikationen, Dekubitalulzera, Kontrakturen, neuropathische Schmerzen und Spastik, die die Rehabilitation erschweren. Allgemeines Ziel der

Rehabilitation und lebenslangen Betreuung von Rückenmarkverletzten ist, eine größtmögliche Selbstbestimmung, Mobilität, Integration, Erwerbsfähigkeit und auch Lebensqualität zu erreichen. Eine teilweise Wiederherstellung der Arm- und Greiffunktion durch chirurgische Muskel- oder Nerventranspositionen, Gelenkstabilisierung und Tenodesen kann diese Ziele bei ca. 70% aller Tetraplegiker zuverlässig unterstützen. Schlussfolgerung.  Rückenmarkschädigungen erfordern von Anfang an eine ganzheitliche interdisziplinäre Therapie. Spezifische internistische aber auch orthopädische lebenslange Nachkontrollen sind erforderlich für den Erhalt der Selbstständigkeit. Schlüsselwörter Rückenmarkverletzung · Epidemiologie · Akutversorgung · Rehabilitation · Komplikation

Cross-sectional lesions. Still an interdisciplinary challenge Abstract Introduction.  Spinal cord injuries with symptoms of paraplegia remain incurable even 5000 years after the first description. However, the treatment of the residual paralysis and sensory deficits at the level of or below the spinal injury has made great progress. Methods.  This study involved a selective literature review with an emphasis on historical development, epidemiology, classification, acute and secondary rehabilitation after spinal cord injury with specific aspects of hand surgery in tetraplegia, decubitus treatment and urological specialist care, taking the experiences in a specialized center for spinal cord injuries into account. Results.  Modern comprehensive management started in the 1940s led by Sir Ludwig Guttmann. Early operative decompression and stabilization of spinal injuries is safe and

Fachgruppen stattgefunden. Es wurde beschlossen, die Gabe von Methylprednisolon im Einzelfall nach möglichen Vorund Nachteilen abzuwägen. Da der Gewinn eines einzelnen Segments bei der zervikalen Markläsion so bedeutsam ist, sind junge Tetraplegiker heute die Gruppe, bei der noch regelmäßig Methylprednisolon eingesetzt wird.

can reduce secondary damage to the spinal cord but definitive evidence is lacking. Operative approaches provide advantages for the patient compared to conservative therapy, e.g. being able to be immediately transferred to a specialized center. Epidemiologically, the proportion of women and the average age has increased during the past decades, as well as the percentage of patients with tetraplegia. Common sequelae of spinal cord injuries include disorders of the digestive and urogenital system, autonomic regulation, chronic pain as well as swallowing and breathing restrictions. Frequent complications, such as thrombosis and pulmonary embolism, heterotopic ossification, decubitus ulcers, contractures, neuropathic pain and spasticity can impede rehabilitation. The general objective of rehabilitation and life-long care of patients with spinal cord injuries is to

Andere Substanzen, welche in die Kaskade der sekundären Zellschalen eingreifen, sind noch experimentell. Neue Therapieansätze, die v. a. die nervenwachstumsfördernden Zytokine oder die Plastizität von Stammzellen als Grundlage haben, sind noch vorwiegend tierexperimentell oder in einer klinischen Versuchsphase.

achieve the greatest possible autonomy, mobility, integration, employability and quality of life. A partial recovery of arm and grip function by surgical muscle or nerve transposition, joint stabilization and tenodesis can reliably support these goals in approximately 70% of patients with tetraplegia. Conclusion.  Spinal cord injuries require holistic interdisciplinary therapy from the beginning and regular life-long comprehensive and specific orthopedic examinations are also required to maintain the best possible level of independence. Keywords Spinal cord injury · Epidemiology · Acute care · Rehabilitation · Complication

Aktualisierte Informationen finden sich unter Spinal Cord Injury Project der Rutgers-Universität, Piscataway, NJ (http://carecure.rutgers.edu).

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Leitthema Primäre Verletzung

Hypoxie

Lokale Mediatoren

Entzündung

Gefäßruptur

Mikrothrombi

Freie Radikale

Ödem

Rückenmarkkompression

Hypotension

Lipidperoxidation

Ischämie

Glutamat/AspartatFreisetzung

Zellödem

Zelltod Arachidonsäuremetabolismus

Freisetzung von proteolytischen Enzymen

Abb. 3 8 a Glutäaler Rezidivdekubitus am Sitzbein links. b Nach plastischer Deckung mittels Lappenplastik

Behandlung der Wirbelsäulenverletzung Bei über 50% der traumatischen Querschnittlähmungen bestehen erhebliche Zusatzverletzungen, speziell Thoraxtrau-

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mata, sodass hämorrhagischer und spinaler Schock ineinanderfließen. Die kardiovaskuläre Stabilisation ist nicht nur entscheidend für den Gesamtzustand des Patienten, hilft aber auch, einer weiteren

Abb. 2 9 Kaskade des sekundären Zelluntergangs nach Schädigung des Rückenmarks

Progression des neurologischen Schadens vorzubeugen. Vale et al. [26] konnten aufzeigen, dass es bei frühzeitigem adäquatem Volumenmanagement und Erhöhung des mittleren arteriellen Drucks über 85 mmHg zu einer Verbesserung des neurologischen Endzustands nach Rückenmarkverletzung kommt. Bei der Bergung ist immer auf eine mögliche instabile Wirbelsäulenverletzung zu achten, sodass die Wirbelsäule als Achsenorgan keinen übermäßigen Flexions-, Extensions- und Rotationsbewegungen ausgesetzt wird. Die Halswirbelsäule ist schnellstmöglich mit einem harten Kragen zu schützen. Für Lagerung und Transport haben sich Vakuummatratze, Schaufeltrage oder Spineboard bewährt. Wegen der erheblichen Gefährdung für das Auftreten von Druckläsionen müssen Kleidung, Taschen, etc. nach harten Gegenständen abgesucht und entfernt werden. Heutzutage ist die Indikation für eine ausschließlich konservative Frakturbehandlung bei Rückenmarkverletzungen selten geworden. Theoretisch für rein ossär bedingte Instabilitäten, d. h. ohne diskoligamentäre Beteiligung, besteht auch bei konserva-

Tab. 1  Pflegebedarf für funktionelle Fähigkeiten nach Läsionshöhe bei kompletter Lähmung. (Mod. nach Gerner [14]) Läsionshöhe (Kennmuskel) C0/C1

Pflegebedarf 24-h-Pflege

C1/C2

Maschinelle Beatmung Kopfkontrolle gering Mundsteuerung Stehtraining

C2/C3 (akzessorische Atemmuskulatur)

24-h-Pflege Maschinelle Beatmung (evtl. Eigenatmung) Kopfkontrolle Mundbedienung Mund-/Kinnsteuerung Stehtraining 24-h-Pflege Kopfkontrolle sicher Mundbedienung Kinnsteuerung Pflegeabhängig Betreuung Beidhändiges Arbeiten mit Hilfsmitteln Armgesteuerte Bedienung Antreiben eines mechanischen Rollstuhls auf der Ebene Stehtraining Teilweise selbstständig, Betreuung Beidhändiges Arbeiten mit Hilfsmitteln Antreiben eines mechanischen Rollstuhls auf ebener Strecke Evtl. Bedienen eines Pkw Stehtraining

C3/C4 (Diaphragma)

C5 (M. biceps brachii)

C6 (M. extensor carpi radialis)

C7 (M. triceps brachii)

C7/8 (Fingerflexoren, -extensoren, M. latissimus dorsi)

Th1-9 (Mm. intercostales)

Th10/L2

L3/4 (Mm. quadriceps, tibialis anterior)

L5/S1 (Mm. triceps surae und peroneus longus/brevis)

Unterhalb S1

Weitgehend selbstständig Hilfe Beidhändiges Arbeiten Antreiben eines mechanischen Rollstuhls auf unebener Strecke Bedienen eines Pkw Stehtraining Selbstständig Unterstützung Antreiben eines mechanischen Rollstuhls in unebenem Gelände Bedienen eines Pkw Stehtraining Selbstständig Rollstuhlgerechte Bedingungen Antreiben eines mechanischen Rollstuhls im Gelände mit Steigungen Bedienen eines Pkw Stehtraining Evtl. Gangschule Selbstständig Beidhändiges Arbeiten vom Rollstuhl aus Bedienen eines Pkw Gangschule Evtl. Treppensteigen mit Stützapparaten Selbstständig Beidhändiges Arbeiten im Sitzen außerhalb des Rollstuhls Teilweise rollstuhlunabhängig Bedienen eines Pkw Gangschule Selbstständig Beidhändiges Arbeiten im Stand Rollstuhlunabhängig für mittlere Strecken Bedienen eines Pkw Gehfähig

Hilfsmittel funktionelle Fähigkeiten E-Rollstuhl Schalensitz Kopfhalterung Pflegestehbett Patientenlift Duschliege Notrufsystem E-Rollstuhl Schalensitz Pflegestehbett Patientenlift Duschliege Notrufsystem E-Rollstuhl (Kinnsteuerung) Evtl. Schalensitz Pflegestehbett Duschrollstuhl E-Rollstuhl Mechanischer Rollstuhl Pflegestehbett Duschrollstuhl Transferhilfen Schreib-/Esshilfen Mechanischer Rollstuhl, E-Rollstuhl Pkw (Handsteuerung) Elektrisches Stehgerät Duschrollstuhl Transferhilfen Schreib-/Esshilfen Mechanischer Rollstuhl Pkw (Handsteuerung) Elektrisches Stehgerät Duschrollstuhl Transferhilfen Evtl. Schreib-/Esshilfen Mechanischer Rollstuhl Pkw (Handsteuerung) Mechanisches Stehgerät Duschrollstuhl Evtl. Transferhilfen Mechanischer Rollstuhl Pkw (Handsteuerung) Mechanisches Stehgerät Evtl. Oberschenkelorthesen

Mechanischer Rollstuhl Pkw (Handsteuerung) Oberschenkelorthesen Amerikaner-Stöcke Mechanischer Rollstuhl Pkw (Handsteuerung) Unterschenkelorthesen Amerikaner-Stöcke Evtl. Sportrollstuhl Normaler Pkw

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Leitthema Tab. 2  Hauptziele der Funktionsverbesserung an Arm und Hand bei Tetraplegie Praktisches Ziel Ellenbogenstreckung

Unterarmpronation

Ergreifen/Gebrauch   von Gegenständen,   Schreiben, Antreiben   des Rollstuhls

Funktionsziel Stabilisierung des Ellenbogens, Erreichen von Gegenständen über Kopfhöhe, Antreiben   des manuellen Rollstuhls   (auch bei Steigung, Hindernis) Korrektur einer Supinations­ kontraktur, bessere Positionierung der Hand Einfache, aber stabile Greifform zwischen Daumen und Zeigefinger oder durch globale Fingerbeugung

Umfassen/Halten von ­ rößeren Objekten   g (z. B. Glas),   bessere Kontrolle

Öffnung der Hand, Streckung von Daumen und Fingern

Stabilisierung und ­Positionierung   des Daumens,   ­Ver­besserte   Fingerstreckung/  -beugung bei ­Tenodeseeffekt

Intrinsische Handfunktion/ Ersatz von Mm. lumbricalies/ interossei

Operative Techniken Ellenbogenstreckerersatz durch 1. Muskelverlagerung (Pars posterior Mm. deltoideus oder biceps) 2. Nerventransposition (N.-axillaris-­ Äste zum M. deltoideus/teres minor)) 1. „Rerouting“ der Bizepssehne 2. Dorsale Brachioradialistransposition 3. Radiusderotationsosteotomie Passiver Tenodesegriff 1. BR-pro-ECRB/Nerventransposition (N.-musculocutaneus-Ast zum ECRL) 2. FPL-Tenodese am Radius Arthrodese CMC 1 3. Aktiver Schlüssel-/Kneifgriff: ­BR-pro-FPL Rekonstruktion der Daumen-   und Fingerstreckung 1. Passive Handöffnung:   Arthrodese CMC 1 2. EPL-Tenodese am Retinaculum   extensorum 3. Aktive Fingerstreckung,   z. B. PT-pro-EDC 4. Nerventransposition (N.-radialis-Ast zum M. supinator auf N. interosseus posterior) 1. Arthrodese CMC 1 2. Stabilisierung IP-Gelenk ­(Tenodese) 3. EPL-Tenodese EDM-pro-APB-Transposition 4. Einzug von Sehnenschlaufen in Lumbrikaliskanäle (intrinsischer Ersatz nach House) oder ZancolliLassoplastik

BR-pro-ECRB Brachioradialis pro Extensor carpi radialis brevis, ECRL Extensor carpi radialis longus, EPL Extensor pollicis longus, FPL Flexor pollicis longus, CMC 1 Karpometakarpalgelenk 1, PT-pro-EDC Pronator teres pro Extensor digitorum communis, EDM-pro-APB Extensor digiti minimi pro Abductor pollicis brevis.

tiver Behandlung eine gute Aussicht auf dauerhafte Stabilität, sofern sich eine geeignete Reposition halten lässt und eine entsprechend lange Ruhigstellung möglich ist. Einen Sonderfall stellen die Frakturen mit neurologischen Ausfällen dar, wo eine rasche neurologische Erholung schon kurz nach dem Unfall eintritt. Hier wird man ein primär nichtoperatives Verfahren vorübergehend wählen und durch Lagerung („postural reduction“) den neurologischen Verlauf verfolgen. Zu befürchten ist hier, dass Veränderungen der lokalen Durchblutungsverhältnisse reversible Rückenmarkveränderungen in irreversible umwandeln. Selbstverständlich bleibt der Weg für eine spätere Stabilisation frei [22]. Bei schweren Begleitverletzungen im Rahmen eines Polytraumas kann evtl. die

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Behandlung in den ersten Stunden, was die Wirbelsäulenverletzung anbetrifft, konservativ sein. Im Rahmen der Versorgung der Begleitverletzungen, z. B. Thorax- oder Abdominaltrauma, können aber die Wirbelsäulenverletzungen über einen operativen Zugang im Anschluss versorgt werden, evtl. mit atypischen Verfahren. Bei multiplen Frakturen benachbarter Wirbel, v. a. für die sehr beweglichen Wirbelsäulenabschnitte (Hals- und Lendenwirbelsäule) kann ein primär konservatives Vorgehen überlegt werden, um nicht durch die notwendige Spondylodese oder durch die auftretende Versteifung der überbrückten Segmente im Rahmen der Stabilisation einen erheblichen Funktionsverlust eines ganzen Wirbelsäulenabschnitts zu verursachen.

Eindeutig für eine operative Behandlung sprechen: F voraussichtlich bleibende instabile Verletzungen (disko-, osteoligamentär), bei denen nach knöcherner Konsolidierung eine Instabilität persistieren würde; F Auch große ventrale Substanzverluste, die während der Heilungsphase oder später zu einer bleibenden schweren Deformität führen würden, verlangen ein operatives Vorgehen, eventuell auch in 2 zeitlich getrennten Schritten; F Patienten mit einem Schädel-HirnTrauma oder einer Suchtkrankheit werden operativ stabilisiert, da meistens andere Immobilisationsverfahren nicht durchführbar sind; F im Rahmen eines Polytraumas, bei dem der Verletzte häufig umgelagert und wegen der Lungensituation aufgesetzt werden sollte, ist die Wirbelsäulenverletzung sobald als möglich operativ zu stabilisieren. Aus neurologischer Sicht müssen folgende Indikationen hervorgehoben werden: F Auftreten einer Lähmung nach einem freien Intervall. Dieses ­sekundäre Auftreten deutet darauf hin, dass nicht das Trauma, sondern Folgeschäden und der Funktionsausfall vom Rückenmark herrühren. Hier ist die zeitliche Dringlichkeit groß, da die Folgeschäden, falls sie nicht zu ­lange anhalten, reversibel sind. Entscheidend jedoch ist die Entlastung durch Reposition, die rasch auch geschlossen erfolgen kann. F Bei einer deutlichen oder raschen ­Zunahme einer primär inkompletten Lähmung oder Aufstieg einer Lähmung um mehr als 3 Segmente ist ebenfalls eine rasche Druckentlastung erforderlich [22]. Trotz des einleuchtenden Konzepts der raschen Dekompression und Stabilisation ist die Evidenzlage in der Literatur unklar [27]. Die STASCIS-Gruppe konnte 2012 an einer prospektiven Multicenterkohorte, an der sich 6 amerikanische und kanadische Gruppen beteiligten, aufzeigen, dass die frühe Dekompression (weniger als 24 h nach Rückenmarkverletzung) si-

Abb. 4 8 a Innervationsschema der Blase. b Schädigung des unteren motorischen Neurons. c Schädigung des oberen motorischen Neurons. (Aus [22])

cher durchgeführt werden kann und dadurch eine Verbesserung des neurologischen Endresultats zu erwarten ist von im Minimum 2 Grad in der AIS-Tabelle (Abbreviated Injury Scale) nach 6 Monaten. Dies ist zurzeit der höchste publizierte Evidenzlevel [11].

Spezielle Herausforderungen Das sogenannte autonome Hyperreflexiesyndrom (Guttmann-Syndrom) kann durch verschiedenartige Reize (Operationen, Manipulationen, Überdehnung) meist an den abdominellen Hohlorganen ausgelöst werden. Es ist gekennzeichnet durch Vasodilatation oberhalb und Vasokonstriktion unterhalb der Läsion mit krisenhafter Hypertonie (z. T. systolisch bis 250 mmHg), massiven Kopfschmerzen, Schweißausbrüchen und Hautrötung im Gesicht-Hals-Nacken-Bereich [14]. Gleichzeitig besteht eine reflektorische Bradykardie mit gelegentlich gleichzeitigen, bizarren Rhythmusstörungen. In schweren Fällen kann es zur Bewusstlosigkeit und zu epileptiformen Krampfanfällen kommen [16, 24]. Diese massive Vasokonstriktion kann zu einem akuten linksventrikulären Versagen mit subendokardialem Infarkt [9] führen. Dadurch ist die Herzleistung während der folgenden Tage reduziert. Auch kann eine solche hypertone Krise zu einer Schädigung des pulmonalen kapillaren Endothels füh-

ren und den Weg für ein späteres Lungenödem vorbereiten [25]. Durch den Verlust der Thermoregulation in den gelähmten Segmenten wird der Querschnittgelähmte „poikilotherm“ und wird dadurch stark durch seine Umgebungstemperatur beeinflusst. Besonders während chirurgischer Eingriffe kann der Wärmeverlust erheblich sein. Es müssen deshalb entsprechende Maßnahmen getroffen werden, um den Wärmeverlust durch Verwendung von Wärmematten einzudämmen, ebenso durch Anwärmen des Inspirationsgazes und durch körperwarme Infusionslösungen [2]. Die Inzidenz thromboembolischer Komplikationen ist beim Querschnittgelähmten deutlich erhöht [10, 13, 15]. Begünstigend wirkt die Herabsetzung der venösen Strömungsgeschwindigkeit im gelähmten Körperbereich durch den paresebedingten Ausfall der Muskelpumpe sowie durch den Ausfall der viszeralen Motorik.

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Bei Querschnittgelähmten kommt es häufig zu thrombo­-  embolischen Komplikationen Die eingeschränkte Atemfunktion bei zervikalen und thorakalen Verletzungen führt zudem zu einer verringerten Sogwirkung auf dem venösen Rückfluss. Die tiefe Venenthrombose stellt häufig schon eine schwer zu stellende Diagnose dar und be-

reitet beim Gelähmten große Schwierigkeiten, fehlen doch typische Leitsymptome. Rötung und Schwellung im Bereiche von Hüft- und Kniegelenken können viel häufiger Hinweise für eine beginnende paraartikuläre Ossifikation sein. Dementsprechend führen wir routinemäßig und konsequent eine Thromboseprophylaxe bei allen frisch Querschnittgelähmten bis zum Abschluss der 12. Woche durch. Zu diesem Zeitpunkt ist die Mobilisation der meisten Patienten schon weit fortgeschritten.

Rehabilitation Im Rahmen einer ganzheitlichen und umfassenden Rehabilitation gilt es, den frischverletzten Querschnittgelähmten wieder vollumfänglich in sein familiäres, berufliches, gesellschaftliches, kulturelles und sportliches Umfeld zurückzuführen. Hierfür ist eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedenster Fachrichtungen erforderlich. Alle Bemühungen, im Speziellen zur Vermeidung zusätzlicher Komplikationen, beginnen bereits am Unfallort. Die Schwerpunkte in der Akutphase der Krankengymnastik liegen in unterstützenden Maßnahmen für die Erhaltung und Leistungssteigerung von Atmung und Kreislauf: F Erhalt der Gelenkbeweglichkeit, F Erhalt der Elastizität der Weichteilstrukturen. Der Orthopäde 7 · 2014 

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Leitthema Schwerpunkte der Therapie müssen den individuellen Bedürfnissen, der Läsionshöhe und Fähigkeiten des Patienten angepasst werden. Im Wesentlichen umfassen die Behandlungsmaßnahmen: F Kräftigung der noch vorhandenen Muskulatur, F Schulung der Sitzbalance, F Erlernen eines funktionellen Stützens, F Schulung von Trickbewegungen und Ersatzfunktionen, F Erlernen von Bewegungsübergängen (Daily-live-activity-Funktionen), F Rollstuhlhandhabung. Die Ergotherapie wird dem gelähmten Patienten mithilfe funktionellem und Selbsthilfetraining die größtmögliche Selbstständigkeit im Alltag (Essen, Körperpflege, An- und Auskleiden, Schreiben, sich fortbewegen), falls notwendig mit speziellen Hilfsmitteln, zurückgeben (. Tab. 1). Sie wird zudem federführend sein bei der Rollstuhlanpassung sowie bei den Abklärungen und Beratungen für die Gestaltung von Wohnung, Arbeitsplatz sowie bei der Auswahl und dem Umbau von Kraftfahrzeugen. Besonders wichtig und Aufgabe der Ergotherapie wird es sein, beim hochgelähmten, kooperationsfähigen Patienten das frühzeitige Schaffen von Kontakt- und Kommunikationsmöglichkeiten mit der Umgebung durch Einsatz spezieller Hilfen (konventionell wie Blasund Saugschalter oder komplexe elektronische Kommunikationshilfen) zur Verfügung zu stellen. Der entscheidendste Fortschritt bei der Rehabilitation von Tetraplegikern sind die großen Fortschritte der chirurgischen Verbesserung der Handfunktion [12].

Verbesserung der Handfunktion/ Tetrahandchirurgie Mit der Zunahme der Halsmarkverletzungen steigt das Bedürfnis einer zufriedenstellenden Wiederherstellung einer guten Funktion der oberen Extremität, speziell der Hand. Für Tetraplegiker ist das wichtigste Ziel, wieder mehr Unabhängigkeit von fremder Hilfe zu erlangen. Eine teilweise Wiederherstellung der Arm- und Greiffunktion der Hand kann ein großer Fortschritt sein, auch wenn eine normale Handfunktion unmöglich ist. Durch

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chirurgische Muskel- oder Nerventranspositionen, Gelenkstabilisierung und Tenodesen können bei mindestens 70% aller Läsionen unterhalb von C5 die Armund Handfunktion verbessert und damit Selbstbestimmung, Mobilität, Integration, Erwerbsfähigkeit und auch Lebensqualität positiv beeinflusst werden. D Ellenbogen-, Handgelenk-

streckung sowie eine einfache Greifform sind die Hauptziele. Die Wiederherstellung der Ellenbogenstreckung erlaubt es, die Hand gezielt im Raum zu bewegen, erleichtert Transfer, Fortbewegung im manuellen Rollstuhl (auch über Hindernisse und Steigung) und ermöglicht viele Alltagsnotwendigkeiten (z. B. Türen öffnen, Anziehen, Körperpflege). Schlüsselfunktion an der Hand ist die Handgelenkstreckung, da sie den Tenodeseeffekt ermöglicht, d. h. bei Extension kommt es zum Handschluss, zur Öffnung der Hand, wenn das Handgelenk gebeugt oder fallengelassen wird [21]. Ein Kneifgriff (Schlüsselgriff) zwischen Daumen und Zeigefinger und die aktive globale Fingerbeugung erlauben es, Gegenstände unterschiedlicher Größen (Glas, Mobiltelefon oder Besteck) zu halten und zu bedienen, aber auch motorisch anspruchsvollere Tätigkeiten auszuführen wie Schreiben oder Selbstkatheterisieren oder soziale Funktionen, z. B. Gestikulieren, Handgeben und Streicheln. Der Daumenstrahl kann stabilisiert und optimal zum Zeigefinger positioniert und die intrinsische Handfunktion durch Tenodesen imitiert werden (. Tab. 2). In den letzten Jahren haben sich neuartige Konzepte bewährt (Kombinationseingriffe, stabile Sehnennahttechnik und sofortige Nachbeübung), die erhebliche Vorteile versprechen [12]. Grund gegen eine Funktionsrekonstruktion war früher oft der erhebliche Zeitaufwand – wegen gegensätzlicher Nachbehandlung mussten Handschluss und -öffnung separat in 2 oder sogar 3 Eingriffen mit postoperativer Rehaphase von 3 bis 6 Monaten rekonstruiert werden. Heute kann in einer einzigen Sitzung die aktive Beugerphase von Daumen und Fingern mit zusätzlichen Eingriffen zur Verbesserung der intrinsischen Handfunktion (Opera-

tion nach House) und Eingriffen zur passiven Handöffnung (z. B. EPL-Tenodese, CMC-Arthrodese) und Korrektur der Radialdeviation des Handgelenks bei Extension (ECU-Tenodese) kombiniert werden. Aufgrund der komplexen Rekon­ struktion besteht ein erhöhtes Adhäsionsrisiko, unbedingt notwendig ist daher eine konsequente Nachbehandlung mit sofortiger vorsichtig geführter Mobilisation der Tenodesen und Muskeltranspositionen. Dieses Vorgehen ist möglich durch eine besonders stabile Sehnennaht und eine intensive und erfahrene Ergo- und Physiotherapie. Spastische Lähmungen galten bisher oft als Kontraindikation für diese Art von Operationen. Bei sorgfältiger Planung sind jedoch auch hier zuverlässige Ergebnisse mit Korrektur der spastischen Deformitäten und ein deutlicher Funktionsgewinn möglich. Nützliche Techniken sind hier z. B. Littler-Release der Interosseiinsertion, Verlängerungen der extrinsischen Finger- und Handgelenkbeuger (FDS/FDP [Flexor digitorum superficialis/Flexor digitorum profundus]), Ablösungen von Muskelursprung oder -ansatz („muscle release“), z. B. der Mm. adductor pollicis oder pronator teres sowie Botulinumtoxininjektion (temporäre Muskellähmung). Diese Form der Handchirurgie ist äußerst zuverlässig und komplikationsarm und die möglichen Fortschritte aus Sicht von Patienten wie Chirurgen so gewinnbringend wie in kaum einem anderen handchirurgischen Gebiet. Eine 2009 veröffentlichte Literaturmetaanalyse [17] von 37 Studien ergab bei insgesamt 377 Rekonstruktionen der Handfunktion durchschnittlich eine postoperative Griffstärke von 2 kg, bei 201 Rekonstruktionen der Ellbogenstreckung stieg die postoperative Muskelkraft von 0 auf durchschnittlich 3,3 nach der Bewertung des Medical Research Council (Kraftgrad 3 Bewegung gegen Schwerkraft). Die Kombination traditioneller Muskel- mit innovativen Nervenverlagerungen wird in Zukunft die Indikationen erweitern und die Ergebnisse weiter verbessern. Die Operationen bleiben prinzipiell auch Jahrzehnte nach einer Halsrückenmarklähmung sinnvoll. Leider sind diese neuen Möglichkeiten bei Therapeu-

ten sowie Betroffenen wenig bekannt. In der Zukunft sollten noch mehr Patienten dank der Tetrahandchirurgie in der Lage sein, ihr Leben wieder „in die eigene Hand zu nehmen“ und eigenständiger und freier zu gestalten.

Druckgeschwüren bei Querschnittgelähmten stellt ein große Herausforderung dar (. Abb. 3a, b). Besonders nach der chirurgischen Sanierung ist der Rezidivprophylaxe große Aufmerksamkeit zu schenken.

Druckgeschwüre

Urologische Probleme

Unmittelbar nach Eintritt der Lähmung sind Druckläsionen meistens über dem Sakrum und den Fersen lokalisiert. Die Häufigkeit des Auftretens eines Druckgeschwürs steht im direkten Zusammenhang mit der Zeitspanne zwischen Unfall und Einlieferung in ein Zentrum für Rückenmarkverletzte. Beträgt die Inzidenz am 1. Tag 1%, steigt sie bis auf 40% bei Verlegung nach mehr als einem Monat nach dem Ereignis [20]. Durch diese vermeidbare Frühkomplikation wird der Klinikaufenthalt bis zum Rehabilitationsbeginn wesentlich verlängert. Dekubitalulzera sind ischämische Nekrosen nach dauernden Druck- und/oder Scherbelastungen. Die Haut widersteht der Belastung besser als die Muskulatur und das Fettgewebe. Dies erklärt die klinische Beobachtung, dass der Schaden in der Tiefe die Größe der Hautnekrose übertrifft. Anfänglich kann das Ausmaß der Gewebeschädigung nur durch Palpation erahnt oder durch Ultraschalluntersuchung oder MRT dargestellt werden. Die Kombination von Druckbelastung und Reibung der Haut beschleunigt die Dekubitusbildung. Neben lokalen Faktoren verstärken allgemeine Risikofaktoren (Diabetes mellitus, periphere arterielle Verschlusskrankheit, Mangelernährung) die Gewebesensitivität.

Kommt es zu einer Schädigung des Rückenmarks, gleich in welcher Höhe, ist die Steuerung der Blase und der Sexualorgane immer mitgestört. Das Ausmaß der Störung ist abhängig von den geschädigten Rückenmarkstrukturen, unabhängig von der Ursache. Die normale Blasenfunktion (. Abb. 4a) wird durch das reibungslose Zusammenspiel des parasympathischen „Blasenzentrums“ im Conus medullaris, der Miktionszentren im Stammund Großhirn sowie deren Verbindungsbahnen gewährleistet. Darüber hinaus hat der Sympathikus einen wesentlichen Anteil an einer geordneten Blasenfunktion. Während das parasympathische Blasenzentrum überwiegend S3 und S4 den Detrusor zur Entleerung aktiviert, hat der Sympathikus Th10–L2 einen hemmenden Einfluss auf die Blase und ist gewissermaßen der Garant für eine druckarme Speicherphase. Die Hirnzentren überwachen und koordinieren diese Aktivitäten. Die Beteiligung vieler, teilweise weit auseinander liegender Zentren mit ihren Verbindungswegen macht die Blasensteuerung besonders anfällig [4, 22]. Unmittelbar nach Eintritt einer abrupten, kompletten Querschnittlähmung fallen alle Leitungs- und Reflexfunktionen des Rückenmarks unterhalb des Schädigungsniveaus aus. Während dieser Phase des „spinalen Schocks“ besteht eine schlaffe Lähmung der Blase und der Urin muss instrumentell entleert werden. Ist zu Beginn aus intensivmedizinischen Gründen eine Harndauerableitung notwendig, erfolgt diese über einen suprapubischen Katheter. Dieser sollte frühestmöglich entfernt und die Entleerung auf intermittierenden Katheterismus umgestellt werden. Sobald es die Situation erlaubt, sollen die Patienten den Selbstkatheterismus erlernen. Nach dem spinalen Schock kommt es je nach Höhe der Schädigung zu unterschiedlichen typischen Veränderungen der Blasenfunktion:

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Haut widersteht der Belastung besser als Muskulatur und Fettgewebe Der Primärverschluss eines Dekubitus mit Weichteildefekt stellt keine adäquate Behandlungsmethode dar, da sonst ein geschlossener Hohlraum zurückbliebe, der einen idealen Nährboden für einen tiefen Infekt böte. Zusätzlich läge dann die Narbe mit schlecht vaskularisierten Wundrändern direkt über der Belastungszone [8, 20]. Die chirurgische Sanierung von

F „Lower motor neuron lesion“ (LMNL, . Abb. 4c) Die Verletzung des Conus medullaris der Cauda equina führt zu einer schlaffen Blasenlähmung, die klinisch von Überlauf, Inkontinenz und hoher Restharnbildung gekennzeichnet ist. Unter intermittierendem Katheterismus lassen sich jedoch in den allermeisten Fällen Kontinenz erreichen und Organschäden verhindern. Eine Pressentleerung ist in manchen Fällen möglich, ist aber wegen häufig hohen Widerstands im Bereiche der membranösen Harnröhre nicht zu empfehlen. F „Upper motor neuron lesion (UMNL, . Abb. 4b) Bei Verletzung oberhalb der Sakralmarks kommt es zur Reflexaktivität des Blasenzentrums, die in aller Regel von einer Reflexinkontinenz gekennzeichnet ist. Durch die fehlende Koordination von Detrusor und Sphinkterfunktion kommt es zur mehr oder weniger ausgeprägten Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie (DSD), die zum einen zwar eine Reflexinkontinenz verhindern kann, zum anderen aber häufig zu erheblichen Druckschäden der Organe oberhalb des Sphinkters führt. Betroffen sind dabei neben Blase und oberen Harnwegen insbesondere die inneren Geschlechtsorgane beim Mann. Ziele der Behandlung der spastischen Blase und der DSD sind die Absenkung des Blasendrucks in der Speicherphase, die Verminderung reflektorischer Kontraktionen in Anzahl und Druckhöhe sowie die Senkung des subvesikalen Abflusswiderstands. Da die Detrusorhyperreflexie ein Reflexgeschehen darstellt, lässt sich durch Blockade u. a. der Übertragung am Ganglion des unteren motorischen Neurons eine Dämpfung der Blasenspastik erreichen. Hierzu sind anticholinerge Substanzen geeignet. Gelingt es, die Substanzen so zu dosieren, dass die Hyperreflexie deutlich gedämpft, eine reflektorische Entleerung aber noch möglich ist, kann eine Kontinenz erreicht und die Blase durch Triggern gezielt entleert werden. Ist unter Therapie die Blase nicht mehr genügend aktivierbar, wird sie durch intermittierenden Selbstkatheterismus entleert. Bei unbeeinflussbarer BlasenDer Orthopäde 7 · 2014 

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Leitthema spastik oder bei Unverträglichkeit anticholinergischer Medikamente ist die Reduktion des subvesikalen Widerstands erforderlich. Eine medikamentöse Verminderung des Sphinkterspasmus ist meistens erfolglos. Hier hat sich die Sphinkterotomie bewährt, wobei lediglich der Harnröhrenschließmuskel anteromedial inzidiert werden muss, ohne den Blasenhals zu tangieren. Kann Letzterer nicht ausreichend medikamentös relaxiert werden, muss zusätzlich bei Detrusor-Blasenhals-Dyssynergie eine Inzision vorgenommen werden. Verhindert eine Spastik des gesamten Beckenbodens die Miktion, muss der membranöse Anteil der Harnröhre durch Schienung mit einem „wall stent“ geschient werden [4, 22].

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Die Blase muss durch intermittierenden Selbstkatheterismus entleert werden Durch diese Maßnahmen kann der Harntrakt vor Schädigungen geschützt oder saniert werden. Dabei ist es oft nicht möglich, eine volle Kontinenz zu erreichen, sodass in vielen Fällen das Tragen von Windeln bzw. eines Kondomurinals notwendig ist. In der rein medizinischen Indikation zur Therapie einer spastischen Blasenlähmung müssen neben Lähmungshöhe und funktionellen Fähigkeiten auch die allgemeine Situation des Patienten berücksichtigt werden. Eine chronische Überdehnung und schwere, die Mukosa überschreitende Entzündungen führen zusammen mit Spastik und erhöhtem Auslasswiderstand zum Untergang glatter Muskulatur, die durch Bindegewebe ersetzt wird. Über diesen Mechanismus kann es im Rahmen einer Blasenlähmung zur Schädigung der Blasenwand kommen. Diese Veränderungen, zusammen mit einer umgekehrten Sympathikuswirkung bei LMNL verursachen in der Blase eine zunehmende Druckerhöhung während der Speicherphase. Im Rahmen dieser Low-compliance-Blase kommt es zuerst zur Hypertrophie der Ureteren und später zur Insuffizienz, Reflux und Hydronephrose. Die wichtigste Maßnahme besteht in der Verminderung

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des subvesikalen Widerstands (Sphinkterotomie, Blasenhalsinzision, Harnröhrenstent). Mit dem Verlust der Speicher- und der Entleerungsfunktion hat die Blase alle ihre Funktionen verloren. Durch Ersetzen des größten Anteils der Blase durch ein Dünndarm- oder Dickdarmreservoir kann die Niederdruckspeicherfunktion wieder erlangt werden. Die „neue Blase“ muss bei guter Kapazität durch intermittierenden Katheterismus entleert werden [4, 22]. Gleich auf welcher Höhe führt jede komplette Querschnittlähmung zu einem vollständigen Ausfall der Sensibilität im Genitalbereich [4, 22]. Dies bedeutet, dass sowohl Männer als auch Frauen einen Orgasmus nicht mehr so erleben können wie vor der Lähmung. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine befriedigende sexuelle Betätigung und Beziehung nicht mehr möglich wäre. Es erfordert jedoch, dass sich in einer Beziehung andere Sexualpraktiken einspielen müssen. Mit dem Sensibilitätsverlust im Genitalbereich bleibt jedoch bei Frauen die Fertilität vollständig erhalten, wobei in den meisten Fällen eine Schwangerschaft problemlos ausgetragen und mit einer normalen Geburt beendet werden kann. Die Fertilität beim komplett querschnittgelähmten Mann ist jedoch problematischer. Bei Lähmungen im Lumbalbereich sind weder Reflexerektionen noch Ejakulationen auslösbar. Lähmungen oberhalb des unteren Thorakalbereichs lassen häufig eine ausreichende Reflexerektion zu. Reflektorische Ejakulationen sind oberhalb Th6 möglich, unterhalb Th7 die Ausnahme. Medikamentös können durch Injektion vasoaktiver Substanzen wechselseitig in die Corpora cavernosa fast immer Erektionen ausgelöst werden, falls Phosphodiesterasehemmer nicht eingesetzt werden können. Erwähnt werden muss, dass die Spermaqualität beim Querschnittgelähmten vermindert ist [4, 22].

Nachsorge Heute hat sich die Lebenserwartung von Paraplegikern ohne Begleiterkrankung der normalen Bevölkerung angeglichen. Bei Tetraplegikern ist die Lebenserwartung gegenüber der statistischen Lebenserwartung Nichtgelähmter um ca. 10–15%

vermindert. Im späteren Verlauf sind respiratorische Komplikationen, kardiovaskuläre Erkrankungen, sekundäre akzidentelle Unfälle und Stürze sowie in der Altersgruppe der unter 55-Jährigen der Suizid häufige Todesursachen. Sport gehört zu jedem Rehabilitationsprogramm. Durch ihn kann der Rollstuhlfahrer einen konditionellen Zustand und damit eine größtmögliche Selbstständigkeit erreichen und erhalten. Rollstuhlsport stellt nicht nur eine Therapieform dar, sondern wird auch als Leistungsund Wettkampfsport anerkannt und gewinnt als Freizeitaktivität an Bedeutung. Die weltweite Anerkennung sportlicher Leistung wurde auch durch die zunehmend ausführlichere Berichterstattung von den Paralympics bestätigt (zuletzt Sotschi 2014). Neben internistischen, spezifisch auf die Komplikationen ausgerichteten regelmäßigen und lebenslangen Nachkontrollen sind im gleichen Ausmaß auch orthopädische Kontrollen zu fordern. Ähnlich wie während des Wachstums, aber mit einer langsameren Geschwindigkeit können infolge des neurologische Gesamtbildes unterschiedliche Veränderungen am Bewegungsorgan entstehen. Dazu gehören neurogene Skoliosen, Kontrakturen der großen Gelenke, posttraumatische Deformitäten, neurogene Klumpfüße, aber auch neuroarthropatische Gelenkzerstörungen nicht nur von Schulter- und Hüftgelenk, sondern auch speziell der Wirbelsäule. Eine ganz besondere Stellung für den Rollstuhlfahrer hat die Schulter, das am meisten belastete Gelenk. Eine schmerzhafte Einschränkung der Schulterfunktion ist immer mit einem Verlust der Selbstständigkeit gleichzusetzen. Die frühzeitige Erkennung und bestmögliche Behebung des Schadens haben deshalb große Bedeutung, verlangen aber genaue Kenntnisse der Biomechanik beim Rollstuhlfahrer. Dies alles sollte zur Vermeidung schwerer Folgeschäden führen und zum Erhalt einer optimalen Lebensqualität und Selbstständigkeit beitragen.

Fazit für die Praxis

Korrespondenzadresse

F Schädigungen des Rückenmarks mit Querschnittsymptomatik bleiben unheilbar, die Therapie der verbleibenden Lähmungen und Sensibilitätsdefizite hat jedoch seit dem Beginn eines modernen Gesamtmanagements große Fortschritte gemacht. F Eine frühe Dekompression und Stabilisation der knöchernen Verletzung kann zur Reduktion sekundärer Schädigungen des Rückenmarks führen. F Die schnellstmögliche Verlegung in ein Querschnittzentrum reduziert die Zahl der frühen Komplikationen erheblich. F Epidemiologisch nehmen der Anteil von Frauen und das Durchschnittsalter der Betroffenen zu, ebenso die Anzahl der Tetraplegiker. F Häufige Folgezustände einer Querschnittläsion betreffen Störungen des Verdauungs- und urogenitalen Systems, der vegetativen Regulation, chronische Schmerzen sowie Schluckund Atemeinschränkungen. F Häufige Komplikationen sind Thrombosen und Lungenembolien, heterotope Ossifikationen, Dekubitalulzera, Kontrakturen, neuropathische Schmerzen und Spastik, die die Rehabilitation erschweren. F Allgemeine Ziele der Rehabilitation und lebenslangen Betreuung von Rückenmarkverletzten sind, eine größtmögliche Selbstbestimmung, Mobilität, Integration, Erwerbsfähigkeit und auch Lebensqualität zu erreichen. F Eine teilweise Wiederherstellung der Arm- und Greiffunktion durch chirurgische Muskel- oder Nerventranspositionen, Gelenkstabilisierung und Tenodesen kann diese Ziele bei ca. 70% aller Tetraplegiker zuverlässig unterstützen. F Spezifische internistische und orthopädische lebenslange Nachkontrollen sind für den Erhalt der Selbstständigkeit erforderlich.

Dr. P. Moulin Orthopädie und Wirbelsäulenchirurgie, ­Schweizer Paraplegiker-Zentrum 6207 Nottwil Schweiz [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  P. Moulin, A. Gohritz und J. Meunzel geben an, dass kein Interessen­konflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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[Spinal cord injury: still an interdisciplinary challenge [corrected]].

Spinal cord injuries with symptoms of paraplegia remain incurable even 5000 years after the first description. However, the treatment of the residual ...
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