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Subjekfive und objektive Stimmevaluation

nach Kehlkopfteilresektion M. Ptok5, H. de Maddalena

Zusammenfassung

Für die Bewertung der Stimmqualitat und der Sprachverständlichkeit nach Keh!kopfoperationen existiert bisher kein aligemein akzeptiertes standardisier-

tes Verfahren. Eine Bewertung, die Teilaspekte der Stimmqualitat erfaIt, ist durch die Messung physikalischer und akustischer Parameter moglich. Dies berücksichtigt nicht, wie der Patient die postoperativ veränderte Stimme einschätzt und wie er glaubt, von Gesprachspartnern verstanden zu werden. In der vorliegenden Studie wurden Parameter zur objektiven und subjektiven Stimmevaluation bei 32 kehlkopfteilresezierten Patienten erfa&. Einerseits wurden ausgewãh!te physikalische und akustische Indikatoren der Stimmqualitat gemessen,

andererseits Aspekte der subjektiven Bewertung der Stimm- und Sprachverstndlichkeit ermittelt. Es ergaben sich signifikante Zusammenhänge zwischen Parametern

der objektiven und subjektiven Stimmqualitiit. Die selbstgewählte und maximale Phonationslautstãrke, die höchstmogliche Phonationsfrequenz und der Stimmumfang korrelierten signifikant positiv mit der Selbstein-

schätzung der Sprachverständlichkeit gegenuber bestimmten Zielpersonen. Keine Zusammenhänge lieIen sich zwischen den MeIdaten und der Selbstbewertung

Subjective and Objective Evaluation of Voice after Partial Laryngectomy

There is no generally accepted, standardized approach for evaluation of voice quality and of understandibility after partial laryngectomy. A voice evalua-

tion which considers some aspects of voice quality is possible by assessing physical and acoustic voice parameters. But this approach does not consider how the patient subjectively assesses his postoperatively altered voice and how the patient believes he is understood by various communication partners. In this study objecitve and subjective variables of the voice quality of 32 patients with partial laryngectomies were measured. First, selected physical and acoustic variables of voice quality were quantified. Second, subjective criteria of voice quality and of understandibility were assessed by a questionnaire. A significant correlation between variables of objecitve and subjective voice quality was found. The maximum vocal intensity, the maximum pitch, and the intensity range correlated significantly with the subjec-

tive assessment of understandibility. No relationship was found between the acoustic variables and the subjectively perceived degree of vocal disability.

der durch Erkrankung und Operation bedingten Stimmbehinderung nachweisen.

Einleitung _______________________ Ziele rekonstruktiver Operationstechniken im Bereich der glottischen Ebene nach Kehlkopfteilresektionen sind die Verhutung von Aspiration, die Sicherste!lung einer freien Luftpassage und die Wiederherstellung cincr moglichst guten Stirnmqualitàt. Für die Stimmevaluanon nach totaler Laryngektomie sind sowohi Messungen der postoperativen Sprachverständlichkeit und physikalischer Parameter (z. B. Druck-Flow-Verhaltnis) als auch Vorschläge zur sub jektiven Stimmevaluation beschrieben.

Em ailgemein akzeptiertes standardisiertes Verfahren zur Bewertung der Stimmqua!itãt, das sowohi Variablen zur objektiven als auch zur sub jektiven Stimmeva-

luation nach Kehlkopfteilresektion einbezieht, ist nach Laryngo-Rhino-Otol. 69 (1990) 356—359 Georg Thicmc Verlag Stuttgart New York

Kenntnisstand der Autoren in der Literatur bisher nicht heschrieben.

Mehrere Moglichkeiten zur Bewertung der Stimmqualitat und der Sprachverstãnd!ichkeit nach Kehikopfteilresektionen bieten sich an:

1. Die StimmquaIitt wird durch einen erfahrenen Kliniker anhand einer vorgegebenen Skala eingestuft — Expertenrating(1,4, 14) 2. Physikalische und akustische Parameter der Stimme werden gemessen — physikalische, objektive Stimmevaluation (2, 3, 5, 7—9, 13, 16). In einer früheren Studie wur-

den die Tonhaltedauer und die dabei selbstgewahlte Phonationslautstrke, die mittlere Phonationsfrequenz,

der Stimmumfang (ermittelt aus der Differenz zwischen

Gcgcnwdrtige Anschrift: Department of Otolaryngology, Kresge Hearing Research Institute, University of Michigan, Ann Arbor, USA

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Universitäts-Hals-Nasen-Ohrenklinik und Poliklinik Tubingen (Direktor: Univ-Prof. Dr. med. Hans Peter Zenner)

Subjelztive und ohjektive Stimmevaluation nach Keh&opftezlreselztzon

sten und grötten Lautstdrke) vorgeschlagen (11, 12). 3. Der Patient schätzt die Stimmqualitdt und die Sprachverstdndlichkeit in bezug auf verschiedene Zielpersonen em urid vergleicht seine aktuelle Stimme retrospektiv mit seincr Stimme vor der Erkrankung — subjektive Stimmevaluation (6, 10).

Es war Ziel der vorliegenden Studie, physikalische und akustische Parameter der Stimme (objektive Messung) und die Selbsteinschatzung der Stimmqualitat und Sprachverstdndlichkeit (subjektive Messung) zu operationalisieren. Durch Uberprufung korrelativer Zusammenhdnge zwischen diesen Variablen soliten Hinweise auf die Bedeutung beider Aspekte für die umfassende Stimmevaluation bei Kehlkopfteilresezierten gewonnen werden.

Material und Methoden Untersuchungs plan Die Untersuchung gliederte sich in drei Abschnitte:

Vergleich) in bezug auf 9 Eigenschaften konnten die Patienten anhand einer Sstufigen Skala (von +2 = ,,meine Stimme ist nach der Operation viel hesser" bis —2 =,,meirie Stimme ist nach der Operation viel schlechter") vornchmen. 2. Die Sprachverstandlichkeit gegenuber 12 Zielpersonen (z. B. Ehefrau, Nachharn, Kindern) konnten die Patienten anhand eincr den Schulnoten analogen Skala (von 1 = ,,diese Person versteht mit sehr gut" his S = ,,diese Person versteht mich sehr schlecht") cmstufen.

Experten rating Der Erstautor stufte die globale Stimmgüte der Pa-

tienten unabhangig von der Kenntnis der Me6ergehnisse und der Angahen im Fragebogen anhand einer fOnfstufigen Skala von I = ,,sehr

gute Stimmgiite" his 5 = ,,sehr schlechte Stimmgüte" cm.

Auswertung Zur Erfassung korrelativer Zusammenhnge wurden Pearson-Produkt-Moment-Korrelationen berechnet. Die statistische Auswertung wurde am Siemens 7.8 60 L mit dem Programmsystem SPSS-X am Rechenzentrum der Universitãt Wiirzburg durchgcfiihrt (Prozedur t-Test).

1. Physikalische und akustische Parameter der Stimme wurden gemessen. 2. Die Patienten wurdcn befragt, wie sie ihre Stimme zum Zeitpunkt dcr Untersuchung in bezug auf verschiedene Eigenschaften — Unter BerOcksichtigung der Stimmqualität vor der Erkrankung — be-

werten. 3. Die Patienten schätzten ihre Sprachverständlichkeit gegenuber bestimmten Zielpersonen em.

Stich probe 32 männliche Patienten mit unterschiedlichen Arten von Kehlkopfteilresektionen wurden in die Studie aufgenommen. Das durchschnitt!iche Alter der Patienten zum Zeitpunkt der Befragung betrug S5Jahre. Aufgrund der geringen Falizahi wurde auf einc Einteilung der Stichprobe in verschiedene Untergruppen (z. B. nach Art der Kehlkopfteilresektion) verzichtet.

Parameter zur objektiven Stimmevaluation Folgende physikalische bzw. akustische Parameter wurdcn ausgewahlt:

1. Tonhaltedauer bei ,,a"-Phonation und dabei selbstgewählte Phonationsfrequenz, 2. mittlere Phonationslautstãrke und -frequenz wãhrend eines Gespraches mit dem Untersucher (die Messung erfolgte in eincm Abstand von 30 cm), 3. Stimmumfang (bzw. maximal hohe und minimal tiefe Phonationsfrequcnz; es wurden zwei Variablen gebildet: erstens die absolute Differenz zwischen dem höchsten und tiefsten Ton und zweitens der relative Stimmumfang in bezug auf die musikalischc Skala, gemessen in Ganztönen), 4. Dynamik (bzw. maximale und minimale Phonationslautstärke). Lautstarkenanalysen und Frequenzanalysen wurden mit deni So-

nographen der Fa. Ono-Soki und mit der Einrichtung zur Frequcnzanalyse des Timcke-Stroboskops KS 109 ermittelt.

Subjektive Stimmevaluation Mit Fragebogen wurden folgende Aspekte erfa1t: 1. Line Bcwcrtung der Stimme nach der Operation im Vergleich zu der Stimme vor der Erkrankung (retrospektiver, intraindividueller

Ergebnisse Physikalische und akustische Parameter

Die kürzeste Phonationsdauer betrug 2sec, die ldngste 49 sec (im Mittel 14,5 see). Die dabei selbst gewdhlte Phonationslautstdrke lag zwischen 45 dB und 71 dB bei einem Mittel von 64 dB. Minimal leise konnten Patienten im Mitte! mit 56 dB phonieren (Spanne zwischen 45 dB und 67 dB). Bei der maximalen Lautstärke wurden von den Patienten Werte von 72dB bis 105 dB erreicht (Mitteiwert 86,7 dB).

Die berechneten Differenzen zwischen minimaler und maximaler Lautstdrke streuten zwischen 11 dB

und 59 dB bei einer mittleren Differenz von 29 dB. Der Stimmumfang ergab sich einerseits aus der Differenz zwischen dem höchst möglichen Ton (von 90 Hz bis 360 Hz, im Mittel 189 Hz) und dem niedrigsten Ton (zwischen 55 Hz und 180 Hz, imMittel 97Hz). In bezug auf die Differenz ergab sich im Mittel em Stimmumfang von 90 Hz (die errechneten Werte reichten von 10 Hz bis 253 Hz). Andererseits wurde der Stimmumfang relativ zur musikalischen Skala ermittelt. Ms Maf wurden Ganztöne gewdhlt. Hier ergab sich eine Variation zwischen 2 Ganztönen (Minimum, 110—124 Hz) und l4Ganztönen (Maximum, 78—314 Hz).

Bewertung der Stimmqualitat und der Sprachverstandlichkeit Die Sprachverständlichkeit gegenüber der Ehefrau wurde bei einem Mittelwcrt von 1,45 am besten bewertet, dann die gegenüber dem Kliniksarzt (Mitteiwert 1,59) und dem Hausarzt (Mitteiwert 1,61). Mit der Durchschnittsbewertung von 2,44 bzw. 2,55 wurde die Sprachverstdndlichkeit gegenüber weitldufigen Bekannten und ide-

fonpartnern am schlechtesten eingestuft. Fast die Hdlfte (44%) aller Patienten gaben an, da1 der Stimmumfang durch Erkrankung und Operation sehr vie1 schlechter geworden sei. Ahnlich wurden die Abnahme des stimmlichen Durchsetzungsvermögens in gerauschvoller Umgebung und

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tiefstem und höchstem Ton), die mittlere PhonationsLautstärke sowie die Dynamik (ermittelt aus der gering-

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358 Laryngo-Rhino-Otol. 69 (1990)

[VI.

Ptok, H. de Maddalena

Tab. 1

Produkt-Moment-Korrelationskoffizienten zwischen physikalischen Stimmparametern und der Einstufung von Sprachverstandlichkeit gegenuber Zielpersonen durch die Patienten (n = 32).

Stimmparameter selbstgewahlte Phonationslautstärke

Ehefrau (n = 24) eigene Kinder (n = 19) gute Bekannte weitlaufige Bekannte Nachbarn Freunde Bankangestelite, Verkaufer Telefonpartner Kinder Hausarzt Kliniksarzt

maximale Phonationslautstarke

Stimmumfang (Differenz)

Stimmumfang Ganztöne

43* 43* 45*

44*

maximale Tonhdhe

.46* .51 *

43*

43* 49* .42*

.41*

47* 43*

43* .51** 47* .51* 45* .46*

.52** 59* 47* 59*

.42*

43*

54** 45*

.40** .46* .61**

Signifikanzgrenzen (zweiseitig): * P

[Subjective and objective voice assessment following partial resection of the larynx].

There is no generally accepted, standardized approach for evaluation of voice quality and of intelligibility after partial laryngectomy. A voice evalu...
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