Surgery Meets Nephrology: Opiattherapie des niereninsuffizienten Patienten – Eine relevante Problematik im postoperativen Schmerzmanagement Surgery Meets Nephrology: Opioid Therapy of Patients with Renal Failure

Einer von 200 mit Opiaten behandelten Patienten erleidet eine postoperative Atemdepression, die Gegenmaßnahmen wie die Antagonisierung mit Naloxon notwendig macht [1]. Gerade der chronisch niereninsuffiziente Patient ist häufig Schmerzpatient. In der US‑HämodialysePopulation geben 50 % der Patienten an, unter Schmerzen zu leiden, davon 85 % moderat bis schwer [2]. Da nicht steroidale Antirheumatika bei den meisten niereninsuffizienten Prädialysepatienten kontraindiziert sind, stellt diese Patientengruppe damit natürliche Kandidaten für die Therapie mit schwach oder stark wirksamen Opioiden dar. Tatsächlich wird der Hälfte der Patienten wenigstens einmalig ein Schmerzmittel verordnet, welches unter das Betäubungsmittelgesetz fällt [3]. Da die Zivilisationskrankheiten Diabetes mellitus und arterielle Hypertonie die häufigsten Ursachen einer fortgeschrittenen Niereninsuffizienz laut der Statistik der National Kidney Foundation sind, können die Patienten mit nahezu jeder, natürlich auch chirurgischen, Fachrichtung in Kontakt kommen [4]. Sei es die Amputation im Zuge eines diabetischischämischen Fußsyndroms, die Bypassversorgung in der Herzchirurgie oder die bariatrische Intervention bei Adipositas, die interdisziplinäre Herausforderung ist gegeben.

Frage !

Welche Substanzen sind in der postoperativen Schmerztherapie von Patienten mit fortgeschrittener Einschränkung der Nierenfunktion geeignet? Welche Stoffe sollten vermieden werden?

Antwort !

Zur Illustration der möglichen Konsequenzen unsachgemäßer Schmerztherapie soll eine Kasuistik einleiten. Eine 84jährige Patientin mit langjährigem insulinpflichtigen Typ‑2‑Diabetes mellitus stellte sich mit diabetisch‑ischämischem Fußsyndrom vor. Der linke Fuß präsentierte sich mit einer pathologischen Kalkaneusfraktur und einem bis zum Knochen reichenden, infizierten Ulkus (Wag" Abb. 1). ner‑Armstrong‑Stadium 4D, l Systemische Entzündungswerte waren erhöht (CRP: 94,8 mg/l; Ref.: < 5 mg/l). Als diabetische Spätschäden lagen eine fortgeschrittene Mikroangiopathie mit Nephropathie im Stadium 5 K/DOQI (GFR: 12 ml/min) sowie eine Polyneuropathie vor, wobei der diabetische Fuß ein komplexes regionales Schmerzsyndrom auslöste. Nach Ausschöpfung konservativer Maßnahmen mit Entlastung des Fußes durch konsequente Bettruhe über 2 Wochen sowie antibiotischer Therapie bei Keim-

besiedlung wurde bei aufsteigender Infektion und beginnender Sepsis als Ultima Ratio die Indikation zur Majoramputation gestellt, die komplikationslos erfolgte. Eine Revaskularisationstherapie durch Angioplastie oder Gefäßchirurgie kam aufgrund der fehlenden Makroangiopathie nicht infrage. Postoperativ fiel die Patientin mit zunehmender Somnolenz und intermittierenden heftigen Myoklonien auf, eine intensivmedizinische Betreuung wurde bei Kreislaufinstabilität und Katecholaminpflichtigkeit initiiert. Stecknadelkopfgroße Pupillen legten den Verdacht auf eine Opiatintoxikation nahe. Da die Patientin postoperativ starke Schmerzen beklagt hatte, war sie mit einer Kombination aus Transtec Pflaster 35 µg/h (Buprenorphin) und MST 2 × 10 mg (Morphin) behandelt worden. Während des mehrtägigen Intensivstationsaufenthalts wurde die Patientin bei akut‑auf‑chronischem Nierenversagen durch Hypotension und Rhabdomyolyse (CK: 12,34 µmol/s.l; Ref.: < 2,85 µmol/s.l) dialysepflichtig. Leider erholte sich die Nierenfunktion nicht, sodass die Patientin mit terminaler Niereninsuffizienz dia" Abb. 2). lysepflichtig blieb (Übersicht in l In diesem Fallbeispiel wären die Komplikationen wahrscheinlich ausgeblieben, wenn auf Morphin zugunsten einer geeigneteren Substanz verzichtet worden wäre. Morphin wird in der Leber zu einem inaktiven Metaboliten Morphin‑3‑Glucuronid (M3G) und einem aktiven Metaboliten Morphin‑6‑Glucuronid (M6G) verstoffwechselt, dessen analgetische Potenz höher ist als die der Ausgangssubstanz [5]. Bei eingeschränkter renaler Elimination steigt die Halbwertszeit um das etwa 15‑Fache an [6] und das M6G kann akkumulieren, sich langsam im ZNS anreichern und so zu schleichender Opiatintoxikation mit langanhaltender Atemdepression bis zum Koma führen. Da Codein erst zu Morphin metabolisiert werden muss, um seine analgetische Potenz zu entfalten, un-

Abb. 1 a und b Den Knochen erreichendes, infiziertes Fersenulkus mit Nekrosen (a) und pathologischer Kalkaneusfraktur im Röntgenbild (b).

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Sonstige

Sonstige

Tab. 1 Empfehlungen zur Opiattherapie bei eingeschränkter Nierenfunktion. Substanz

empfohlen

Tramadol Tilidin Morphin Codein Oxycodon Fentanyl Hydromorphon Buprenorphin

ggf. Dosisreduktion X

vermeiden

X X ggf. Dosisreduktion ggf. Dosisreduktion Mittel der Wahl beim geriatrischen Patienten X

terliegt es der gleichen Problematik [7]. Deutlich geeigneter erweisen sich Präparate wie Hydromorphon, welches keine aktiven Metaboliten besitzt, die kumulieren könnten [8] oder Buprenorphin, da dieses hauptsächlich enteral ausgeschie" Tab. 1 sind einige Opiate den wird [9]. In l hinsichtlich ihrer Eignung bei Niereninsuffizienz abgebildet.

kenden Substanzen sollten generell vermieden werden.

Interessenkonflikt: Nein R. Preininger, C. Schmuhl, A. Heller, S. Klose, P. Mertens Klinik für Nephrologie, Hypertension, Diabetes und Endokrinologie, Otto‑von‑GuerickeUniversität Magdeburg, Magdeburg, Deutschland

Fazit !

Literatur

Eine Schmerztherapie bei Niereninsuffizienz sollte Opiate umfassen, die keine langsam eliminierten aktiven Metabolite aufweisen. Unter den stark wirksamen Substanzen sollten bevorzugt Hydromorphon oder Buprenorphin eingesetzt werden. Kombinationstherapien mit Opiatderivaten und partiell antagonistisch wir-

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1 Dahan A, Aarts L, Smith TW. Incidence reversal and prevention of opioid induced respiratory depression. Anesthesiology 2010; 112: 226–238 2 Davison SN. Pain in hemodialysis patients: prevalence, cause, severity an management. Am J Kidney Dis 2003; 42: 1239–1247 3 Butler AM, Kshirsagar AV, Brookhard MA. Opioid use in the us hemodialysis population. Am J Kidney Dis 2014; 63: 171 – 173

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4 Diener H, Larena‑Avellaneda A, Koelbel et al. Vom Konzept Gefäßzentrum zur interdisziplinären Organklinik für Gefäßmedizin. Zentralbl Chir 2013; 138: 504–515 5 Christrup LL. Morphine metabolites. Acta Anaesthesiol Scand 1997; 41: 116–122 6 Hanna MH, DʼCosta F, Peat SJ et al. Morphine‑6‑glucuronide disposition in renal impairment. Br J Anaesth 1993; 70: 511–514 7 Wu X, Yuan L, Zuo J et al. The impact of CYP2D6 polymorphisms on the pharmacokinetics of codeine and its metabolites in Mongolian Chinese subjects. Eur J Clin Pharmacol 2014; 70: 57 – 63 8 Trescot AM, Datta S, Lee M, Hansen H. Opioid Pharmacology. Pain Physician 2008; 11 (Suppl. 2): S133–S153 9 Davis MP. Twelve reasons for considering buprenorphine as a frontline analgesic in the management of pain. J Support Oncol 2012; 10: 209–219

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-1382844 Online-publiziert Zentralbl Chir © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0044‑409X Korrespondenzadresse Prof. Peter Mertens Klinik für Nephrologie, Hypertension, Diabetes und Endokrinologie Otto‑von‑Guericke-Universität Magdeburg Leipziger Straße 44 39120 Magdeburg Deutschland Tel.: 03 91/6 71 32 36 Fax: 03 91/6 71 54 40 [email protected]

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Abb. 2 Zeitlicher Verlauf der Serumkreatininwerte und Einsatz von Opiaten.

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