302 Thoraxchirurgie 25 (1977) 302-304 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Chirurgie der extrakraniellen Hirnschlagadern (Indikation und Ergebnisse) Surgery of the Extracranial Cerebral Vessels H. Denck, G.W. Hagmüller

Zusammenfassung Die Chirurgie der extrakraniellen Hirnschlagadern stellt heute bei richtiger Indikationsstellung und richtiger Operationstechnik eines der dankbarsten Gebiete der Gefäßchirurgie dar. Unsere derzeitige Indikationsstellung ist aus Tab. 1 zu ersehen. Es soll hier nur nochmals festgestellt werden, daß die klassische Indikation Veränderungen der A. carotis interna beim transistorisch ischämischen Insult darstellt, daß aber auch in Fällen von fortschreitendem Schlaganfall mit akutem Karotisverschluß bei erhaltenem Bewußtsein unabhängig von der Zeitgrenze erfolgreich operiert werden kann. Bei den extrathorakalen Umleitungsoperationen bevorzugen wir heute den subklavio-subklavialen Bypass gegenüber dem früher durchgeführten karotido-subklavialen Bypass.

Summary Surgery of the extracranial cerebral vessels nowadays under right indication and operative technique is one of the most satisfying areas of vascular surgery. Our present status of indication is shown in table 1; it should be pointed out that the classical indication is a lesion of the internal carotid artery with a Transitoric Ischemic Attack, but also in cases of progressive stroke with acute carotid occlusion the operation will be successful relentless of any time limit as long as the patient is conscious. For the extrathoracal bypass procedure we now prefer the subclavio-subclavian bypass to the formerly performed carotido-subclavian bypass.

Key-Words: Stenosis of the carotid artery - Endarterectomy of the carotid artery - Operation of carotid coiling and looping - Cerebrovascular insufficiency.

Während wir bis vor wenigen Jahren der Meinung waren, daß nur hämodynamisch wirksame Stenosen eine Operationsindikation für Eingriffe an den extrakraniellen Hirngefäßabschnitten darstellen, werden heute auch Fälle ohne hämodynamisch wirksame Stenosen mit exulzerierten Plaques bei entsprechender Klinik des transitorisch ischämischen Insultes operiert; und zwar aus der Überlegung heraus, daß von einem solchen exulzerierten Plaque sich Cholesterinkristalle und Thromboembolien lösen können, die zu den entsprechenden anfallsweisen Attacken führen. Auch ist über einem solchen atheromatösen Geschwür jederzeit eine akute Thrombose zu befürchten.

In den Jahren 1961—1976 haben wir insgesamt 711 Patienten wegen Veränderungen an den extrakraniellen Hirngefäßabschnitten operiert (Tab. 2). Bei der Beurteilung des Operationsergebnisses ist es wichtig, sich auf das präoperative Stadium zu beziehen, denn, wie aus Tabelle 3 hervorgeht, waren erwartungsgemäß die Ergebnisse nach Operationen wegen Stadium IIa und IIb im Erfolg wesentlich günstiger, als solche im Stadium III und IV.

Während wir bei Stenoseoperationen in 96% unserer Fälle hämodynamisch erfolgreich sein konnten, war dies bei Totalverschlüssen nur in 22% der Fälle möglich. Man sollte bei nichtreIm folgenden beziehen wir uns auf die Erfahrun- konstruierbaren extrakraniellen Totalverschlüsgen aus unserem eigenen Krankengut und wolsen der A. carotis interna unbedingt die extralen nur einige spezielle Fragen, wie etwa die intrakranielle Anastomose mit mikrochirurgider intraoperativen protektiven Ausnahmen scher Technik diskutieren und in geeigneten oder des zweckmäßigen Vorgehens beim friFällen durchführen. schen Insult, näher diskutieren. Bei allen Stenoseoperationen müssen protektive Maßnahmen diskutiert werden. Von seiten der

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Ludwig Boltzmann-Institut für Hirnkreislaufforschung (Vorstand: Prof. Dr. H. Tschabitscher und Prof. Dr. H. Denck) und 1. Chirurgische Abteilung des Krankenhauses der Stadt Wien-Lainz (Vorstand: Prof. Dr. H. Denck)

Chirurgie der extrakraniellen Hirnschlagadern (Indikation und Ergebnisse)

Klinisches Bild (Stadium)

Stenose

Asymptomatisch (Stadium I)

a) ausnahmswei- keine Operase, z.B. falls an- tionsindikation dere große Operationen geplant sind b) bei multilokularen Veränderungen ideale Operagute Operationstionsindikation indikation, falls technisch möglich

Anfallsweise zerebrale Ischämie

Verschluß

Little Stroke (Stadium IIa) Chronisch zerebrale gute Operations- gute OperationsIschämie (Staindikation indikation dium IIb) Operationsindikation ausnahmsFortschreitender Schlaganfall weise bei erhaltenem Bewußtsein (progressive Stroke: Stadium III) Relative Operationsindikation bei Abgelaufener Schlaganfall mit Veränderungen der Gegenseite, manifesten neurolo- cave Blutung in die Erweichung, gischen Ausfällen Zeitfaktor!!!' -Completed Stroke (Stadium IV)

Tabelle 2 Krankengut der I. Chir. Abteilung WienLainz 1961-1976 1961-1975 Karotisdesobliterationen Karotistransplantationen Schlingenplastiken (Kinking) Replantationen (Looping) einfache Kürzung

711 530 337 67 6 4

direkte Eingriffe am Aortenbogen extrathorakale Umleitung

72 32

104

6

6

Vertebralisplastiken 420

104

420

6 530

530

Anästhesie wird sowohl die Hyperkapnie als auch die Hypokapnie empfohlen, chirurgischerseits ist die wohl wirksamste Maßnahme der innere Shunt, der von manchen Chirurgen prinzipiell durchgeführt wird, von anderen prinzipiell abgelehnt und von vielen Chirurgen gezielt angelegt wird. Eine Kontrolle der intraoperativen Durchblutungssituation ist durch Messung des Stumpfdruckes und durch Ophthalmodynamogramm und Elektroenzephalogramm möglich. Wir haben jene Fälle, die wir ohne Protektion operiert haben, verglichen mit denen, wo wir ein Elektroenzephalogramm oder ein Opthalmodynamogramm aufzeichnen ließen, um dann gezielt einen inneren Shunt anzulegen, respektive mit solchen, wo wir prinzipiell den inneren Shunt ungezielt angewandt haben (Tab. 4).

Tabelle 3 Ergebnisse der Karotisrekonstruktion nach Stadien. Table 3 Results of the reconstruction of the carotid artery corresponding stages. gesamt I (asymptomatisch) IIa + b (little stroke + diffuse zerebrale Symptomatik) III (progressive stroke) IV (completed stroke)

14 326 32 48 420

erfolgreich

1 9

10 (3%)

30 (37%)

9

20 (25%)

(80%)

11 30

13 340

291

9 80

gestorben

304 (89%)

21 334

(7,1%)

Tabelle 4 Karotisoperationen mit und ohne Protektion. 282 Stenoseoperationen. Table 4 Operations of the carotid artery with and without protection. 282 operations of stenosis.

ohne EEG ODG Shunt

110 32 27 122

Hirnödem

Hirnerweichung

davon gestorben

4 (4%) 1 (3%) 0 2 (1,6%)

6 (6%) 1 (3%) 1 2 (1,6%)

5 (5%) 1 (3%) 0 1 (0,8%)

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Tabelle 1 Operationsindikation bei zerebrovaskulärer Insuffizienz bezogen auf Symptomatik und anatomischen Befund

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H. Denck, G.W. Hagmüller

Auf Grund unserer eigenen Erfahrungen ergibt sich eindeutig die Überlegenheit der prinzipiellen Anwendung des inneren Shunt. Selbstverständlich ist auch eine sehr genaue Kontrolle der intraoperativen Gehirnfunktion bei Operationen in Lokalanästhesie möglich.

Schlaganfallrezidiv bei der typischen extremen Kopfdrehung. Unsere Resultate sind in Tabelle 5 zusammengefaßt.

Abschließend noch einige Bemerkungen zu den Abgangsveränderungen am Aortenbogen. Hier konkurrieren die direkten transthorakalen Ver32 Patienten haben wir im Stadium des fortfahren mit den extrathorakalen Umleitungsopeschreitenden Schlaganfalles operiert und postrationen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß operativ analysiert. Es zeigt sich in unserem Komplikations- und Mortalitätsrate der .extraKrankengut eindeutig, daß bei 12 Patienten, thorakalen Umleitungen wesentlich geringer bei denen das Bewußtsein erhalten war, 9 Resind als jene der transthorakalen, wenngleich missionen erzielt werden konnten, während bei der hämodynamische und klinische Erfolg 20, die im Stadium der Bewußtlosigkeit openicht immer mit einer geglückten Bypassriert worden waren, nurmehr bei 2 Patienten operation identisch ist. Wir verfügen über ein eine Teilremission zu erreichen war. Auf Grund Krankengut von 104 aus dieser Indikation opedieser Erfahrungen glauben wir heute beim rierten Patienten, von denen 50 transthorakal fortschreitenden Schlaganfall, unabhängig vom und 54 extrathorakal operiert wurden. Meine Zeitintervall, auf alle Fälle bis zu einer Zeitgren- Mitarbeiter G. Kobinia et al konnten allerdings ze von 48 Stunden, die akute Operation empfeh- im klinischen intraoperativen Versuch und im len zu können, wobei wir natürlich von Fall zu Tierversuch nachweisen, daß für die StromumFall auf ein postoperatives Hirnödem gefaßt kehr in der A. vertebralis beim Vertebralissein müssen, das dann einer entsprechenden Be- Steal-Syndrom ein kritischer Durchfluß von handlung bedarf. mindestens 150ml erforderlich ist. Wird dieser Durchfluß durch den extrathorakalen Bypass Bei einfachem Kinking oder Looping der A. nicht erreicht, bleibt die Stromumkehr in der carotis interna ohne intraluminale Veränderungen führen wir heute die einfache Muskelschlin- A. vertebralis bestehen. Auch konnten wir in einzelnen Fällen mit klassischem karotidogenplastik aus und konnten dadurch in vielen subklavialem Bypass bei Subclavian-StealFällen eine ideale hämodynamisch wirksame Syndrom eine Flowreduktion in der angezapfStreckung der A. carotis interna erreichen. Nur ten A. carotis interna beobachten und sind desbei extremer Elongation fuhren wir die Reimplantation durch. Bei keinem der mittels Schiin- halb in den letzten Jahren dazu übergegangen, genplastik operierten Patienten kam es zu einem den klassischen karotido-subklavialen Bypass zu Gunsten des subklavio-subklavialen Bypass aufzugeben. Tabelle 5 Kinking und Looping erfolgreich = rezidivfrei

gestorverschlech- ben tert

67 Schiingenplastik (Kinking) Kürzung od. 10 Reimplantation (Looping)

66 (98%)

0

77

73 (94%)

7 (70%)

1(1,6%) (Stenose +Kinking)

1 (10%) 0

1 (1,5%) 1(1,5%)

Literatur De Bakey, M., E. Crawford, D. Cooley: Cerebral Arterial Insufficiency. Ann. Surg. 161 (1965) 921 Boyson, G.: Cerebral Hämodynamics in Carotid Surgery. Acta Neurolog. Scand. 49 (1973) Suppl. 52 Denck, H.: Rekonstruktive Arterienchirurgie an den extrakraniellen Hirnschlagadern bei zerebraler Mangeldurchblutung. Zbl. Chir. 100 (1975) 1281 Kobinia, G., P. Krösl, E. Gappmaier, Ch. Stanek, S. Szalay, G. Teiner, H. Denck, E. Leiter: Zur Hämodynamik der Arteria subklavia. Vasa 5 (1976) 293

Prof. Dr. H. Denck, Dr. G. Hagmüller, Krankenhaus der Stadt Wien-Lainz, Wolkersbergenstr. 1,A-1130 Wien

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[Surgery of the extracranial cerebral vessels. (Indication and results)].

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