454

Systemische Therapie beim rezidivierten und primär fortgeschrittenen Zervixkarzinom M. Kaufmann, II. Schmid, H. Junkermann *, T. Schönig, D. v. Fournier* G. Bastert

Zusammenfassung Seit mehr als 30 Jahren stagnieren beim fortgeschrittenen Zervixkarzinom die Therapieergebnisse. Allein durch den Einsatz systemischer Therapien scheinen derzeit Fortschritte analog zu den Plattenepithelkarzinomen im Kopf-Hals-Bereich erzielbar zu sein. Deshalb haben wir von 1985 bis 1990 eine aggressive Polychemotherapie mit Cisplatin und 5-Fluorouracil über 5 Tage mit supportiver Behandlung bei 47 Patientinnen mit entweder primär fortgeschrittenem, inoperablem (n = 25) oder mit rezidiviertem bzw. fernmetastasiertem Zervixkarzinom (n = 22) eingesetzt. Komplette (n = 12) und partielle Remissionen (n = 24) konnten in 36 von 47 Fällen (= 77 %) mit diesem Regime erzielt werden. Die hohe Ansprechrate täuscht jedoch darüber hinweg, daß dieses aggressive Chemotherapieschema als Palliativbehandlung beim Rezidiv und/oder bei distanter Metastasierung eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität bei einer medianen Überlebenszeit von nur 9,5 Monaten darstellt. Im Rahmen der Primärtherapie scheint die kombinierte Chemo-/Radiotherapie vor allem bei Patientinnen mit komplettem Ansprechen einen Fortschritt darzustellen. Bei noch kurzen Beobachtungszeiten (median 25 Monate) beträgt das Gesamtüberleben aller primär fortgeschrittenen Zervixkarzinome median 13 + Monate, bei kompletter Remission jedoch 20 + Monate. Ob die simultane Chemo-/Radiotherapie effektiver ist als die sequentielle, bleibt abzuwarten. Bei simultaner Therapie mußte wegen schwerer Hämatotoxizität (Leukopenie WHO Grad IV) nach 3 Fällen eine Dosisreduktion der Chemotherapie um 20 % erfolgen. Weitere Toxizitäten WHO Grad IV traten nicht auf. Mit Hilfe supportiver Maßnahmen konnten andere Nebenwirkungen gut beherrscht werden. Das Cisplatin/5-Fluorouracil-Polychemotherapieschema erwies sich als wirksam, in den Nebenwirkungen tolerabel und auch gut praktikabel. Prospektiv randomisierte Studien sind erforderlich, um den Stellenwert alleiniger oder kombinierter Chemo-/Radiotherapien sowohl beim fortgeschrittenen als auch beim operablen Zervixkarzinom zu bestimmen.

Geburtsh. u. Frauenheilk. 51 (1991) 454-462 © Georg Thieme Verlag Stuttgart • New York

Systemic Treatment of Recurrent and Primary Advanced Cervical Cancer Therapeutic results in advanced cervical cancer have not been showing any progress for more than 30 years. Only by means of systemic therapy does it seem possible, that further treatment results may be obtained similar to those in squamous cell carcinoma of the head and neck. Therefore, between 1985 and 1990 we tried to apply an aggressive polychemotherapy regimen for 5 days with cisplatinum and 5-fluorouracil with supportive treatment in 47 patients with either primary advanced inoperable (n = 25) or recurrent (n = 22) cervix carcinomas. Complete (n = 12) and partial remissions (n = 24) could be obtained in 36 out of 47 cases (= 77 %). However, this high response rate conceals the fact, that this aggressive palliative treatment in case of recurrence and/ or distant metastases means a considerable deterioration of quality of life with a median survival time of only 9.5 months. Although primary therapy with combined chemoradiotherapy shows good results, it is, however, only a real advantage for patients with complete response. Taking into account the skort period of observation (median 25 months), the overall survival of all primary advanced cervix carcinomas is 13 + months, in case of complete remission 20 + months. It remains to be seen, whether sequential or simultaneous chemoradiotherapy will prove superior. Due to severe haematoxicity (WHO grade IV) after the first 3 treated patients, a dose reduction of 20 % of chemotherapy was necessary. No further severe toxicities occurred. By means of supportive Gare, other side effects could also be well controlled, so that this effective polychemotherapy regimen is not only efficacious but also practicable. Prospective randomised studies are required to determine the importance of exclusive or combined chemoradiotherapy in advanced as well as in operable cancer of the cervix.

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Universitäts-Frauenklinik und Abtlg. Gynäkol.-Geburtsh. Radiologie* Heidelberg

Systemische Therapie beim rezidivierten und primär fortgeschrittenen Zeroixkarzinom

Das Zervixkarzinom gehört zu den häufigsten Genitaltumoren der Frau (2). Seit mehr als 30 Jahren stagnieren beim Zervixkarzinom trotz Verbesserung von Operationsverfahren und vor allem der Strahlentherapie die Therapieergebnisse (Tab. 1). Fortschritte scheinen deshalb derzeit nur durch den Einsatz systemischer Therapien erreichbar zu sein. Ergebnisse mit systemischen Monobzw. Polychemotherapien liegen fast ausschließlich bei Patientinnen mit Rezidiven und massiver strahlentherapeutischer Vorbehandlung vor. Die erzielten Ergebnisse sind hier jedoch wenig erfolgversprechend (10, 11, 27,30). Einen Überblick über die Ansprechraten von Mono- und den effektivsten Polychemotherapien beim Zervixkarzinom gibt Tabelle 2. Aus der Originalliteratur wird ersichtlich, daß leider die wichtigsten onkologischen Zielgrößen, wie die Zeit bis zur weiteren Progression und das Gesamtüberleben, nur in 10 von 25 Publikationen angegeben werden (30). Nachdem sich gezeigt hat, daß sich mit Polychemotherapien beim nicht vorbehandelten Plattenepithelkarzinom im Kopf-Hals-Bereich erstaunliche Remissionsraten von 88 bis 93 % erzielen ließen (8,17,25) schien es auch sinnvoll, das hier effektivste Therapieschema mit Cisplatin/5-Fluorouracil-Dauerinfusion als systemische Therapie beim Plattenepithelkarzinom der Cervix uteri einzusetzen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, über erste Erfahrungen mit einem Cisplatin/5-Fluorouracil Regimen und entsprechender standardisierter supportiver Therapie beim rezidivierten und primär fortgeschrittenen inoperablen Zervixkarzinom alleine bzw. in Kombination mit einer Standardstrahlentherapie zu berichten. Dabei werden onkologische Zielgrößen wie die Zeit bis zur weiteren Progression und das Gesamtüberleben, therapierelevante Toxizität und Prognosefaktoren analysiert. In diesem Zusammenhang soll auch die kumulative Toxizität von Cherno- und Strahlentherapie bei sequentieller und simultaner Chemo-/Radiotherapie evaluiert werden.

Material und Methoden

1. Patienten Von 1985 -1990 wurden an der Univ.-Frauenklinik Heidelberg 47 Frauen mit rezidiviertem und mit primär fortgeschrittenem, inoperablem Zervixkarzinom mit einer Polychemotherapie behandelt. Eine Charakterisierung der Patientinnen ist in Tabelle 3 dargestellt. Dabei wurde unterschieden zwischen 25 Patientinnen, welche primär systemisch behandelt wurden, und 22 Patientinnen, bei welchen eine palliative systemische Rezidiv-/Metastasentherapie angewandt wurde, wobei in 8 Fällen bereits Fernmetastasen vorlagen. Das mediane Alter aller Patientinnen betrug 42 (28 - 70) Jahre. Histologisch handelte es sich vorwiegend um Plattenepithelkarzinome (n = 44). Am häufigsten (n = 22) wurde ein histologisches Grading GIlgefunden. Siebzehn von 21 Fällen mit Primärbehandlung waren dem Stadium FIGO III zuzuordnen und 4 Patienten dem Stadium IVb. Bei Patientinnen mit Rezidivtherapie betrug das krankheitsfreie Intervall (DFl) median 18,5 (4 - 184) Monate. Insgesamt waren die häufigsten Fernmetastasen in der Lunge (n = 7) zu finden. Alle 47 Patientinnen konnten bezüglich Therapie-Ansprechen und Toxizität ausgewertet werden.

455

Tab. 1 Zervixkarzinom: 5-Jahresüberlebensraten in Abhängigkeit vom Stadium (nach Angaben der FIGO: Annual Reports Vol. 18 + 20) (23) Stadium FIGO

Zeitraum 1951-60 %

I 11 111

IV Keine Angaben Gesamt

~979-81 %

78,6 57,2 30,1 6,9

75,7 54,4 30,6 7,3 47,1

56,9

53,5

Tab. 2 Remissionsraten von Mono- und Polychemotherapien beim fortgeschrittenen Zervixkarzinom. Therapie

Patientinnen n

Monochemotherapie: (l0)

Cyclophosphamid Ifosfamid 5-Fluorouracil Methotrexat Vincristin Doxorubicin Bleomycin Mitomycin C Carboplatin Cisplatin

(14) (33) (20) (16) (23)

228 30 348 77 44 78 172 23 39 52

31 10 68 12 10 8 17 5 21

(10) (22) (28) (40)

50

20

(40)

33 69

14 37

(43) (53)

10

5 14

(50) (63)

11

(10)

Polychemotherapie:

'Vincristin/Bleomycin/ Mitomycin C/Cisplatin (4) "Mitornycin C/Cisplatin (4) 'Vindesin/Cisplatin/ Bleomycin/Mitomycin C(4) Vindesin/Cisplatin (15) Carboplatin/lfosfamid (21)

23

, EORTC-Protokolle

Ausschlußkriterium für die Chemotherapie mit Cisplatin/5-Fluorouracil war ein Allgemeinzustand von WHOGrad IV, ein Alter > 70 Jahre, eingeschränkte Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance < 50 mllmin) und eine Lebenserwartung < 3 Monate. Relevante Begleiterkrankungen waren bei 1 Patientin chronischer Äthylismus, bei 1 Patientin ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus und 2 Patientinnen wiesen eine Lungenembolie in der Vorgeschichte auf.

2. Therapie a) Polychemotherapie Aufgrund früherer eigener Erfahrungen (14, 15) mit Cisplatin-haltigen Polychemotherapieschemata bei gynäkologischen Plattenepithelkarzinomen entschlossen wir uns 1985 zu einer 5 Tage dauernden Kombinationstherapie mit Cisplatin und S-Fluorouracil als Dauerinfusion über 24 Std. (Tab.4). b) Supportive Therapie Bei den ersten 45 Frauen wurden die ebenfalls in Tabelle 4 dargestellten supportiven Maßnahmen eingesetzt. Seit die Möglichkeit besteht, neue Serotonin-Antagonisten (Ondansetron) (7, 24) als supportive antiemetische Therapie bei Cisplatin-

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Einleitung

Geburtsh. u. Frauenheilk. 51 (1991)

Geburtsh . u. Frauenheilk . 51 (1991)

Alle Pat. n

47

M. Kaufmann u. Mitarb.

Rezidivtherapie ohne/mit Fernmetastase n 14 1 8

Alter (Jahre): median 42 36,5 von - bis 28-70 31-54

Primärtherapie ohne/mit Fernmetastasen 21

Tab.3 Patientencharakteristik: 47 chemotherapeutisch behandelte Patientinnen mit Zervixkarzinom

4

39,5 46 34-65 32-70

59,5

28-67

Performance-Status: median/von - bis 1/0-3 1/0-2 1/0-2 1/0-3 2/1-3 Tortherapien: Operation 17 11 6 Bestrahlung 20 12 8 Histologie: Plattenepithelkarzinom - verhornend 16 7 2 - nicht verhornend 27 6 6 - kleinzellig 1 - Adenosquamös 3 1 -

7 12 1 1

Grading: G1 6 3 1 2 G2 22 7 3 11 G3 19 4 4 8

0 3 1

0 1 3

Tumorstadium FIGO: Primär/`Rezidiv 9 5 - 4 II 12 6 `2 3 3 III 21 3 *9 1 - 17 IVa/IVb 1/4 -/- * 3/- -/- -/'8 1/- -/4 DFI (Monate): median 18,5 11 27,5 von - bis 4-184 4-66 9-184 Metastasierung: Lunge 5 2 3 Lunge + anderes Organ 2 - 1 1 Knochen 1 1 Rektum 1 - 1 paraaortal 1 1 supraclaviculär 2 - 2 DFI = krankheitsfreies Intervall

Behandlungen einzusetzen, wurde bei den zwei zuletzt behandelten Patientinnen Alizaprid/Biperiden durch Ondansetron ersetzt.

motherapie mit sequentieller Radiotherapie erhielten 13 Patientinnen, 4 Zyklen Chemotherapie ohne Radiotherapie 10 Patientinnen.

c) Strahlentherapie Eine Strahlentherapie erfolgte standardmäßig als Kombination einer externen Bestrahlung des kleinen Beckens und Kontakttherapie im After-Loading-Verfahren ohne Einbeziehung paraaortaler Lymphabflußgebiete (Kleines Becken: 45-GyPendelbestrahlung mit Aufsättigung von parametranen Stehfeldern bis 60 Gy Gesamtherddosis (1,8 - 2,0 Gy pro Tag); Kontakttherapie: 3 - 6 x 7,5 Gy mit entsprechender zentraler Aussparung der Bestrahlungsfelder).

d) Timing der Chemotherapie alleine bzw. in Kombination mit der Radiotherapie Die kombinierte Chemo-/Radiotherapie erfolgte entweder sequentiell (n = 19) oder simultan (n = 12). 16 Patientinnen mit Rezidiv-/Metastasierung wurden aufgrund der radiogenen Vorbelastung nicht bestrahlt. Alle 25 Patientinnen mit primärem Zervixkarzinom wurden bestrahlt, 13 sequentiell und 12 simultan. 6 Zyklen Chemotherapie sequentiell mit Bestrahlung wurden bei 6 Patientinnen durchgeführt, 6 Zyklen Chemotherapie ohne Bestrahlung ebenfalls bei 6 Patientinnen . 4 Zyklen Che-

Bei sequentieller Chemo-/Radiotherapie wurden vor der Strahlenbehandlung 2 Zyklen Polychemotherapie appliziert. Bei simultaner Chemo/-Radiotherapie begann bereits nach einem Zyklus Polychemotherapie die Simultanbehandlung.

3. Beurteilung des Therapieerfolges und der Toxizität Die Beurteilung von Chemo- und Radiotherapie geschah nach den gängigen WHO/UICC-Kriterien (29, 34). Außer dem klinischem Untersuchungsbefund und computertomographischen Untersuchungen wurden ab 1989 KernspintomographieAnalysen zusätzlich zur Erfolgsbeurteilung des kleinen Beckens eingesetzt (Beispiel s. Abb. 1). Bei distanter Metastasierung wurden Tumormeßparameter mittels konventionellen Röntgenaufnahmen, Computertomographie- oder Ultraschall-Untersuchungen beurteilt. Nebenwirkungen der Therapien wurden entsprechend den WHOKriterien (34) graduiert.

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

456

Geburtsh . u. Frauenlleilk. 51 (1991) 4 57

Sy stemische Therapie beim rezidivier ten und primär fo rtges chrittenen Zervixkarz inom

Die Auswer tu ngen beinha lteten die Zielgrößen Da uer des rezidivfreien bzw. progressionsfreien Intervalles und Gesamtüberlebe nszeit Il.ife-ta ble-Analysen nach Kaplan-Meier) (13). Als Signifikanz test diente der Log-rank-Test.

Ergebnisse

Rezidiviertes bzto. fem metastasiertes Zern ixkarz inom au. 5) In dieser Gru ppe wurd en 22 Patientinn e n beha ndelt. 8 Patientinne n wiese n au ßer einem Loka lrezidiv ber eits Fern metastasen a uf.

Tab. 4 Polychemotherapieschema und supportive Behandlung des Zervixkarzinoms Zytostatikum:

Dosis

Cisplati n 5·Fluorouracil

20 mg/m1000 mgJm2

Wiederholung: Therapiedauer:

Tag 29 4- 6 Zyklen

i. v. (1 Std.) Tag 1 - 5 i. v.(24 Std.) Tag 1 - 5

Suppcrtive Therapie (/24 h): 1. 8 mg Decadron-Pl. v. Bolus vor Cisplatin 2.60 ml Mannit 20 % vorCisplatin 3. 1000 ml 0,9 %NaCI + 20 mM K 70 % nicht prinzipiell zumindest beim FIGO-Stadium IIb als primäre Chemotherapie zur Zytoreduktion einzusetzen ist (18). Dies gilt nach unseren Erfahrungen auch für das zentrale Rezidiv im nicht vorbestrahlten kleinen Becken. Bei allen 12 Patientinnen mit Fernmetastasierung, sowohl bei Rezidiv wie auch bei Primärtherapie, war die Polychemotherapie mit Cisplatin/5-Fluorouracil eine rein palliative Maßnahme. Bei einem medianen Gesamtüberleben von 9,5 Monaten und einem stationären Aufenthalt von zusammen mindestens 1 Monat dürfte diese Therapieform jedoch eine deutliche Einschränkung

Bei allen 20 Patientinnen mit Lokalrezidiv im vorbestrahlten kleinen Becken war die Polychemotherapie mit Cisplatin/5-Fluorouracil ebenfalls nur eine rein palliative Maßnahme. Die progressionsfreie Zeit betrug median nur 4 + Monate, das Gesamtüberleben median 10 + Monate. Analysiert man die 21 Patientinnen ohne distante Metastasierung, welche im Rahmen der Primärtherapie sequentiell oder simultan mit Chemo-/Radiotherapie behandelt worden sind, so zeigt sich, daß Patientinnen mit kompletter Remission bezüglich des Gesamtüberlebens einen deutlichen Vorteil gegenüber Patientinnen mit partieller Remission und No-change-Verhalten haben. Das mediane Gesamtüberleben bei kompletter Remission betrug 21, bei partieller Remission 13 und bei No-changeVerhalten 10 Monate. In den Life-table-Analysen nach Kaplan-Meier bedeutet dies im Log-rank Test einen p-Wert von 0,06. Nach einem Zyklus Polychemotherapie mit Cisplatin/5-Fluorouracil zeigte sich bei 11 Patientinnen eine partielle Remission. Nach Abschluß der Chemo-/ Radiotherapie wurden daraus in 8 Fällen komplette Remissionen. Diese Ergebnisse weisen daraufhin, daß Patientinnen, die auf aggressive Polychemotherapie mit Cisplatin/5Fluorouracil ansprechen, auch von der kombinierten Chemo-/Radiotherapie einen Nutzen haben. Die Patientenzahl und Beobachtungszeiten sind jedoch noch zu kurz, um einen Unterschied zwischen sequentieller und simultaner Chemo-/Radiotherapie fest-

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

460

zustellen, da Patientinnen mit simultaner Chemo-/Radiotherapie eine kürzere Beobachtungszeit aufweisen. Tendenziell scheint jedoch die simultane Chemo-/Radiotherapie der sequentiellen Chemo-/Radiotherapie überlegen zu sein. Bei den 13 sequentiell behandelten Patientinnen sind nach einem medianen Beobachtungszeitraum von 27 Monaten nur noch 3 Patientinnen am Leben. Bei den 12 simultan behandelten Patientinnen leben nach einer medianen Beobachtungszeit von 19 Monaten noch 10 Patientinnen. Während Friedländer et al. (11) und Muss et al. (22) einer sequentiellen Chemo-/Radiotherapie den Vorzug geben, plädieren Brenner et al. (3), Thomas et al. (28) und Choo et al. (5) für einen simultanen Einsatz von Chemo-/Radiotherapie. Bei Tumoren im Kopf-HalsBereich hat die Metaanalyse von Stell und Rawson (25) ergeben, daß bezügl. des Gesamtüberlebens Patientinnen mit simultaner Chemo-/Radiotherapie und nachfolgender adjuvanter Chemotherapie den größten Benefit hatten. Ein Argument gegen 2 vorgeschaltete Zyklen Chemotherapie vor sequentieller Radiotherapie ist, daß eine Selektionierung radioresistenter Klone erfolgt (3, 5, 12). Inwieweit Chemo-/Radiotherapie den Patientinnen einen Vorteil in der Verlängerung des Gesamtüberlebens bzw. in der Verlängerung des rezidivfreien Intervalls gibt, kann nur eine prospektiv randomisierte Studie zwischen Strahlentherapie allein und Chemo-/Radiotherapie ergeben. Die Hämatotoxizität ist bei simultaner Chemo-/Radiotherapie der limitierende Faktor. Bei simultaner Chemo-/Radiotherapie ist auch die Mukositis/Stomatitis deutlicher ausgeprägt als bei sequentieller. Cisplatinbedingte Neurotoxizität scheint erst ab 400 mg/m2 klinisch relevant zu sein. Bei simultaner Chemo-/Radiotherapie mußte eine Dosisreduktion um 20 % durchgeführt werden, um eine Hämatotoxizität WHO-Grad IV zu vermeiden und Unterbrechungen in der Bestrahlung zu minimieren. In Zukunft könnte durch den Einsatz von Colony-stimulierenden Faktoren (1) dieses Problem gelöst werden, zumal diese Faktoren auch bezügl. der Mukositis/Stomatitis einen protektiven Effekt haben. Die von uns evaluierten Toxizitäten entsprechen denen bei cisplatinhaltigen Polychemotherapien (26, 30, 31, 32, 33). Das Chemotherapie-Schema Cisplatin/ 5-Fluorouracil muß im Gesamten als objektiv gut tolerabel bezeichnet werden. Eine Ausnahme hiervon sind internistische Risikosituationen. Die Haupttoxizität stellt die Hämatotoxizität dar (Leukopenie, weniger Anämie und weniger Thrombozytopenie). Dies entspricht auch den Erfahrungen anderer Arbeitsgruppen mit diesem Schema (22). Das Therapieschema ist gut praktikabel. Erste Erfahrungen mit portablen Infusionspumpen zeigen, daß Patientinnen mit dieser Therapie nur kurzfristig bettlägrig sein müssen. Der Einsatz des neuen Serotoninantagonisten Ondansetron alleine oder in Kombination mit Dexamethason dürfte in Zukunft Übelkeit und Erbrechen besser beherrschbar machen (7, 24). Außer diesen 47 Patientinnen wurden an der Univ.-Frauenklinik Heidelberg 11 Patientinnen postoperativ adjuvant mit diesem Cisplatin/5-FluorouracilSchema behandelt. Indikationen hierfür waren histologi-

Geburtsh. u. Frauenheilk. 51 (1991)

sche High-risk-Kriterien wie Lymphknotenbefall und Lymphangiosis carcinomatosa. Diese Zahl ist sicherlich noch zu gering, um irgendwelche Aussagen bezügl. des Benefits dieser Therapie auf das Gesamtüberleben und die Rezidivrate machen zu können. Die Verträglichkeit war jedoch gut, es kam in keinem Fall zu einem Therapieabbruch. Vergleicht man diese 11 Patientinnen mit matched pairs (n = 22 Pat.), die die gleichen histologischen Risikokriterien aufweisen, so war auffällig, daß in der adjuvant chemotherapierten Gruppe 3 Rezidive zu verzeichnen waren, bei den matched pairs jedoch 9 Rezidive, bei allerdings längerer medianer Beobachtungszeit (36 versus 54 Monate). Dies ist ein Hinweis, daß es dringend notwendig ist, bei sogenannten High-risk-Patientinnen prospektiv randomisierte Studien durchzuführen, die auch die Wertigkeit einer adjuvanten aggressiven Polychemotherapie beim Zervixkarzinom evaluieren.

Literatur Baccarini , M., E. R. Stanley: Colony Stimulating Factor-1. In: Growth Factors, Differentiation Factors, and Cytokines. Habenicht, A. (ed.). Springer Verlag, Berlin - Heidelberg - New York (1990), 188-200. 2 Bertz , J., D. Schon: Inzidenz, Mortalität und Vollständigkeit der Meldungen in den bevölkerungsbezogenen Krebsregistern. In: Bevölkerungsbezogene Krebsregister in der Bundesrepublik Deutschland . Hoffmeister, H. (Hrsg.). Medizin Verlag , München (1987), 40-99. 3 Brenner, D. E., A. W. Gillette, H. W. Jones, L. S. Burnett, A. W. Malcolm : Simultaneous radiation and chemotherapy for advanced carcinoma of the cervix . Gynecol. Oncol . 26 (1987), 381-385. 4 Burg van der B. E. L., C. Mangioni, S. Pecorelli, M. Namer, M. George, A. Kobierska , 0. Dalesio , N. Rotmensz , J. B. Vermorken: EORTC -GCCG Phase-Il-Studien beim metastasierten Karzinom der Cervix uteri . In: Therapie des Zervixkarzinoms. Teufel, G., A. Pfleiderer, H. A. Ladner (Hrsg .). Springer, Berlin Heidelberg - New York ( 1990), 293-297. 5 Choo , Y. C., T. K. Choy, L. C. Wong, H. K. Ma : Potentiation of radiotherapy by cisdichlorodiamine platinum (11) in advanced cervical carcinoma . Gynecol. Oncol . 23 (1986), 94-100. 6 Coleman , R. E., P G . Harper, C. Gallagher et al.: A phase II study of ifosfamide in advanced and relapsed carcinoma of the cervix. Cancer Chemother. Pharmacol . 18 (1986), 280-283. 7 Cubeddu , L. X., 1. S. Hoffmann , N. T Fuenmayor : Efficacy of ondansetron (GR 38032F ) and the role of serotonin in cisplatin induced nausea and vomiting . New England Journal of Medicine 322, 12 ( 1990), 810-816. 8 Decker, D. A., A. Drelichmann , J. Jacobs et al.: Adjuvant chemotherapy with high- dose bolus Cis-Diamindichloroplatinum 11 (CDD) and 120 hour infusion 5-Fluorouracil (5-FU) in stage III and IV squamous cell carcinoma of the head and neck. ASCO (1982), Abstr. C-757. 9 Dinh, T. V., E. A. Dillard , M. G. Doherty: Ifosfamide in cervical cancer: early phase II results in patients with advanced er recurrent disease. Proc ASCO 8, 158 (1989), Abstr. 617. 10 De Vita, V T., S. Hellmann, S. A. Rosenberg (ed.): Cancer Principles & Practice of Oncology. 3. Edition, Lippincott, Philadelphia, London, Mexico City (1988), 1114-1161. 11 Friedländer, M. L., K. Atkinson, J. V. M. Coppelson et al.: The integration of chemotherapy to the management of locally advanced cervical cancer: A pilot study. Gynecol. Oncol. 19 (1984), 1-7. 12 Junkermann, H.: persönliche Mitteilung (1990). 13 Kaplan, E. L., P. Meier: Non parametric estimation from incomplete observation. J. Am. Statist. Assoc. 53 (1958), 457.

461

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Systemische Therapie beim rezidivierten und primär fortgeschrittenen Zervixkarzinom

Gl~burtsh. u. Fnwenheilk . 5 J (1991 )

Ka ufm a nn . M.. E Ku bli, I~ Dring s. H. Bur kert. G. Bastert IHrsg.): Medika me nt öse Thera pie des Genital - und Mamma ka rzinoms . Ka rger. Ba sel - Münc hen (1989), 34 -36 . 15 Kaufman n. M.. H. Sch mid : persönlich e Mitt eilun g (1990). n , Kim. D. S.. H. Moon . Y. Y. Hwa ng. S. H. Cho : Preop er at ive a djuvan t chernothera py in the tr eatme nt of cervical ca ncer stage I b. 11 a a nd 11 b w ith bulky tu mor. Gynec ol. Oncol. 29 (1988). 32 1-332. l i Kish• .I.• A. Drelichm an n . J . .Iacob s et al.: C1 in ica l trial of cisp latin and 5· fU in fusion as initial treatm cn t for advanc ed squa ma us ce ll ca rcino ma of the head and nec k. Cance r Treat. Rep . 66 (1982), 4 7 1. I X La housen . M.• H. Pickel. I.. Tam ussino : Che m ot he rapy for ad vanc ed and for r ecurren t cervical cancer. Arch . GynecoI. 240 (19871, 24 7-2 52. 19 Lira-Puerto . v.. A. Stlve. S. Grosh en et al.: Car boplati n (CBDCA) or Chi p : Fin al re port of th e 3rd Phase 11 NCI-PAHO study in adv anc ed cervical ca nce r. Proc ASCO8 . 160 (1989), Abstr. 622 . 20 Mcflu ire . W. I~ . J . C. Arse nea u . .I. A. Blessing et al.: Randomized co m pa rison of ca r bop lat in (er) a nd ip ro plat in UP) in adva nced sq ua mous ca rcinoma s ofth e uterine ce rvix (SCUC): A Gynecologic Oncolo gy Group (GOG) Study. Proc. ASCO 7. (19 88) . Abstr. 521. 2 1 Meer po hl. H. G., W. Eier ma nn. W. Achte r rath , H. Küh nle : Chemoth era pie zu r Hem iss ion sin du ktion bei fort geschr itten en Zervixkarzinom en der fIG O·Stadien 11 b-IV: Erste Erge bnisse eine r Phase-tl-Studie m it Car boplatin/ Ifosfamid . In : T herapie des Zerv ixka rzinoms. Teu fel. G.. A. Pfleid erer, H. A. Ladn er If-lrsg.I. Spr inge r. Ber lin - ll eidelberg - New Yor k (1990). 298 -306 . 22 Muss. H. B.. V. W. J obsen . H. D. Hom es ly, C. Wela nde r. C. Perrec : Neoa djuvant the ra py for ad vanced sq ua mous cell ca rcino ma of the cervi x: cisplati n followe d by radi ation therap y: A pilot study of the Gynec olog ic Oncology Grou p. Gynecol. Oncol 26 (198 7), 35 - 40. 2 3 Petterson , F. Hlrsg.): Ann ual re port on th e re sults of tr eatm ent in gyn ecologica l ca ncer (Vol. 18 , 20) . Int. r edereuen of Gynecology and Obstetr tcs. Ca nce r Com mittee . Had iumhemm et , Stockhotm( 196 5.1 988). 2 4 Sm ith . D. 13. , E. S. Newla nds. O. W. Spruyt: Onda nset ro n (GR 38023 F) plu s dexameth aso ne : Effective antierneue pr oph ylaxis for patients receiving cyto to xic chemc the ra py. Br, J . Cancer, 6 1 (1990),323-3 24. 14

M,

Kaufmann u. Miter b.

Stell. P. M., N. S. B. Hawson: Adj uva nt che mothe ra py in head a nd neck ca nce r. Br, J. Cance r 6 1 (1990 ), 779 -7 8 7. 2(, Thi gp en . J . 1:, H. Shing leton. H. D. Homesly, O. L. Lag asse. J . A. Blessi ng : Cisp latinu m in treat ment of adva nce d or rec urrent sq ua mous ca ncer of the cervix. A pha se 11 study of thc Gync cology Onco logy Gro up . Ca ncer 48 (198 1). 899 - 904 . 2 7 Thigp en . .I. E . H. Va nce. L. Halducci. .I. A. Bless ing : Che mot herapy in the man agement of adva nce d or r eeu rren t cervical a nd endometr ial ca rc inoma. Cancer 4 8 (198 1),658-665 . 20S Thomas. G.. A. Dem bo, E Beale et a l.: Conc ur re nt ra dia tion , m ito mycin C a nd S-fluo rouracll in poo r prog nos is carci no ma in srru. Preli mi nary re sults of a ph ase 1· 11 stud y. Int. J . Rad iat. Oneo l. Binl. Phys. 10 (198 4), 178 5 -1790. 29 UICC: TNM Klass ifikation ma lign er Tum oren . Spr inger, Heid elberg 19 87. :JO Um buc h. G. H., H. vo n Mat thiesen . H. G. Bend er : Die Che m othe rap ie des fortgeschr itte ne n Zcrvi xkarz inom s. Ein Über blick. Tumo r Diagnostik & The ra pie 7 (198 6), 89-98. 3 1 Ver morke n. J . H. ut a l.: Vlnc ristin . ble om ycin . mit ornycin-C and cis plat in (VBMP) in squamous cell ca rcinoma of the ut er in e cervix. Proe. ECCO 2 (19831. 50. aa Verm orken . .I. B. et al. : Mitom ycin -C/Cispl atin (MP) basod com binaüon chem othcra py in recu rren t and/ or mctast atic squa mo us cell ca rcino ma s of'the uteri ne cervix (SCCUC): The EOHTC Gynec ologica l Ca ncer Cooperative Gro up (GCCG) Expe r ience . Proc. Firs t Meeting of th e IGCS (198 7), 31 . 3 3 Vogl. S. E. Cl al.: Chemo the ra py for a dvan ced ce rvica l ca ncer wit h bleomycin . vincristtne. m itom ycin -C a nd cisdi a min edich loroplatinum ( B O~'lP ). Ca ncer Trea t. Hep . 64 (19 80 ), 100 5-J009. 34 WHO ha nd boo k for rep orting results of can cer tre atme nt. Geneva. Worid Healt h Orga nizati on (19 79 ). 25

Prof 1Jr. rned. Man/red Kau/m a nn Un iv.-Fra uen klin ik W·6900 Heidclberg

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

462

[Systemic therapy in recurrent and primary advanced cervix cancer].

Therapeutic results in advanced cervical cancer have not been showing any progress for more than 30 years. Only by means of systemic therapy does it s...
1MB Sizes 0 Downloads 0 Views