Das Syndrom der fehlenden zervikalen Bogenwurzel Eine seltene Anomalie der HWS

Schliisselwörter Halswirbelsäule - Kongenitale Anonialie Bogeri wurzel

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Key words

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Cervical s p i n e - Corigenital a n o m a l y -Abs e n t psdicle

Einleitung- .

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Das Syndrom der fehlenden zervikalen Bogenwurzel (BW) ist eine seltene Entwicklungsarioiiialie der Halswirbelsäule (IIWS). Unseres Wissens nach wurden in der rncdizinischcn Litertrtur bishcr lediglich 31 Fälle beschrieben (1-6. 9-1 1). Die Bedeutung dieser ~ n o h a l i cbesteht in der differcntialdiagnostischeri Abgrenzung gegenüber primär oder sekundär neoplastischcn Veränderungen im betrofferieri Segment. Anhand eines VcränderuiiFallberichtcs werde11 die riintgcnmorphol~giscl~en Ren betreffend sowohl das Nativröntgen dcr HWS als auch das spinale Computertoniogramm (sC'I.) dargestellt und di~erentialdiagriostischc Überlegungen angestellt.

Kasuistik

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C. A.. 3G Jahre. ni.: Dcr Patient klagt bei ichlcnder Traumaanarrinese seit etwa 1 J a h r iiber rezidivierende Kopl' scliinerzcn. Der neurologische Status ist unaufillig. Im HWSKöntgeri findet sich cine Ausweitung cincs Foramen intervcrtcbralc im Segment C 5/C 6 . Der G. Halswirbelkörper (HWK) weist eiiie leichte Hotationsfetilctellung auf. Die Aligrrieiitlinicn der Wirbelkörpervorder- und -hinterkanten sind crhalten. Die dorsale Fluchtlinie hingegen, die durch die Vereinigung der Bogeniortsälze 7.um Processus spiriosus gebildet wird, ist im Scgmcnt C 6 infolge einer Dorsalverlagerung der hintcrcn Wirbelanteile untcrbrochen (Abb. 1). 111 den Schrägaufnahrnen IäBt sich das pathologisch verändcrte Foramen intervertebrale rechts lokalisieren. Die rechte Bogenwurzcl von HWK6 fehlt. Das Foramen iritervertchralc erstreckt sich über 2 Segmente und ist nvalär ausgeweitel, wobei der größere Durchniesser in der kraniokaudalen Richtung liegt. Die gelenktragenden. dorsalen Wirbelkörperanteile erscheinen cbcnfalls veräridert. Anstcllc des Processus articularis superior von HWK G findet sich ein plumpcr Knocherihöcker, dic Articulatio intervertebralis von C 6 und C 7 erschcint. soweit beurteilbar. zwar nach dorsal verlagcrt. anconsteii aber normal (Abb. 2). Ossäre traumatische Veränderungcn kommen nicht zum Nachweis. -

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Portschr. Röritgenstr. 157.5(1992) 528-529 O GenrgThieme Verlag Stuttgart . Ncw York

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Riciimüller)

Abb. 1 HWS-~bersichtsrontgen.seitlich: AusweitungeinesForamen intervertebralean der unteren HWS, durch Fehlender BW von HWK6erstreckt sich das Foramen intervertebrale liber 2 Segmente (kleine Pfeile). Die dorsale Aligrnentlinie ist durch Dorsalverlagerungder Gelenkfortsatzeunterbrochen (gebogener Pfeil). EineSeitenzuordnung ist nicht möglich.

45Grad Schrägaufnahme der unteren HWS. rechte Seite: Deutlich erkennbare Ausweitung des Foramen intervertebrale in Höhevon HWK6, Mißbildung des rechten Prozessus articularissuperior (Pfeile). Abb.2

Aufgrund des nativröntgenologischcn Uefurides wird der Verdacht auf eineii expansiven Prozeß irn Rercich des Itoramen iritewertcbratc von C 5/C 6 vermutet. wobei jedoch die Verändcrungen d e r dorsalen gclcnktragenderi Wirbclkörperanteile differentialdiagnostisch auch an eine anlagebedingte Malformation denken lasscn. Zur weiteren Ahklärung wird ein sCT nativ und nach Applikation von Kontrastmittel angefertigt (Abb. 3). Wie schori nativröntgenologisct~laBt sich die rechte Bogenwurzel von HWKG nictit nachwcisen. Der pliirripe Knochcnhöcker, der anstelle des Procescus articularis superior von HWK h angelegt ist.

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Von K. A. Haii.seggrr, P.Kullnlg, W. Kopp und F. Flilckiyar Universitätskliiiik Tür Radiologie. Karl-Franzens-UniversilälGrnz Worstand: Unk-l'roi.

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Fortschr. Rontger~str.I5Z5 529

I>«s.S!jrlrlroru drrfclrlenderl zcrc~ikalcr~ ßo.qcntu~crzc1 cinc s e l t ~ n A c nornalie der HkVS . . .... . .

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Diskussion Die initiale nieinbraiiöse Anlage der Wirbelkörper entsteht i n der 4.Gestatioriswoche als iritersegmeritales Gebilde. Dic knorpcligc Wirbelkorperanlage entwickelt sich ab der 6. Gestatioriswoche von jeweils 3 paarigen Chondrifikationszentren (7). Das Syndrom der fehlenden zervikalen BW ist durcti Fehlen dcs mittlcrcn (:hondrifikationszentrums der betroffenen Seite. das fiir d i r Eiitwickluiig der BW. der dorsalen Anteile des Processus transversus und der ventralen Anteile der Gelenkfortsätze verantwortlich ist. erklärbar (Y). Dementsprechend umfaßt dieser [\.lißbildungskoiiiplex neben der fehlenden BW. eine Fehlentwicklung der gelenktragenden Anteile u n d des Processus transversus (9). Dic dcm mißgcbildetcn Segmcnt benachbarten Nervenwurzelii kommen i n einer gemeinsamen Nervenwurznlscheidc zu liegen. die Dura stülpt sich i n das ausgeweitete Foramen vor (6. 11). I m vorlicgcndcn Fall war die rechte BLV von HWK 6 nicht angelegt. was bereits in den Schrägaufnahmen erkennbar war, ebenso wie die Dorsalverlagerung der hinteren Wirbelanteile. Die definitive Zuordnung der Vcrändcrung der Gelenkfortsätze sowie die Erfassung der Fehlbildung des Processus transversus i m Sinne einer Hypoplasie der dorsalen Ariteile. der Spina bifida sowie die Ausstülpung des Duralsackes waren hingegen n u r mittels sC.1' erfaßbar. Die bisher beschriebenen Falle betrewen überwiegend FIWK 5 oder, wie i m vorliegerideri Fall. H W K 6 (3). Nur i n Einzelfallen wurde diese Anomalic auch i n H W K 2 . 4 und 7 beobachtet (3). Alle bisher beschriebenen Fälle waren ebenso wie unser Fall unilateral und monosegmental. Es wurden jedoch auch Fälle. bei deneri eine Spondylolysc dcr Gcgenscitc odcr andcrcr Scgmcntc bcstand, beobachtet (5, 8 ) . Das klinische Erscheinungsbild ist unterschiedlich. Mehr als die HalRe der Patienten. uber die bisher berichtet wurde. waren asymptomatisch (3). Bei klinisch symptomatischen Patienten bestimmten radikuläre Schmerzen sowie diffuse Nakkeii-, Sctiiilter- oder Kopfschrnerzen das Beschwerdcbild (3, 6). I n unserem Fall klagte der Patient über chronische Kopfschmerzen. Zwar stellt das Syndrom der fehlenden zervikalen BW keinen iiiiiiiittelbaren Kausalfaktor dafür dar, eiii mittelbarer Zusamrnerihang resultierend aus cincr Fchlstellung dcr HLVS ist jedoch nicht auszuschließen.

Uiffcrentialdiagnostisch ist nativradiologisch ncbcn osteolytischen Metastasen und expansiven Prozessen ausgehend von Spinalnerven auch ein Aneurysma der A. vertebralis i n Betracht zu zichcn (1, 3. 6). Bei all dicscn pathologischen Prozcssen kommt es zur Reduktion der Knochenmasse der RW sowie der angrenzenden ossären Strukturen. sei es infolge einer Druckerosion oder einer metastatischen bzw. tumorösen Destruktion. Dadurch w i r d das Foramen intervertebrale meist konzentrisch ausgeweitet. I m Gegensatz dazu kornmt es beini Syridrom der fehlenden zervikalcn BW zu cincr ovalärcn Ausweitung. wobci dcr Iängstc Durchmesser i n der kraniokaudalen Achse liegt. da sich das Foranieri nurirrietir quasi über zwei Segrrierite erstreckt (1). Die sichere diffcrcntialdiagnostischc A b g c n z u n g ist durch dcn Nachwnis der bereits erwähnten zusätzlichen vorhandenen Veriinderurigeii der Geleiikfortsätze und der Querfortsitze möglich. Die Verdachtsdiagnosc dcs Syndroms der fehlenden zervikalen BW Iäßt sich aus den Ubersichts- und Schrägaufnahmen stellen. zur definitiven Diagnose sollte jedoch auf eine sCT oder als Alternative eventuell auf einc Kcrnspintomographic nicht vcrzichtct wcrdcn.

Abb.3 sCT, nativ, Knochenfenster ReprasentativekonsekutiveSchichten durch dassenrnent C 51C6. Schichtdichte 4 mm. kraniokaudaleSchichtfolae Deutlicherkennbar die Aplasie der rechten BW von HWK 6 Dysplasie der d&sa len Anteile des rechten Processustransversus (kleine Pfeile) Schmale Spina bifida (offener Pfeil) Der mißgebildete Processusarticularis superior ist dorsal des Processusarticularis inferior von HWK 5 gelegen (weißer Pfeil)

Literatur -.- -. --

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Uniu.-Doz. Dr. P. Kullnig ... ..- --. Univ.-Klinik für Hadiologic Aucnbruggcrplatz 9 A-8036 Crs- I.KH

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I5ßt sich dorsal dns Proccssus ai-ticularis infcrior von HWK 5 lokalisieren. Weiters firidet sich eine Hypoplasie der dorsalen Anteile dcs rcchtcn I'rocessus transversus von H W K 6 i n F'orrn eines nur angedeiitet ausgebildctnn Tubnrculum postcrius und eine Spina bifida (Abb. 3). Neber~deii ossareii Aiioinalieii besteheri auch Vcrändcrungcn des Duralsackes. Die Nervenwurzeln der betroreiien Segriieiitn liegcn iii eincr gcrnciiisamcn I>uralscheide. die bich i n clas vergröllertt?. 2 Segiiieiite unispaniieride Foramnn intcrvcrtcbralc vorstülpt. Ein expansiver Prozeß sowie ossäre Struktiireii oder U,sui.cn könncri m i t Sicherheit ausgeschlossen werden.

[The absent cervical pedicle syndrome. A rare anomaly of the cervical spine].

Das Syndrom der fehlenden zervikalen Bogenwurzel Eine seltene Anomalie der HWS Schliisselwörter Halswirbelsäule - Kongenitale Anonialie Bogeri wurzel...
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