Effekt der Ersthelfer-(Laien-)Reanimation auf die kardiopulmonale Wiederbelebung D. Kettler, J. Bahr, C. Busse, A. Mantzaris

Einleitung Wie an anderer Stelle bereits ausführlich dargestellt (l,2), fuhrte das Zentrum Anaesthesiologie, Rettungs- und Intensivrnedizin der Universität Göttingen von 1985 bis 1989 das wissenschaftlich begleitete Pilotprojekt „Herz-Lungen-Wiederbelebung durch Ersthelfer (HLW)" durch, in dessen Rahmen knapp 20000 Bürgerinnen und Bürger aus Stadt und Landkreis Göttingen, medizinische Laien also, in den Basismaßnahmen der kardiopulmonalen Reanimation ausgebildet wurden. Die Erwartungen, die h r das Zustandekommen des Vorhabens entscheidend waren und deren Erfullung primär im Vordergrund stand, sind relativ einfach zu umschreiben: Durch die HLW-Breitenausbildung der Bevölketung sollte ein Potential an Helfern geschaffen werden zur Schließung der therapeutischen Lücke. Die Erwartung sollte sich bestätigen in der Zunahme aufierklinischer Reanimationsversuche, die von medizinischen Laien begonnen werden, sowie in günstigeren medizinischen Resultaten bei den Patienten, denen bereits vor Eintreffen des Rettungsdienstes geholfen wurde. So wurden, p,arallel zum Ausbildungsprogramm und zu einigen Begleitstudien, von April 1985 bis einschließlich Dezember 1989 sämtliche außerklinischen Reanimationsversuche im Rettungsdienstbereich Göttingen erfaßt und ausgewertet, insgesamt 585 Fälle. Neben dem Rettungseinsatz-Dokumentationsbogen routinemäßigen kam dafur ein speziell entwickelter Erhebungsbogen zur Anwendung; beide Dokumente waren vom involvierten diensthabenden Notarzt (NAW oder RTH) auszufullen. Präklinische Ergebnisse In 108 von den insgesamt 585 untersuchten Fällen wurde vor Eintreffen des Rettungsdienstes von Ersthelfern mit Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen. Dabei verlief die Entwicklung des Anteils an Ersthelfer-Reanimationen über die Jahre uneinheitlich (1985: 12,0°/0; 1986: 23,2 %; 1987: 12,9 %; 1988: 24,6 010; 1989: 17,7 %), der statistisch errechnete Trend zeigte aber steigende Tendenz. Es konnte kein statistischer Zusammenhang identifiziert werden, der die Schwankungen beim Anteil der Ersthelfer-Reanimationen erklären könnte; eventuell in Frage kommende Parameter (Ort des Notfalls, Alter bzw. Geschlecht der Patienten, Anteil der beobachteten Fälle) wiesen keine entsprechenden Veränderungen auf.

Anästhesiol. Intensivmed. Notfdlmed. Schrnetzther. 27 (1992) 244-247 O Georg Thieme Verlag Snittgart . New York

Als Ersthelfer werden hier alle die Personen bezeichnet, die, unabhängig von der Qualität der Ausfuhrung, imlconkreten Notfall reanimierten und die aufgrund ihrer Ausbildung oder ihrer aktuellen Ausrüstung nur zur Anwendung der Basismaßnahmen in der Lage waren. Insofern finden sich auch einige Ärzte und Rettungssanitäter unter den Ersthelfern, die außer Dienst und ohne jegliche Hilfsmittel Zeugen von Notfällen wurden und intervenierten. Aufgrund der komplexen Anforderungen in der Notfallsituation war es nicht möglich, detaillierte Angaben über reanimierende Ersthelfer, über die Bedingungen arn Notfallort etc. zu erfassen, so daß nur berichtet werden kann, daß 89 der 108 Erstheifer (82,4%) medizinische Laien waren, davon hatten schätzungsweise 65 Prozent einen HLWKurs im Rahmen des Göttinger Pilotprojekts besucht. Dem überwiegenden Teil der reanimationspflichtigen Notfälle (73,3 010) lag eine kardiale Ursache zugrunde; traumatische und zerebrale Ereignisse machten nur gut zehn Prozent aus. Da die HLW-Breitenausbildung vornehmlich darauf zielt, Bürger zur Hilfeleistung bei HerzKreislauf-Notfällen zu befähigen, wird die Gruppe der kardialen Patienten im folgenden gesondert aufgeführt. Der überwiegende Teil der reanimierten Patienten (71,7%) war männlich, nur 28,9 Prozent weiblich (Fälle mit kardialer Ursache: 72,s vs. 27,s %). Erwartungsgemäß überwogen die höheren Altersgmppen mit einem starken Anstieg bei SO Jahren; fast die Hälfte der Patienten war zwischen 40 und 69 Jahre alt, bei den kardialen waren es sogar 53,2 Prozent. Der Anteil nicht-kardialer Fäiie, und das sind besonders die traumatischen, nimmt in den höheren Altersgruppen ab. Die Notfälle ereigneten sich g-ößtenteils in der Wohnung der Patienten, bei den kardialen Fällen zu fast zwei Dritteln (62,3 010); dagegen spielt das öffentliche Ereignis in anonymer Situation eine weniger wichtige Rolle. Addiert man die Anteile der Notfälle, die zu Hause oder an der Arbeitsstelle stattfinden, mit einem Teil der Sonstigen, worunter z.B. auch Wohnungen von Verwandten oder Freunden fallen, dann ist festzustellen, daB über 70 Prozent der kardialen Falle sich in sozialen Umfeldern ereignen, in denen die Patienten bekannt sind. Über 60 Prozent der Notfälle werden beobachtet, also von Zeugen direkt gesehen oder gehört - von Zeugen, die wegen des Umfeldes den betroffenen Patienten zumeist persönlich kennen. Hier wird das groRe Potential an möglichen Ersthelfern deutlich, aus dem heraus aber nur in Ausnahmefällen auch tatsächlich interveniert wird. Der

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Zentmm Anästhesiologie, Rettungs- und Intensivrnedizin der Universität Göttingen

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direkte Vergleich der Anteile ,,Beobachtet" und ,BegonnenL' zeigt, daß wohl bei weit mehr als der Hälfte Zeugen anwesend sind, dai3 diese jedoch nur in nicht einmal einem Fünftel der Fälle helfend eingreifen. Nachdem festgestellt werden konnte, d d der Anteil der von Ersthelfern begonnenen Wiederbele" bungsversuche im Zuge des Pilotprojektes stieg, war von groi3em Interesse, ob sich die Bemühungen der Ersthelfer auch medizinisch auswirken würden. Vorausgeschickt sei, daf3 sich die Patientengruppen ,mitL' und ,,ohne ErsthelferBeteiligung" bei wichtigen Parametern wie Alter und Geschlecht der Panenten, zugrundeliegenden Ursachen sowie Anfahrtszeiten des Rettungsdienstes nicht unterschieden. Erwartet wurde, daß Patienten, bei denen Ersthelfer schon vor Eintreffen des professionellen Rettungsdienstes mit Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen hatten, sowohl prä- als auch innerklinisch günstigere Ergebnisse zeigen würden. In dem folgenden ausführlichen Vergleich der Patientengruppen ,mitu und „ohne Ersthelfer-Beteiligung (EH)" wurden nur die 429 Fälle mit kardialer Ursache einbezogen, weil zum einen die HLW-Breitenausbildung auf diese Notfälle zielt und weil zum anderen diese Einschrankung in der internationalen Literatur regelmäi3ig vorgenommen wird. Bei 75 (17,s %) der 429 Fälle mit kardialer Ursache wurde von Ersthelfern mit der Reanimation begonnen, der Anteil liegt damit etwas unter dem in der Grundgesamtheit (18,5 010). Der entscheidende Effekt einer unmittelbaren Intervention, die aufgrund organisatorischer und struktureller Bedingungen in der Regel eben nur von Ersthelfern geleistet werden kann, wird schon im ersten vom Notarzt abgeleiteten EKG deutlich. Wenn nach Eintritt eines Kreislaufstillstandes durch Ersthelfer unverzüalich die Wiederbelebungsmaf3nahrnen angewendet werden, findet sich im ersten EKG mit 64,4 Prozent signifikant häufiger (p < .001) ein Kammerflimmern als in der Gruppe „ohne EH" (38,2%). Ein flimmerndes Herz bietet aber wesentlich günstigere Voraussetzungen für eine erfolueiche Reanimation als ein asystoles oh& jegliche elektrokechanische Restfunktion. Somit ist hier der entscheidende Faktor erkennbar, auf den alle Bemühungen der HLW-Breitenausbildung zielen: Die frühzeitig begonnene Reanimation hält das Myokard länger im prognostisch günstigen Zustand des Kammerflimrnerns. Damit beweist sich auch die Sinnhaftigkeit des Ausspruchs ,CPR can buy time", denn es wurde nicht erwartet, daR die Anwendung der HLW-Basismanahmen zum WiedereinsetZen der Spontanzirkulation fuhren würde. Aber was envartet wurde und bestätigt werden konnte, ist, daß die frühzeitige Intervention das Kammerflimmern erhdt und damit die Mödichkeit fur den Notarzt. mit den erweiterten Maßnahme; besonders der ~efibrillation,das weitere Schicksal der betroffenen Patienten günstig zu beeinflussen. Ein weiteres Resultat der Ersthelfer-Reanimation findet sich beim primären Reanimationserfolg, hier definiert als Einlieferung in die Klinik, entweder mit spontaner, hämodynamisch wirksamer Herzaktion oder unter Fortführung hämodynamisch wirksamer Reanimationsmaßnahmen. Wenn Ersthelfer mit Wiederbelebungsmai3nahmen beginnen, ist der Anteil der Patienten, die lebend und

mit stabilen Kreislaufverhältnissen eingeliefert werden können, doppelt so hoch (70,7 vs. 37,3 %; p

[The effect of first aid (layman) resuscitation on cardiopulmonary resuscitation].

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