Klin. Wschr. 53, 385-389 (1975) - © by Springer-Verlag 1975

Die Erythrocytenaggregation bei Menschen mit Risikofaktoren eines Herzinfarkts N. Boss, S. Koenig und G. Ruhenstroth-Bauer Max-Planck-Institut ftir Biochemie, Abteilung ffir Experimentelle Medizin, D-8033 Martinsried bei Mfinchen

The Red Blood Cell Aggregation in Men with Coronary Risk Factors. Summary. 1. The in vitro test for red blood ceil aggregation has been improved, the coefficient of variation was decreased to 14.2%. 2. By the improved method the earlier findings were confirmed with high statistical significance that heavy smokers have a significantly higher red bIood cell aggregation value in comparison with nonsmokers. 3. It could be shown that other coronary risk factors, especially hypercholesterolaemia, increase the aggregation value too. 4. The aggregation of red blood cells increases in the presence of several coronary risk factors in the same patient to higher values than expectedfrom the addition of the aggregationscaused by single risk factors. Key words."Coronary heart disease, myocardial infarction, risk factors, erythrocyte aggregation, cell volume distribution. Zusammenfassung. 1. Die in-vitro-Messung der Erythrocytenaggregation wurde so verbessert, dab der Variationskoeffiz~ent auf _+14,2% herabgedr~ckt wurde. 2. Mit der verbesserten Methode konnten die frg~herenBefunde statistisch hochsignifikant gesichert werden, dag sonst gesunde starke Raucher einen wesentlichen h6heren Erythrocytenaggregationswert aufweisen als Nichtraucher. 3. Es wurde auch bei anderen RJsikofaktoren koronarer Herzerkrankungen nachgewiesen, dab sie zu einer ErhShung des Aggregationswerts der Erythrocyten f/ihren. Insbesondere konnte dies bei Hypercholesterin/imienachgewiesen werden. 4. Mehrere Risikofaktoren beim gleichen Patienten bewirken einen fiberadditiv hohen Aggregationswertder Erythrocyten. SchtiisselwSrter: Koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt, Risikofaktoren, Erythrocytenaggregation, Erythrocytenvolumenverteilung.

Die Tatsache, dab beim Menschen eine Reihe von Risikofaktoren ffir die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Herzinfarkts von Wichtigkeit sind [ 1 - 8 ] , ist ftir die Prophylaxe koronarer Herzerkrankungen von entscheidender Bedeutung. F fir Routinevorsorgeuntersuchungen in groBem Maf3stab ist es jedoch schwierig, jeweils alte Risikofaktoren zu bestimmen. Die vorliegende Untersuchung lfiBt erwarten, dal? man mittels einer Laboruntersuchung eine Aussage fiber

die Koronargeffihrdung durch die verschiedenen Risikofaktoren erhalten kann. 1973 stellten wir zusammen mit H. Chmiel ( R W T H Aachen) fest, dal3 in einer Erythrocytenaufschwemmung, die von gesunden Nichtrauchern stammt, unter bestimmten Prfiparationsbedingungen etwa 3% der Zellen verklebt sind (,,P~irchen") [9, 10]. Die Messung erfolgte mittels des von Kachel et al. [11 - 13] verbesserten Coulter-Verfahrens in einer Partikelstrahlkapillare. Der Verklebungsgrad wurde mittels des sogenannten Erythrocytenaggregationsindex (EAI) angegeben. Darunter wird das Verhfiltnis der Summe der gezfihlten Erythrocytenaggregate zur Gesamtsumme der gezfihlten Erythrocytenpartikel einer bestimmten Blutprobe verstanden. Es ergab sich [9], dal3 Herzinfarktpatienten, soweit sie nicht mit Kortikoiden oder Colfarit® behandelt worden waren, eine Erh6hung des EAI gegen/iber gesunden Nichtrauchern aufweisen. Sonst gesunde Raucher zeigten gegenfiber Nichtrauchern ebenfalts eine gewisse Erh6hung ihres EAI. Der Wert dieser Untersuchungen war deshalb eingeschr/inkt, well die einzetnen G r u p p e n relativ grol3e Standardabweichungen aufwiesen und deshalb eine statistische Sicherung der Unterschiede schwer war. Z u m Tell lag das daran, dal3 sich bei Doppelbestimmungen ein und desselben Blutes ein relativ grol3er methodischer Fehler ergab. I m folgenden berichten wir a) fiber methodische Verbesserungen, die den Mel3fehler auf etwa +_14,2% herabdrfickten. Hierbei werden die EAI unter drei reproduzierbaren Scherbedingungen bestimmt und im sogenannten Aggregationswert zusammengefagt. b) Es wurden aul3er dem Rauchen auch andere Risikofaktoren koronarer Herzerkrankungen untersucht und nachgewiesen, dab auch diese eine Erh6hung des Aggregationswertes aufweisen und dab sich mehrere Risikofaktoren beim gteichen Patienten hinsichtlich der H6he des Aggregationswertes fiberadditiv verhalten.

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N. Boss et al. : Erythrocytenaggregation bei Risikofaktoren des Herzinfarkts

Methoden und Material L Bestimmung des Aggregationswertes Nach Venenpunktion wurden etwa 10 ml Blut der Versuchsperson ohne Aspiration in EDTA - beschichtete Polystyrolr6hrchen (16/100) (Fa. C,A. Greiner, Nfirtingen) getropft. Davon wurden 0,5 ml zur Inkubation aufbewahrt, der Rest wurde 10 min bei 4000 UpM (Heraeus-Crist Minifuge) zentrifugiert. Die Plasmen wurden durch ein 0,2 gm Membranfilter mit 25 mm ~ Spritzenvorsatz (Fa. Sartorius, G6ttingen) filtriert und je 1,5 ml in Polypropylen-Reaktionsgef/ige (Nr. 39/10A, Fa. Sarsted, Niimbrecht) eingeffillt. Die Bestimmungen wurden in der Regel spfitestens 8 Stunden nach Btutentnahme abgeschlossen. Nach vorsichtigem Umschfitteln der Vollblutprobe wurden mit einer Eppendorf-Pipette 5 pl Vollblut in die 1,5 ml Plamaprobe eingebracht (Verdfinnung t : 300). Die Probe wurde konzentrisch anf die Achse eines mit Elektromotor betriebenen stufenlosen Getriebes mit einer Spannvorrichtung angebracht und hintereinander je 5 rain mit 500 UpM, 750 UpM und 250 UpM um die Lgngsachse des Reaktionsgef/il3es rotiert. Nach jedem der drei Rotationsschritte wurde das Gerfit ffirje 30 sec angehalten. In dieser Zeit wurden 10 glaus der Probe entnommen und in 1 ml 2,5% Dextran T 250 (Pharmacia, Uppsala) in wfil3riger NaC1-L6sung mit 0,1% NaN 3 (etwa 300 mosmol, etwa 71 f~cm) eingebracht (Vollblut-Endkonzentration 1:30000) und der EAI bestimmt. Die Messung erfolgte in der Regel sofort, konnte aber auch noch nach 15 rain durchgeffihrt werden, da die anschlie13ende Aggregationsbestimmungen im Rahmen des MeBfehlers keinen abweichenden Aggregationswert lieferten. Die Messungen der Volumenverteilungskurven erfolgten nach dem yon Kachel et~l. [11] modifizierten Coulter-Verfahren mittels Partikelstrahlkapillare mit einem Durchmesser von 100 gm und einem Impulsklassiergerfit. Wenn nicht anders angegeben, wurden die Erythrocyten in 2,5% Dextran T 250 und mit angeglichenem NaC1-Umgebungselektrolyt yon 71 f~cm bei 25° C gemessen. Die elektrische Eichung [13] im Gerfit erm6glichte eine schnelle Berechnung des mittleren absoluten Zellvolumens. Da die Volumenverteilungskurven immer mit der gleichen Einstellung gemessen wurden, konnte ein abweichender Mittelwert des Erythrocytenvolumens, z,B. bei hepatogener Makrocytose [14], teicht erkannt und weiteren Untersuchungen zugeffihrt werden.

b) Hypertension ( > 150 mmHg systotisch, bzw. > 95 mmHg diastolisch, c) Adipositas permagna, d) Diabetes mellitus, e) Hyperurik/imie ( > 7 rag/100 ml), 0 EKG-Anomalien, g) Rauchen (s. oben). Die Feststellung der Risikofaktoren wurde von den behandelnden Arzten durchgeffihrt. Einzelne Parameter wurden dabei nicht in allen F/illen bestimmt, wenn kein entsprechender Verdacht vorlag. Patienten mit mittel oder stark beschleunigter Senkung ( > 30/h n. Westergren) wurden aus der Untersuchung ausgeschlossen. Bei gleichzeitigem Vorliegen mehrerer Risikofaktoren wurde deren Zahl unabhS_ngig v o n d e r Art der Risikofaktoren addiert.

Ergebnisse

A. RechnerischeAuswertung der Aggregation (Abb.

Bei jedem Blut wurden die EAI (Abb. 1A, B, C) nach den drei Rotationsschritten bestimmt. Der zu den statistischen Untersuchungen herangezogene Erythrocyten-Aggregationswert errechnet sich als Mittelwert der durchschnittlichen EAI-Werte aus dem abfallenden Schenkel der Kurve, der Desaggregationsphase, und dem steigenden Tell, der Reaggregationsphase (Abb. 1) d.h. : Aggregationswert 1 (a@ b2c ) a+2b+c % 2 +--= 4 " Ffir Routineuntersuchungen k6nnte in Zukunft vielteicht auch nur der in der oben angegebenen Formel gewichtete EAIb-Wert herangezogen werden, dabei mfi6te jedoch beachtet werden, dal3 dann die Stabilisierungsphase (EAIa) wegfiele und sich damit auch der Endwert der Desaggregationsphase (EAIb) findern wfirde. Die vereinfachte Methode erforderte somit auch die Erstellung eines neuen Normalbereichs.

H. Blutproben Der Aggregationswert (s. Ergebnisse) folgender Gruppen wurde untersucht: 1. Gesunde Nichtraucher bzw. m/iBige Rancher. Zu dieser Gruppe wurden anch nicht inhalierende und weniger als 15 Zigaretten/d rauchende Raucher gerechnet. 2. Sonst gesunde Raucher (inhalierend, >15 Zigaretten/d, Max. : 70/d). Die Gruppen 1. und 2. setzten sich aus Institutsangeh6rigen und interessierten Besuchern zusammen. Btutentnahmen erfolgten jeweils vormittags. 3. Ambulante und stationfire Patienten innerer Kliniken und eines niedergelassenen Internisten a) ohne Risikofaktoren, b) mit Risikofaktoren, die zu einer erh6hten Geffihrdung durch die koronaren Herzerkrankungen ffihren. Als Risikofaktoren wurden folgende Parameter untersucht (Tabelle 1): a) Hyperlipidfimie a) Hypercholesterin/imie ( > 250 mg/100 ml), fi) Hypertriglycerid/imie ( > 170 mg/100 ml),

1)

N

A

°/o 15t

N

1Q,Wo

28% Votumen

L

12,9%

StabdiDes- , Resierung linggregat ion iraggregation ; Aggregationswert = @

'°t

%t

Beispiel, =7,15O/o C Aggregationswert = ~-10,1 + 2-2,8*~2,9 4

E

/

B°.~_

500

i

,5 ',

15 mn

I0 750

!

250

; UpM

Abb. ] A - C. Berechnun 8 des Aggregationswertes aus den drei Einzelkurven a, b, c. (a) 500 UpM, (b) 250 UpM, (c) "750U p M ; je

5 rain Rotation

N. Boss et at. : Erythrocytenaggregationbei Risikofaktoren des Herzinfarkts

301

B. Reliabilitdt

An einem Beispiel solt eine Qualit/itskontrolte dargestellt werden. Die Versuchsperson war ein sonst gesunder Raucher. Bei 15 Bestimmungen des Aggregationswerts an einem Tag betrug der mittlere Aggregationswert 8,86+1,26%, der Variationskoeffizient damit 14,2%.

1"--I/~f

'0~ ]

I

..................

d

Nichtreucher Raucher Normalgruppe

0

Bt---t

]

Gesunde Nichtraucher Sonst gesunde Raucher Patientengruppen mit verschiedenen Anzahlen yon Risikofaktoren a) b) c) d) e)

1 2 3 Pottenten mit 0-4 Risikofaktoren

~ der gesunden

l Nichtraucher 4

Abb. 2. Die einzelnen Gruppen mit den ls Bereichen, Vergleich mit dem Mittelwert 2 und dem +2s-Normalbereich der gesunden Nichtraucher Stichproben yon Patienten ohne Risikofaktoren ergaben eine gute Ubereinstimmung mit der Nichtrauchergruppe. Patienten, die keinen Risikofaktor aufwiesen, sind jedoch fibereinstimmend mit anderen Beobachtungen [3] auch in diesem Patientengut in der Minderzahl. Entsprechend den Beobachtungen fiber die Herzinfarkthfiufigkeit bei mehreren gteichzeitig bestehenden Risikofaktoren [1, 4] steigt der Aggregationswert mit Zunahme der Zahl der Risikofaktoren tiberadditiv (Abb. 2).

Bespreehung Die Reproduzierbarkeit der EAI-Bestimmung wurde gegentiber der vorhergehenden Untersuchung [9, 10] dadurch wesentlich verbessert, dab a) die Scherkrfifte, die auf die Erythrocyten vor der EAIMessung einwirken, durch drei Rotationsschritte m6glichst weitgehend genormt wurden. Die EAI-Messung der drei Rotationsschritte wurden dabei als

Zahl der Risikofaktoren

n

Aggregationswert ± 1s

2p

nicht untersucht auBer Rauchen nicht untersucht

30 22

4,82+ 2,49 10,6t _+5,24

< 0,01

0 t 2 3 4

4 26 17 14 5

4,58_+3,50 7,19_+4,65 10,23_+5,27 t5,36_+7,22 23,58_+7,17

>0,1

[The red blood cell aggregation in men with coronary risk factors].

1. The in vitro test for red blood cell aggregation has been improved, the coefficient of variation was decreased to 14.2%. 2. By the improved method ...
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