Schwerpunkt Herzschr Elektrophys DOI 10.1007/s00399-015-0378-2 Eingegangen: 4. Mai 2015 Angenommen: 5. Mai 2015

J. Kuschyk · B. Rudic · I. Akin · M. Borggrefe · S. Röger

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

Der subkutane Kardioverter-Defibrillator

Deutsches Zentrum für Herz- Kreislaufforschung (DZHK) e.G., Universitätsmedizin Mannheim, I. Medizinische Klinik, Mannheim, Deutschland

Weniger ist mehr

Zusatzmaterial online Zusätzliche Information ist in der online Version dieses Artikels (doi:10.1007/s00399015-0378-2) enthalten.

Der plötzliche Herztod („sudden cardiac death“, SCD) stellt die häufigste Todesursache in Deutschland dar. Die Etablierung des implantierbaren Kardioverter-Defibrillators (ICD) mit über 1.000.000 Implantationen in den letzten 30 Jahren war eine der entscheidendsten Entwicklungen zur Verhinderung des SCD. Die systemimmanenten Komplikationen betreffen überwiegend die ICD-Elektrode. Weiterhin gibt es zahlreiche patientenspezifische Einschränkungen, welche eine transvenöse Implantation erschweren oder unmöglich machen. Durch den komplett extrathorakal implantierten S-ICD® können diese Limitationen weitgehend umgangen werden. Die Effektivität des ICD bei der Vermeidung eines SCD in der Primär- oder Sekundärprophylaxe wurde in zahlreichen Studien nachgewiesen [7, 10, 11]. Typische periprozedurale Komplikationen betreffen überwiegend die transvenös implantierte Elektrode (TV-Elektrode), z. B. Perforation, (Hämato-)Pneumothorax, Dislokation, anatomische Hindernisse, Perikardtamponade etc. und liegen mindestens bei 1,5 % vor [3]. Weiterhin ist die Langzeit-Performance der TV-Elektroden limitiert mit Ausfallraten bis zu 40 % nach 8 Jahren [5]. Infektionen mit Elektrodenbeteiligung sowie Elektrodenre-

visionen bzw. -extraktionen aus anderen Gründen sind mit einer signifikant erhöhten Morbidität und Mortalität assoziiert [4]. Die Entwicklung und Markteinführung des subkutanen Kardioverter-Defibriallators (S-ICD®) war deshalb ein Meilenstein in der Devicetherapie, da durch die ausschließlich extrakardiale Elektrodenlage die beschriebenen Komplikationen nahezu vollständig ausgeschlossen werden können. Bisher wurden weltweit mehr als 10.000 S-ICD® implantiert, davon über 1000 in Deutschland.

Device und Elektrode Das S-ICD®-System besteht in Analogie zu einem konventionellen ICD aus einem Generator und einer Elektrode, welche komplett extrathorakal implantiert wird. Der Generator hat in der ersten Generation des S-ICD® eine geschätzte Batterielaufzeit von etwa 5 Jahren, ist etwas größer und wiegt mit 145 mg ungefähr das Doppelte eines konventionellen ICD. Die nicht programmierbare abgegebene biphasische Schockenergie (Tilt 50 %) beträgt 80 J, ein Postschock-Pacing über 30 s mit 50 bpm und 200 mA ist verfügbar und wird, sofern programmiert, bei Auftreten einer Asystolie > 3,5 s nach Schockabgabe appliziert. Ab dem 26.05.2015 wird die

2. Generation des Devices in Deutschland erhältlich sein (Emblem®, Boston Scientific) mit reduziertem Volumen und längerer Laufzeit. Eine detaillierte Angabe relevanter Unterschiede beider Versionen ist . Tab. 1 zu entnehmen. In . Abb. 1 wird der S-ICD® im Vergleich zum Emblem® sowie die Lage in situ dargestellt. Die extrem robuste Polyurethanelektrode besteht aus 2 Wahrnehmungspolen mit einer dazwischen positionierten Schockwendel (8 cm Länge; 9 French). Das Device selbst dient als 3. Wahrnehmungspol, so dass 3 unterschiedliche Vektoren zur Detektion verfügbar sind (.   Abb. 2a). Der beste Vektor wird anhand der R/T-Wellen-Verhältnis automatisch durch das Gerät gewählt, kann aber je nach Erfordernissen manuell programmiert werden, z. B. bei belastungsabhängigem T-Wellen-Oversensing.

Analyzer, Programmierung und Algorithmen Der S-ICD®-Analyzer ist bewusst einfach gestaltet mit den Optionen: Therapie Ein/Aus; Postschock-Pacing Ein/Aus; 2 Detektionszonen 170–250 bpm („conditional zone“ und Schockzone) sowie ein Online-EKG (.  Abb. 2b). In der neusten Generation können auch vorher induzier-

Tab. 1  Unterschiede S-ICD® der 1. Generation: S-ICD1 (SQ-RX) und der 2. Generation: S-ICD2

(Emblem®, ab 26.05.2015) Spezifikation Größe (mm) Volumen (cm3) Gewicht (g) Batterielaufzeit (J)

S-ICD1 (SQ-RX) 78,2 × 69,1 × 15,7 69,9 145 5,1

S-ICD2 (Emblem) 83,1 × 69,1 × 12,7 59,5 130 7,3

Veränderung (%) NA − 15 − 10 + 31

Herzschrittmachertherapie + Elektrophysiologie

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Schwerpunkt

Abb. 1 9 a S-ICD® in situ, b S-ICD® und c Emblem®

Abb. 2 9 a S-ICD®Detektionsvektoren. Primär: B-Can, sekundär: ACan, alternativ: A-B. b Analyzer

Abb. 3 8 S-ICD®-Implantation. a Einzeichnung der Aggregat- und Elektrodenlage präoperativ, b submuskuläre Tasche, c/d Röntgen Thorax a.-p. und lateral

te Episoden von ventrikulären Tachykardien/Kammerflimmern (VT/VF) gespeichert werden. Die 2-Zonen-Wahl ist von besonderer Bedeutung, da in der „conditional zone“ der S-ICD®-spezifische Algorithmus (INSIGHT®) angewendet wird zur Diskriminierung von supraventrikulären Tachykardien (SVT) und VT. Der INSIGHT®-Algorithmus diskriminiert über einen statischen Morphologievergleich mit einem hinterlegten Template (41 Punkte). Die dynamische Morphologie vergleicht den aktuellen QRS-Komplex mit den vorangehenden, gefolgt von

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Herzschrittmachertherapie + Elektrophysiologie

einem QRS-Breitenabgleich. Neu hinzugekommen ist 2014 ein Algorithmus, der das QRS-Muster analysiert („alternating dynamic correlation waveform analysis double detection“, ACWADD). Der S-ICD® bestimmt die Herzfrequenz über das Mittel der letzten 4 QRS-Abstände und verwendet zur Tachykardie-Analyse ein 18/24-Kriterium.

Implantationstechnik Die Implantationstechnik des S-ICD® unterscheidet sich deutlich von der kon-

ventionellen TV-ICD-Implantation aufgrund der Devicelage und der subkutan getunnelten Elektrode. Das Operationsfeld ist größer mit Implikationen für die Abdeckung. Der linke Arm wird idealerweise 45–90° ausgelagert. Die Prozedur kann problemlos in Lokalanästhesie und unter Analgosedierung durchgeführt werden. Auch wenn die Implantation generell ausschließlich anhand anatomischer Landmarks durchgeführt werden kann, empfiehlt sich aus unserer Erfahrung präoperativ das Device und die Elektrode am Patient zu positionieren

Zusammenfassung · Abstract Herzschr Elektrophys  DOI 10.1007/s00399-015-0378-2 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 J. Kuschyk · B. Rudic · I. Akin · M. Borggrefe · S. Röger

Der subkutane Kardioverter-Defibrillator. Weniger ist mehr Zusammenfassung Einleitung.  In den letzten Dekaden hat die konsequente Weiterentwicklung von implantierbaren Kardioverter-Defibrillatoren (ICD) die Behandlung und Prognose von Patienten mit erhöhtem Risiko für den plötzlichen Herztod sowohl bei primär- wie auch sekundärprophylaktischer ICD-Indikation revolutioniert. Der subkutane Defibrillator (S-ICD®) ist ein vollwertiger implantierbarer Defibrillator mit in Studien und Registern nachgewiesener vergleichbarer Schockeffektivität und Sicherheit im Vergleich zu transvenösen Defibrillatoren. Methoden und Ergebnisse.  Durch die vollständig extrakardiale und -thorakale Positionierung der Elektrode können die meisten elektrodenassoziierten Komplikationen konventioneller intrakardial implantierter ICD-

Elektroden vermieden werden. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Patienten, bei denen eine transvenöse ICD-Implantation aus anatomischen Gegebenheiten oder nach Infektion nicht sinnvoll ist. Der S-ICD® ermittelt automatisch den besten Sensingvektor aus 3 vorhandenen Möglichkeiten. Die abgegebene maximale Schockenergie beträgt 80 J, ein Postshockpacing für 30 s mit 50 bpm ist integriert. Die Implantationstechnik ist abweichend von der transvenösen ICD-Implantation, aber von jedem interventionell tätigen Kardiologen problemlos zu erlernen. Initial aufgetretene Probleme wie inadäquate Schocks oder Infektionen konnten durch standardisierte OP-Technik, durchlaufene Lernkurve der Operateure sowie Modi-

fikation der Algorithmen weitgehend eliminiert werden. Schlussfolgerung.  Der S-ICD® ist in Erwägung zu ziehen bei allen Patienten mit Ausnahme von Patienten mit Stimulations- oder eindeutigem ATP-Bedarf, Indikation zur kardialen Resynchronisationstherapie, ventrikulären Tachykardien  88 % wurde damit signifikant übertroffen. Die Schockkonversionsrate von 119 spontanen VT/VF-Episoden betrug 98 % mit einem oder mehreren Schocks, arrhythmogene Todesfälle traten nicht auf, selbst bei den Patienten mit elektrischem Sturm [16]. Der antizipierte Sicherheitsendpunkt mit einem komplikationsfreien Verlauf nach 180 Tagen bei > 79 % der Patienten wurde ebenfalls mit 92 % eindeutig erreicht. Basierend auf diesen Daten erhielt der S-ICD® 2012 die FDA-Zulassung. Das EFFORTLESS-Register ist ein internationales „Standard of Care“-Register zur Evaluierung kurz-, mittel- und langfristiger prozeduraler und klinischer Parameter. Der Einschluss ist prospektiv oder retrospektiv, das Nachbeobachtungsintervall beträgt 5 Jahre. Ende 2014 wurde die angestrebte Einschlusszahl von 1000 Patienten erreicht. Das mittlere Alter betrug 49 ± 18 Jahre. Bei sehr breitem Indikationsspektrum reflektiert dieses Register Real-Life-Bedingungen. In einer Zwi-

Tab. 2  Indikationen für S-ICD® in Anlehnung nach Poole et al. [15] S-ICD® indiziert

S-ICD® favorisiert

Keine S-ICD® Indikation

Kein Gefäßzugang Hohes Risikoprofil (Dialyse, Pädiatrie, Vitien) Kanalerkrankungen (HCM, LQTS, SQTS, Brugada-Syndrom) Vorherige Device-Infektionen oder Elektrodendefekte Z. n. Endokarditis Junge Patienten Lebenserwartung > 10 Jahre Primärprophylaxe Kunstklappen Frauen Ausgewählte sekundärprophylaktische Patienten Patienten mit Linksschenkelblock und CRT-Indikation Patienten mit Bradykardie Patienten mit anhaltenden monomorphen VT (ATP)

HCM hypertrophe Kardiomyopathie, LQTS Long-QT-Syndrom, SQTS Short-QT-Syndrom, VT ventrikuläre Tachykardien.

schenanalyse von Lambiase et al. [9] bei 472 Patienten (241 prospektiv) und einem mittleren Nachbeobachtungsintervall von 558 Tagen lag die Schockeffektivität induzierter VT/VF-Episoden bei 99,7 % (393 Patienten) sowie die klinische Schockeffektivität spontaner Episoden mit einer oder mehreren Therapien bei nahezu 100 % (169 Episoden bei 95 Patienten), 94 % aller Patienten waren im Nachbeobachtungintervall von 360 Tagen ohne Komplikationen. Die Rate von inadäquaten Schocks (IAS) lag bei 7 %. Bei den aktuell publizierten gepoolten IDE/Effortless-Daten wurden 882 Patienten beider Studien über 651 ± 345 Tage nachverfolgt mit den Sicherheitsendpunkten Effektivität und Sicherheit [2]. 111 spontane VT/VF-Episoden bei 59 Patienten wurden zu 98,2 % mit einem oder mehreren Schocks effektiv beendet. Inadäquate Schocks traten zu 13 % auf, überwiegend bedingt durch die ersten IDEEinschlüsse in Zentren mit wenig Erfahrung. Sowohl die Gesamtrate an Komplikationen als auch die Anzahl der inadäquaten Schocks wurde während des Verlaufs der Nachbeobachtung und in Abhängigkeit der Lernkurve signifikant gesenkt. In der aktuell laufenden PRAETORIAN-Studie wird randomisiert multizentrisch bei 850 Patienten das Outcome der Patienten in direktem Vergleich von SICD® und TV-ICD evaluiert (ClinicalTrials.gov, Identifier: NCT01296022).

Komplikationen und inadäquate Schocks Bedingt durch die ausschließlich extrathorakale Lage treten typische Komplikationen transvenöser ICD wie Pneumothorax, Tamponade, Perforation etc. beim S-ICD® nicht auf. Infektionen wurden bei bis zu 4 % der Patienten beobachtet [2, 9], die meisten konnten konservativ behandelt werden, systemembolische Ereignisse wurden nicht nachgewiesen. IAS traten in den Registern und Studien bei 7–13 % der Patienten auf [2, 9], was vergleichbar ist mit transvenösen Systemen (. Abb. 4) [14]. Im Unterschied zu TV-ICD treten IAS beim S-ICD® überwiegend wegen TWellen-Oversensing (TWOS) auf, insbesondere unter Belastung. In der STARTStudie konnte bei 46 Patienten und 96 induzierten SVT- und VT-Episoden demonstriert werden, dass die Spezifität des S-ICD® zur Diskriminierung supraventrikulärer Tachykardien mit 98 % signifikant höher lag als bei TV-ICD (42– 70 %). Möglichkeiten zur Vermeidung TWOS-induzierter Schocks sind das präoperative Screening mit dem ScreeningTool, um zu verifizieren, dass sowohl RZacke wie T-Welle nicht außerhalb der Templategrenzen sind (. Abb. 5), korrekte Operationstechnik mit submuskulärer Aggregattasche und adäquater Elektrodenplatzierung, Programmierung beider Zonen („conditional zone, shock zone“; z. B. 220/250 bpm, relative Risikoreduk-

tion 54–74 %), systemimmanente Algorithmen (Reduktion der IAS durch ACWADD-Algorithmus um 31 %), Lernkurve (signifikante Reduktion aller Komplikationen und IAS nach den ersten 15 Implantationen/Zentrum; [12]) sowie eine Belastungsuntersuchung vor Entlassung um ggf. den Detektionsvektor manuell umzuprogrammieren und ein neues Template zu hinterlegen. Seltene Fälle von ineffektivem Schock begründen sich aus der Erfahrung meist aus zu anterior positionierten Aggregaten.

Patientenauswahl Aus den Daten der Register und Studien sowie aus eigener Erfahrung der Autoren lässt sich schließen, dass der S-ICD® kein Nischenprodukt ist, sondern aufgrund vergleichbarer oder sogar besserer Effektivität und Sicherheit gleichwertig zum TCICD einzuordnen ist. Prinzipiell sind alle Patienten mit einer ICD-Indikation geeignet mit Ausnahme von Patienten mit negativem Screening, VT

[The subcutaneous cardioverter-defibrillator: When less is more].

In the last few decades, defibrillator therapy has revolutionized treatment of patients at risk for sudden cardiac death. Multiple clinical trials hav...
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