Fallbericht

Die utero-vesikale Fistel – Literaturübersicht und Fallbeschreibung einer seltenen Inkontinenzursache The Uterovesical Fistula – Report of a Rare Cause of Incontinence and Review of the Literature

Autoren Institute

Schlüsselwörter ▶ extraurethrale ● Harninkontinenz ▶ postpartale Inkontinenz ● ▶ utero-vesikale Fistel ● Key words ▶ extraurethral incontinence ● ▶ post partum incontinence ● ▶ uterovesical fistula ●

A. Wiedemann1, 3, S. Karroum1, 3, J. Kociszewski2, G. Fabian2, I. Füsgen3 1

Urologische Abteilung, Evangelisches Krankenhaus Witten gGmbH, Kontinenz- und Beckenbodenzentrum Hagen-Witten Gynäkologische Abteilung, Evangelisches Krankenhaus Haspe gGmbH, Kontinenz- und Beckenbodenzentrum Hagen-Witten 3 Lehrstuhl für Geriatrie der Universität Witten/Herdecke 2

Zusammenfassung

Abstract





Die utero-vesikale Fistel ist eine seltene Ursache einer extraurethralen Harninkontinenz. Sie tritt klassischerweise nach sectio caesarea auf und bedarf zur Behandlung der Harninkontinenz, aber auch wegen des Erhalts der Fruchtbarkeit fast immer eines operativen Fistelverschlusses in einem interdisziplinären setting.

Uterovesical fistulas are a rare cause of urinary incontinence. They are most frequently caused by repeated Caesarean sections and generally have to be closed by a transperitoneal approach in an interdisciplinary setting not only to regain continence but also to prevent infertility.

Einleitung

hängige Harninkontinenz, die lageabhängig aufträte. Es wurden je nach körperlicher Aktivität ca. 3 Vorlagen am Tag benötigt. Eine auswärts durchgeführte Primärdiagnostik hatte zunächst weder bei der vaginalen Untersuchung, einem Stresstest oder einer Zystoskopie eine Harninkontinenz verifizieren können. Erst nach Persistenz der Beschwerden und erneuter Vorstellung war der Nachweis einer Fistelinkontinenz durch Blaufüllung der Blase und vaginales Einlegen eines Tupfers über mehrere Stunden gelungen. Die Zuweisung in unser Kontinenzzentrum erfolgte nun unter dem Verdacht auf eine okkulte vesicovaginale Fistel. Bei der vaginalen Einstellung ließen sich keine fisteltypischen Veränderungen wie „Granulationen“ oder „Nekrosen“ darstellen; jedoch zeigte die Zystoskopie an der Blasenhinterwand eine Schleimhautaufwerfung und eine Einziehung die als suspekt auf das Vorliegen eines Fisteleinganges gewertet wurde. Eine Sondierung war jedoch ▶ Abb. 1, 2). nicht möglich (● Hysteroskopisch fand sich eine narbige Einziehung im Isthmus. Bei der Introitussonographie ließ sich ebenfalls im isthmischen Teil des Uterus ▶ Abb. 3), sodass sich eine Dehiszenz darstellen (● der Verdacht auf eine utero-vesikale Fistel verdichtete. Der bildmorphologische Nachweis der Fistel gelang schlussendlich durch eine Zystografie, die einen Kontrastmittelübertritt in die Gebärmut▶ Abb. 4). terhöhle zeigte (●



Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0033-1353163 Akt Urol 2014; 45: 48–49 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0001-7868 Korrespondenzadresse PD Dr. Andreas Wiedemann Urologische Abteilung Evangelisches Krankenhaus im Diakoniewerk Ruhr Lehrstuhl für Geriatrie der Universität Witten Pferdebachstraße 27–43 58455 Witten Tel.: + 49/2302/175 2521 Fax: + 49/2302/175 2075 [email protected]

Eine utero-vesikale Fistel tritt fast immer nach Kaiserschnittentbindung auf [1]. Die Literatur weist lt. medline unter dem Stichwort „utero-vesical fistula“ insgesamt 35 Publikationen auf, wovon 20 aus den letzten 25 Jahren stammen. Die Erstbeschreibung findet sich aus dem Jahre 1949 [2]. Zusammen 37 Kasuistiken beschreiben das typische klinische Erscheinungsbild einer Harninkontinenz nach Kaiserschnittentbindung [1–5]. In den wenigen größeren Serien betrafen etwa die Hälfte der utero-vesikale Fisteln Not-sectiones; 58 % der Fälle traten – geschuldet den entstandenen Verwachsungen nach Re-sectio auf [1]. Seltene Ursachen für nicht-iatrogene post-sectio-Fisteln dieser Art können angeborene Anomalien wie ein uterus bicornatus mit cervicovaginaler Atresie [6, 7] oder die Migration von Intrauterin-Pessaren sein [8]. Neben der typischen Symptomatik einer nach Kaiserschnittentbindung auftretenden Harninkontinenz kann eine utero-vesikale Fistel als postpartale Makrohämaturie oder „Pseudo-Endometriose“ imponieren [9, 10]. Wir beschreiben einen in unserem Kontinenzzentrum interdisziplinär behandelten Fall einer utero-vesikale Fistel nach Re-sectio.

Fallbeschreibung

▼ Eine 21-jährige Patientin berichtete 4 Monate nach Re-sectio über eine inkonstante, miktionsunab-

Wiedemann A et al. Die utero-vesikale Fistel … Akt Urol 2014; 45: 48–49

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Abb. 1 und 2 Zystoskopischer Blick auf die Blasenhinterwand: „Falte“ und gangsuspekte „Einziehung“ zystoskopischer Blick auf die Blasenhinterwand.

Dauerkatheterableitung schloss ein erneutes Zystogramm eine Konstrastmittelextravasation aus; nach Katheterentfernung war die Patientin kontinent.

Diskussion

Abb. 3 Dehiszenz im isthmischen Teil des Uterus.

Obwohl eine post-sectio-caesarea-Inkontinenz nach Ausschluss der häufigeren vesicovaginalen oder uretero-vaginalen Fistel eine uterovesikale Fistel wahrscheinlich macht, ist diese Entität ein eher seltenes Geschehen und wegen der weniger zugänglichen Fistelöffnung schwerer zu diagnostizieren. Sie sollte besonders bei jüngeren Frauen mit Kaiserschnitt in der Vorgeschichte und wie in unserem Fall inkonstantem Urinverslust, der in kein „Schema“ einzuordnen ist, mit in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezogen werden. Gleiches gilt für unklare, u. U. menstruationsabhängige Hämaturien bei Frauen ähnlicher Vorgeschichte. Ein interdisziplinärer Ansatz innerhalb eines Kontinenzzentrums mit der Heranziehung aller diagnostischen Möglichkeiten ist daher sinnvoll. Ein suffizienter Fistelverschluss ist nicht nur wegen der resultierenden Inkontinenz obligat, sondern auch im Hinblick auf den Verschluss der Gebärmutterhöhle bei noch vorhandenem Kinderwunsch. Zur Frage des Rezidiv-Risikos einer neuen utero-vesikalen Fistel bei erneuter Schwangerschaft existieren keine Literaturdaten; dennoch ist von einem erhöhten Risiko im Sinne der mechanischen Belastung eines „locus minoris resistentiae“ auszugehen. Eine intensive Beratung bei noch vorhandenem Kinderwunsch ist daher nötig.

Interessenkonflikt: Nein Literatur

Abb. 4 Zystogramm in Links-Seitenlage: Kontrastmittelübertritt von der Blasenhinterwand in einen glatt begrenzten, länglichen, nach kaudal zeigenden Hohlraum (Gebärmutterhöhle).

Nach Ausschluss einer zusätzlichen Läsion des oberen Harntraktes per Ausscheidungsurogramm erfolgte der Entschluss zur operativen Revision: Nach Exstirpation der alten Sectio-Narbe wurde sowohl die blasenseitige Fistelöffnung exzidiert und zweischichtig übernäht, als auch die Öffnung der Uterushöhle angefrischt und vernäht. Es erfolgte nach Interposition eines Peritoneal-flaps die Drainage der Peritoneal-Höhle und des Cervicalkanals durch eine Blake-Drainage bzw. eine in die Cervix eingelegte intravaginal endende Drainage. Nach 10-tägiger

1 Rao MP, Dwivedi US, Datta B et al. Post caesarean vesicouterine fistulae – Youssef syndrome: our experience and review of published work. ANZ J Surg 2006; 76: 243–245 2 Burkland CE. Uterovesical fistula. J Urol 1949; 61: 418–423 3 Karalti MO, Tinar S, Ozturk NT et al. A case with vesicouterine fistula: mini review. Arch Gynecol Obstet 2012; 285: 667–670 4 Singh O, Gupta SS, Mathur RK. Urogenital fistulas in women: 5-year experience at a single center. Urol J 2010; 7: 35–39 5 Zieba Z, Kaczmarek J. Endometriosis of the bladder and vesico-uterine fistula as complications of cesarean section. Ginekol Pol 1989; 60: 297–299 6 Kumar S, Singh SK, Mavuduru R et al. Bicornuate uterine horns with complete cervical-vaginal agenesis and congenital vesicouterine fistula. Int Urogynecol J Pelvic Floor Dysfunct 2008; 19: 739–741 7 Williams MP, Busaidy S, Rickwood AM. Congenital uterovesical fistula in a patient with the VATER syndrome. Br J Urol 1988; 61: 361–362 8 Nwofor AM, Ikechebelu JI. Uterovesical fistula and bladder stones following bladder penetration by a perforating intrauterine contraceptive device. J Obstet Gynaecol 2003; 23: 683–684 9 Basheer T, Lee D, Davis W et al. A rare cause of early post-partum haematuria secondary to uterovesical fistula. N Z Med J 2008; 121: 82–85 10 Dodero D, Corticelli A, Caporale E et al. Endometriosis arises from implant of endometriotic cells outside the uterus: a report of active vesicouterine centrifugal fistula. Clin Exp Obstet Gynecol 2001; 28: 97–99

Wiedemann A et al. Die utero-vesikale Fistel … Akt Urol 2014; 45: 48–49

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[The uterovesical fistula - report of a rare cause of incontinence and review of the literature].

Uterovesical fistulas are a rare cause of urinary incontinence. They are most frequently caused by repeated Caesarean sections and generally have to b...
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