2252

Kunz u. a.: Blasenpunktion zum sicheren Baktcriurie.Nachweio

Deutsche Medizinische Wochenschriui

Dtsch. med. Wschr. 100 (1975), 2252-2254 © Georg Thieme Verlag. Stuttgart

Nachweis einer Bakteriurie Vergleichende Untersuchungen von Blasenpunktions-, Katheter- und Mitteistrahlurin

H. H. Kunz, H. G. Sieberth, J. Freiberg, G. Pulverer und F. J. Schneider Hygiene-Institut dee Universität Köln (Direktor: Prof. Dr. G. Pulveret), Medizinische Universitätsklinik Köln (Direktor: Prof. Dr. R. Gross) und St. Franz:skus-Hospital Köln (Chefarzt: Prof. Dr. H, Moers)

In einer direkten Vergleichsreihe wurden die Befunde von 500 simultan entnommenen Blasenpunktions- und Mitteistrahi-Urinproben sowie in einer indirekten Vergleichsreihe von je 1000 Blasenpunktions-, Mittelstrahl- und Katheter-Urinproben verschiedener Patienten bakteriologisch und zum Teil mikroskopisch miteinander verglichen. Im Sediment und Stansfeld-Count bestanden zwischen Blasenpunktions- und MittelstrahlUrin keine wesentlichen Unterschiede. In 20°/o der Mittelstrahl-Urinproben von Frauen wurde Eiweiß qualitativ falsch-positiv nachgewiesen. Die Kasssche Zahl für eine signifikante Bakteriurie im .Mittelstrahlurin war in 3,40/o der Befunde im Vergleich zu sterilem Blasenpunktionsurin falsch-positiv, für eine fragliche Bakteriurie in 7,6°/o der Fälle. Im Blasenpunktionsurin wiesen 4l,3°/o der positiven Befunde Keimzahlen unter 105/ml und 26,7°/o sogar unter 104/ml auf. Mitteistrahi-Urinproben mit Keimzahlen unter 104/ml werden aber meist, zum Teil sicher fälschlich, als kontaminiert betrachtet. Zwei Drittel aller Mittelstrahl- und KatheterUrinproben müßten als kontaminiert angesehen werden. »Mischinfektionen« wurden im Katheterurin 7,8mal und im Mittelstrahlurin 11,4- bis 11,8mal häufiger als im Blasenpunktionsurin nachgewiesen. Jeder Keimnachweis im Blasenpunktionsurin ist als pathologisch zu werten. Eine chemotherapeutische Behandlung ist nur nach den Ergebnissen einer Blasenpunktionsurin-Untersuchung angezeigt. Wegen der großen Bedeutung des bakteriologischen Urinbefundes sowohl für die Diagnostik als auch für die Therapie aller Harnwegsinfekte sollen die Entnahmebedingungen erneut kritisch verglichen werden. Ein zuverlässiger bakteriologischer Befund ist nur zu erheben, wenn die Urinprobe nicht sekundär infiziert wird (Entnahmefehler) und sich der Keimgehalt nicht zwischen Entnahme und Anlage der Kultur im Laboratorium verändert (Transportfehler). Da der natürlich gelassene Urin durch die mit Schleimhautepiphyten besiedelte Harnröhre entleert wird, die in ihrem letzten Abschnitt oft auch noch mit Keimen der Stuhlflora infiziert ist, ist er trotz Säuberung der Vulva oder Glans penis oft kontaminiert (6, 14, 15, 18, 40, 49, 50, 53, 59, 65, 74). Wegen der nicht sichçr zu vermeidenden Kontamination des Mittelstrahlurins wird nach Kass

The value of suprapubic bladder aspiration in the diagnosis of bacteriuria Urine obtained simultaneously by midstream voiding and suprapubic bladder aspiration from 500 patients were compared by bacteriological and, in some, microscopic examination. In a second series a similar examination was undertaken on 1 000 samples each, obtained by midstream voiding, catheterisation or suprapuhic bladder aspiration from different patients. There was no significant difference in sediments or Stansfeld count between midstream and aspirated samples. Qualitative false-positive results for protein were obtained in 20°/o of midstream samples from women. The Kass count for significant bacteriuria was falsepositive in 34°/o of midstream compared with bladder-aspiration samples, in 7.6°/o for 'questionable hacteriuriar. Positive counts of under 10/ml were obtained in 413°/o of under 10/ml in 26.7°/o of aspirated samples. Counts under 104/ml in midstream-voided samples are usually considered the result of contamination, at times falsely so. «Mixed infections» were 7.8 times more common in catheter and 11.4 to 11.8 times more common in midstream than in aspirated samples. The presence of microorganisms in suprapubic bladder aspiration is always abnormal. Chemotherapy is indicated oniy on results from bladder aspiration.

und anderen Autoren (31-35, 41, 45) eine klinische Bedeutung erst bei Keimzahlen ab 104/ml (Verdachtsbereich) bzw. 105/ml, zum Teil nach einigen anderen schon ab 104/ml oder gar darunter bei Katheterurin bzw. Blasenpunktionsurin (6, 9, 13, 24, 36, 50) gesehen. Kass (33) hat dabei eine zusätzliche Bestätigung dieser Werte durch eine zweite Untersuchung gefordert. Eine chronische Pyelonephritis kann aber auch mit geringeren Keirnausscheidungen, ja selbst zeitweilig ohne sie einhergehen. Eine sichere Bestimmung der Keimzahl und -arten ist nur durch Ausschaltung des Entnahme- und Transportfehlers möglich. Zur Differenzierung der Fehlermöglichkeiten haben wir die heute gängigen Entnahmemethoden für die Urindiagnostik miteinander verglichen. Folgende Untersuchurigen wurden dabei durchgeführt:

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Zur Bedeutung der Blasenpunktion für den sicheren

und durch nicht bakteriologische Methoden weitgehend gesicherten Pyelonephritiden wurden am gleichen Kranken aus der gleichen Blasenfüllung Keimzahl und -art bestimmt. 2. Simultan entnommene Blasenpunktions- und Mittelstrahl-Urinproben von 500 zur nephrologischen Untersuchung eingewiesenen Kranken wurden auf mögliche Differenzen hin untersucht (direkte Vergleichsreihe) in Hinsicht auf Keimart und Keimzahl, in Hinsicht auf Sediment und Stansfeld-Count, in Hinsicht auf Proteinurie. 3. Jeweils 1000 voneinander unabhängig eingesandte Blasenpunktions-, Mittelstrahl- und Katheter-Urinproben wurden auf Erreger untersucht und miteinander 1. Bei 37 klinisch

verglichen (indirekte Vergleichsreihe).

Methodik Die Blasenpunktion wurde nach Desinfektion der Haut etwa 1 cm oberhalb der Symphyse in der Medianlinie durchgeführt (35, 71). Sie erfolgte bei voller Blase mit einer 1er Einmalkanüle, die auf eine 20-ml-Einmalspritze aufgesetzt wurde. Nur bei starker Fettschürze waren 1er Lumbalpunktionskanülen erforderlich. Zur Gewinnung des Mitteistrahiurins wurden die Kranken über die Reinigung der Vulva bzw. Glans penis und die Technik der Urinentleerung informiert. Die Reinigung erfolgte mechanisch mit Wasser. Die erste Urinportion wurde stets verworfen.

Tab.

1.

2.2.53

Kunz u. a.: Blasenpunktion zum sicheren Bakteriurie.Nachweis

100. Jg.

Der Transport der etwa 10 ml enrhaltenden Glasröhrchen erfolgte in Isolier-(Thermos-)Gefäßen, die etwa 5 cm hoch mir Ammonium-

nitrat (technisch, gekörnt) gefüllt waren. Vor dem Transport wurde dem Salz zur Kühlung der Proben etwas Wasser zugesetzt. Die Temperatur des Urins kann so mindestens 4 Stunden unter 4 °C gehalten werden. Die Zeitspanne zwischen Entnahme und Anlage der Proben im Laboratorium lag innerhalb dieser Zeitspanne. Beimpft wurden stets /a Blutagar- und i/ Endoagar-Plarte sowie ein Glucosebouillon-Gärröhrchen. Die Keimzahlbestimmung erfolgte mit dem Kochschen Platrengußverfahren. Später, nachdem geprüft war, daß beide Verfahren gleiche Ergebnisse brachten, wurden Eintauchobjektträger ('dip-slide, Oxoid) verwendet. 10m! Urin wurden bei 3000 g 10 min zentrifugierr, der Urin wurde dekantiert und das Sediment mir dem dem Glas noch anhaftenden Urin aufgeschwemmt. Ein Tropfen dieses Sedimentes wurde auf einem Ohjektträger tinter einem Deckgläschen hei 400facher Vergrößerung beurteilt. Für den Stansfeld-Counr wurde frisch gelassener Urin in eine Bürker-Zählkammer eingefüllt und die Erythrozyten- und Leukozytenzahl pro Mikroliter ermittelt. Hierbei wurden sowohl fur Erythrozyten als auch für Leukozyten fünf Gruppen unterschieden: 0-4, 5-9, 10-19, 20-49, 50 und mehr Zellen/t1. Die Unterteilung im Sediment erfolgte ebenfalls in fünf Gruppen: 0-9, 10-19, 20-39, 40-59, 60 und mehr Zellen pro Gesichtsfeld. Sediment und Stansfeld-Count des Blasenpunktionsurins wurden mit dem 24 Stunden vor der Punktion und unmittelbar danach gewonnenen Mitteistrahlurin verglichen. Der Proteinnachweis erfolgte mit einem Albustix® Streifen. Fur die erste, direkte Vergleichsreihe wurden 500 simultan vom gleichen Patienten entnommene B!asenpunktions- und MittelstrahlUrinproben einander gegenübergestellt. In der zweiten, indirekten

Direkte Vergleichsreihe von 500 simultan entnommenen Blasenpunktions- und Mirteistrahl-Urinproben Blasen punktionsurin n

Mi ttelstrahlurin n

O/o

¿9

E

steril

86

302

388

88

Epiphyten

-

3

3

E. cou

6

60

Klebsiellea

-

6

Proteus

2

Pseudomonas

-

1

776

-

0,7

66

6

15,0

6

-

1,5

1,2

2

4

2

0,5

0,8

3

3

0,7

2

2

3

75

o/O

E

63

120

183

64

29,9

36,6

0,6

13

79

92

13

19,7

18,4

13,2

6

79

85

6

19,7

17,0

-

9

9

-

2,2

1,8

S

7

12

5

1,7

2,4

0,6

1

6

7

1

1,5

1,4

0,5

0,4

-

2

2

-

0,5

0,4

2,5

2,6

6

24

30

6

6,0

6,0

1

4

5

1

1,0

1,0

= 78,2

=

55,0

>Monoinfektiono

andere gramnegative Stäbchen

Enterokokken

3

10

13

Staphylokokken

-

-

-

Streptokokken

-

2

2

Candida

-

-

4

=

16,2

- -

-

- 0,5 - -

0,4

-

7

7

-

1,7

1,4

-

-

1

1

-

0,2

0,2

0,8

2

46

48

2

11,4

9,6

-

10

10

2,0

1

1

-

2,5

-

0,2

0,2

1

7

8

1

1,7

1,6

98

402

500

= 30

= 23,0

8,6

»Mischinfektionn 2

Keimarten

-

4

3

Keimarten

1

Keimarten

-

1

4

-

-

1

7

8

98

402

500

»unklar»

- 1,0 - 0,2 - 1

1,7

0,2

=

1,0

1,6

=

1,6

=

11,8

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Nr. 44, 31. Oktober 1975,

2.2.54

Kunz u. a. Blasenpunktion zum sicheren Bakteriurie-Nachweis

Deutsche Medizinische Wochenschriít

Tab. 2. Kongruenz und Abweichung in der Zellzahl des durch Mittelstrahi und Blasenpunktion gewonnenen Urins Stansfeld-Count Erythrozyten Leukozyten

Sediment

Erythrozyten

Leukozyten

Mitteistrahlurin vor Blasenpunktionsurin: 79

97°/o

76

93°/o

79

97°/o

79

97°/o

2

3°/o

5

70/e

2

3°/o

2

3°/o

nicht identisch

mehr im Blasenpunktat mehr im Mittelstrahlurin

O

O

O

O

2

3°/o

5

7°/o

2

3°/o

2

3°/o

81

100°/o

81

100°/s

81

100°/o

81

100°/o

187

850/o

205

93°/o

186

85°/o

200

91°/o

33

15°/o

15

7°/o

34

15°/o

20

9°/o

3

2°/s

O

30

13°/o

15

7°/o

34

15°/o

20

9°/o

220

100°/o

220

100°/o

220

100°/o

220

100°/o

Mittelsirahlurin nach Blasenpunktionsurin: identisch nicht identisch

mehr im Blasenpunktat mehr im Mittelstrahlurin

Vergleichsreihe wurden 1000 Blasenpunktions- mit 1000 Katheterund 1000 Mitteistrahl-Urinproben verglichen, die am gleichen Tage mit dem Blasenpunktat eingingen. Die hier einem Blasenpunktat jeweils zugeordneten beiden Proben stammten von einem Kranken gleichen Geschlechts. Der Blasenpunktionsurin kam zu 95°/o aus zwei Kliniken, während Mitteistrahi- und Katheter-Urin aus dem täglichen Eingang unselektioniert zugeteilt wurden. Die Untersuchungen erfolgten in den Jahren 1970 bis 1974.

Ergebnisse Bei 37 klinisch durch Anamnese, Beschwerden, Sedi-

mentbefunde, intravenöses Pyelogramm, Blutsenkungsreaktion und andere Ergebnisse weitgehend unabhängig Mittel strahltj rin Ke im e/m I

10

Signifikanz bereich

O

O

vorn bakteriologischen Befund gesicherten Pyelonephritiden (31 Frauen und 6 Männer im Alter von 17-64 Jahren) wurden die Keimzahlen im Blasenpunktionsund Mitteistrahi-Urin verglichen. Kranke, bei denen die Bakteriurie für die Diagnose der Pyelonephritis von ausschlaggebender Bedeutung war, wurden hier nicht erfaßt. In sechs Fällen waren die Keimzahlen im Mittelstrahlurin um den Faktor S bis 10 höher als im Blasenpunktat. Wie aus Abbildung 1 ersichtlich, lagen in mehr als einem Drittel der Fälle die Keimzahlen bei gesicherter Pyelonephritis nach Kass nur im fraglich pathologischen Bereich oder darunter. Im Blasenpunktat von sieben Kranken mit Pyelonephritis wurden Keimzahlen unter 104/ml festgestellt, fünf Urinproben waren sogar steril. Ein Teil der Kranken war früher ein- oder mehrmals mit Antibiotika behandelt worden.

-

-

Tab. 3. Korrelation zwischen Leukozytenzahl im Stansfeld-Count und Sediment und Keimzahl

106

Stansfeld-Count

lo

Z7/7//277777/,7

r

Fraglicher

Blasenpunktat

19

Mittelstrahlurin

27

lo

1

3

lo 101

0

10'

102

10

io

io5

106

io

B losenp un k tot

Keime/mi Abb. 1. Keimzahl im Mitteistrahl- und Blasenpunktionsurin bei 37 allein klinisch gesicherten Pyelonephritiden.

Sediment n

n

= 0,4605

P

[The value of suprapubic bladder aspiration in the diagnosis of bacteriuria (author's transl)].

Urine obtained simultaneously by midstream voiding and supra-public bladder aspiration from 500 patients were compared by bacteriological and, in some...
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