Experimentelle und theoretische Studien 393

Theoretische und praktische Sehqualität mit diffraktiv-multifokalen Linsen W. Niederer

Zusammenfassung

Die Frage, ob die Unterscheidbarkeit von Objektpunkten, die in verschiedenen Gegenstandswei-

ten dargeboten werden, mit multifokalen Kontaktoder Intraokularlinsen im Sinne einer Sehqua1ittsverminderung herabgesetzt sei, wurde theoretisch und experimentell untersucht. Die Ergebnisse zeigten, daB diese Art der Sehqualitatsverminderung zwar moglich ist,

bei der Beurteilung der Brauchbarkeit multifokaler Linsen aber wohi nicht die entscheidende Rolle spielt. Theoretical and Practice Vision Quality with Diffractive-Multifocal Lenses

I investigated the discrimination of objects with diffractive bifocal contactlenses, when objects in different distances are presented simultaneously. Computer assisted considerations suggested an impairment of discrimination as compared to monofocal correction for far as well as for near. The theoretical loss of image information has been shown to occur also in a visual test with steric arrangement of object points. However, the experiments suggested, that this

kinds of visual quality impairment does not play a dominant role in the qualification of diffractive bifocals, since a rather sophisticated procedure was needed to demonstrate the expected effect.

EinJeitung

Die Kontrastverminderung ist em Phanomen, das in Bezug auf eine einzige Gegenstandsweite untersucht wird. Die von W. N. Charman und G. Walsh für Bifokallinsen computersimulierten, theoretischen Netzhautbilder betreffen ebenfalls jeweils nur eine einzige Gegenstandsweite. Ich fragte mich nun aber, ob mit Bifokallinsen nicht em Bildinformationsverlust auftreten kann, der nur in Erscheinung tritt, wenn Objektpunkte gleichzeitig in verschiedenen Gegenstandsweiten dargeboten werden. Könnte nicht beim Tragen von Bifokallinsen - z.B. beim Autofahren der Fliegendreck auf der \Vindschutzscheibe stdren, oder beim Einfädeln das Tapetenmuster, usw.? Zunachst interessierte mich, ob sich theoretisch Situationen finden lassen, in denen sowohl mit einer monofokalen Fernkorrektur als auch mit einer monofokalen Nahkorrektur Objektdiskriminierung moglich ist, nicht aber mit einer bifokalen Linse. Dann versuchte ich, theoretisch mogliche Bildinformationsverluste auch praktisch nachzuweisen.

Methode

Fin PC wurde so programmiert, daB er die Leuchtdichte in 100 Netzhautpunkten berechnet, die in einer Schnittebene durch die optische Achse liegen; das Programm er-

laubt, Objektpunkte beliebig auf dieser Schnittebene anzuordnen; auBerdem 1st die LeuchtintensitAt jedes Bildpunktes frei wghlbar. Die Leuchtintensität 1(i), die em einzelner Bildpunkt P(i) zu einem Retinapunkt R beitragt, ist abhangig vom Quadrat der Entfernung P(i)R, vom Winkel zwischen der Geraden P(i)R und der Netzhaut, sowie von der Austrittspupille. (Beugungserscheinungen am Pupillenrand und NetzhautkrUmmung wurden vernachlässigt.) Die definitive Leuchtdichte im Netzhautpunkt R

Seit einigen Jahren sind diffraktive Multifokalkontaktlinsen auf dem Markt. Ich ziehe es vor, im ergibt sich dann aus der Summe 1(i). Das verwendete Profolgenden den Ausdruck ,,Bifokallinse" zu verwenden, gramm untersucht die Netzhautbiider für diffraktive lntraokuweil nur das Beugungsbild 1. Ordnung praktisch eine Rol- larlinsen, bei weichen die natUrliche Pupille annAhernd als Ausle spielt. Mit der diffraktiven Bifokallinse tritt, wie mit trittspupille betrachtet werden darf; em prinzipieller Unterschied anderen simultan-bifokalen Systemen, eine Verminderung zu den Netzhautbildern mit Kontaktlinsen ergibt sich dadurch der Kontrastempfindlichkeit auf (B. D. Saunders, Churms aber nicht (Genaueres zum verwendeten Programm vgl. W. Nieet al.). Diese ist zu erwarten, well die Bildpunkthelligkeit derer).

nur rund 40% von derjenigen mit Monofokallinse er-

reicht, wahrend die Gesamtbildhelligkeit (Hintergrundshelligkeit) unverändert bleibt (im Gegensatz zum Beispiel zur Helligkeitsmodulation durch absorbierende Gthser oder Pupillenverengung, wo auf Grund des Weber-Fechnerschen Gesetzes die Kontrastempfindlichkeit in weiten Grenzen nur wenig beeinflul3t wird). Kim. Mbl. Augenheilk. 198 (1991) 393—395

1991 F. Enke Verlag Stuttgart

Die reale Prufung der Bildmodulation betreffend simultan prasentierter Objekte verschiedener Gegenstandsweite wurde mit der Aufstellung gemaI3 Abbildung 1 durchgefUhrt: Dem Probanden werden zwei beweglich auf Schienen (S) montierte Fliegengitter G1 und G2 (10 Linien/cm, Linienbreite Ca. 0,2 mm) vorgesetzt, does z. B. in 70cm und eines in 100cm Entfernung vom Auge (die Resultate beziehen sich auf diese Objektdistanzen), wobei das nähere uber das spiegeinde Planglas Sp gesehen wird. Die Linien des einen Gitters sind vertikal-horizontal, die des anderen diagonal montiert. Die Gittermuster besitzen

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Regionaispital Biel

394 KIm. Mb!. A ugenheilk. 198 (1991)

W. Niederer Abb. 1 B TRI MI4BIIR.E

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einen zentralen Markierpunkt zur Zentrierung des Systems und werden mit variabler lntensitgt durch die Flachen A und B von ihrer Ruckseite her beleuchtet. Es wird nun entweder das nahere oder das entferntere Muster durch eine lichtstreuende, auf eine Glasscheibe montierte Folie F1 in der rechten oder linken Halfte geloscht (wobei auf der Gegenseite jeweils eine gleiche Folie F2 hinter dem Muster angebracht wird, damit kein Helligkeitsunter-

Mit der Echelonlinse (und Fernkorrektur —1 dpt) betrug der Fernvisus 0,91±0,08 und der Birkhäuser-Nahvisus 0,52±0,09. Zum Vergleich wurde bei 7 Probanden der Nahvisus ohne Echelonlinse mit Fernkorrektur bzw. mit einer Addition von + 2,0 dpt bestimmt; er betrug 0,20±0,08 bzw. 0,73±0,08.

schied auftritt). Der Proband wird lediglich gefragt (Ja oder Nein), ob er irgendeinen Musterunterschied zwischen rechter und linker Bildhalfte bemerkt. Das fernere Muster (FM) bzw. das nähere Muster (NM) gilt als erkannt, wenn seine Verneblung (d. h. em Musterunterschied zwischen rechter und linker Bildhalfte) er-

kannt wird. Die Prufung erfolgte erstens mit Fernkorrektur, zweitens mit Nahaddition -- 2 dpt und drittens mit einer EchelonKontaktlinse (+ 1,0/ + 3,0 dpt) von Allergan plus Fernkorrektur minus 1,0 dpt zur Kompensation der Echelonlinse. Die Beleuchtung wurde so getrimmt, daB der Proband (bei Präsentation beider Muster) mit der Fernkorrektur nur das FM, mit der Nahkorrektur nur das NM erkannte. Nur trimmbare Probanden wurden mit der Echelonlinse getestet. Alle Probanden hatten einen Fernvisus mit Korrektur von 1,0 und waren pseudophak, so dat) sicher akkommodationsfreie Augen gepruft wurden.

Ergebnisse Simulation mit dem Rechner

Abbildung 2 zeigt eine PC-Grafik mit 5 Objektpunkten; mit der Nahkorrektur sind die drei naheren Punkte leicht diskriminierbar, mit der Fernkorrektur die ferneren; mit der bifokalen Linse entsteht kein interpretierbares Bud mehr. Experimen teller Nachweis des Bildinformationsverlustes

Diskussion

Es ware falsch, aus dem Dargelegten zu schliellen, die diffraktive bifokale Lirise sei em untaugliches Instrument, die Akkommodation zu substituieren. Im Gegenteil haben sowohi die theoretischen als auch die praktischen Versuche gezeigt, dalI man recht ausgeklugelt vorgehen mull, um das erwartete Bildinformationsdefizit nachzuweisen. Dies deutet darauf hin, daB die Verschlechterung der Objektdiskriminierung bei unterschiedlichen Gegenstandsweiten in der Praxis wohl keine grolle Rolle spielt. Man darf jedoch nicht vergessen, dalI es mit diffraktiven Bifokallinsen mehrere andere Arten der Sehqualitatsverminderung gibt: die schon erwähnte Kontrastverminderung, die betrachtliche chromatische Aberration bei diffraktiver Fokussierung, die technische Schwierigkeit bei der Herstellung genauer Phasenstufen und Dezentrierungsprobleme. Bei pragmatischer Beurteilung diffraktivbifokaler Linsen findet man, dalI mit ihnen der Fernvisus von 1,0 auf etwa 0,9 vermindert wird (was manche Personen kaum stort), und dat) bei volligem Fehien von Akkommodation em Nahvisus erreicht wird, der Zeitunglesen knapp ermoglicht. Vermutlich wUrde sich bei vollstandigem Akkommodationsverlust eine diffraktive Nahaddition von + 2,5 bis +3 dpt besser bewähren. Wie bei ande-

ren Akkommodationssubstitutionen wird auch hier die Akzeptanz individuell sehr unterschiedlich sein. Der exBei 4 von 22 Probanden war die Beleuch- klusive Vorteil der diffraktiv-bifokalen Linse gegentiber tungs-Trimmung nicht moglich. Von den 18 trimmbaren alien andern Akkommodationssubstitutionen, namlich: Probanden erkannten mit der Echelonlinse 17 bei ge- brauchbarer Nahvisus in alien Blickrichtungen, wird wohi trimmter Beleuchtung sowohi NM als auch FM, wenn ich

diese einzeln darbot; wurden die Muster aber simultan prasentiert, so erkannte kein einziger Proband mit Echelonlinse das FM, und nur 2 Probanden erkannten das NM; 16 von 18 Probanden sahen also bei Simultanprasentation mit der Echelonlinse weder das FM noch das NM,

während alle (per definitionem der ,,Trimmung") ohne Echelonlinse bei Simultanprasentation mit der Nahkorrektur nur das NM und mit Fernkorrektur nur das FM erkanuten.

selten stark ins Gewicht fallen.

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Theoretische und praktische Sehqualitat mit diffraktiv-multifokalen Linsen

K/in. Mbl. A ugenheilk. 198 (1991) 395

Literatur Charman, W. N., G. Walsh. Retinal Image Quality with Different Designs of Bifocal Contact Lens. Transactions BCLA Conference (1986)

Nahtei 1

13—19

Tnt.

339 —.6? 1

contact lense. Optometry Today 27:22 (1987) 721—724 Niederer, W.: Augenoptik - mit PC und Probierglaserkasten. Enke, 1991 (in Vorbereitung)

800 —.3

Saunders, B. D.: The Optical Performance of Bifocal Contact Lenses ,in

1 330 0 330 .6? 1

Pupille 4.4

Churms, P. W., M. II. Freeman, J. Melling, J. S(one, P. J. C. Walker: The development and clinical performance of a new diffractive bifocal

800 .3

1.? 1.?

vivo'. Trans. BCLA (1989) 7 1—74

Dr. med. W. Niederer Regionalspital Biel Im Vogelsang 84 2502 Biel

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Abb. 2 Cornputergrahken der relativen Leuchtdichte als Funktion des Netahautortes nach Implantation einer emmetropisierenden 20-dpt-IOL mit diffraktivem Nahzusatz von 4 dpt unter Annahme dealer refraktiver und dtffraktver Fokussierung. Hornhautbrechkraft 45 dpt, Vorderkammertiefe 4 mm, S 1 = Gegenstandsweite, W = Winkel zwiscben optischer Achse und Hauptstrabl zum Objektpunkt, mt. = Leuchtintensitdt des Bildpunktes (vor bzw. hinter der Netzhaut)

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[Theoretical and practical vision quality with diffractive-multifocal lenses].

I investigated the discrimination of objects with diffractive bifocal contactlenses, when objects in different distances are presented simultaneously...
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