Windeck, Litrmann Therapie des primären Hyperparathyreoidismus

Aktuelle Therapie

Deutsche Medizinische Wochenschrift

Redaktion: Prof. Dr. H. Hombostel, Hamburg Prof. Dr. W. Kaufmann, Köln Prof. Dr. W. Slegenthaler, Zürich

Dtsch. med. Wschr. 104 (1979), 1126-1127 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Die Therapie des primären Hyperparathyreoidismus

Erhalt des Organs. Liegt ein Ulcus pepticum duodeni oder ein Zollinger-Ellison-Syndrom im Rahmen einer multip-

len endokrinen Adenomatose vor, so nehmen nach erfolgreicher operativer Behandlung des Hyperparathyreoldis-

R. Windeck und K. Littmann

mus die Ulkussymptome ab, der Ga-

Abteilung für klinische Endokrinologie (Direktor: Prof. Dr. D. Reinwein) der Medizinischen Klinik und Abteilung für Allgemeine Chirurgie (Direktor: Prof. Dr. F. W. Elgier) der Chirurgischen Klinik des Universitätsklinikums (Gesamthochschule) Essen

strinsplegel sinkt, und H2-Blocker (Clmetidin) reichen zur Ulkustherapie aus(1).

Die definitive Behandlung des primären Hyperparathyreoldismus ist operativ.

Operative Behandlung

Nur bei asymptomatischem primärem Hyperparathyreoldismus, der meist zufällig entdeckt wird und oft milde verläuft (6), versuchen wir eine konservative Therapie mit calciumarmer Diät und Thiazldpräparaten. Dagegen wird bei einer hypercalcamischen Krise infolge eines primären Hyperparathyreoldlsmus rasch operiert.

Vorher müssen der Fiüssigkeits- und Elektrolythaushalt des Patienten ausgeglichen und nach Behandlung von Exsikkose, 011go-Anurie und Koma muß der Kranke In einen operationsfähigen Zustand gebracht werden. Infusionen von physiologischer Kochsalzlösung und Furosemid sind das Mit001 2-0472/79

tel der ersten Wahl zur Senkung des erhöhten Calciumspiegels. Mithramycin wirkt verspätet, Calcitonin wurde bisher nur In wenigen Fällen mit wechselndem Erfolg eingesetzt. Corticoide haben sich zur Behandlung der Hypercalcamle infolge einer Vitamin-D-Intoxikation bewährt. Intravenöse Phosphatlösungen führen zu erheblichen Weichteilverkal-

kungen und sollten daher nicht mehr verwendet werden. In letzter Zeit Ist die Hämodialyse zur schnellen Senkung eines erhöhten Calciumspiegels eingesetzt worden. Als Regel gilt, die operative Behandlung eines Nierensteinleldens nach der Parathyreoidektomie durchzuführen, es sei denn, ein komplettes Abflußhindernis oder eine Pyonephrose gefährdet den

0810 - 1126 $ 02.00 © 1979 Georg Thieme Publishers

Grundsätzlich sind zwei intraoperative Situationen zu erwarten: entweder ein Adenom zusammen mit drei normalen Nebenschllddrüsen oder eine Hyperplasie aller vier Epithelkörperchen. Letzteres kommt gehäuft familiär, bei multipler endokriner Adenomatose und bei Kindern vor (9). Da.s Gewicht einer normalen Neben-

schilddrüse beträgt 30-50 mg. Makroskopisch können Lymphknoten, Schilddrüsenadenome, Fettläppchen und auch braunes Fettgewebe tauschend ähnlich sehen. Form und Konsistenz der Nebenschilddrüsen erlauben jedoch meist das Erkennen auch makroskopisch;

dennoch halten wir die Biopsie und

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112.6

Nr. 32, 10. August 1979, 104. Jg.

[J

Schnelischnittuntersuchung zur Identifikation für unerläßlich.

ren. Vom kollaren Schnitt aus kann etwa ein Dritte! des Thymus entfernt

Liegt ein solitLlres Adenom vor, so wird es exstlrpiert; bei der Hyperplasie werden 3'/2 Drüsen entfernt (2). Befürchtet man bei der subtotalen Parathyreoidektomie oder bei einer Zweitoperation einen permanenten postope-

werden.

zugänglicher Steile, zum Beispiei in den Muscu.ius sternocleidomastoideus oder in die Unterarmmuskulatur, zu implan-

tieren. Sollte es dann wieder zu einer Hypercaicämie kommen, so kann in Lokalanästhesie das Gewebe in der Autotransplantatstelle reseziert werden (3).

Das Auffinden der Nebenschilddrü-

sen wird erleichtert, wenn man dem Veriauf der sie versorgenden Gefäße die aus den beiden Arteriae thyreoideae inferiores entspringen (13). Man gelangt so direkt zur Hinterfläche des betreffenden Schilddrüsenlappens. folgt,

An der Kreuzungssteiie mit dem Nervus recurrens, den man zur Schonung immer aufsuchen und präparieren soute,

oberen Nebenschilddrüsen dorsal, die unteren ventrai. Auch das liègen die

thyreothymicum birgt häufig untere Nebenschilddrüsen (12). Ligamentum

Die Suche kann man sich erleichtern, wenn man sich der in 60% seitensymmetrischen Lage der Epithelkörperchen erknnert (5).

Die intrathorakale Lage eines Epithelkörperchens ist mit etwa 1% selten (11). Nur 1-5% der Patienten sollen mehr als vier Epithelkörperchen haben (10). Die intraoperative Darstellung der Nebenschilddrüsen mit Toiuidinblau Ist

nicht streng selektiv, da sich auch Gewebe der Nachbarschaft und besonders die Schilddrüse anfärben. Wegen der und Nephrotoxizität dieses Farbstoffes ist das Verfahren umstritten Kardio(7, 8).

Bei Nichtauffinden eines Adenoms können andere Wege beschritten werden: ist das Vorliegen von zwei normalen Parathyreoideae auf einer Seite durch die Schnelischnittuntersuchung gesichert, und wird das Adenom auf der anderen Seite nicht gefunden, so empfehlen wir die Hemithyreoldektomle der betreffenden Seite. Fehlt eine untere Nebenschilddrüse, so Ist die zervikale Thymektomie das lohnendste Verfah-

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verabfolgt wird, beispielsweise 500 ml 5%ige Glucoselösung mit 10 Ampullen 10%iger oder 5 Ampullen 20%iger Calci-

Im Hinblick auf eine später notwendige Reoperation markieren wir alle bioptisch gesicherten, normalen Drüsen mit einem Metallciip. Außer bei der hypercaicämischen Krise bleibt die Sternotomie mit Thymektomie und Expioration des oberen Mediastinums der Zweitope-

ration vorbehalten. Nach Möglichkeit sollte vor einem Zweiteingriff eine Katheteruntersuchung durchgeführt werden. Die Methode der Embolisation wurde mehrfach mit Erfolg angewendet (4). Sie

dürfte jedoch nur bei hohem Opera-

umgluconat- oder Calciumchlorid-Lösung. Gleichzeitig sollte die orale Therapie mit Calciumpräparaten beginnen.

Lassen sich die tetanischen Symptome nur durch hohe Calciumgaben beseitigen und bleibt ein hoher Bedarf länger

als 2 Wochen bestehen, so wird mit kurzfristig wirkenden Vitamin-D-Präpa-

raten behandelt. Diese Therapie erfordert wegen der Gefahr einer Vitamin-DIntoxikation eine engmaschige Kontrolle und sollte anläßlich eines Auslaßversuches nach 6 Monaten möglichst rasch wieder beendet werden.

tionsrisiko und bei intrathorakal gelege-

nen Adenomen indiziert sein, zumal Nachuntersuchungen zeigen, daß sich die Funktion des Adenoms über Wochen und Monate wieder erholen kann. Postoperative Behandlung

In der postoperativen Phase zeigt die Normalisierung

des

Serum-Calciums

den Erfolg der Operation an. Man muß aber bedenken, daß der Calclumspiegel

auch durch eine gute intra- und postoperative Hydrierung, durch die Verletzung eines unentdeckten Adenoms, das sich später erholt, und durch die unbe-

Literatur (1) Black, B. M.: Primary hyperparathyreoidism and peptic ulcera. Surg. Clin. N. Amer. 51(1971), 955.

(2) Block, M. A., B. Frame, Ch. E. Jackson, R. C. Horn: The extent of operation for primary hyperparathyreoidism. Arch. Surg. 109 (1974), 798. (3) Brennan, M. F., E. M. Brown, S. J. Marx, A. M. Spiegel, A. E. Broadus, I. C. Doppmann, B. Webber, G. D. Auebach:

Recurrent hyperparathyreoidism from an autotransplanted parathyroid adenoma. New EngI. J. Med. 299 (1978), 1057. (4) Doppman, J. L., S. J. Marx, A. M. Spiegel, L. E. Mallette, D. R. Wolfe, G. D. Aurbach, G. Geelhoed: Treatment. of hyperparathyroidism by percutaneous embolization of a mediastinal adenoma. Diagnost. Radiol. 115 (1975), 37. (5) Gilmour, J. R.: The gross anatomy of the parathyroid glands. J. Path. Bact. 46 (1938), 133. (6) Konsinski, K., S. I. Roth, E. H. Chapman: Primary hyperparathyroidism with 31 years of hypercalcemia. J. Amer.

absichtigte Ligatur einer abführenden Vene vorübergehend gesenkt werden kann. Es wird auch angenommen, daß

med. Ass. 236 (1976), 590.

während der Operation durch die Manipulation an der Schilddrüse Calcitonin

B. M. Black, R. S. Goldsmith, S. D. Arnaud: Treatment of primary hyperparathyroidism. Amer. J. Med. 56 (1974),

ausgeschüttet und dadurch der Calciumspiegel gesenkt werden könnte. Besondere Aufmerksamkeit in der postoperativen Phase gilt der hypocalc-

ämischen Tetanie, die meist nach 2-3 Tagen auftritt und deren Ursache der »bone hunger« des demineralisierten Knochens Ist. Besonders läßt eine präoperativ erhöhte alkalische Phosphatase bei erfolgreicher Operation eine Tetanie erwarten, da sie grob mit dem Ausmaß der Skeiettbeteiiigung des primären Hyperparathyreoidismus korreliert.

Es empfiehlt sich, in den ersten postoperativen Tagen mehrfach täglich das Chvosteksche und Trousseausche Zeichen zu prüfen und mindestens einmal den Calciumspiegel zu kontrollieren.

Zur Behandlung der Tetanie sollte eine Infusionsiösung bereitstehen, die beim Auftreten der ersten Symptome

(7) Pichlmayr, R., B. Grotelüschen: Chirurgische Therapie (Springer: Berlin-Heidelberg-New York 1978). (8) Purnell, C., D. A. Scholz, L. H. Smith, G. W. Sizemore,

800.

(9) Röher, l-l. D., A. R. Wahl, H. Schmidt-Gayk: Besonderheiten des primären Hyperparathyreoidismus im Kindesalter. Chirurg 46 (1975), 512,

(lO) Romanus, R., P. Heimann, O. Nilsson, G. Hansson: Surgical treatment of hyperparathyroidism. Progr. Surg. 12 (1973), 22.

(It) Rothmund, M., L. Diethelm, H. Brtlnner, F. Kummerle: Diagnosis and surgical treatment of mediastinal parathyroid tumors. Ann. Surg. 183 (1975), 139. Rothmund, M., J. L. Prieto, F. Kümmerle: Primärer Hyperparathyreoldismus. Erfahrungen an lOO Patienten. Dtsch. med. Wschr. 104 (1979), 653. Wang, Chiu-An: The anatomic basis of parathyroid surgery. Ann, Surg. 183 (1976), 272.

Dr. R. Windeck Medizinische Klinik und Poliklinik Dr. K. Llttmann Chirurgische Klinik und Poliklinik Universitätskiinlkum (Gesamthochschule) 4300 Essen, Hufelandstr. 55

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rativen Hypoparathyreoldismus, so besteht die Möglichkeit, in gleicher Sitzung Nebenschiiddrüsengewebe an gut

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[Therapy of primary hyperparathyroidism].

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