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Fortschr. Röntgenstr. 125, 1 (1976) 54-56 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Traumatische Ruptur der thorakalen Aorta bei A. subclavia dextra lusoria

Traumatic rupture of the thoracic aorta associated with an aberrant right subclavian artery

Von G. Rosenbusch, J. Vincent und H. Wissink

Traumatic rupture of the aorta isthmus is described in a patient with an aberrant right subclavian artery. While the aortic rupture could be diagnosed on plain films of the thorax, only an arch aortogram was able to demonstrate its location and the presence of the anomaly. Left anterior oblique views are to be preferred to the A.P. projection for the arch aortogram.

Radiodiagnostische Abteilung (Vorstand: Prof. Dr. Wm. Penn) und Abt. f. Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (Vorstand: Prof. Dr. L. K. Lacquet, Prof. Dr. P. J. F. Kui(pers( der Universität Nijmegen/Niederlande

Bericht über eine traumatische Aortenruptur im Isthmusbereich bei einem Patienten, der eine A. subclavia dextra lusoria hatte. Während die Nativauf nahmen der Thoraxorgane die hinweisenden Symptome einer traumatischen Aortenruptur aufwiesen, zeigte erst die Aortographie neben der Lokalisation der Ruptur die Anomalie. Die linke vordere Schräglage ist der a.-p. Projektion bei der Arcographie vorzuziehen. Die traumatische Verletzung der thorakalen Aorta - der Isthmusbereich ist die Prädilektionsstelle - nimmt mit der steigenden Zahl stumpfer Gewalteinwirkungen, insbesondere bei Verkehrsunfällen mit dem Auto, zu. Bei mehr als 80% dieser Patienten tritt der Tod am Unfallort oder auf dem Wege zur Unfallklinik ein (Büttner, 1969). Die das traumatische Geschehen Uberlebenden haben bei rascher Diagnose und schnellem chirurgischem Handeln eine Uberlebenschance. Genauere präoperative Aussagen über Lokalisation und Ausdehnung von traumatischen Liisionen im Aortenbogenbereich sind nur durch eine arteriographische Untersuchung, ein Arcogramm, möglich (Redman, 1973; Hermanutz u. Bücheler, 1974). Obgleich eine aberrante A. subclavia dextra bei 0,5-2% vorkommt (Doerr, 1955; Klinkhamer, 1969; Rau, 1974), sind uns Mitteilungen einer Aortenruptur bei A. subclavia lusoria nicht bekannt.

Kasuistik 39jähriger Patient, der radfahrend von einem Auto über einen Zaun geschleudert wurde. Es traten sofort heftige Schmerzen auf der Brust auf. Ca. eine Stunde nach dem Unfallereignis wurde

der Patient in die traumatologische Abteilung eingeliefert. Er befand sich im kompensierten Schock mit Blutdruckwerten um 145/85 mmHg. Die Atemfrequenz betrug 36/min bei nur kleinen

Exkursionen. Die peripheren Pulse waren überall gut fühlbar. Nur kleinere Schürfwunden. Thoraxaufnahmen (p.-a. u. seiti.): Verbreiterung des oberen Mediastinums, Einengung der Trachea bei leichter Verdrängung nach rechts und ventral und Lumenverschmälerung des linken Hauptbronchus bei geringer Kaudalverdrängung (Abb. la und b).

Arcographie: problemlose perkutane transfemorale Katheterisation nach Seldinger mit gelbem Polyäthylen-Katheter (pig-tail),

dessen Ende etwas oberhalb der Aortenklappe gelegt wurde. Zunächst Aufnahmen in a.-p. Projektion (Abb. 2a und b), danach

in linker vorderer Schräglage (Abb. 3). Injektion von jeweils 50 ml Angiografin bei einem Fluß von 20 mi/Sek. Ruptur der Aorta im Isthmusbereich an der mediastinalen Seite mit später und lang dauernder Anfärbung einer Wandausbuchtung. Kein Nachweis einer Kontrastmittelextravasation ins Mediastinum. Ursprung der rechten A. subclavia distal der linken, unmittelbar proximal resp. gegenüber der Ruptur.

Operation: posterolaterale Thorakotomie im linken 4. Interkostalraum. Großes Hämatom im Mediastinum und intrapulmo-

(F. St.)

nal, kleines Hämatom auf der Wand des linken Ventrikels. Zunächst arterieller Bypass zwischen arterieller Kanüle in der rech-

ten A. femoralis und venöser Kanüle im linken Atrium. Anschließend Freilegung der linken A. subclavia und des Arcus aortae proximal der Ruptur. Abklemmung des Arcus aortae, der linken A. subclavia und der Aorta ascendens, nachdem der Bypass in Tätigkeit gesetzt wurde. Eröffnung der Aorta in Rupturhöhe, wobei 3/4 der Aortenzirkumferenz von der mediastinalen Seite aus vollständig rupturiert war. Wegen Zurückblutung aus der A. subclavia dextra lusoria getrennte Abklemmung dieses Gefäßes. Entfernung des rupturierten Aortensegmentes und Schließung des Defektes mittels einer Teflonprothese (20 mm ø, 5 cm lang) durch End-zu-End-Anastomose. Abnahme der Gefäßklemmen und Unterbrechung des Bypasses. Resektion des linken Herzohres. Unterbindung einer abgerissenen A. intercostalis sive bronchialis. Spülung des Perikards. Unmittelbarer postoperativer Verlauf komplikationslos. Wegen der Lungenkontusion einige Tage Uberdruckbeatmung. Kurzzeitig frontale Kopfschmerzen, geringe Fazialisschwäche links und Nystagmus, was als Folge der zerebralen Anämie hei Schock gedeutet wurde. EEG ohne Veränderungen. 14 Tage postoperativ Entlassung. 6 Wochen postoperativ kurzzeitige stationäre Aufnahme wegen Perikarditis bei Postkardiotomie-Syndrom. Die Aufnahme des Thorax ergibt ein unauffälliges oberes Mediastinum. Entlassung nach alleiniger Bettruhe in beschwerdefreiem Zustand.

Diskussion Die Verdachtsdiagnose einer Aortenruptur wird durch ein bekanntes Dezelerationstrauma und die subjektiven Symptome - insbesondere interskapularer oder retrosternaler Schmerz, Dyspnoe,

Schluckbeschwerden,

Heiserkeit -

gestellt und durch eine Thoraxaufnahme erhärtet: durch mediastinale Blutung oder durch die Dissektion mit Wandausbuchtung werden der linke Hauptbronchus nach kaudal

und die Trachea nach rechts verdrängt bei gleichzeitiger Einengung (Zeldenrust u. Aarts, 1962). Der linke paravertebrale Schatten ist außerdem verbreitert. Die alleinige Verbreiterung des oberen Mediastinums kann auch durch anderweitige mediastinale Blutungen, z. B. durch Ruptur von Interkostal- und Bronchialarterien, bedingt sein und ist nicht als typisch für eine Aortenruptur anzusehen. Diese aufgeführten röntgenologischen Zeichen hängen vom Aus-

maß und Grad der Aortenruptur ab. Da die Thoraxaufnahmen bei Patienten mit Verdacht auf Aortenruptur oft

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3 Abbildungen

Abb. la. Thorax p.-a. Verbreiterung des oberen Mediastinums, vor allem links. Leichte Verdrängung der Trachea nach rechts, stärker des linken Hauptbronchus nach kaudal. Abb. la und b.

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Abb. lb. Thorax seitlich. Verbreiterter Schatten des Arcus aortae und der proximalen Aorta deseendens thoracalis. Ventrale Ausbuchtung der Trachea.

Thoraxaufnahmen nach unmittelbarer Einlieferung des Patienten.

Abb. 2a. A. subclavia dextra lusoria. Nur andeutungsweise erkennbare Aufhellungslinie (t) in der Aorta descendens thoracalis unmittelbar distal des Arcus aortae.

Abb. 2b.

Nach Abspülen des Kontrastmittels aus der Aorta

thoracalis Kontrastmitteldepot in der traumatisch geschädigten Aortenwand (-*). Keine Kontrastmittelansammlung im Mediastinum.

Abb. 2a und b.

Arcographie in a.-p. Projektion.

im Liegen und nicht unter Standardbedingungen angefertigt werden, treten leicht Interpretationsschwierigkeiten auf. Heberer u. Mitarb. (1971) empfehlen deshalb einen Breischluck zu geben, evtl. über eine Sonde, um aus dem Öso-

phagusverlauf Aufschlüsse über den Aortenbogen zu erhalten.

Der Verdacht auf Aortenruptur

auch bei fehlendem

stellt die Indikation für ein subjektiven Symptomen Arcogramm dar, das allein eine klare Diagnose liefern kann. Bei vorsichtiger Katheterisation, Anwendung eines J-Füh-

rungsdrahtes und eines pig-tail-Katheters ist der transfemorale Weg mit keinem größeren Risiko verbunden als

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G. Rosenhusch u. Mitarb.: Traumatische Ruptur der thorakalen Aorta

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segmental-komplette Ruptur kann durch benachbarte Organe oder durch das Rupturhämatom kurzzeitig tamponiert werden. Nur unverzügliche Diagnostik und Therapie kann die schließlich tödliche Blutung infolge der fortschreitenden Ausdehnung der Ruptur vermeiden. Prognostisch günstiger

sind die inkompletten Rupturen, d. h. die nur die Intima und Media betreffenden, zumal wenn sie nur segmentale Ausdehnung haben. Die angiographischen Veränderungen hängen entsprechend von den verschiedenen Formen der Ruptur ab: neben lokalen Wandausbuchtungen können Intimalappen durch subintimale Blutansammlung nachgewiesen werden, die oftmals auf den späteren Aufnahmen (Abb. 2b) besser erkennbar sind. Durch Kompression eines Mediastinalhämatoms kann die Aorta angiographisch sogar schmaler erscheinen, was nicht zu Fehlinterpretationen führen darf. Ein Extra-

vasat ist bei segmental kompletten Rupturen wegen der möglichen Tamponade nicht unbedingt nachweisbar. Vielmehr erscheint die mediastinale Blutung nur als weichteil-

Arcographie in linker vorderer Schräglage. Aortenruptur deutlich. Abb. 3.

dyke, 1966). Traumatische Läsionen der Bauchorgane oder des Gehirns können gleichzeitig vorkommen. Bei entsprechenden klinischen Befunden könnte bei der transfemoralen Katheterisation evtl. unmittelbar nach der Arcographie eine anderweitige Organarteriographie angeschlossen werden. Die chirurgische Behandlung, d. h. die Rekonstruktion der Gefäßwand oder die Interposition einer Gefäßprothese, ist

die Therapie der traumatischen Aortenruptur (de Baizey u. Mitarb., 1965; Heberer u. Mitarb., 1971). Das präopera-

die transaxilläre Methode (Redman, 1973; Hermanutz u. Bücheler, 1974). Der a.-p. Projektion, die bei Schwerverletzten anzuwenden ist, ist die linke vordere Schrägprojektion vorzuziehen, um den Aortenbogen in seinem vollen Umfang abzubilden. Bei unserem Patienten zeigt sich die deutliche Überlegenheit der linken vorderen Schrägprojektion (Abb. 3). Auch Aortenbogenanomalien sind hierauf leichter festzustellen. Die typische Lokalisation der Rupturbzw. Frakturstelle (Flaherty u. Mitarb., 1969) beim hori-

zontalen Dezelerationstrauma, das besonders bei Autounfällen vorkommt, ist der Isthmusbereich der Aorta. Dem Ansatz des Lig. arteriosum Botalli könnte eine Bedeutung für diese Prädilektionsstelle zukommen (Zeldenrust u. Aarts, 1962; Bennet u. Cherry, 1967). Der Ursprung der A. subclavia sinistra liegt in diesen Fällen unmittelbar proximal der traumatischen Verletzung. Nach Klinkhamer (1969) entspringt die A. subclavia dextra lusoria in 90% dort aus dem Aortenbogen, wo dieser der Wirbelsäule anliegt und in die Aorta descendens übergeht, was auch für unseren Patienten zutrifft. Der Ansatz des Lig. arteriosum Botalli liegt hierbei distal der A. subclavia dextra lusoria. Nur in den übrigen 10% nimmt die aberrante rechte A. subclavia ihren Ursprung aus der Aorta descendens und somit unterhalb der typischen Rupturstelle. 1n diesen Fällen könnte eine typisch lokalisierte Aortenruptur zu einer Durchblutungs-

tive Arcogramm gibt Aufschluß über Lokalisation und Grad der Ruptur, außerdem über bestehende Anomalien der Aortenbogenarterien. Literatur

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of aotta. Special reference to auto-

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störung allein der rechten oberen Extremität führen, so daß es zu einer paradoxen Symptomatik käme. Ohne Kennt-

nis der Aortenbogenanomalie würde die Ruptur deshalb weiter proximal vermutet und gesucht werden. Die zirkuläre komplette, d. h. alle Wandschichten betreffende Ruptur ist unmittelbar tödlich. Die partielle oder

Doz. Dr. G. Rosenbusch, Dr. H. Wissink, Radiodiagnostische Abteilung, Dr. J. Vincent, Abt. f. Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie der Universität, Geert Grooteplein Noord 18, Nijmegcn/Niederlande

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dichter Schatten paraaortal (Sanborn u. Mitarb., 1970). Multiple Lazerationen der Aorta sind nicht selten (Green-

[Traumatic rupture of the thoracic aorta associated with an aberrant right subclavian artery (author's transl)].

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