Kasuistik | Case report

Behandlung eines Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 und einer depressiven Störung Treatment of a patient with type-2 diabetes mellitus and a depressive disorder

Autoren

B. Köhler1 J. Kruse1,2

Institut

1 Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH

– Standort Gießen, Justus-Liebig-Universität Gießen

2 Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH

– Standort Marburg, Philipps-Universität Marburg

Psychosomatik Diabetologie Kasuistik | Case report

Schlüsselwörter Diabetes Depression Psychosomatik Aufbau von Psychotherapiemotivation

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Keywords diabetes depression psychosomatic medicine developing a psychotherapeutic motivation

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Zusammenfassung ▼ Anamnese und klinischer Befund: Ein 65-jähriger Patient mit Typ-2-Diabetes mellitus stellte sich wegen ungünstiger Stoffwechselwerte und einer ausgeprägten psychosozialen Belastung in der psychosomatischen Ambulanz vor. Er war adipös und hatte eine arterielle Hypertonie. Im Verlauf der Anamnese wurde ein problematisches Krankheitsverhalten sowie eine depressive Symptomatik deutlich, die sich nach dem Tod der Ehefrau vor mehreren Jahren entwickelte. Diagnose, Therapie, Verlauf: Es wurde ein vermeidendes Krankheitsverhalten vor dem Hintergrund einer chronisch depressiven Entwicklung mit aktuell mittelgradiger depressiver Episode diagnostiziert. Im Rahmen einer niederschwelligen psychosomatischen Intervention konnte mit dem Patienten ein erstes Krankheitsverständnis

aufgebaut und psychosoziale Barrieren der Diabetestherapie reduziert werden. Der Patient formulierte erreichbare Ziele seiner Diabetesbehandlung und begann mit deren erfolgreicher Umsetzung. Im Rahmen eines „stepped care“Ansatzes konnte er zu einer stationär-psychosomatischen Behandlung motiviert werden. Es kam zu einer Remission der depressiven Symptomatik; die Stoffwechselwerte verbesserten sich deutlich. Folgerung: Mit Hilfe einer engen Verzahnung von diabetologischer und psychotherapeutischer Behandlung in psychosomatischen Ambulanzen können Diabetespatienten mit problematischer Stoffwechseleinstellung und depressiver Symptomatik unterstützt werden, ihr Krankheitsverhalten besser zu verstehen und zu verändern.

Einleitung ▼ eingereicht 23.01.2014 akzeptiert 03.02.2014 Bibliografie DOI 10.1055/s-0033-1360101 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 : 592–595 · © Georg Thie0 me Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Dipl.-Psych. Birgit Köhler Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Gießen und Marburg GmbH Ludwigstr. 76 35392 Gießen Tel. 0641/99-45641 Fax 0641/99-45617 eMail birgit.koehler@ psycho.med.uni-giessen.de

Ein Drittel aller Patienten mit Diabetes leidet unter depressiven Symptomen [8, 9]. Die Komorbidität beider Erkrankungen wirkt sich häufig ungünstig auf die Einstellung der Stoffwechselwerte [10, 11], auf die Entwicklung von Folgeerkrankungen und auf die Mortalitätsrate aus [2, 3, 6]. Im Rahmen der diabetologisch-internistischen Behandlung fallen diese Patienten als „schwer einstellbar“ und „schwierig“ auf. Depressive Symptome sind bei ihnen oft nicht eindeutig feststellbar, da sie mit typischen Diabetessymptomen (z. B. Konzentrationsstörungen) überdeckt werden. Aufgrund von ausgeprägten Scham- und Schuldgefühlen fällt es den betroffenen Patienten außerdem schwer, über mögliche diabetesbedingte Belastungen zu sprechen. Wird von ärztlicher Seite die Aufnahme einer ambulanten oder stationären psychosomatisch-psychotherapeutischen Behandlung empfohlen, reagieren diese Patienten zunächst häufig ablehnend. Um

sie zu einer psychosomatischen oder psychotherapeutischen Behandlung zu motivieren, bedarf es einer engen interdisziplinären Zusammenarbeit mit niedrigen Zugangsschwellen. Diese Kooperation wird zurzeit im Rahmen eines von der BÄK geförderten Projekts zur Versorgungsforschung erprobt [7].

Kasuistik ▼ Anamnese Ein 65-jähriger adipöser Patient (BMI 38,8) mit Diabetes mellitus Typ 2 stellte sich im Rahmen des beschriebenen integrierten Versorgungsprojekts in der psychosomatischen Ambulanz vor. Nach den Angaben des behandelnden Diabetologen litt der Patient seit rund 3 Jahren an Diabetes. Die Therapie erfolgte mit Metformin und den wiederholten Empfehlungen, Gewicht zu redu-

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Im Erstkontakt in der psychosomatischen Ambulanz berichtete der Patient, dass er große Probleme mit der Einstellung seines Blutzuckerwertes und des Bluthochdruckes habe. Ungefähr vor 3 Jahren habe der Hausarzt die Diagnose Diabetes gestellt. Da mehrere Familienmitglieder auch an Diabetes erkrankt seien, habe er sofort erkannt, was die Erkrankung bedeute. Trotz dieses Wissens könne er sein Verhalten nicht ändern. Als mögliche Gründe nannte der Patient, dass er abends nach der Arbeit zu müde sei, um Sport zu treiben. Auch tagsüber sei er häufig erschöpft. Angesprochen auf die medikamentöse Therapie berichtete der Patient unter spürbarer Scham, dass es ihm nicht gelinge, die Medikamente regelmäßig einzunehmen. Zwar stelle er sich sonntags die Medikamente für die gesamte Woche zurecht, er nehme sie aber zu seinem eigenen Ärger nur unregelmäßig ein. Auch könne er regelmäßige Mahlzeiten nicht einhalten. Insbesondere abends esse er große Mengen an Süßigkeiten, es sei für ihn schwierig, einen „Stopp“ zu setzen. Er habe große Ängste vor Folgeerkrankungen, insbesondere vor der Erblindung. Trotzdem nehme er aber nur unregelmäßig Kontrolluntersuchungen beim Augenarzt wahr. Seine Ehefrau habe vor ihrem Tod alles Organisatorische für das Ehepaar übernommen. Es falle ihm schwer, Termine für sich selber zu vereinbaren und einzuhalten. Der Patient schilderte im weiteren Verlauf des Gesprächs mit spürbar großer Trauer und Verzweiflung, dass seine Frau sehr plötzlich unter massiven körperlichen Beschwerden verstorben sei. Trotz der Aussage des Notarztes, dass die Ehefrau unter totalem Organversagen gelitten und „keine Chance“ gehabt habe, werfe er sich vor, nicht genug zur Rettung seiner Frau unternommen zu haben. Hinsichtlich des biographischen Hintergrundes berichtete der Patient, dass die Kindheit und Jugend durch ein emotional vernachlässigendes Elternhaus geprägt worden sei. Gemeinsam mit seinen beiden Brüdern sei er bei seinen Großeltern aufgewachsen, die häufig mit heftiger körperlicher Gewalt reagiert hätten, sobald man nicht „gespurt“ habe. Diagnostisch zeigte sich ein problematisches Krankheitsverhalten mit starken Vermeidungszügen vor dem Hintergrund einer depressiven Entwicklung mit jetzt mittelgradiger depressiver Episode und Dysthymie bei Typ-2 Diabetes und arterieller Hypertonie. Insbesondere imponierten als depressive Symptome der verminderte Antrieb und die niedergedrückte Stimmung, die Ein- und Durchschlafstörungen, Energieverlust und Abgeschlagenheit, vermindertes Selbstwertgefühl und ausgeprägte Konzentrationsschwierigkeiten.

Beurteilung Das Krankheitsverhalten und die Entwicklung der psychischen Symptomatik waren vor dem Hintergrund eines ungelösten Autarkie-Versorgungskonfliktes gemäß der operationalisierten psychodynamischen Diagnostik (OPD-2) zu verstehen. Ausgeprägte Versorgungs- und Geborgenheitswünsche des Patienten waren verbunden mit starken Ängsten vor Abhängigkeit, vor Enttäuschung und Kritik, aber auch vor gewaltsamen Übergriffen, wie er sie in seiner Kindheit erfahren hatte. In der symbiotischen Beziehung zu seiner Frau hatte der Patient Sicherheit und Versorgung gefunden, mit dem Tod der Ehefrau zerbrach ein labiles Gleichgewicht. Es bestanden große Ängste, Hilfe von anderen Menschen, u. a. auch vom medizinischen Personal, anzunehmen. Rückzugsverhalten und Selbstvorwürfe waren die Folge. Gleichzeitig bestanden eine ausgeprägte Selbstwertproblematik sowie strukturelle Einschränkungen u. a. hinsichtlich der Fähigkeit, Affekte zu generieren, wahrzunehmen und zu regulieren sowie hinsichtlich der Selbstfürsorge.

Körperliche und klinisch-chemische Untersuchungsparameter 65-jähriger, adipöser Patient (123 kg, 178 cm, BMI 38,8), Blutdruck 190/115 mm/Hg, HbA1c 8,4 %, Triglyzeride 601 mg/dl.

Therapie und Verlauf Angesichts der Problematik des Patienten, regelmäßig Termine wahrzunehmen, wurden als initiale Therapieziele festgelegt, eine tragfähige Arbeitsbeziehung aufzubauen, die Ambivalenzen in der Behandlung zu klären, die Therapiemotivation zu stärken und realistische Teilziele in der Behandlung des Diabetes zu formulieren. Während des Erstkontaktes berichtete der Patient sehr schuldbewusst, beschämt und unterwürfig, dass er genau wisse, was er in seinem Leben zu verändern habe, es aber nicht schaffe. Vor dem Hintergrund der diagnostischen Einschätzung antizipierte die Therapeutin, dass der Patient einerseits ausgeprägte Wünsche nach Anerkennung und Versorgung, andererseits erhebliche Ängste vor Kritik, Beschämung und Übergriffen seitens der Therapeutin hatte. Sie verhielt sich entgegen den Beziehungserwartungen (Übertragung) des Patienten wertschätzend und interessiert an den Umsetzungsproblemen. Im Rahmen eines ressourcenorientierten Vorgehens wurden zunächst die Situationen herausgearbeitet, in denen dem Patienten erste Umsetzungsschritte gelungen waren. Vor dem Hintergrund dieser Beziehungsgestaltung begann der Patient, sich für die psychischen Hintergründe seiner Schwierigkeiten im Umgang mit der Diabeteserkrankung zu interessieren, sie mit deutlich weniger Angst und Scham zu schildern und die Kontakte regelmäßig wahrzunehmen.

Erarbeiten und Umsetzen von erreichbaren Zielen für die Diabetesbehandlung Motiviert durch die ersten Gesprächskontakte plante der Patient rasch, Vieles zu verändern. So wollte er zum Beispiel die Medikamente regelmäßig einnehmen, seine BZ-Werte täglich messen, bei seiner Diabetesberaterin einen neuen Termin vereinbaren und mit dem täglichen Training auf seinem Ergometer beginnen. Auf die Frage, was passieren würde, wenn er eines der genannten Ziele nicht erreichen würde, antwortete der Patient beschämt, dass ihm das schon oft passiert sei und er dann meistens aus Enttäuschung und Scham über die nicht gelungene Umsetzung mehr esse. Um diesen ne-

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zieren und sich regelmäßig zu bewegen. Der Diabetologe beschrieb die bisherige Behandlung als „sehr schwierig“. Zum einen nehme der Patient die Arzttermine nicht regelmäßig wahr. Zum anderen zeige er hinsichtlich der empfohlenen Verhaltensänderungen trotz mehrfacher Schulungsmaßnahmen „kein Durchhaltevermögen“, so dass sich bisher keine wesentlichen Verbesserungen seiner Blutzuckerwerte, seiner Adipositaserkrankung und seiner arteriellen Hypertonie einstellten. Des Weiteren leide der Patient unter „großen psychischen Problemen“, die mit dem Tod seiner Ehefrau zusammenhingen und die Behandlung sehr erschwerten. Eine antidepressive Pharmakotherapie sei erfolglos verlaufen.

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gativen Kreislauf zu unterbrechen, stand im weiteren Verlauf des Coachings zunächst die Formulierung und Umsetzung von erreichbaren Therapiezielen im Vordergrund. Als erstes Teilziel wurde mit dem Patienten erarbeitet, den Blutzucker regelmäßig zu messen und an einzelnen Tagen Ernährungsprotokolle zu schreiben. Dadurch begann der Patient kontrollierter zu essen und nahm etwas an Gewicht ab. Durch das Erreichen der ersten Teilziele erfuhr der Patient eine deutliche Stärkung seines Selbstbewusstseins. Er war motiviert, schrittweise weitere Ziele umzusetzen, und begann, beim Nichterreichen von Zielen wohlwollender mit sich umzugehen. Bezüglich eines weiteren Teilziels, einen neuen Termin bei der mitbehandelnden Diabetesberaterin zu vereinbaren, äußerte der Patient mehrfach, dass er sich nicht zu seiner Diabetesberaterin „traue“. Der Patient erwartete heftige Kritik und Entwertung durch die Diabetesberaterin. Er übertrug frühe traumatisierende Erfahrungen mit seinen Großeltern auf die Beziehung zu ihr. Im Verlauf der psychosomatischen Intervention gelang es dem Patienten, Beziehungserfahrungen mit den Großeltern und der Diabetesberaterin besser zu trennen und seine Bestrafungsängste etwas zu reduzieren. Er vereinbarte einen neuen Termin mit der Diabetesberaterin, die er als sehr unterstützend wahrnehmen konnte.

Aufbau von Psychotherapiemotivation Die initiale Empfehlung, eine psychotherapeutische Behandlung zur Therapie der Depression aufzunehmen, lehnte der Patient ab, da er im Rahmen seiner Autarkiebestrebungen den Anspruch an sich hatte, seine Problematik eigenständig zu bearbeiten und zu verändern. Durch psychoedukative Interventionen, Arbeit an den Ängsten, Scham- und Schuldgefühlen sowie am Selbstbild des Patienten konnte die Motivation für eine stationäre psychotherapeutische Behandlung aufgebaut werden. Es erfolgte eine intensive stationäre multimodale psychosomatische Komplexbehandlung über 6 Wochen; sie umfasste Einzel- und Gruppenpsychotherapie, Musik- und Kunsttherapie, Bewegungstherapie und Entspannungsverfahren mit störungsorientierten und störungsübergreifenden Interventionen. So nahm die depressive Symptomatik deutlich ab, der Patient gewann an Selbstvertrauen und Antrieb und fand Interesse an verschiedenen sozialen Aktivitäten. Im Anschluss an die stationäre Behandlung setzte er die psychotherapeutische Arbeit in einer ambulanten tiefenpsychologischfundierten Psychotherapie erfolgreich fort. Gleichzeitig zeigte sich eine deutliche Verbesserung der Stoffwechselwerte: Während der HbA1c zu Beginn der psychosomatischen Intervention 8,4 % betrug, reduzierte er sich während der ersten 6 Monate, in denen sowohl die Kurzzeittherapie als auch die stationär-psychosomatische Behandlung stattfanden, auf 6,8 %. Diese Veränderungen erwiesen sich als stabil. Nach weiteren 6 Monaten betrug der HbA1c 6,5 %. Auch die Blutdruckwerte normalisierten sich (RR 120/80 mmHg).

Diskussion ▼ Anhand des vorgestellten Falls wird deutlich, wie Diabetespatienten, die sowohl unter einer problematischen Stoffwechseleinstellung als auch unter ausgeprägten psychosozialen Belastungen leiden, im Rahmen eines integrierten Versorgungsmodells begleitet und unterstützt werden können, um ihr Behandlungs-

verhalten besser zu verstehen und zu verändern. Durch die Erfahrung, dass sich die psychosomatische Unterstützung sowohl auf die Stoffwechselwerte wie auch auf die psychische Problematik günstig auswirkt, wird es den Patienten, wie in dem dargestellten Fall, oft möglich, die Motivation für eine längerfristige Psychotherapie aufzubauen und sich eine entsprechende Behandlung zu suchen. Um diese Verbesserungen zu erreichen, sind mehrere Schnittstellen von Bedeutung: Durch die Zusammenarbeit von Diabetologen und Psychosomatikern in der diabetologischen Schwerpunktpraxis wird es möglich, betroffene Patienten zeitnah zu sehen. Des Weiteren kann die häufig vorhandene Ambivalenz der Patienten gegenüber einer Psychotherapie verringert werden, wenn der behandelnde Diabetologe auf einen ihm bekannten und mit ihm in der Praxis zusammenarbeitenden Psychosomatiker verweisen kann. Die Patienten erleben es darüber hinaus als unterstützend, dass die Psychotherapeutin das problematische Krankheitsverhalten akzeptiert und dabei keinen „erhobenen Zeigefinger“ vermittelt. Die Patienten haben oft tiefe Ängste vor möglichen Anschuldigungen oder Bloßstellungen von Seiten des Behandlungsteams. Erleben die Patienten die psychosomatische Begleitung als unterstützend, sind sie oft eher bereit, die Gespräche in einer längerfristigen ambulanten Psychotherapie fortzusetzen oder sich, wie in dem beschriebenen Fall, auf eine stationäre psychosomatisch-psychotherapeutische Behandlung einzulassen. Eine weitere wichtige Schnittstelle besteht in dem regelmäßigen Austausch zwischen dem diabetologischen Behandlerteam und der psychosomatischen Ambulanz. In dem beschriebenen Fall war es für das diabetologische Behandlungsteam sehr wichtig, von den frühen Traumatisierungen des Patienten zu wissen, um so die häufigen Terminabsagen des Patienten besser verstehen und darauf eingehen zu können. Die in dem Fall dargestellten Verbesserungen der Stoffwechseleinstellung und der psychischen Symptomatik decken sich mit den Beschreibungen in der Literatur. Zum Beispiel zeigen Ismail et al. [4] in einer Übersichtsarbeit, dass niederschwellige psychotherapeutische Interventionen psychosoziale Behandlungshindernisse reduzieren und zu einer Verbesserung der Blutzuckereinstellung bei Patienten mit Diabetes Typ 2 führen. Vergleichbare Effekte einer psychosomatischen Intervention konnten bei Patienten mit Typ-1-Diabetes nachgewiesen werden [1]. Bezüglich Konzepten zur integrativen Versorgung ist das multidisziplinäre Behandlungskonzept von Katon et al. [5] hervorzuheben. Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen, dass sich, wie auch in dem vorgestellten Fall, eine Kombination von verschiedenen Behandlungsmaßnahmen und eine enge Vernetzung der unterschiedlichen Behandler günstig auf eine Verbesserung der Blutzuckerwerte als auch auf eine Verringerung der depressiven Symptomatik auswirkt. Autorenerklärung: Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen Verbindungen mit einer Firma haben. deren Produkt in diesem Artikel eine wichtige Rolle spielt (oder mit einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt).

Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: 592–595 · B. Köhler u. J. Kruse, Behandlung eines Patienten …

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3Diabetespatienten, die sowohl unter einer schwierigen Stoffwechseleinstellung wie auch unter depressiven Symptomen leiden, können von einer verzahnten diabetologisch-psychosomatischen Versorgung deutlich profitieren. 3Bereits durch ein niedrigschwelliges psychosomatisches Angebot, das im Rahmen der diabetologischen Schwerpunktpraxis durchgeführt wird, können die betroffenen Patienten unterstützt werden, ihr Krankheitsverhalten besser zu verstehen und zu verändern. 3Psychosomatische Institutsambulanzen können so ein weiterer wichtiger Baustein in der Behandlung von Patienten mit Diabetes und psychosozialen Belastungen sein.

Abstract

Treatment of a patient with type-2 diabetes mellitus and a depressive disorder ▼ History and clinical presentation: A 65-year-old man with type 2 diabetes mellitus and unfavorable metabolic values in combination with obesity and arterial hypertension and considerable psychosocial strains presented at a psychosomatic outpatient clinic. During the course of diagnostic sessions a problematic illness behavior as well as a depressive symptomatology that had developed after the death of his wife a few years earlier became apparent. Diagnosis, therapy, course: An avoidant illness behavior and a moderate depressive episode were diagnosed. Within a low threshold psychosomatic intervention an understanding of illness could be established and psychosocial barriers of diabetes therapy were reduced. The patient was able to outline achievable goals of his diabetes treatment and began their successful implementation. Within a stepped-care approach the patient could also be motivated for an inpatient psychosomatic treatment. During the course of treatment the patient experienced a remission from his depressive symptomatology and a notable improvement of metabolic values. Conclusions: With the help of a close cooperation between diabetes specific and psychotherapeutic treatment in psychosomatic outpatient clinics, patients with high blood glucose levels and comorbid depression can be enabled to gain a better understanding of their illness behavior and change it in their favor.

Literatur 1 Didjurgeit U, Kruse J, Schmitz N et al. A time-limited problem orientated psychotherapeutic intervention in Type 1 diabetic patients with complications: a randomised controlled trial. Diabetes Med 2002; 19: 814–821 2 Egede LE, Nietert PJ, Zheng D. Depression and all-cause and coronary heart disease mortality among adults with and without diabetes. Diabetes Care 2005; 28: 1339–1345 3 Hofmann M, Koehler B, Kruse J, Leichsenring F. Depression as a risk factor for mortality in individuals with diabetes: a meta-analysis of prospective studies. http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0079809 4 Ismail K, Winkley K, Rabe-Hesketh S. Systematic review and metaanalysis of randomized controlled trials of psychological interventions to improve glycaemic control in patients with type 2 diabetes. Lancet 2004; 363: 1589–1597 5 Katon WJ, Lin EHB, von Korff M et al. Collaborative care for patients with depression and chronic illnesses. New Engl J Med 2010; 363: 2611–2620 6 Katon WJ, Rutter C, Simon G et al. The association of comorbid depression with mortality in patients with type 2 diabetes. Diabetes Care 2005; 28: 2668–2672 7 Köhler B, Kruse J. Integrative Versorgungskonzepte bei Patienten mit Diabetes und psychosozialen Belastungen. Z Verhaltensther Verhaltensmed 2011; 32: 358–372 8 Kruse J, Petrak F, Herpertz S et al. Diabetes mellitus und Depression – eine lebensbedrohliche Interaktion. Z Psychosom Med Psychother 2006; 52: 289–309 9 Kruse J, Schmitz N, Thefeld W. On the association between diabetes and mental disorders in a community sample. Diabetes Care 2003; 26: 1841–1846 10 Lustman PJ, Anderson RJ, Freedland KE et al. Depression and poor glycemic control: a metaanalytic review of the literature. Diabetes Care 2000; 23: 934–942 11 Wagner G, Icks A, Albers B, Abholz HH. Diabetes mellitus Typ 2 und Depressivität: Was ist ursächlich für was? Dtsch Med Wochenschr 2012; 137: 523–528

Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: 592–595 · B. Köhler u. J. Kruse, Behandlung eines Patienten …

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Konsequenz für Klinik und Praxis

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[Treatment of a patient with type-2 diabetes mellitus and a depressive disorder].

A 65-year-old man with type 2 diabetes mellitus and unfavorable metabolic values in combination with obesity and arterial hypertension and considerabl...
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