Leserbriefe Med Klin Intensivmed Notfmed 2015 · 110:77–78 DOI 10.1007/s00063-014-0425-5 Online publiziert: 18. Januar 2015 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

Zum Beitrag Scherbaum WA, Scherbaum CR (2014) Diabetesnotfälle. Med Klin Intensivmed Notfmed 109:279–294

Leserbrief V. Rosival Synlab® Abteilung für Laboratoriumsmedizin, DérerKrankenhaus, Bratislava, Slowakei

Zur ausführlichen Arbeit „Diabetesnotfälle“ [1] habe ich 2 Anmerkungen 1. Im Vordergrund des Abschnitts „Diabetische Ketoazidose“ stehen „Insulinmangel“ und „lnsulinbehandlung“. Seit der Verleihung des Nobelpreises­ im Jahr 1977 an Rosalyn S. Yalow für die Entwicklung neuer Methoden­ der biochemischen Analyse, die auch Messung der Insulinkonzentration im menschlichen Plasma ermöglichen, werden diese Methoden weltweit verwendet. Welche Konzentration des plasmatischen Insulins muss man bei der Insulinbehandlung erreichen, um sicher zu sein, dass nicht eine Ketoacidose entstehen kann? Auf S. 280 schreiben die Verfasser „Beim HHS [hyperglykämisches Syndrom] ist noch eine ausreichende Insulinsekretion vorhanden, die eine gesteigerte Lipolyse noch hemmen kann und damit die Ketonkörperbildung weitgehend verhindert, aber nicht mehr für eine Reduktion der Hyperglykämie […] ausreicht“. Wie hoch ist in dieser Situation der numerische Wert der plasmatischen Insulinkonzentration? 2. Auf S. 281 schreiben die Verfasser „Die Letalität der DKA [diabetische Ketoacidose] ist in spezialisierten Zentren auf weniger als 1% zurückge-

Behandlung des Komas bei diabetischer Ketoacidose gangen“. Diese Behauptung ist nicht zielführend: Bei der DKA ist nur das schwerste Stadium, Koma (S. 280), lebensgefährlich und die Letalität des Komas ist zwischen 100%, z. B. [2], und 0 Prozent, z. B. [3]. Wenn man die Behandlung in diesen 2 Arbeiten vergleicht, so stellte sich heraus, dass bei der Null-Letalität auch Infusionen von Natriumbikarbonat verabreicht wurden, während bei der 100%-Letalität die Behandlung ohne Natrium­ bikarbonat war. Dass dieser Unterschied ausschlaggebend war, erklärt auf S. 282 der Literaturhinweis 13 (Edge et al.) und auch die Arbeit von Nyenwe et al. [4]: Das glykolytische Enzym Phosphofruktokinase ist vom pH-Wert abhängig, da seine Aktivität mit sinkendem pH-Wert sinkt. Somit wird die Utilisation von Glukose in den Gehirnzellen gehemmt bis unmöglich gemacht. Trotzdem schreiben die Verfasser auf S. 284: „Vor einer grundsätzlichen Bikarbonatgabe zum Ausgleich der Acidose muss dringend gewarnt werden (…)“. Ist etwa eine Null-Letalität von Koma bei DKA unerwünscht? Wo findet man Berichte über Null-Letalität von Koma bei DKA ohne Verabreichung von alkalisierenden Lösungen?

Korrespondenzadresse Dr. V. Rosival Synlab® Abteilung für Laboratoriumsmedizin, Dérer-Krankenhaus Limbová 5 SK-833 05 Bratislava Slowakei E-Mail: [email protected]

Interessenkonflikt.  V. Rosival gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur 1. Scherbaum WA, Scherbaum CR (2014) Diabetesnotfälle. Med Klin Intensivmed Notfmed 109:279– 294 2. Basu A, Close CF, Jenkins D et al (1993) Persisting mortality in diabetic ketoacidosis. Diabet Med 10:282–284 3. Umpierrez GE, Kelly JP, Navarrete JE et al (1997) Hyperglycemic crises in urban blacks. Arch Intern Med 157:669–675 4. Nyenwe EA, Khan AE, Razavi LN et al (2010) Acidosis: the prime determinant of depressed sensorium in diabetic ketoacidosis. Diabetes Care 33:1837– 1839

Erwiderung W.A. Scherbaum1, C.R. Scherbaum2 1Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 2Klinikum der Universität München

Zur Anmerkung 1) Die Messung der Plasmainsulinkonzentration bei der diabetischen Ketoacidose (DKA) und beim hyperosmolaren hyperglykämischen Syndrom (HHS) ist weder aus diagnostischen Gründen sinnvoll, noch würde sie Aufschlüsse über die Pathophysiologie des Geschehens geben. Bei einem hohen Plasmaglukosespiegel wird unabhängig von der auslösenden Ursache die Insulinsekretion supprimiert. Darüber hinaus wird durch die beim HHS wie auch der DKA vorhandene Exsikkose auch die Insulinwirkung beeinträchtigt. Es gibt keine Daten zu den numerischen Insulinwerten, die vor einer DKA schützen oder eine gesteigerte Lipolyse eben noch hemmen. Eine solche Untersuchung ist aus methodischen Gründen praktisch nicht durchführbar. Auch muss bedacht werden, dass sowohl die DKA als auch insbesondere das HHS meist mit einem komplexen pathogenetischen Geschehen­ verbunden sind, das neben dem absoluten oder relativen Insulinmangel auch

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Leserbriefe andere wesentliche Triggerfaktoren mit einschließt, die wir in unserem Übersichtsartikel benannt haben.

Zur Anmerkung 2) Die Letalität der DKA schwankt in der Tat in weiten Grenzen und ist nicht nur von der Expertise des behandelnden Zentrums, sondern auch vom Schweregrad der DKA abhängig. Deren schwerste­Form ist mit einem Koma und fast regelmäßig mit einer schweren Acidose verbunden, die meist mit Bikarbonat ausgeglichen werden muss. Dies steht außer Frage und wurde von uns auch entsprechend dargelegt. Wir wollen hier nochmals betonen, dass sich alle Experten darüber einig sind, dass vor einer grundsätzlichen Bikarbonatgabe zum Ausgleich schon einer leichten Acidose dringend gewarnt werden muss. Der Leserbrief mit dem Hinweis des Verfassers auf die biochemischen Konsequenzen eines absinkenden pHWerts gibt uns die Gelegenheit, nochmals eindringlich darauf hinzuweisen, dass es in der klinischen Situation der DKA nicht anzustreben ist, die Stoffwechselsituation schlagartig zu „normalisieren“. Vielmehr muss dies sehr behutsam geschehen, um ein lebensgefährliches Disäquilibriumsyndrom zu verhindern.

Korrespondenzadressen Univ.-Prof. Dr. W.A. Scherbaum Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Moorenstraße 5 40225 Düsseldorf Deutschland E-Mail: [email protected] Dr. C.R. Scherbaum Klinikum der Universität München Medizinische Klinik und Poliklinik IV Ziemssenstraße 1 80336 München Deutschland E-Mail: [email protected]

Interessenkonflikt .  W.A. Scherbaum und C.R. Scherbaum geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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Buchbesprechungen St.Pierre, M, Hofinger, G

Human Factors und Patienten­ sicherheit in der Akutmedizin Heidelberg: Springer Verlag 2014, 3. überarb. Auflage, 368 S., 62 Abb., (ISBN 978-3-662-45879-2), 59.99 EUR Das in den ersten beiden Auflagen unter dem Titel „Notfallmanagement“ erschienene Buch ist in der 3. Auflage nochmals deutlich erweitert und komplett aktualisiert. Es zählt hiermit weiterhin zu den herausragenden Standardwerken mit allen wesentlichen Aspekten des modernen akutklinischen Risikomanagements und der Patientensicherheit. Die neue Auflage besticht durch eine noch größere Praxisnähe zur klinischen Routinearbeit, indem viele sorgfältig erprobte Umsetzungskonzepte aufgenommen und um aktuelle Themenkomplexe erweitert wurden. Insbesondere der neu konzipierte und stark erweiterte Überblick über das Themenfeld „Organisation“ spiegelt umfassend die neuesten Ergebnisse aus der Organisationspsychologie, den aktuellen Erkenntnissen des Risikomanagements und der klinischen Arbeit wider. Das Werk fokussiert sehr gut auf die wesentlichen Mechanismen von akutmedizinischen Entscheidungsfindungen inklusive der hierin impliziten - nicht selten erfolgskritischen Human Factor Aspekte. Es beschreibt tiefgreifend und verständlich die zentralen (Klinik-) Teamaspekte mit den korrespondierenden organisatorischen und psychologischen Rahmenbedingungen. Das Buch zeigt eindrucksvoll – in einer sehr klaren Sprache und vielen anschaulichen Darstellungen – den aktuellen Erkenntnisstand hinsichtlich des Zusammenwirkens differenter akutklinischer Systemebenen und ihren direkten oder mittelbaren Einfluss auf konkretes menschliches Handeln im klinischen Alltag. Es verfügt über eine exzellente aktuelle Literaturübersicht, ein durchdachtes Stichwortregister und viele Gliederungshilfen zum schnellen Memorieren und Wiederauffinden. Das Buch gibt allen in der Akutmedizin arbeitenden Menschen, berufs- und disziplinübergreifend, konkrete Unterstützung und ermöglicht tiefgreifendes Verständnis von aktuellen Erkenntnissen zur Patientensicherheit und

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den prognosebestimmenden Faktoren im klinischen Risikomanagement. Es wird für Berufsanfänger und für Erfahrene gleichermaßen wertvolle Handlungsorientierung im täglichen klinischen Alltag liefern. Dieses Buch verdient einen festen Platz am Arbeitsplatz jeden Entscheidungsträgers in der Akutmedizin C.K. Lackner/Hp. Moecke/K. Burghofer (München/Hamburg)

[Treatment of coma in diabetic ketoacidosis].

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