Originalien Urologe 2014 · 53:854–864 DOI 10.1007/s00120-014-3529-x Online publiziert: 10. Juni 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

C. Groeben1 · J.C. Streuli2 · T. Krones2, 3 · B. Keck4 · M.P. Wirth1 · J. Huber1 1 Klinik und Poliklinik für Urologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus

an der Technischen Universität Dresden 2 Institut für Biomedizinische Ethik, Universität Zürich 3 Klinische Ethik, UniversitätsSpital Zürich 4 Klinik für Urologie, Universitätsklinikum Erlangen

Redaktion H. Rübben, Essen

Therapie des nichtmetastasierten Prostatakarzinoms Eine systematische Übersicht interaktiv personalisierter patientenorientierter Entscheidungshilfen

Hintergrund und Fragestellung Mit dem Patientenrechtegesetz ist die ärztliche Aufklärungspflicht über sämtliche Therapieoptionen seit Februar 2013 im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert (§ 630e BGB). Die aktuelle „S3-Leitlinie Prostatakarzinom“ geht inhaltlich sogar noch einen Schritt weiter: Patienten sollen „durch ebenso qualifizierte wie allgemeinverständliche Informationen zur Therapieentscheidung befähigt werden“ [29]. Mit 100% Konsens in der Gesamtabstimmung und dem Empfehlungsgrad A sind damit für den ärztlichen Alltag häufig nur schwer erfüllbare Ansprüche formuliert, wenn man ihnen ausschließlich durch selbst geführte Beratungsgespräche gerecht werden möchte. Die Kultur einer partizipativen Entscheidungsfindung fordert die Kommunikationspartner jedoch nicht nur, sie bietet auch konkrete Hilfestellungen – beispielsweise durch sog. „decision aids“ (Entscheidungshilfen). Bei Bedarf kompetent auf solche qualitativ hochwertigen Ressourcen verweisen zu können ist daher zunehmend von praktischer Bedeutung.

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Obwohl unsere Patienten immer aktiver an medizinischen Entscheidungen teilnehmen, ist ihr tatsächliches Wissen über die Erkrankung und mögliche Behandlungsoptionen häufig recht begrenzt [11]. Dieses Defizit kann zu unrealistischen Erwartungen an das Behandlungsergebnis führen und steigert dadurch die Gefahr mit der getroffenen Entscheidung unzufrieden zu sein [30]. Besonders angesichts der sehr guten Prognose beim nichtmetastasierten Prostatakarzinom muss die langfristige Zufriedenheit mit der Therapieentscheidung ein bedeutsamer Zielparameter sein [21]. Aber wie können wir unseren Patienten eine optimale Informationsstrategie an die Hand geben? Als didaktisch hochwertige Option zur Informationsvermittlung und Klärung der persönlichen Werturteile haben sich im angelsächsischen Raum sog. „decision aids“ etabliert. Unter diesem Begriff lassen sich alle Interventionen zusammenfassen die Patienten dabei unterstützen, sich informiert und selbstbestimmt zwischen unterschiedlichen Optionen zu entscheiden; hierzu zählt stets auch der Be-

handlungsverzicht [24]. Als Mindestvoraussetzung müssen sie Informationen über diese verschiedenen Optionen und deren Behandlungsergebnisse vermitteln. Nach dieser weiten Definition stellen auch Informationsbroschüren wie die S3-Patientenleitlinie (s. . Infobox 1) Entscheidungshilfen dar. Allerdings lassen solche statischen Informationsangebote die Möglichkeiten einer risikoadaptierten und entsprechend gewichteten Präsentation der individuell relevanten Informationen ungenutzt. Beispielsweise sollte die Wertigkeit der aktiven Überwachung für Patienten mit niedrigem Risiko anAbbildung 2: ©Michael A Diefenbach, Brian P Butz. Originally published in the Journal of Medical Internet Research (http://www.jmir. org/2004/1/e3/). Abbildung 3: ©Lindsey Reichlin, Nithya Mani, Amy Harris, Kara McArthur, Nithin Rajan, Clifford Dacso. Originally published in the Journal of Medical Internet Research http://www.jmir. org/2011/1/e4/. Die Abbildungen 2 und 3 wurden unter den Bedingungen der Creative Commons Attribution License (http://www.creativecommons.org/ licenses/by/2.0/) veröffentlicht.

Infobox 1  Auswahl online verfügbarer deutschsprachiger Informationsmaterialien für Patienten mit nichtmetastasiertem Prostatakarzinom F Patientenratgeber zur S3-Leitlinie Prostatakarzinom

1http://www.dgu.de/fileadmin/MDB/ PDF/PCA_1.pdf

F Die blauen Ratgeber: 17 Prostatakrebs 1http://www.krebshilfe.de/blaue-ratgeber.html

F Informationsseiten des Krebsinformationsdienstes

1http://www.krebsinformationsdienst.

de/tumorarten/prostatakrebs/index. php F Informationsmaterial zur PREFERE-Studie (Broschüre, Aufklärungsvideo und Entscheidungshilfen in der Niedrigrisiko-Situation) 1http://www.prefere.de/fuer-patienten/ die-prefere-studie/aufklaerungsmaterialien/ F Entscheidungshilfe zum PSA-Screening mit grundlegenden Informationen zur möglichen Therapieentscheidung im Verlauf 1http://www.aok.de/portale/bundesweit/psa F Informationen über Prostatakrebs und benigne Prostataerkrankungen (Herausgeber: Takeda Pharma) 1http://www.prostata.de

ders dargestellt werden als bei mittlerem oder hohem Risiko [29]. Auch obstruktive Miktionsbeschwerden oder eine erektile Dysfunktion könnten in eine individualisierte Darstellung einfließen. Ziele eines solchen Ansatzes wären die Komplexität der Entscheidung so weit wie möglich zu reduzieren und Patienten bei der Integration unterschiedlicher Wertentscheidungen zu unterstützen. Damit würden gute patientenorientierte Entscheidungshilfen zugleich dabei helfen, Leitlinien in die alltägliche Entscheidungsfindung zu integrieren. Zusätzlich könnten Nomogramme [15, 19] in die tatsächliche Entscheidungsfindung einfließen und so regelhaft ihren Nutzen entfalten. Dabei sollen Entscheidungshilfen die ärztliche Beratung unterstützen und können sie selbstverständlich nicht ersetzen. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, personalisierte patientenorientierte Ent-

Originalien Bis 03/2009 [18]: 13 aus 219 potentiell relevanten Referenzen

03/2009 bis 11/2013: 136 potentiell relevante Referenzen

121 ausgeschlossen

9 ausgeschlossen

19 Volltextartikel

4 Entscheidungshilfen aus anderen Quellen

13 Duplikate

10 Entscheidungshilfen zur Auswertung

Abb. 1 8 Flow-Chart zur systematischen Literatursuche

scheidungshilfen zur Therapie des nichtmetastasierten Prostatakarzinoms systematisch zusammenzustellen. Dabei lag ein Schwerpunkt darauf zu prüfen welche interaktiven Möglichkeiten sie nutzen, um eine auf die individuelle Situation des Patienten abgestimmte Informationsdarstellung zu erreichen.

halte interaktiv personalisieren zu können. Eine abgeschlossene wissenschaftliche Evaluation der Intervention war keine notwendige Voraussetzung. Dadurch erweitert sich die Grundgesamtheit für die systematische Suche deutlich und wir gestalteten unsere Suchstrategie daher pragmatisch.

Material und Methoden

Suchstrategie

Ein- und Ausschlusskriterien Da der Schwerpunkt dieser Übersicht auf dem Kennenlernen unterschiedlicher didaktischer Strategien liegt, fassen wir den Begriff „Entscheidungshilfe“ eher weiter und schließen Angebote mit ein, die zu einer Therapieempfehlung führen. Diese Priorisierungsmodelle stellen entsprechend der zunehmend standardisierten Nomenklatur [28] als „decision analysis“ [8] streng genommen eine zweite Kategorie dar. Wir suchten systematisch nach etablierten patientenorientierten Entscheidungshilfen zur Primärtherapie des nichtmetastasierten Prostatakarzinoms, die mehrere Behandlungsmodalitäten miteinander vergleichen. Im Gegensatz zur rein statischen Informationsdarstellung musste für den Nutzer die Möglichkeit bestehen, persönliche oder krankheitsbezogene Angaben in der Entscheidungshilfe zu hinterlegen. Dieses Einschlusskriterium stellt eine Mindestanforderung dar, um gegebenenfalls In-

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Der Urologe 6 · 2014

Wir suchten nach englisch- oder deutschsprachigen Entscheidungshilfen. Für publizierte oder registrierte Evaluationsstudien konnten wir auf ein systematisches Review mit etwas weiter gefassten Einschlusskriterien aufbauen [18]. Die verwendeten Suchtermini lauteten hierbei „decision support technologies“ oder „decision aid“ oder „patient education“ kombiniert mit „prostate cancer treatment“ oder „prostatic neoplasm/therapy“ und „patient participation“ oder „decision-making“. Hier konnten die Autoren 13 Entscheidungshilfen identifizieren [18] von denen 4 EDV-gestützt waren und eine Personalisierung der Entscheidungshilfe zuließen. Da diese Arbeit den Stand zum März 2009 erfasst, wandten wir dieselbe Suchstrategie [18] auf den folgenden Zeitraum bis einschließlich 14. November 2013 an und identifizierten weitere 136 potentiell relevante Referenzen aus den Datenbanken PubMed, Cochrane Library, Web of Science und Cinahl. Nach Ausschluss von 121 Referenzen überprüf-

ten wir 15 Volltextartikel und fanden sieben weitere Entscheidungshilfen. Von diesen insgesamt 11 Entscheidungshilfen erfassten nur sechs patientenspezifische Daten und erfüllten damit unsere Einschlusskriterien (. Abb. 1). Alle Schritte der Datenextraktion führten CG und JH unabhängig voneinander durch und klärten anschließend abweichende Urteile im Konsens. Ergänzend suchten wir mithilfe gebräuchlicher Internetsuchmaschinen und befragten Experten auf dem Gebiet der partizipativen Entscheidungsfindung. Hierüber konnten wir vier weitere Entscheidungshilfen einschließen, die bislang noch nicht evaluiert wurden (. Abb. 1). Bei mehreren vorliegenden Versionen einer Entscheidungshilfe, nahmen wir jeweils die aktuellste auf. Die angegebenen Hyperlinks haben wir zuletzt am 16.12.2013 eingesehen.

Fragestellungen und Bewertungskriterien Die „International Patient Decision Aid Standard (IPDAS-)Collaboration“ hat in den vergangenen Jahren sehr detaillierte Kriterien zur standardisierten Bewertung von Entscheidungshilfen erarbeitet [28]. Diese erschienen allerdings für einen Überblick prinzipiell möglicher didaktischer Strategien nicht als gut geeignet. Daher erarbeiten wir für die vorliegende Arbeit folgende relevanten Kategorien: Wir erfassten die mediale Form der Informationsdarstellung (z. B. Text, Videos, Grafiken) und die dargestellten Therapieoptionen. Hierbei prüften wir wie die krankheitsbezogenen Informationen präsentiert werden und ob beispielsweise Nomogramme als Risikomodelle mit einbezogen sind. Weiterhin untersuchten wir die eingeschlossenen Entscheidungshilfen auf Individualisierungs- und Personalisierungsmöglichkeiten. Hierbei war entscheidend, welche persönlichen Merkmale hierzu erfasst wurden und in welchem Umfang diese Eingang in die Darstellung der Information und Therapievorschläge fanden. Abschließend analysierten wir die Ergebnisse der einzelnen Entscheidungshilfen; neben konkreten Behandlungsempfehlungen können diese auch in einer Zusammenstellung personalisierter Infor-

Zusammenfassung · Abstract mationen für weitere Beratungsgespräche bestehen.

Ergebnisse Entsprechend unserer Einschlusskriterien konnten wir 10 interaktive Entscheidungshilfen identifizieren. Alle stammen aus dem angelsächsischen Sprachraum und sind damit nur in englischer Sprache verfügbar (. Tab. 1). Vier von 10 Entscheidungshilfen sind als kostenlose Angebote online verfügbar. Vier Entscheidungshilfen wurden bisher nur im Rahmen von Studien genutzt und 2 werden oder wurden kommerziell vertrieben. Es werden zwischen 2 und 7 Therapieoptionen beschrieben, wobei die radikale Prostatektomie sowie die perkutane Radiatio stets dargestellt sind. Auch Anzahl und Art der erfassten Parameter zur Individualisierung der Entscheidungshilfe unterscheiden sich deutlich: Als klinische Parameter werden häufig PSA-Wert und Gleason-Score erfragt, als persönliche Eigenschaften die ethnische Zugehörigkeit, das Alter und Ansichten zu möglichen Nebenwirkungen. Insgesamt bieten fast alle der hier untersuchten Entscheidungshilfen die Möglichkeit, die vom Patienten gemachten Angaben sowie die erhalten Informationen abschließend zusammen zu fassen und mit dem behandelnden Arzt zu besprechen. Hierbei geben nur 2 von 10 Entscheidungshilfen eine konkrete Therapieempfehlung, die sie aus den vom Patienten eingegeben Daten ableiten (. Tab. 2). Ein Beispiel für eine solche konkrete Therapieempfehlung ist die Entscheidungshilfe „time after time“ [20]. Sie zeichnet sich durch eine innovative Gestaltung als ernsthaftes Spiel („serious game“) aus (. Abb. 2). Durch die Bewertung von Nebenwirkungskarten kann der Anwender eine individuelle Beurteilung der Nebenwirkungsprofile verschiedener Therapieoptionen anhand einer 5-stufigen Skala abgeben (das Problem wäre: keines – sehr klein – klein – mittelschwer – groß). Die eingegebenen Werturteile werden von der Software zu einer vergleichenden Gesamtbewertung integriert und die Therapieoptionen Prostatektomie, Brachytherapie, perkutane Radiatio und „watchful waiting“ in einem sehr verein-

Urologe 2014 · 53:854–864  DOI 10.1007/s00120-014-3529-x © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 C. Groeben · J.C. Streuli · T. Krones · B. Keck · M.P. Wirth · J. Huber

Therapie des nichtmetastasierten Prostatakarzinoms. Eine systematische Übersicht interaktiv personalisierter patientenorientierter Entscheidungshilfen Zusammenfassung Hintergrund.  Aus Patientensicht ist die Therapieentscheidung beim nichtmetastasierten Prostatakarzinom komplex. Zu ihrer Unterstützung werden im angelsächsischen Raum zunehmend EDV-gestützte Entscheidungshilfen eingesetzt, die eine Personalisierung der Information ermöglichen. Um die didaktischen Möglichkeiten und Grenzen kennenzulernen, identifizierten wir entsprechende patientenorientierte Entscheidungshilfen. Material und Methoden.  Einschlusskriterium war die Möglichkeit zur Eingabe persönlicher oder krankheitsbezogener Daten als Grundvoraussetzung einer Personalisierung. Mittels systematischer Literatur- und Internetrecherche bis 11/2013 sowie durch Gespräche mit Experten identifizierten wir insgesamt 10 Entscheidungshilfen von denen 6 wissenschaftlich evaluiert sind. Vergleichend bewerteten wir die einzelnen Entscheidungshilfen sowie Design und Ergebnisse der Evaluationsstudien. Ergebnisse.  Die Entscheidungshilfen beschreiben zwei bis sieben Therapieoptio-

nen, wobei die radikale Prostatektomie und die perkutane Radiatio stets dargestellt sind. Auch Anzahl und Art der erfassten Parameter unterscheiden sich deutlich. Aus den Angaben leiten zwei Entscheidungshilfen eine konkrete Therapieempfehlung ab. Die wissenschaftliche Evaluation zeigt nach der Nutzung ein erhöhtes Wissen über die Erkrankung und eine größere Zuversicht bei der Therapiewahl. Die Zufriedenheit mit der Entscheidungshilfe war in allen Studien überwiegend hoch. Schlussfolgerung.  Für Patienten mit nichtmetastasiertem Prostatakarzinom existieren ausschließlich englischsprachige personalisierte Entscheidungshilfen. Sie können die partizipative Entscheidungsfindung für Patienten und Ärzte erleichtern, sodass hier mittelfristig Handlungsbedarf besteht. Schlüsselwörter Entscheidungshilfe · Multimediasoftware · Entscheidungsfindung, partizipative · Patientenorientierung · Prostatakarzinom

Treatment of nonmetastatic prostate cancer. A systematic review of interactive, personalized patient decision aids Abstract Background.  Patients with nonmetastatic prostate cancer face a complex treatment decision. To support them with personalized information, a variety of interactive computerized decision aids have been developed in Anglo-Saxon countries. Our goal was to identify relevant decision aids and investigate their didactic strengths and limitations. Materials and methods.  We included decision aids that derived individualized content from personal and clinical data provided by the patient. By conducting a systematic literature and internet research through November 2013 supplemented by expert interviews, we identified 10 decision aids of which 6 had been investigated scientifically. We compared their individual characteristics as well as the design and results of the evaluation studies. Results.  The decision aids present two to seven therapy choices, whereby radical prostatectomy and percutaneous radiotherapy

are always included. Number and type of parameters provided by the patient also vary considerably. Two decision aids derive a therapeutic recommendation from the patient’s input. Evaluation studies showed higher disease-related knowledge and greater confidence in the treatment decision after using one of six decision aids. Satisfaction with the decision aid was predominantly high. Conclusions.  Currently personalized patient decision aids for treatment of nonmetastatic prostate cancer are only available in English. These tools can facilitate the shared decision making process for patients and physicians. Therefore, comparable decision aids should be developed in German. Keywords Decision aid · Multimedia software · Shared decision making · Patient centeredness · Prostate cancer

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Originalien Tab. 1  Übersicht der identifizierten Entscheidungshilfen Entscheidungshilfe „Prostate Interactive Education System“ (PIES) „The Personal Patient Profile-Prostate“ (P3P) „Time after time“ „Prostate Cancer: Your Decision Notebook®“ „Knowing your options: a decision aid for men with clinically localized prostate cancer“ „Prostate cancer: should I have radiation or surgery for localized prostate cancer?“ „Wiser care, prostate module“ „CD-ROM shared decision making program“ „Prostate cancer decision aid“ „Multimedia program“

Institution Fox Chase Cancer Center und Temple University, Philadelphia, PA Dana-Farber Cancer Institute, Boston, MA The Abramson Center for the Future of Health, Houston, TX National Cancer Institue, HealthMark Multimedia, Bethesda, MD

Land USA

Jahr 2002

Ausrichtung Gemeinnützig

Verfügbarkeit http://www.temple.edu/imits/piesweb

USA

2007

Wissenschaftlich

Nur im Rahmen der P4-Studie

USA

2009

Wissenschaftlich

Nicht öffentlich verfügbar

USA

2002

Kommerziell

Agency for Healthcare Research and Quality, Department of Health and Human Services, Rockville, MD

USA

2011

Gemeinnützig

Kostenpflichtige CD-Rom. Vorschau: http://www.healthmarkmultimedia. com/ydn/prostateCancer/index.html http://www.effectivehealthcare.ahrq. gov/ehc/decisionaids/prostate-cancer

Healthwise, Incorporated, Boise, ID

USA

2011

Gemeinnützig

WiserCare LLC, Los Angeles, CA

USA

2012

Kommerziell

Robert H. Lurie Comprehensive Cancer Center, Medical School, Chicago, IL Cancer Research Institute at Queen’s University, Kingston, Ontario School of Social Sciences and Law, University of Teesside, Middlesbrough

USA

2001

Wissenschaftlich

Kanada

2012

Gemeinnützig

UK

2004

Wissenschaftlich

http://www.everydayhealth.com/ health-center/prostate-cancer-should-ihave-radiation-or-surgery-for-localizedprostate-cancer.aspx Verfügbar nach kostenpflichtiger Anmeldung: http://www.wisercare.com Nicht öffentlich verfügbar http://www.queensu.ca/cce/resources/ patienteducation/decisionaid.html Nicht öffentlich verfügbar

Tab. 2  Bewertung der einzelnen Entscheidungshilfen Entscheidungshilfe

Evaluation [7]

Therapieoptionen

Umsetzung

Erfasste   Parameter

RPE, EBRT, BT

Alter, GS, PSA, bevorzugtes Behandlungsverfahren, Informationsverhalten, bevorzugter Modus der Entscheidungsfindung

„The Personal Patient Profile-Prostate“ (P3P)

[3]

RPE, EBRT, BT

Multimediale Inhalte eingebettet in ein virtuelles Krankenhaus mit Arztgesprächen, supportiven Angeboten, Selbsthilfegruppe und Bibliothek Multimediale Aufbereitung der Information, Videobeiträge

„Time after time“

[20]

RPE, EBRT, BT, WW

„Prostate Interactive Education System“ (PIES)

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Gestaltung als ernsthaftes Spiel

Alter, Schulbildung, Familienstand, ethnische Zugehörigkeit, Arbeitssituation, Verdienst, Freizeit, Sprache, Kontinenz, Miktion, Stuhlgewohnheiten, Erektionsfähigkeit, hormonelle Symptomatik Individuelle Beurteilung der Nebenwirkungsprofile der Therapieoptionen anhand einer fünfstufigen Skala

Parameter der Individualisierung PSA, GS, Alter, Informiertheit, Präferenzen bezüglich Informationsumfang

Umfang der Personalisierung Auswahl von Therapieoptionen in der virtuellen Realität

Zusammenfassung der Ergebnisse +

Art und Grad der Therapieempfehlung Keine Empfehlung

Alter, ethnische Zugehörigkeit, Schulbildung, Sprache

Sprachwahl, Protagonist in Kurzvideos wird an Alter und ethnische Zugehörigkeit des Patienten angepasst

+

Keine Empfehlung

Individuelle Beurteilung der möglichen Nebenwirkungen

Erstellung gewerteter individueller Risikoprofile für jede Therapieoption, Integration zu vergleichender Gesamtbewertung

+

Interpretation der Werturteile mit Therapieempfehlung als Rangliste, keine Angaben zu Überlebenszeit oder Rezidivraten

Tab. 2  Bewertung der einzelnen Entscheidungshilfen (Fortsetzung) Entscheidungshilfe

Evaluation [26]

Therapieoptionen

Umsetzung

Erfasste Parameter

RPE, EBRT, BT, HT, WW

Multimediale Aufbereitung der Information und drei interaktive Entscheidungswerkzeuge

PSA, GS, T-Stadium, Lebensgewohnheiten, Prioritäten

Parameter der Individualisierung Nebenwirkungsprofile, Prioritäten

„Knowing your options: a decision aid for men with clinically localized prostate cancer“



RPE, EBRT, BT, HT, AS/ WW, KT, HIFU

Überwiegend textbasierte Entscheidungshilfe ergänzt mit kurzen Videos und Grafiken

PSA, GS, klinisches T-Stadium, Beurteilung der Nebenwirkungsprofile der Therapieoptionen

Individuelle Beurteilung der möglichen Nebenwirkungen

„Prostate cancer: should I have radiation or surgery for localized prostate cancer“ „Wiser care, prostate module“



RPE, EBRT

Textbasierte Entscheidungshilfe

Keine patientenspezifischen Daten, Verständnisfragen als Quiz



RPE, EBRT, BT, AS

Textbasiert, Auswahllisten, Diagramme, Grafiken

PSA, GS, T-Stadium, biometrische Daten, ethnische Zugehörigkeit, Komorbiditäten, sexuelle Funktion

„CD-ROM shared decision making program“

[16]

RPE, EBRT, HT, WW

PSA, GS, T-Stadium, Alter, Komorbidität

„Prostate cancer decision aid“



RPE, EBRT, BT, AS/ WW

Textbasiert mit Grafiken und Videos zu Therapieoptionen, ärztlichen Empfehlungen und Patientenerfahrungen Textbasiert, Auswahllisten, Tabellen

Individuelle Beurteilung der Therapieoptionen und möglicher Nebenwirkungen Klinische Angaben, persönliche Präferenzen, Gewichtung der möglichen Nebenwirkungen Krankheitsbezogene Angaben

PSA, GS, Entscheidungskriterien und Bewertung möglicher Nebenwirkungen

Persönliche Präferenzen, Gewichtung der möglichen Nebenwirkungen

„Multimedia program“

[9]

RPE, EBRT, AS/WW

Multimedia Präsentation (Video, Audio, Grafiken, Text)

TNM-Stadium, Erkrankungsstadium, Miktion



„Prostate Cancer: Your Decision Notebook®“

Umfang der Personalisierung Vergleich von medizinischen Parametern und Patientenpräferenz; Vergleich der Nebenwirkungsprofile Auswahl von Themen zur Diskussion mit dem behandelnden Arzt, individuelle Zusammenstellung der Informationen Abschließende Auflistung der beantworteten Fragen und Bewertungsskalen

Zusammenfassung der Ergebnisse +

Art und Grad der Therapieempfehlung Keine Empfehlung

+

Keine Empfehlung

+

Keine Empfehlung

Rangliste von Therapieoptionen entsprechend Patientenbewertungen

+

Informationen werden den Angaben angepasst



Interpretation der Werturteile mit Empfehlung der Therapieentscheidung als Rangliste Keine Empfehlung, Ausschluss einzelner Therapieoptionen

Ausschluss von Therapieoptionen anhand der Beurteilung möglicher Nebenwirkungen Keine Individualisierung; ergänzend CopingStrategien

+

Keine Empfehlung

(+)

Keine Empfehlung

RPE radikale Prostatektomie, BT Brachytherapie, EBRT perkutane Radiotherapie, HT Hormontherapie, AS „active surveillance“, KT Kryotherapie, WW „watchful waiting“, HIFU hochintensiver fokussierter Ultraschall, GS Gleason-Score.

fachten Ranking dargestellt (. Abb. 2b). Hier ist fraglich inwieweit der zugrunde liegende Algorithmus dieser Integration tatsächlich der individuellen Meinungsbildung nahe kommt. Die Entscheidungshilfe erlaubt es dem Anwender zusätzlich offene Fragen im Verlauf des „Spiels“ zu sammeln und gemeinsam mit der Ge-

samtbewertung für die folgenden Beratungsgespräche zu nutzen. Bislang ist keine Version zum Einsatz für Patienten verfügbar. Eine weitere didaktische Option ist im „Prostate Interactive Education System – PIES“ umgesetzt [6, 7]. Hier sind multimediale Inhalte mit Rollenspielelemen-

ten in ein virtuelles Krankenhaus eingebettet (. Abb. 3): Ärztliche Beratungsgespräche (Strahlentherapie, Urologie), supportive Angebote (erektile Dysfunktion, Unterstützung des Partners, Ernährung), eine virtuelle Selbsthilfegruppe und eine Bibliothek stehen zur individuellen Information zur Verfügung. Die Nutzer könDer Urologe 6 · 2014 

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Originalien

Abb. 2 9 Gestaltung als ernsthaftes Spiel („serious game“). Bewertung von Nebenwirkungskarten (a), Auswertung (b). (Adaptiert aus [20])

in den Rückmeldungen zu der spielerischen Umsetzung „time after time“ [20] kritisierten die Nutzer zu wenige Vorabinformationen sowie die intransparente Integration der einzelnen Werturteile; die Datengrundlage und Berechnung der Therapieempfehlung erschienen nicht nachvollziehbar.

Diskussion

Abb. 3 9 Lobby des virtuellen Krankenhauses. (Adaptiert aus [6])

nen klinische Parameter (Alter, GleasonScore, initialen PSA-Wert), aktuell bevorzugtes Behandlungsverfahren und standardisierte Fragen zu Persönlichkeitszügen (Informationsverhalten, Entscheidungsfindung) in die Software eingeben und die Ergebnisse sind für weitere Beratungsgespräche als gedruckte Zusammenfassung verfügbar. Eine wirkliche Individualisierung der dargestellten Information findet auf der Basis dieser Angaben jedoch nicht statt. Weitreichender ist die Individualisierung in der Anwendung „The Personal Patient Profile-Prostate – P3P“ gelöst [3, 4]. Die interaktive Anpassung der Inhalte erfolgt hier nach soziodemographischen Daten und Persönlichkeitszügen. Letztere werden mit validierten Instrumenten erhoben (z. B. „Control Preferences Scale“, „Expanded Prostate Cancer Index Composite“). Von allen identifizierten Entscheidungshilfen ist das P3P am intensivsten evaluiert [3, 4].

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Der Urologe 6 · 2014

Insgesamt wurden bereits 6 der identifizierten Entscheidungshilfen wissenschaftlich untersucht (. Tab. 3), 3 hiervon in randomisierten kontrollierten Studien. Alle Studien untersuchten die Zufriedenheit im Umgang mit der jeweiligen Entscheidungshilfe. Weitere Outcomeparameter waren Veränderung des Wissensstandes, Ängstlichkeit, Unsicherheit mit der Therapieentscheidung und die Bewertung des Entscheidungsfindungsprozesses. Zusammenfassend zeigte sich, dass Patienten nach Nutzung einer Entscheidungshilfe ein höheres Wissen über ihre Erkrankung haben und ihre Therapieentscheidung mit größerer Sicherheit treffen. Die Therapieentscheidung selbst scheint jedoch nicht in allen Fällen wesentlich beeinflusst zu werden. In zwei Studien zeigte sich kein eindeutiger Effekt. Lediglich in einer Studie fand sich in der Interventionsgruppe eine deutliche Tendenz zur Brachytherapie [3]. Die allgemeine Zufriedenheit mit der Entscheidungshilfe war in allen Studien hoch. Lediglich

Bei medizinischen Fragen besteht zunehmend das Bedürfnis nach partizipativer Entscheidungsfindung [11, 23]. Idealerweise unterstützen Entscheidungshilfen den gesamten Prozess der Entscheidungsfindung von der Gesprächsvorbereitung bis hin zur Integration einzelner Werturteile und können dadurch die ärztlichen Beratungsgespräche entlasten. Wie ein kürzlich aktualisiertes Cochrane-Review zeigte [24], steigern „decision aids“ die Informiertheit, helfen bei der bewussten Wahrnehmung individueller Werturteile und senken die Unsicherheit in Bezug auf die letztlich getroffene Entscheidung. Außerdem fördern sie die aktive Einbeziehung des Patienten. Auch die getroffenen Entscheidungen verändern sich: Die Rate invasiver Maßnahmen sinkt zugunsten konservativer Ansätze [24]. Für Patienten mit Prostatakarzinom fand eine systematische Übersicht von 2009 vergleichbare Ergebnisse [18]. Lediglich die Veränderung der Therapieentscheidung ließ sich bei gleicher Tendenz nicht mit ausreichender Sicherheit bestätigen. Dabei könnte die Reduzierung invasiver Therapieverfahren bei Niedrigrisikopatienten einen wichtigen Beitrag zur Verringerung von Übertherapie leisten.

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RCT

[7]

[3]

[20]

[26]

[16]

„Prostate Interactive Education System“ (PIES)

„The Personal Patient Profile-Prostate“ (P3P)

„Time after time“

„Prostate Cancer: Your Decision Notebook®“

„CD-ROM shared decision making program“

Nichtkontrolliert

RCT

MixedmethodsAnsatz mit Befragung und Fokusgruppe

RCT

Studiendesign

Evaluation

Entscheidungshilfe

30

Neudiagnostiziertes Prostatakarzinom ohne erfolgte Therapieentscheidung

Neudiagnostiziertes Prostatakarzinom ohne erfolgte Therapieentscheidung

Lokal begrenztes Prostatakarzinom nach Therapiebeginn im Rahmen monatlicher Selbsthilfegruppentreffen

13

120

Lokal begrenztes Prostatakarzinom, multizentrisch (6 Institutionen in 4 Städten)

Neudiagnostiziertes Prostatakarzinom ohne erfolgte Therapieentscheidung

Setting

494

72

n

Tab. 3  Design und Ergebnisse der Evaluationsstudien

DA

InformationsCD-Rom mit DA vs. ohne DA

Ernsthaftes Spiel („serious game“)

Standardinformationsmaterial vs. DA vs. nach Informationsgewohnheiten individualisiertes DA Standardund OnlineInformation vs. P3P-DA

Interventionen

Informationsquellen der Patienten, Akzeptanz und Praktikabilität der Intervention, Vorbereitung auf Therapieentscheidung, Umfang der CD-Rom-Nutzung Wissen, Bildung, Therapiepräferenz, Zufriedenheit mit DA, erhaltene Therapie

Entscheidungskonflikt/-unsicherheit, Zeit bis Therapiebeginn, Therapiewahl, Zufriedenheit mit DA Akzeptanz und Praktikabilität der Intervention, Unsicherheit mit der Therapieentscheidung

Akzeptanz des DA, Informationsgewohnheiten, Nervosität/Angst, Zufriedenheit mit Entscheidung, Therapieentscheidung

Gemessene Outcomeparameter

74% Quiz richtig beantwortet, korreliert mit Bildung (p0,4)





Höheres Wissen im Vergleich zur Kontrolle

Wissen

90% folgen „wahrscheinlich“ oder „sehr sicher“ ihrer Therapiepräferenz

76% berichten höhere Kontrolle über Therapieentscheidung







Einbindung in die Entscheidungsfindung



Kein Unterschied (p>0,9)

Reduktion der Therapieunsicherheit in Einzelfällen

Verringerte Unsicherheit mit eigener Entscheidung(p=0,04)

Verringerte Unsicherheit mit eigener Entscheidung (p=0,03)

Angst/Unsicherheit

67% geänderte Therapiewahl nach Nutzung





Mehr Brachytherapie (p=0,01)

Kein signifikanter Effekt

Therapieentscheidung









Erhöhte Zufriedenheit (p=0,02)

Zufriedenheit mit Therapieentscheidung

80% der Patienten sehr zufrieden mit dem DA

Hohe Zufriedenheit mit der Informationsvermittlung, Mängel in der praktischen Umsetzung und Individualisierung 60% der Patienten sind zufrieden mit dem DA als Vorbereitung auf die Therapieentscheidung

Gute Akzeptanz (Mittelwert 25 auf einer Skala von 6–30)

Zufriedenheit mit der Entscheidungshilfe Information war klarer und angemessener (p

[Treatment of nonmetastatic prostate cancer: a systematic review of interactive, personalized patient decision aids].

Patients with nonmetastatic prostate cancer face a complex treatment decision. To support them with personalized information, a variety of interactive...
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