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Vasopressin-Rezeptor-Antagonisten: Aktueller Stellenwert in der Therapie der Herzinsuffizienz
Autoren
N. Gassanov1 Z. Taghiyev1 M.T. Le1 E. Biesenbach1 S. Baldus1 F. Er1,2
Institut
1 Klinik III für Innere Medizin, Herzzentrum der Universität zu Köln 2 Klinik I für Innere Medizin, Klinikum Gütersloh
Einleitung ▼
Cys1
Vasopressin spielt eine zentrale Rolle bei der Regulation des Wasserhaushalts und der Serumosmolarität. Bei chronischer Herzinsuffizienz ist die Vasopressin-Sekretion erhöht. Die Blockade der Vasopressin-Rezeptoren ist daher ein pathophysiologisch sinnvoller Therapieansatz bei Herzinsuffizienz. Dies beruht vor allem auf den vasodilatatorischen und aquaretischen Eigenschaften der Vasopressin-Rezeptor-Antagonisten (Vaptane) ohne Beeinflussung der Nierenfunktion.
Try2
Asn5
Phe3
Gin4
Physiologie ▼ Synthese, Sekretion und Metabolismus von Vasopressin Vasopressin ist ein Nonapeptid mit einer Disulfidbrücke zwischen den beiden Cystein-Gruppen in Position 1 und 6 (q Abb. 1). Es wird als Prohormon (Prä-Pro-Vasopressin) in den magnozellulären Neuronen der Nuclei supraopticus und paraventricularis des Hypothalamus synthetisiert [17, 28]. Aus Prä-Pro-Vasopressin entsteht über posttranslationale Proteolyse erst Pro-Vasopressin und schließlich Vasopressin zusammen mit dem Trägerprotein Neurophysin II. Über den Tractus supraoptico-hypophysealis gelangt Vasopressin in den Hypophysenhinterlappen, von wo aus das Peptid in die systemische Zirkulation entleert wird [17]. Vasopressin nimmt bei der Regulation des Wasserund Elektrolythaushaltes eine zentrale Stelle ein. Der wichtigste Sekretionsstimulus ist eine erhöhte Plasmaosmolarität [24]. Daneben sind auch nichtosmotische Stimuli wie Verminderung des effektiven Plasmavolumens, Hypoxie, Übelkeit, Hypotonie, Hypoglykämie, Schmerz und Medikamente bekannt [7]. Alkohol dagegen hemmt die Vasopressinsekretion. Äußerst sensible Osmorezeptoren im Hypothalamus induzieren bereits ab einem Anstieg der Plasmaosmolarität um 1 % eine Vasopressin-Freisetzung in das Gefäßsystem [24]. Ein Abfall n
S S
Cys6
Pro7
Arg8
Gly9 (NH2)
Abb. 1 Molekulare Struktur des Vasopressins.
des mittleren arteriellen Drucks um 5–7 % oder die Reduktion des Plasmavolumens um 8–10 % stellen ebenfalls einen ausreichenden Sekretionsstimulus dar [26]. Vasopressin führt einerseits zu einem vermehrten Durstgefühl, andererseits wirkt es renal antidiuretisch. Beides resultiert in einem Anstieg des arteriellen Blutvolumens und der gleichzeitigen Senkung der Plasmaosmolarität. Vasopressin wird rasch von Vasopressinasen der Leber und der Niere abgebaut und hat eine Halbwertzeit von 10– 35 Minuten [17].
Nephrologie, Kardiologie Übersicht | Review article
Schlüsselwörter Vasopressin Vaptane Hyponatriämie Herzinsuffizienz
q q q q
Keywords vasopressin vaptans hyponatremia heart failure
q q q q
Wirkmechanismus Vasopressin entfaltet seine Wirkung als Peptidhormon überwiegend durch Bindung an G-Protein-gekoppelte Vasopressin-Rezeptoren [17]. Bisher sind drei Vasopressin-Rezeptoren identifiziert worden, die als V1a-, V1b- (auch V3- genannt) und V2-Rezeptoren klassifiziert werden (q Abb. 2). Der überwiegend in den glatten Gefäßmuskelzellen, Hepatozyten und Thrombozyten lokalisierte V1a-Rezeptor (V1aR) vermittelt vor allem eine Vasokonstriktion. Der V1b-Rezeptor (V1bR) hingegen wird überwiegend von Zellen des Hypophysenhinterlappens exprimiert. Seine physiologische Rolle ist nicht vollständig geklärt, er wird jedoch mit einer Corticotropin- und GlucagonFreisetzung in Verbindung gebracht [4]. Außerdem scheint er die Zellproliferation und -differenzierung zu beeinflussen [10]. Beide Rezeptoren sind an einen Phosphoinositol-Signalweg gekoppelt. Haupteffekt des V2R ist die Regulation der Wasserresorption im renalen Sammelrohr (q Abb. 3). V2R ist anders als die V1-Rezeptoren
eingereicht 12.02.2013 akzeptiert 08.08.2013 Bibliografie DOI 10.1055/s-0033-1349548 Dtsch Med Wochenschr 0 2013; 1380 0:2313–2318 · © Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Priv.-Doz. Dr. Natig Gassanov Klink III für Innere Medizin, Herzzentrum der Universität zu Köln Kerpener Str. 62 50924 Köln Tel. 0221-47832354 Fax 0221-47832712 eMail Natig.Gassanov@ uk-koeln.de
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Vasopressin receptor antagonists in therapy of congestive heart failure
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Vasopressin-Rezeptoren
V1aR
V1bR (= V3R)
– Glatte Gefäßmuskulatur – Leber – Thrombozyten – ZNS – Herz
V2R
– Hypophyse – Pankreas
PLC/IP3 Ca2+
– Niere – Endothel
AC cAMP
PLC/IP3 Ca2+
· Vasokonstriktion · Thrombozytenaggregation · Glykogenolyse · Myokardhypertrophie
Freisetzung von · ACTH · Beta-Endorphin · Insulin · Glukagon
Lumen/Urin
Abb. 2 Vasopressin-Rezeptoren: Subtyp, Lokalisation und die vermittelnden Effekte. PLC = Phospholipase C; ACTH = Adrenocorticotropin; IP3 = Inositol-triphosphat; AC = Adenylatcyclase; cAMP = cyclisches Adenosinmonophosphat.
· Wasserresorption · Sekretion des von WillebrandFaktors
Sammelrohr
Blut
Abb. 3 Wirkmechanismus von Vasopressin auf die renale Wasserresorption.
H2O H2O
H2O
H2O
Exozytose
2
1 Bindung des Vasopressins an den V2-Rezeptor 2 Aktivierung des cAMP als second messenger 3 Einbau von Aquaporinen in das luminale Plasmalemm
4
Speichervesikel
Second messenger 1
3 Aquaporin 2
cAMP V2R
4 Osmotische Wasserabsorption in das Blut
an eine Adenylatcyclase gekoppelt und erhöht letztlich die intrazelluläre cAMP-Konzentration als second messenger. Die Signalkaskade führt zu einem Einbau des im Zytosol gelagerten Aquaporins-2 in die apikale Plasmamembran mit nachfolgendem Wasserausstrom aus dem Nierentubulus ins Gefäßsystem. Vasopressin stimuliert auch den Oxytocin-Rezeptor, der v. a. vom Uterus-, den Brustdrüsen- und Endothelzellen exprimiert wird, und den purinergen P2-Rezeptor. Die Stimulation des P2Rezeptors bewirkt über G-Proteine eine Steigerung der Inotropie sowie eine koronare Dilatation. Die klinische Relevanz dieser Befunde ist jedoch widersprüchlich [17].
kurzgefasst Vasopressin wird im Hypothalamus synthetisiert und über den supraoptiko-hypophysären Trakt in den Hypophysenhinterlappen transportiert. Das Hormon spielt eine zentrale Rolle bei der Regulation des Wasser- und Elektrolythaushaltes und wird v. a. bei erhöhter Plasmaosmolarität freigesetzt. Die Wirkung des Vasopressins wird durch drei Vasopressin-Rezeptoren (V1a, V1b- und V2-Rezeptoren), den purinergen P2und Oxytocin-Rezeptor vermittelt.
Vasopressin
Pathogenese der Wasserretention bei Herzinsuffizienz ▼ Die chronische Herzinsuffizienz ist die gemeinsame Endstrecke verschiedener kardialer Erkrankungen. Dazu gehören neben der koronaren Herzkrankheit und der arteriellen Hypertonie auch Klappenvitien, Herzrhythmusstörungen, Myokarditiden, Stoffwechselerkrankungen, genetische Herzmuskelerkrankungen, Perikarderkrankungen und medikamentös-toxische Einwirkungen. Die linksventrikuläre systolische und diastolische Funktionseinschränkung verursacht eine verminderte Auswurfleistung, wodurch auch das arterielle Blutvolumen sinkt. Der Organismus versucht über verschiedene adaptive Mechanismen eine ausreichende Perfusion der Organe aufrecht zu erhalten. Komplexe neurohormonelle und zelluläre Kompensationsmechanismen sind bei einer Herzinsuffizienz aktiviert [18]. Diese umfassen die Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron(RAAS) und des sympathischen Nervensystems mit konsekutiver Freisetzung von Vasopressin, Thromboxanen und Endothelin. Die RAAS-Aktivierung trägt wesentlich zur Progression der Herzinsuffizienz bei. Das durch das RAAS aktivierte Angiotensin II bewirkt eine starke Vasokonstriktion und darüber hinaus die Aldosteron-Freisetzung aus der Nebennierenrinde [6]. Aldosteron fördert im Nierentubulus den Rücktransport von Natrium
Dtsch Med Wochenschr 2013; 138: 2313–2318 · N. Gassanov et al., Vasopressin-Rezeptor-Antagonisten: Aktueller Stellenwert …
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Tab. 1
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Phamakologische Eigenschaften der verschiedenen Vaptane. Tolvaptan
Lixivaptan
Satavaptan
Conivaptan
29:1
100:1
112:1
1:6–10
Applikationsart
oral
oral
oral
i. v.
Proteinbindung
99 %
99 %
88–90 %
98.5 %
Elimination Halbwertszeit (h)
6–8
7–10
14–17
3.1–7.8
Metabolismus
Hepatisch
Hepatisch
Hepatisch
Hepatisch
Elimination
Stuhl
Stuhl
Stuhl
Stuhl
Dosierung (mg/Tag)
15 (max. 60)
10–400
5–50
20 (max. 40)
Nebenwirkungen
Pollakisurie, Durst, Müdigkeit, Polyurie,
Hypotension, Hypernatriämie,
Durst,
Lokale Hautreizung,
Polydipsie, Hepatotoxizität
Dehydratation (bei Dosierungen
trockener
Kopfschmerz, Durst
> 200 mg), Durst
Mund
Phase III
nicht
Zugelassen in den USA
bekannt
zur Therapie der euvo-
Rezeptorspezifität
Klinischer Status
Zugelassen in den USA zur Therapie der eu- bzw. hypervolämischen Hyponatriämie als sekundäre Folge der chronischen
lämischen/ hypervolämi-
Herzinsuffizienz oder SIADH; Zulassung in
schen Hyponatriämie
Europa zur Therapie von SIADH-induzierter Hyponatriämie
und Wasser aus dem Urin ins Blut. Die gesteigerte VasopressinFreisetzung bewirkt eine V1aR-vermittelte Vasokonstriktion und eine V2R-vermittelte Wasserretention. Darüber hinaus führt die Vasopressin-vermittelte Stimulation kardialer V1a-Rezeptoren zur Hypertrophie der Myokardzellen im Zellkulturmodell [21]. Entsprechend gilt eine erhöhte Vasopressin-Konzentration als prognostischer Marker der Herzinsuffizienz und korreliert mit dem Schweregrad der kardialen Schädigung [11].
kurzgefasst Durch das geminderte Herzminutenvolumen bei Herzinsuffizienz sinken das zirkulierende Blutvolumen und der Blutdruck. Daraufhin wird das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System aktiviert und auch Vasopressin vermehrt ausgeschüttet. Durch die Natrium- und Wasserretention kann anfangs die kardiale Insuffizienz kompensiert werden. Später trägt die zunehmende Vasopressin-Freisetzung zur Progression der Erkrankung bei.
Vasopressin-Rezeptor-Antagonisten in der Therapie der Herzinsuffizienz ▼ Die Standardtherapie der Wasserretention bei Herzinsuffizienz mit Diuretika bewirkt zwar einerseits eine schnelle symptomatische Verbesserung durch die Ausschwemmung des überflüssigen Wassers, birgt andererseits aber auch die Gefahr einer erhöhten Aktivität von Neurohormonen, einer Verschlechterung der Nierenfunktion und von Elektrolytverschiebungen in sich. Der Einfluss einer Vielzahl von Substanzen ist auf ihre Wirkungen auf die akute und chronische Herzinsuffizienz überprüft worden. Erste Vasopressin-Antagonisten auf Peptidbasis wurden in den 1970er Jahren von Mannig und Sawyer beschrieben [25]. Diese waren allerdings schwach, kurz wirksam und nicht oral verfügbar. Erst 1992 beschrieb Yamamura den ersten nicht-peptidischen V2R-Antagonisten [32]. Seitdem sind mehrere Vasopressin-Rezeptor-Antagonisten, auch als Vaptane bekannt, entwickelt und in klinischen Studien getestet worden. Zu den am besten untersuchten Vaptanen gehören der kombinierte V1a/V2R-
Antagonist Conivaptan und die mehr spezifischen V2R-Antagonisten Tolvaptan, Lixivaptan und Satavaptan. Die primäre Intention für den Einsatz dieser Substanzklasse zielte darauf ab, die Wasserresorption in den Nieren über Blockade der V2-Rezeptoren zu hemmen und damit eine reine Wasserdiurese ohne Natriumverlust zu erzielen. Diese Substanzen eignen sich aus diesem Grund für die Behandlung der hypervolämischen Hyponatriämie und anderen Erkrankungen mit Ödembildung, wie die Leberzirrhose und das Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH).
Tolvaptan ▼ Pharmakologie Tolvaptan ist ein oraler, nicht-peptidischer V2R-Antagonist (q Tab. 1). Die in den USA zugelassene Standarddosierung bei euvolämischer und hypervolämischer Hyponatriämie bei Herzinsuffizienz liegt bei 15 mg/d und sollte in der Klinik begonnen werden. Eine renal oder hepatisch bedingte Dosisanpassung muss generell nicht erfolgen. Bei Anurie, Volumendepletion, hypovolämischer Hyponatriämie, Hypernatriämie und während Schwangerschaft und Stillzeit ist Tolvaptan kontraindiziert. Die Halbwertszeit liegt bei 6–8 Stunden [23]. Tolvaptan wird über Cytochrom P450–3A4 (CYP3A4) metabolisiert und zeigt daher vor allem mit CYP3A4-inhibierenden Substanzen relevante Interaktionen. Häufigste Nebenwirkungen sind Durst, häufiges Wasserlassen und ein trockener Mund [22]. Erst kürzlich informierte der Hersteller in einem Rote-Hand-Brief über eine arzneimittelinduzierte Leberschädigung, die als Folge einer Dauertherapie bei Patienten mit autosomaler dominanter polyzystischer Nierenerkrankung in klinischen Studien beobachtet wurde. Limitierend ist darüber hinaus der hohe Preis des Medikamentes (eine 15 mg bzw. 30 mg Tablette kostet 88 bzw. 176 Euro).
Klinische Studien Tolvaptan ist das am besten untersuchte Vaptan bei Herzinsuffizienz. Eine Übersicht über die wichtigsten randomisierten Studien mit Tolvaptan und anderen Vaptanen bei Herzinsuffizienz gibt q Tab. 2.
Dtsch Med Wochenschr 2013; 138: 2313–2318 · N. Gassanov et al., Vasopressin-Rezeptor-Antagonisten: Aktueller Stellenwert …
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(V2R/V1aR)
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Tab. 2
Übersicht über die wichtigsten randomisierten, doppelblinden und Placebo-kontrollierten Studien mit Vaptanen bei Patienten mit Herzerzinsuffizienz.
TOLVAPTAN
Studie
Patientenkollektiv
Dosierung
Ergebnisse
[14]
Chronische symptomatische HI (NYHA I-IV),
30, 45, 60 mg/Tag
Körpergewichtsreduktion, erhöhtes Urinvolumen,
n=254
für 25 Tage
Reduktion von Ödemen, Steigerung des Serumnatri-
Symptomatische HI und EF