Originalarbeit

VATS-Lobektomie – Ein Standardverfahren in der Therapie des nicht kleinzelligen Lungenkarzinoms im Stadium I? VATS Lobectomy – A Standard Procedure in the Therapy for Stage I Non-Small Cell Lung Cancer? Autoren

M. Grallert 1, D. Uhlmann 2, M. Bartels 3, M. Steinert 1

Institute

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Schlüsselwörter " Thoraxchirurgie l " operative Medizin l " endoskopische Chirurgie l " Lungenkarzinom l Key words " thoracic surgery l " operative medicine l " endoscopic surgery l " cancer l

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0033-1350854 Zentralbl Chir 2013; 138: 40–44 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0044‑409X Korrespondenzadresse Dr. Martin Grallert Klinik für Thoraxchirurgie Martha-Maria Krankenhaus Halle-Dölau Röntgenstr. 1 06120 Halle Deutschland Tel.: 03 45/5 59 18 82 Fax: 03 45/5 59 18 83 [email protected]

Klinik für Thoraxchirurgie, Martha-Maria Krankenhaus Halle-Dölau Deutschland Chirurgische Klinik, Klinikum Döbeln, Deutschland Chirurgische Klinik II – Visceral-, Transplantations-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Universitätsklinikum Leipzig, Deutschland

Zusammenfassung

Abstract

!

!

Die VATS-Lobektomie im Stadium I des nicht kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) wird seit 1991 praktiziert, wurde jedoch wegen erheblicher Zweifel an der Sicherheit und onkologischen Zulässigkeit des Verfahrens lange nicht der konventionellen Lobektomie als gleichwertig erachtet. In dieser Arbeit soll eine kritische Darstellung der eigenen Erfahrungen sowie die Beurteilung der systematischen Etablierung der Lobektomie mittels videoassistierter Thoraxchirurgie (VATS) als Standardverfahren in der Therapie des primären NSCLC im Stadium I als Alternative zur konventionellen Operationsmethode dargestellt werden. Hierzu wurden retrospektiv 42 Patienten mit einem NSCLC im Stadium I aus dem Jahre 2010 (Kollektiv I), die sich einer konventionellen Lobektomie unterzogen, mit 30 Patienten aus dem Jahre 2011 (Kollektiv II), die im gleichen Tumorstadium mittels VATS-Lobektomie versorgt wurden, hinsichtlich OP-Zeit, Anzahl resezierter Lymphknoten, Schmerzmittelbedarf, Drainagedauer, Rate an postoperativen Komplikationen und Krankenhausverweildauer verglichen. Zwar ergibt sich für die VATS-Lobektomie eine ca. 30 min längere OP-Zeit, sie bietet jedoch deutliche Vorteile bez. postoperativem Schmerzmittelbedarf, Drainagedauer sowie postoperativen Komplikationen. Die Anzahl resezierter Lymphknoten war bei beiden Verfahren gleich. Die VATS-Lobektomie stellt eine unumgängliche Erweiterung im operativen Management eines Lungenkrebszentrums dar. Unsere Ergebnisse zeigen, dass diese neue Methode der konventionellen Lobektomie nicht nur gleichwertig, sondern überlegen ist. Die erhobenen Daten dieser Arbeit und der darin diskutierten Literatur verdeutlichen, dass die VATS-Lobektomie in Zukunft eine entscheidende Rolle in der Therapie des NSCLC im Stadium I, möglicherweise auch im Stadium II und IIIA spielen wird.

Even though VATS lobectomy has been practised since 1991 in stage I of non-small cell lung cancer (NSCLC), it was not being considered equivalent to conventional lobectomy due to considerable doubts in terms of safety and oncological permissibility. This study describes our experience and an evaluation of the systematic establishment of lobectomy by means of video-assisted thoracic surgery (VATS) as standard treatment of NSCLC in stage I, which serves as an alternative to conventional surgery. For this purpose, 42 NSCLC patients in stage I, undergoing a conventional lobectomy in 2010 (group I), were retrospectively compared to 30 patients in the same tumour stage (group II) who were treated in 2011 using VATS lobectomy. The comparison of these two groups was drawn regarding operation time, number of resected lymph nodes, required analgesics, duration of drainage, rate of postoperative complications and length of hospital stay. Although VATS lobectomy requires a longer operation time of approximately 30 minutes, it shows significant advantages in reference to postoperative need of analgesics, duration of drainage and complications after surgery. Furthermore, the amount of resected lymph nodes was comparable in both groups. Therefore, VATS lobectomy constitutes an essential extension for the operative management in a lung cancer centre. Our results show that this new method is not only of equal, but of superior value compared to conventional lobectomy. Our experience and recent data in the literature illustrate that VATS lobectomy will play a decisive role in therapy for NSCLC in stage I, potentially even in stages II and IIIA.

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Einleitung !

Das Lungenkarzinom gilt mit circa 1,61 Millionen Neuerkrankungen weltweit pro Jahr als die häufigste Krebsart überhaupt [1]. In der Bundesrepublik Deutschland erkrankten laut dem Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD) im Jahre 2008 rund 34 000 Männer und 15 600 Frauen an einem Lungenkarzinom, circa 29 500 Männer und 13 000 Frauen verstarben daran [2]. Im Jahre 2010 war es mit einem Anteil von rund 16% die zweithäufigste Krebstodesursache bei Frauen und mit 25,5 % die häufigste Krebstodesursache bei Männern in Deutschland [3]. Der Goldstandard in der operativen Therapie des NSCLC im Stadium I bis IIIA ist, gemäß den aktuell gültigen S3-Leitlinien der „Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V.“ (AWMF), die über eine Thorakotomie offen-chirurgisch durchgeführte, anatomische Lobektomie mit systematischer Lymphadenektomie [4]. Im Rahmen des stetigen Fortschritts der Medizin wurden neue Operationsverfahren entwickelt, die schonender und weniger belastend für den Patienten sein sollen. Zudem müssen neue Operationsmethoden vor allem in der onkologischen Chirurgie, gemessen an den traditionellen Operationsverfahren, mindestens ein gleichwertiges onkologisches Outcome gewährleisten. Mit der Entwicklung neuester minimalinvasiver Operationsmethoden erfuhr die VATS (Video-Assisted Thoracic Surgery) seit ihrer Einführung in die Thoraxchirurgie, vor allem in den USA, eine stetige Akzeptanz und zunehmende Verbreitung. Die VATS hat die klassische Thorakoskopie nahezu vollständig abgelöst, bedingt durch eine enorme technische Entwicklung mit optimierten Instrumentarien und einer modernen Videotechnologie. In gleichem Maße ersetzt sie die explorative Thorakotomie zur Abklärung unklarer pleuropulmonaler Prozesse. Im frühen Stadium des Lungenkarzinoms kann eine alleinige Operation die vollständige Heilung erzielen. Hier scheint ein bedeutender Vorteil für den Patienten in der minimalinvasiven Therapie des NSCLC zu liegen, der sogenannten VATS-Lobektomie. Ungeachtet der guten Ergebnisse mehrerer amerikanischer Arbeitsgruppen mit dieser Technik bereits Anfang der 90er-Jahre [5–7], findet diese Operationsmethode in Deutschland bis dato nur schwerlich Akzeptanz und wird in wenigen Zentren durchgeführt. Die VATS-Lobektomie wird zwar der konventionellen Lobektomie als gleichwertig angesehen, jedoch in der aktuell gültigen S3-Leitlinie für den Patienten bislang nicht empfohlen [4]. Begründet wird dies mit noch fehlenden Daten zum Zeitpunkt der Erstellung der S3-Leitlinie. Ziel der vorliegenden Arbeit ist eine kritische Darstellung der eigenen Erfahrungen sowie die Beurteilung der systematischen Etablierung der VATS-Lobektomie als Standardverfahren in der Therapie des primären NSCLC im Stadium I als Alternative zur konventionellen, offen-chirurgischen Operationsmethode.

Patienten und Methode !

Retrospektiv wurden insgesamt 241 Patienten untersucht, die im Zeitraum 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2011 aufgrund eines primären Lungenkarzinoms in der Klinik für Thoraxchirurgie des Martha-Maria Krankenhauses Halle-Dölau gGmbH operativ versorgt wurden. Im Jahre 2010 waren es 111 Patienten mit einem primären Lungenkarzinom und 130 Patienten im Jahre 2011. Nach Etablierung der VATS-Lobektomie wurden im Jahr 2011 von den 130 Patienten mit einem NSCLC insgesamt 52 Patienten

(40,3 %) durch dieses Verfahren versorgt. Davon wiesen 30 Patienten ein Stadium I (57,7 %) auf, 17 Patienten ein Stadium II (32,7 %), weitere 4 ein Stadium IIIA (7,7%) und 1 Patient ein Stadium IV (1,9 %). Eingeschlossen in die weitere Untersuchung zur Gegenüberstellung der beiden operativen Methoden wurden insgesamt 42 Patienten aus dem Jahre 2010 (Kollektiv I), die sich einer konventionellen Lobektomie unterzogen, sowie 30 Patienten aus dem Jahre 2011 (Kollektiv II), die mittels VATS-Lobektomie versorgt wurden. Die Indikation zur VATS-Lobektomie im Jahre 2011 wurde gestellt, wenn ein peripheres NSCLC im Stadium I (cT1–T2a, N0, M0) ohne pulmonale Voroperationen vorlag. Kontraindikationen waren eine zentrale Lage des Tumors, Tumorgrößen > 5 cm, tumorbedingte Thoraxwand- oder Gefäßinfiltrationen, PET-positive N1/N2-Lymphknoten bzw. mittels EBUS gesicherte Lymphknotenmetastasen sowie der Zustand nach neoadjuvanter Chemotherapie. Im Rahmen dieser Arbeit wurden retrospektiv verschiedene Parameter zur Gegenüberstellung der VATS-Lobektomie im Stadium I des NSCLC mit der herkömmlichen, offen-chirurgischen Lobektomie über eine Thorakotomie im gleichen Tumorstadium I verglichen. Untersuchungsparameter aus den patientenbezogen Daten waren: " Alter " Geschlecht " Lungenfunktion präoperativ " Schnitt-Naht-Zeit intraoperativ " quantitative Lymphadenektomie " Drainagedauer postoperativ in Tagen " Krankenhausverweildauer postoperativ " Schmerzmittelverbrauch postoperativ " postoperative Komplikationen Die präoperative Diagnostik sowie die peri- und postoperative Therapie und Überwachung war in beiden Gruppen identisch und entsprach dem Klinikstandard (perioperative Antibiotikagabe, Thromboseprohylaxe, Röntgenthorax und aktueller CT-Thorax präoperativ, wenn möglich FDG‑PET/CT, Lungenfunktionstest und Laborkontrollen). Zudem wurden alle Patienten in der interdisziplinären Tumorkonferenz im Rahmen des Lungenkrebszentrums vorgestellt und diskutiert. Postoperativ erhielten die Patienten beider Kollektive entweder eine PCEA (patientenkontrollierte Epiduralanalgesie mit Naropin/Sufentanil) oder eine PCIA (patientenkontrollierte intravenöseAnalgesie mit Oxygesic), wenn eine für die PCEA notwendige Periduralkatheter-Anlage nicht möglich war oder eine Kontraindikation hierzu (ASS-Einnahme, Heparinisierung) vorlag. Der Schmerzmittelverbrauch wurde anhand von Schmerzprotokollen ausgewertet, in denen die speziell ausgebildeten „Schmerzschwestern“ der Klinik in täglichen Kontrollen den jeweiligen Gesamtverbrauch registrierten. Die Schmerzpumpen werden in der Regel am 3. postoperativen Tag entfernt, es sei denn der Schmerzmittelbedarf des Patienten ist noch zu groß für eine orale Analgesie. Die postoperative Entfernung der Thoraxsaugdrainagen (Standardgröße: 24 Charr, Sog mit − 12 cmH2O) erfolgte stets durch das geschulte Pflegepersonal, wenn im Röntgenthorax-Übersichtsbild eine regelgerechte Reexpansion der jeweiligen Restlunge zu verzeichnen war, bei simultan nicht vorhandener AirLeckage für mindestens 12 Stunden im Verlaufsprotokoll der

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Abb. 1 Schmerzmittelverbrauch in der PCEA-Gruppe (KI n = 16; KII n = 7).

Abb. 2 Schmerzmittelverbrauch in der PCIA-Gruppe (KI n = 26; KII n = 23).

Pumpe (Fa. Medela) und einer Sekretionsmenge unter 300 ml über die letzten 24 Stunden. Im Rahmen der Analyse der postoperativen Komplikationen lag der Fokus auf den Major-Komplikationen, die entweder eine weitere Operation oder einen anderen therapeutischen Eingriff (z. B. Koronarangiografie mit Stent-Implantation) zur Folge hatten. Die statistische Auswertung erfolgte mittels SigmaPlot unter Nutzung des Mann-Whitney-Rank-Sum-Tests.

Ergebnisse !

Im Vergleich der Patienten, die sich einer konventionellen Lobektomie (Kollektiv I) unterzogen, mit dem mittels VATS-Lobektomie (Kollektiv II) versorgten Kollektiv, zeigte sich eine homogene Geschlechts- und Altersverteilung beider Kollektive (~ 24 % Frauen, ~ 76 % Männer; Durchschnittsalter ~ 67 Jahre). Ebenso zeigte sich eine homogene präoperative Lungenfunktion in beiden Kollektiven, gemessen als FEV1 (forciertes exspiratorisches Volumen pro Sekunde) in Prozent in Relation Ist- zum Sollwert des Patienten (Kollektiv I = 94,8 % Ist/Soll; 2,1 L [0,8–5,0]; Kollektiv II = 93,9 % Ist/Soll; 2,1 L [0,9–3,9]; p = 0,859). In der Gegenüberstellung zeigten die Patienten, die mittels VATSLobektomie versorgt wurden, im Durchschnitt zwar eine um 35,6 Minuten (Kollektiv I 112,4 ± 35,0 min; Kollektiv II 148 ± 39,7 min) längere OP-Zeit, jedoch einen postoperativ signifikant (p < 0,05) verminderten Schmerzmittelbedarf von 43% in der PCEA-Gruppe im Vergleich zum konventionellen Verfahren (Kollektiv I [n = 16] 553,5 ± 244,2 ml Naropin/Sufentanil vs. Kollektiv II 8 n = 7] " Abb. 1). 379,8 ± 302,7 ml Naropin/Sufentanil; siehe l In der PCIA-Gruppe zeigte sich ebenso ein tendenziell geringerer postoperativer Schmerzmittelverbrauch nach einer VATS-Lobektomie (Kollektiv I [n = 26]) 100,4 ± 73,5 mg Oxygesic; Kollektiv II " Abb. 2). [n = 23]) 86,7 ± 73,9 mg Oxygesic; siehe l Es zeigte sich nach einer VATS-Lobektomie zudem eine um etwa 50 % verkürzte Drainagedauer von 3 vs. 6 Tagen (Kollektiv I " Abb. 3) sowie eine nied6,0 ± 4,0 d; Kollektiv II 3,16 ± 2 d; siehe l rigere Rate an postoperativen Komplikationen (Kollektiv I 28,5 % " Abb. 4] vs. Kollektiv II 13,3 % [l " Abb. 5]). Im untersuchten [l Patientengut zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der Anzahl resezierter Lymphknoten nach systematischer Lymphadenektomie (p = 0,548). So wurden im Kollektiv I 15,5 ± 9,81

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Abb. 3 Postoperative Drainagedauer.

Lymphknoten und im Kollektiv II 13,3 ± 5,12 Lymphknoten reseziert. Nach VATS-Lobektomie zeigten die Patienten eine signifikant (p < 0,001) verkürzte Krankenhausverweildauer (Kollektiv I " Abb. 6). 13 ± 8 d; Kollektiv II 6,7 ± 3,1 d; siehe l

Diskussion !

Mit dieser Arbeit soll die VATS-Lobektomie als mögliches Standardverfahren in der Therapie des NSCLC im Stadium I und im weiteren Verlauf ggf. Stadium II dargestellt werden. Dieses neue Operationsverfahren soll auf seine praktische Anwendbarkeit hin überprüft werden; dies vor allem unter der Vorstellung, das operative Repertoire einer thoraxchirurgischen Schwerpunktklinik durch eine neue Operationstechnik zu erweitern, die, sinnvoll eingesetzt, neben bereits bekannten diagnostischen vor allem therapeutische Vorteile für die Patienten bieten kann. Dabei handelt es sich hier um einen retrospektiven Vergleich, der eine direkte Analyse schwierig macht. Vorteile der VATS-Lobektomie in Gegenüberstellung zur konventionellen Lobektomie spiegeln sich vor allem in einer deutlich schnelleren Rekonvaleszenz der operierten Patienten wider bedingt durch eine verkürzte Thoraxsaugdrainagen-Therapiedauer

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Abb. 4 Übersicht über die Häufigkeit und Art von postoperativen MajorKomplikationen nach einer konventionellen Lobektomie (Kollektiv I).

von durchschnittlich rund 3 Tagen im Vergleich zu rund 6 Tagen aufseiten der Patienten nach einer offen-chirurgischen Lobektomie. Dies ist vor allem durch verminderte Sekretionsmengen und geringere Fistelraten postoperativ nach einer VATS-Lobektomie begründet. Durch eine nahezu Halbierung der Drainagedauer und einer damit verbundenen zügigeren Mobilisation des Patienten konnte die postoperative Krankenhausverweildauer der Patienten von durchschnittlich 13 Tagen nach einer konventionellen Lobektomie auf rund 7 Tage nach einer VATS-Lobektomie reduziert werden. Bereits 2006 zeigte die Gruppe von McKenna et al. in einer Studie an 1100 Patienten, die mittels VATS-Lobektomie versorgt wurden, den Nachweis, dass Patienten nach einer VATS-Lobektomie eine deutlich geringere perioperative Morbidität, verbunden mit weniger postoperativen Schmerzen, und Mortalität aufwiesen als Patienten nach einer konventionellen Lobektomie bei gleichem onkologischem Resektionsausmaß [8]. Dies deckt sich auch mit unseren Erfahrungen. Den Beweis der technischen und sicheren Umsetzbarkeit der VATS-Lobektomie im frühen Stadium des NSCLC, ohne Gefährdung des Patienten, erbrachte eine prospektive Multicenterstudie („CALGB 39 802“) in den USA und belegte ebenso eine niedrigere postoperative Komplikationsrate sowie eine verkürzte postoperative Verweildauer [9]. Eine signifikant (p < 0,001) niedrigere Anzahl an postoperativen Komplikationen nach einer VATS-Lobektomie zeigt auch die Veröffentlichung aus dem Jahr 2012 von Park et al., in der insgesamt 6292 Patienten mit einem primären Lungenkarzinom untersucht wurden. Davon unterzogen sich 1523 Patienten (24%) einer VATS-Lobektomie, die übrigen wurden offen-chirurgisch versorgt. Im Ergebnis zeigte sich eine postoperative Komplikationsrate von 38 % nach einer VATS-Lobektomie im Vergleich zu 44 % [10]. Die onkologische Radikalität der VATS-Lobektomie ist in der Literatur durch mehre Studien belegt. So zeigt die bislang einzige prospektiv randomisierte Studie zu diesem Thema eine 5-Jahres-Überlebensrate von 90% in der Gruppe der VATS-Lobekto-

Abb. 5 Übersicht über die Häufigkeit und Art von postoperativen MajorKomplikationen nach VATS-Lobektomie (Kollektiv II).

Abb. 6 Postoperative Krankenhausverweildauer.

mie-Patienten mit einem NSCLC im Stadium I (n = 48). In der Vergleichsgruppe der offen durchgeführten Lobektomien (n = 52) im gleichen Tumorstadium I lag die 5-Jahres-Überlebensrate bei 85 % [11]. Eine etwas mehr Patienten umfassende, jedoch retrospektive Analyse aus dem Jahre 2009 von insgesamt 741 Patienten nach einer Lobektomie im Stadium I des NSCLC zeigt ebenso eine 5Jahres-Überlebensrate von 79% nach einer VATS-Lobektomie (n = 398) im Vergleich zu 75% nach einer konventionellen Lobektomie (n = 343) [12]. Auch die Arbeit von Yamamoto et al. bestätigte die Gleichwertigkeit der VATS-Lobektomie in Bezug auf die 5-Jahres-Überlebensrate sowohl im Stadium I als auch im Stadium II und III [13]. Die systematische Übersichtsarbeit von Whitson et al. schloss insgesamt 6370 Patienten aus 39 Studien mit einem NSCLC im Stadium I ein. Davon wurden 3114 Patienten mittels VATS-Lobektomie operiert und 3256 Patienten durch eine offen durchgeführte Lobektomie. Die Analyse erbrachte eine 5-Jahres-Überlebensrate von 80 % der 3114 Patienten, die mittels einer VATS-

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Lobektomie versorgt wurden. Die Vergleichsgruppe der konventionellen Lobektomie wies dagegen eine 5-Jahres-Überlebensrate von 66 % auf [14]. Die publizierten Ergebnisse lassen Rückschlüsse auf eine entsprechende onkologisch radikale Resektion auch in höheren Tumorstadien (Stadium II und IIIA) zu, mit Tumorbefall der regionären Lymphknoten, die mittels einer VATS-Lobektomie versorgt wurden. Petersen et al. 2007 konnten zudem in einer Studie zeigen, dass Patienten, die postoperativ aufgrund eines höheren Tumorstadiums einer adjuvanten Chemotherapie zugeführt wurden, nach einer VATS-Lobektomie eine höhere Compliance gegenüber der adjuvanten Therapie zeigten und weniger Dosisreduzierungen während der einzelnen Zyklen vorgenommen werden mussten [15]. Dies kann im Einzelfall zu einer prozentual höheren Langzeitüberlebensrate für den Patienten nach einer VATS-Lobektomie in einem fortgeschrittenem Tumorstadium führen.

Schlussfolgerung !

Die VATS-Lobektomie bietet aufgrund der kleineren Inzisionen für die Patienten ein besseres kosmetisches Ergebnis, eine in dieser Arbeit um 40 % signifikant kürzere Krankenhausverweildauer aufgrund einer schnelleren Rekonvaleszenz und eine schnellere Rückführung zur vollen Selbstständigkeit sowie Wiedereingliederung ins alltägliche Leben. Die Ergebnisse dieser Arbeit und die der Literaturrecherche zeigen, dass zum einen die VATS-Lobektomie ein für den Patienten technisch sicheres Verfahren darstellt und zum anderen das onkologische Resektionsausmaß den Forderungen der aktuellen S3Leitlinie (AWMF) sowie den Vorgaben der ESTS („European Society of Thoracic Surgeons“, [16]) gerecht wird. Die Langzeit-Überlebensraten nach einer VATS-Lobektomie sind denen der konventionellen Operationsmethode gleichwertig, mitunter sogar überlegen. Bei gestellter Indikation zur Lobektomie mit anatomischer Option (Lage des Tumors) zur VATS-Lobektomie ist das neue Verfahren in der Therapie des NSCLC im Stadium I zu standardisieren. Die Operationsmethode ist ebenso im Stadium II des NSCLC zu diskutieren; sollte keine Kontraindikation existieren, ist die VATS-Lobektomie auch in diesem Stadium zu favorisieren. Im Stadium IIIA des NSCLC kann, bei geeignetem Patientengut, die VATS-Lobektomie ebenso ihre Berechtigung finden. Unsere ersten eigenen Erfahrungen bei 30 Patienten in diesem Tumorstadium, bei denen die Tumorresektion mittels VATS-Lobektomie erfolgte, sind dahingehend sehr vielversprechend.

Interessenkonflikt: Nein

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[VATS lobectomy--a standard procedure in the therapy for stage I non-small cell lung cancer?].

Even though VATS lobectomy has been practised since 1991 in stage I of non-small cell lung cancer (NSCLC), it was not being considered equivalent to c...
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