Kasuistiken Med Klin Intensivmed Notfmed 2014 · 109:621–624 DOI 10.1007/s00063-014-0440-6 Eingegangen: 23. Juni 2014 Überarbeitet: 28. September 2014 Angenommen: 30. September 2014 Online publiziert: 6. November 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 Redaktion

R. Riessen, Tübingen

Bei einem Phäochromozytom handelt sich um einen adrenomedullären katecholaminproduzierenden (Adrenalin, Noradrenalin) i d. R. benignen Tumor, der zu einer Aktivierung des Sympathikotonus führt und darüber meist krisenhafte Blutdruckanstiege mit begleitenden Rhythmusstörungen, Herzinfarkt und/oder akutem Herzversagen auslösen kann. Ein kausaler Zusammenhang zwischen kardiogenem Schock und stressbedingter Kardiomyopathie (TakotsuboKardiomyopathie) ist bereits beschrieben worden [1, 2]. Auch Wespengifte beinhalten eine Reihe von chemotaktischen Peptiden, die die Freisetzung von Katecholaminen induzieren können. Ein kausaler Zusammenhang zwischen akutem Herzversagen nach Wespenstichen und bisher asymptomatischem Phäochromozytom ist bisher nicht beschrieben worden.

Falldarstellung Anamnese Ein 75-jähriger Patient verständigte aufgrund seit dem Vorabend bestehender­ pektanginöser Beschwerden am frühen­ Morgen den Rettungsdienst. Wegen einer hypertensiven Krise mit Blutdruckwerten von 230/110 mmHg, einer Hyperglykämie (Blutglukose: 19,42 mmol/l) und subjektiver Unruhe wurde der Patient unter dem klinischen Bild eines akuten Koronarsyndroms auf die Chest Pain Unit aufgenommen. Eine bereits 14 Tage zuvor durchgeführte transthorakale Echokardiographie im Rahmen einer kardiologischen

S. Hausen · A. Treusch · C. Hermes · P. Boekstegers Medizinische Klinik – Kardiologie/Angiologie, HELIOS Kliniken GmbH, Standort Siegburg

Wespenstichinduzierte sympathikotone Krise mit Stresskardiomyopathie (Takotsubo) bei Phäochromozytom Routineuntersuchung dokumentierte neben einer vorbeschriebenen geringgradigen Aortenklappenstenose keine weiteren höhergradigen strukturellen Veränderungen. Mit Ausnahme eines medikamentös bisher suffizient eingestellten arteriellen Hypertonus sowie einer zufriedenstellend therapierten Hyperlipid­ ämie ergaben sich keine weiteren kardiovaskulären Erkrankungen. Der Patient berichtete über eine gute körperliche Belastbarkeit im Alltag ohne Auftreten einer belastungsabhängigen Angina pectoris bzw. Dyspnoesymptomatik. Bei Aufnahme berichtete er über mehrere Wespenstiche im Gesichts- und Mundbereich etwa 4 h zuvor.

Klinische Befunde Bei Aufnahme zeigte sich ein agitierter schwitzender Patient. Febrile Temperaturen ließen sich nicht messen. Der Puls wies eine rhythmische Tachykardie mit 120 Schlägen/Minuten auf. Auskultatorische Zeichen eines Lungenödems respektive einer pulmonal-venöser Stauung ergaben sich nicht. Die periphere Sauerstoffsättigung lag unter Gabe von 4 l Sauerstoff über eine Nasenbrille bei 96%. Das Abdomen war weich, ohne Druckdolenz und ohne tastbare Resistenzen bei guter Peristaltik. Die peripheren Pulse waren durchweg gut palpabel. Lymphknoten waren nicht tastbar. Die thorakale Perkussion und Auskultation war regelrecht. Foetor­ex ore oder Ödeme lagen nicht vor.

Diagnose Bei Aufnahme ergab sich die serologische Konstellation eines Nicht-ST-HebungsInfarkt (NSTEMI) mit einer Kreatinkinase (CK) von 13,42 nmol/(s l), einer CK-MB von 1,89 nmol/(s l) und einem Troponin-I von 2,57 ng/ml. Elektrokardiographisch zeigte sich eine Sinustachykardie mit 120 Schlägen/Minute. Es bestand ein Indifferenztyp ohne Zeichen einer akuten myokardialen Ischämie. Die transthorakale Echokardiographie dokumentierte normal dimensionierte rechte­ und linke Herzhöhlen bei hochgradig reduzierter linksventrikulärer Pumpfunktion mit einer berechneten Ejektionsfraktion von 35%. Die Wandbewegungsstörung umfasste eine regionale Akinesie im Bereich des Apex sowie der angrenzenden mittleren Anteile des Septums sowie der Lateralwand mit begleitenden hyperkontraktilen basalen Wandabschnitten. Bei insgesamt konzentrischer linksven-

Abb. 1 8 Lävokardiographie („right anterior oblique“, RAO, 30°): „apical balloning“ (Akinesie des Apex, basale Hyperkontraktilität) Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 8 · 2014 

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Kasuistiken

Abb. 2 9 Phäochromozytom (Pfeil), rechte Nebenniere. (Com­ putertomographie, Transversalschnitt)

Abb. 3 9 Phäochromozytom (Pfeil), rechte Nebenniere. (Com­ putertomographie, Sagittalschnitt)

trikulärer (LV-)Hypertrophie wies die Aortenklappe eine vorbeschriebene Kalzifizierung im Bereich aller Taschen mit konsekutiver geringgradiger Stenosierung und geringer Insuffizienz auf. Die Mitral- und die Trikuspidalklappe wiesen eine geringe Insuffizienz mit einem erfassten systolischen pulmonalen Druck von 50 mmHg auf. In Anbetracht der serologischen Konstellation einer myokardialen Ischämie in Verbindung mit dem beschriebenen echokardiographischen Befund sowie der persistierenden Symptomatik erfolgte eine Koronarangiographie, in der eine stenosierende koronare Herzerkrankung ausgeschlossen werden konnte. Die Lävokardiographie bestätigte den echokardiographischen Befund mit dem typischen

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Bild einer Takotsubo-Kardiomyopathie mit apikaler Akinesie und hyperkinetischen basalen Wandanteilen (. Abb. 1).

Therapie und Verlauf In der Akutphase bei Aufnahme erfolgte­ die medikamentöse Behandlung mit Nitroglyzerin zur raschen Blutdrucksenkung und der Gabe von Metropolol (5 mg, fraktioniert, i. v.). Unmittelbar nach der angiographischen Darstellung verschlechterte sich der Zustand des Patienten mit nun progredienter respiratorischer Insuffizienz und hämodynamischer Instabilität, sodass in der Folge eine nichtinvasive Beatmung und eine symptomatische medikamentöse Medikation, einschließlich einer suffizienten Analge-

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sie mittels fraktionierter Morphingabe, notwendig wurde.­ Bei einer progredienten Verschlechterung wurde allerdings die endotracheale­Intubation unter begleitender medikamentöser kreislaufstabilisierender Therapie notwendig. Im weiteren intensivmedizinischen Verlauf fielen repetitive Phase von ausgeprägten Hypotonien mit der Folge einer notwendigen Katecholamintherapie sowie hypertoner Phasen auf, die wiederum mit antihypertensiv wirkenden Medikamenten, insbesondere Clonidin und Urapidil, therapiert werden mussten. Im elektrokardiographischen (EKG-) Monitoring wurden rezidivierende Episoden supraventrikulärer und ventrikulärer Tachykardien aufgezeichnet, die sich mit Amio­daron sowie Elektrolytsubstitution suffizient beherrschen ließen. Bei dem klinischen Bild eines paralytischen Ileus wurde schließlich eine Computertomographie des Abdomens durchgeführt. Hinweise für eine mechanische Obstruktion fanden sich nicht. Nebenbefundlich wurde eine runde tumoröse Struktur im Bereich der rechten Nebennieren dargestellt, die am ehesten dem Bild eines Phäochromozytoms entsprach (. Abb. 2, 3). Serologisch wurden exorbitant hohe freie Metanephinwerte bestimmt (Metanephrin: 1,634 ng/l, Normalwert

[Wasp-sting-induced pheochromozytoma crisis with stress-related cardiomyopathy (Takotsubo)].

This article presents the case of a patient with sudden onset of heart failure caused by transient severe left ventricular dysfunction with the typica...
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