Fachwissen: Hygiene

Krankenhaushygiene

Wasserhygiene im Krankenhaus Bildnachweis: KH Krauskopf

Klaus Kerwat • Hinnerk Wulf Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Marburg

Normalerweise geht für Patienten kein Risiko von Trinkwasser im Krankenhaus aus. Für Hochrisikopatienten mit eingeschränkter Immunabwehr kann es jedoch dann zur Quelle nosokomialer Infektionen werden, wenn Mikroorganismen das Wasser kontaminieren. Potenzielle Infektionserreger von besonderer Bedeutung sind dabei gramnegative Stäbchen wie Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter spp. und Legionellen. Um wasserassoziierte nosokomiale Infektionen zu vermeiden, sollten deshalb bestimmte Verhaltensweisen und Vorgaben eingehalten werden. In diesem Artikel lesen Sie, welche Infektionen auftreten können, welche Qualitätsanforderungen beim Trinkwasser bestehen, welche Überwachungspflichten ein Krankenhausträger hat und worauf im Umgang mit Wasser im Krankenhaus bei der täglichen Arbeit zu achten ist. Trinkwasserepidemien Große Trinkwasserepidemien, verursacht durch obligat pathogene Erreger wie Cholera und Typhus, begleiten die Menschheit seit Jahrhunderten. Sauberes Trinkwasser steht für ungefähr 2 Drittel der Menschheit nicht zur Verfügung und ist weltweit eines der wichtigsten gesundheitspolitischen Themen. Deshalb wird das Recht auf sauberes Trinkwasser von WHO und UNO als ein Grundrecht formuliert. In unseren Breiten ist die Zeit der großen Trinkwasserepidemien vorbei. Aber Trinkwasser kann nach wie vor Infektionen verursachen. Im Krankenhaus kann es zur Quelle nosokomialer Infektionen werden, auch wenn hier die Patienten selbst das größte Reservoir nosokomialer Infektionen sind. Die Erreger werden am häufigsten über die (nicht ausreichend desinfizierten) Hände des Personals übertragen.

Durch Trinkwasser verursachte nosokomiale Infektionen



Häufigkeit und Erreger Für den Zeitraum ab 2002 gibt es in der Literatur 17 beschriebene Ausbrüche von trinkwasserassoziierten Infektionen.

Das mit Abstand häufigste Reservoir bei Ausbrüchen wasserassoziierter nosokomialer Infektionen ist das Trinkwassersystem. Hier werden oft potenziell pathogene gramnegative Erreger wie Pseudomonas spp., Acinetobacter spp. und Legionellen nachgewiesen.

Weitere, aber nicht so bedeutende, Reservoire sind Patientenbäder, Eismaschinen, Augenduschen und Osmoseanlagen für die Dialyse. Infektionen durch Viren, Pilze und Protozoen wurden bisher nicht beschrieben, auch wenn sie theoretisch möglich erscheinen. Eine Ausnahme bilden hier aber trinkwasserassoziierte NorovirenInfektionen nach Abwasserleckagen, die allerdings außerhalb von Krankenhäusern im häuslichen Bereich vorgekommen sind. Nach den Daten des Krankenhaus-Infektions-Surveillance-Systems (KISS) werden ungefähr 12 % der Infektionen durch Pseudomonas aeruginosa verursacht. Wie hoch der Anteil der wasserassoziierten Infektionen tatsächlich ist, lässt sich aber nur schwer abschätzen.

Qualitätsanforderungen und Überwachungspflichten



Trinkwasserverordnung Die Qualitätsanforderungen an Leitungswasser im Krankenhaus ergeben sich in erster Linie aus der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) und den Krankenhausbetriebsverordnungen der Länder. Die TrinkwV schreibt vor, dass Trinkwasser genusstauglich, rein und frei von Krankheitserregern wie E. coli oder coliformen Keimen sein muss. Diese Keime gelten als Indikatorkeime für eine fäkale Verunreinigung mit Abwasser. Für die anderen Bakterien gilt, dass nicht mehr als 100 KBE/ml (KBE = koloniebildende Einheiten) vorhanden sein dürfen. Solange dieser Grenzwert nicht wesentlich überschritten wird, gilt das Trinkwasser als unbedenklich. Kontrolle auf Legionellen Desweiteren schreibt die TrinkwV die Untersuchung auf Legionellen vor. Sie gibt aber keinen Grenz- oder Richtwert an, da es nicht geklärt ist, ab welchen Werten das Risiko für eine Legionelleninfektion beginnt. Welchen Sinn diese Untersuchung überhaupt macht und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, wenn Legionellen im Trinkwasser nachgewiesen werden, wird sehr kontrovers diskutiert. Man geht davon aus, dass das Risiko einer wasserassoziierten Legionelleninfektion in erster Linie nicht von der Konzentration der Legionellen, sondern vielmehr von Faktoren wie der Erregervirulenz, der Empfänglichkeit exponierter Personen und dem Übertragungsmodus abhängt. Die Untersuchungspflicht für Leitungswasser liegt hauptsächlich bei den Wasserwerken [1].

Kerwat K, Wulf H. Krankenhaushygiene – Wasserhygiene im Krankenhaus. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2013; 48: 598–599

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Umgang mit Wasser im Krankenhaus



Vorkehrungen geboten Legionellen und Pseudomonaden sind die beiden Erreger, die sich im Trinkwassersystem eines Krankenhauses ansiedeln und von dort aus zu nosokomialen Infektionen führen können. Legionellen erreichen das Trinkwassersystem über das Stadtwasser. Pseudomonaden kontaminieren es meist retrograd über die Auslässe. Aber auch bei der Verwendung von Leitungswasser mit den normalen Kontaminationen können in der Patientenversorgung ggf. Probleme auftreten. Daher ist es sinnvoll, bei bestimmten Patientengruppen Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen.

Bauliche Maßnahmen Trinkwassersysteme im Krankenhaus sind sehr komplex, da praktisch alle Räume mit einem Wasserauslass versehen sind. Auch in Stoßzeiten muss ausreichend warmes Wasser zur Verfügung stehen. Deswegen werden Speichertanks eingebaut – was wiederum die Verkeimung mit Legionellen fördern kann. Um Stagnation im Leitungssystem zu verhindern, soll das Wasser in einer Ringleitung an den Wasserauslässen vorbeigeführt werden. Lange Stichleitungen sind zu vermeiden. Der beste Schutz vor Verkeimung ist, das Wasser fließen zu lassen und Stagnation zu verhindern. Die Rücklauftemperatur des Warmwassers sollte über 51° C liegen. Ist dies nicht möglich, sollte das Leitungssystem periodisch aufgeheizt und gespült werden, was aber die Gefahr von Verbrühungen beinhaltet. Waschwasser Bei Patienten mit schwerer Erkrankung und nicht intakter Haut kann es nach Kontakt mit Leitungswasser,

das mit Pseudomonas aeruginosa oder mit Acinetobacter baumannii kontaminiert ist, zu Infektionen kommen. Deshalb sollte dem Waschwasser eine desinfizierende Lösung zugesetzt werden.

Eismaschinen Eismaschinen werden aus dem Leitungswassernetz gespeist. Daher ist es klar, dass kontaminiertes Leitungswasser zu kontaminiertem Eis führt. Die meisten Bakterien überstehen Temperaturen unter 0° C problemlos. Dieses Eis sollte bei gefährdeten Patienten nicht zur Kühlung von Getränken oder zur Physiotherapie verwendet werden. Direkter Hautkontakt muss vermieden und Eismaschinen müssen regelmäßig gereinigt werden. Wasserbäder und Badewannen Wasserbäder sollten nicht mehr zur Erwärmung von Blutprodukten genutzt werden, da warmes Wasser das Bakterienwachstum fördert. Das kann wiederum dazu führen, dass Blutkonserven zumindest von außen kontaminiert werden. Badewannen müssen nach jeder Nutzung gereinigt werden, um die Bildung von Biofilmen auf der Wannenoberfläche zu vermeiden. Biofilme sind Schleimschichten, die aus Sezernierungsprodukten von Bakterien und Wasserablagerungen bestehen. In Biofilmen können sich Bakterien sehr stark vermehren, gleichzeitig bilden sie einen Schutz gegen Desinfektionsmaßnahmen. Ungeklärt ist, ob der Zusatz von Desinfektionsmittel zum Badewasser sinnvoll ist. Wasser für Vernebler Beim Vernebeln von Wasser entsteht ein Aerosol, das von Patienten inhaliert wird. Aufgrund der sehr kleinen Tröpfchengröße gelangen Aerosole bis in die tiefsten Atemwege. Eine besondere Gefahr bilden hierbei die Legionellen, da die Inhalation der bedeutendste Übertragungsweg ist und Wasser das einzige Reservoir für Legionellen ist. Deshalb muss das in Verneblern verwendete Wasser zwingend steril sein. Blumenwasser In Blumenwasser findet sich eine Vielzahl an gramnegativen Bakterien, was bei abwehrgeschwächten Patienten zu einer Gefährdung führen kann. Nach dem Kontakt mit Schnittblumen müssen die Hände desinfiziert werden. Endoskope Beim Umgang mit Endoskopen sollte grundsätzlich nur steriles Wasser benutzt werden. Desweiteren muss

überlegt werden, nur entsalztes Wasser zu verwenden, um eine Verkalkung des Arbeitskanals zu vermeiden.

Wasserstrahlregler Wasserstrahlregler sind am Wasserauslass angeschraubte Luftsprudler oder Mischdüsen, die zu einem weichen und gleichmäßigen Wasserstrahl führen. Sie reduzieren den Wasserverbrauch um bis zu 70 %, ohne dass der Nutzer einen geringeren Wasserfluss wahrnimmt. Wasserstrahlregler können retrograd verkeimen, auch mit Pseudomonaden, was zu einer erheblichen Gefährdung der Patienten führen kann. Daher sollten sie regelmäßig gereinigt und bei Hochrisikopatienten nicht benutzt werden. Endständige Wasserfilter In Bereichen, in denen Hochrisikopatienten versorgt werden, kann der Einsatz von endständigen Wasserfiltern sinnvoll sein. Sie müssen aber regelmäßig ausgetauscht und außerdem öfters gereinigt werden, um eine retrograde Verkeimung, insbesondere durch Pseudomonaden, zu verhindern [2, 3]. Kernaussagen ▶ Trinkwasser im Krankenhaus kann zur Quelle nosokomialer Infektionen werden. Von besonderer Bedeutung sind Legionellen, Acinetobacter und Pseudomonaden. ▶ Qualitätsanforderungen an das Trinkwasser und die notwendigen Überwachungsmaßnamen sind in der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) und den Krankenhausbetriebsverordnungen festgelegt. ▶ Trinkwasser ist für die Einnahme und das Baden des normalen Patienten unbedenklich. Nur bei Patienten mit eingeschränkter Immunabwehr besteht ein erhöhtes Risiko. Literaturverzeichnis 1 Sektion Nosokomiale Infektionsprävention der DGI (Deutsche Gesellschaft für Infektiologie). Einspruch gegen routinemäßige Leitungswasseruntersuchung. Krankenhaushygiene up2date 2009; 4: 189–192 2 Weist K, Eckmanns T. Infektionsquelle Wasser? – Sinnvolle Prävention. Krankenhaushygiene up2date 2007; 3: 261–288 3 Kappstein I. Nosokomiale Infektionen – Prävention – Labordiagnostik – Antimikrobielle Therapie. Kapitel 13.1 Leitungswasser. 4. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2009: 304–308

Beitrag online zu finden unter http://dx. doi.org/10.1055/s-0033-1358621

Kerwat K, Wulf H. Krankenhaushygiene – Wasserhygiene im Krankenhaus. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2013; 48: 598–599

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Untersuchungspflicht Da in Krankenhäusern Trinkwasser der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird, gelten Krankenhäuser als Betreiber einer Trinkwasseranlage. Daher besteht die Verpflichtung, Proben des Wassers durch ein akkreditiertes Wasserlabor untersuchen zu lassen. Das Gesundheitsamt kann die Probenorte festlegen. Über die Frequenz der Probennahme entscheidet der Verbrauch. Die Verantwortlichkeit liegt, wie für den gesamten Bereich der Krankenhaushygiene, beim ärztlichen Leiter. Dieser kann die Verantwortung aber auf den Krankenhaushygieniker, das Hygienefachpersonal oder die hygienebeauftragten Ärzte übertragen.

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[Water hygiene in hospitals].

As a general rule drinking water in hospitals does not represent a risk for the normal patient. However, for high-risk patients with compromised immun...
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