Fragen aus der Forschungspraxis

Welche Vorzüge haben konfirmatorische Faktorenanalysen im Vergleich zu explorativen Faktorenanalysen? What are the Advantages of Confirmatory Factor Analyses in Comparison to Exploratory Factor Analyses?

Was wird erklärt? Die konfirmatorische Faktorenanalyse (CFA) unterscheidet sich hinsichtlich mehrerer Aspekte grundlegend vom Ansatz der explorativen Faktorenanalyse (EFA). Welche Folgen haben diese Unterschiede, und welche einzigartigen Möglichkeiten bietet eine CFA im Vergleich zu einer EFA?

Matthias Romppel

Zum Vergleich explorativer und konfirmatorischer Faktorenanalysen !

Vor Kurzem hat Andreas Hinz in einem Beitrag für diese Rubrik [1] die Frage gestellt, ob konfirmatorische Faktorenanalysen (CFA) wirklich konfirmatorisch seien, und kam zu dem Fazit, dass es darauf ankäme, in welcher Form das Verfahren tatsächlich benutzt würde und dass man sich von CFA-Analysen nicht generell beeindrucken lassen solle. Obwohl dieser Schlussfolgerung im Allgemeinen zugestimmt werden kann und auch CFA-Analysen stets kritisch begutachtet werden sollten, bedürfen jedoch aus meiner Sicht die Unterschiede zwischen der CFA und der traditionellen, sog. explorativen Faktorenanalyse (EFA) sowie die Besonderheiten und Möglichkeiten der CFA noch einiger weiterführender Erläuterungen. Die Unterschiede betreffen im Wesentlichen 3 Aspekte: 1. die Bestimmung der Anzahl der Faktoren und die Kriterien zur Festlegung dieser Anzahl, 2. die Zusammenhänge zwischen den Faktoren sowie 3. die Zusammenhänge zwischen den Faktoren und den Variablen, die sich in der Faktorladungsmatrix widerspiegeln.

Bestimmung der Anzahl der Faktoren !

Die Entscheidung über die Anzahl der zu extrahierenden Faktoren stellt die bedeutsamste Entscheidung bei einer EFA dar. Zwar kann die Anzahl der Faktoren auch bei der EFA a priori festgesetzt werden, in der Regel wird sie aber empirisch anhand der Daten bestimmt. Neben dem etwas willkürlichen Eigenwerte-größer-1-Kriterium und eher subjektiven Verfahren wie

dem Scree-Test existieren bessere objektive Verfahren, z. B. die Parallelanalyse [2]. Dabei wird der Eigenwerteverlauf der empirischen Korrelationsmatrix mit dem Verlauf der Eigenwerte aus zufällig generierten Korrelationsmatrizen verglichen und es werden nur Faktoren berücksichtigt, deren Eigenwerte im Vergleich über einem festgelegten Schwellenwert (etwa dem 95. Perzentil der auf Zufallswerten basierenden Eigenwerteverteilung) liegen. Darüber hinaus ist ein Vergleich von Modellen mit unterschiedlicher Faktorenanzahl nur beschreibend möglich. Bei einer CFA dagegen muss die Anzahl der Faktoren vorher in der Regel aufgrund theoretischer Überlegungen festgelegt werden. Aber auch der direkte Vergleich von Lösungen mit einer unterschiedlichen Anzahl von Faktoren mithilfe eines Signifikanztests ist möglich, da es sich um hierarchisch geschachtelte Modelle handelt (Modelle, die sich nur durch die Einführung zusätzlicher Restriktionen unterscheiden). Da die Annahme geprüft wird, dass das Modell mit mehr Faktoren besser ist als das Modell mit weniger Faktoren, handelt es sich auch hierbei um ein konfirmatorisches Vorgehen.

Zusammenhänge zwischen den Faktoren !

Die Faktoren bei einer EFA sind in der Anfangslösung zunächst einmal voneinander unabhängig, d. h. nicht miteinander korreliert, und werden zur leichteren Interpretierbarkeit (s. u.) unter Beibehaltung der Unabhängigkeit orthogonal rotiert, können aber durch verschiedene sog. schiefwinklige Rotationsverfahren so modifiziert werden, dass sie miteinander korrelieren. In der CFA ist es dagegen genau andersherum, die Faktoren sind standardmäßig miteinander korreliert und nur durch explizite Festlegung kann der Zusammenhang zwischen den Faktoren auf 0 gesetzt werden. Dabei ist es auch möglich, einzelne Faktoren miteinander korrelieren zu lassen und andere nicht.

Zusammenhänge zwischen Faktoren und Variablen !

Bei der EFA müssen Faktoren auf der Grundlage der Zusammenhänge mit den Variablen interpretiert werden, da diese Zusammenhänge sich ja empirisch ergeben. Um diese Zusammenhänge zwischen Faktoren und Variablen (die Faktorladungsmatrix) möglichst gut interpretieren zu können, wird in einer EFA mithilfe der verschiedenen Rotationsverfahren versucht, sich einer sog. Einfachstruktur anzunähern. Das Ziel ist, dass jede Variable möglichst auf einem und nur auf einem Faktor hoch lädt. Diesem Ziel kann man sich mit der EFA aber nur annähern, denn im Ergebnis lädt jede Variable auf jedem Faktor, wenn auch in unterschiedlicher Höhe. Man versucht dann die Interpretation eines Faktors auf diejenigen Variablen zu gründen, die besonders hoch auf diesem Faktor laden oder deren Ladungen auf diesem Faktor über einem bestimmten, meist willkürlich festgesetzten, Grenzwert liegen. Doppelladungen, also hohe Ladungen auf mehreren Faktoren, führen dann häufig zu Interpretationsproblemen. In der CFA dagegen wird in der Regel eine theoretisch vorangenommene Einfachstruktur festgelegt und als Modell geprüft. Da bei der Modellschätzung Standardfehler für die Ladungen berechnet werden, können auch Konfidenzintervalle für die Ladungen angegeben und die Ladungen auf Signifikanz geprüft werden. Die Residuen der Zusammenhänge zwischen Variablen und Faktoren werden standardmäßig als unkorreliert angenommen, es kann aber auch festgelegt werden, dass die Fehlerterme zwischen einzelnen Variablen korrelieren dürfen, wenn dies aus theoretischer Sicht naheliegt. Schließlich ist es in einer CFA auch möglich, gezielt Doppelladungen zuzulassen, wenn dies theoretisch zu erwarten ist. Genauso wird z. B. bei den sog. bifaktoriellen Modellen vorgegangen. Neben Faktoren, die Subskalen abbilden, enthalten diese Modelle auch einen Faktor, der eine latente Dimension für die Gesamtskala darstellt. Modelle dieser Art sind im Rahmen einer EFA nicht darstellbar und auch nicht prüfbar.

Romppel M. Welche Vorzüge haben … Psychother Psych Med 2014; 64: 200–201 · DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1369965

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Diese bifaktoriellen Modelle sind genau diejenigen, die, wie von Hinz beschrieben [1], bei der Modellierung der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS), einem weitverbreiteten Instrument zur Erfassung von Ängstlichkeit und Depressivität, die höchsten Fit-Werte ergeben [3]. Die Autoren haben die Daten von 28 Stichproben aus publizierten Studien in einer Art Meta-CFA ausgewertet. Da der als General Distress bezeichnete Faktor der Gesamtskala fast drei Viertel der Kovarianz zwischen den Items erklärt, wird geschlussfolgert, dass die HADS nicht gut zwischen Angst- und Depressionssymptomen unterscheiden könne, und es wird eine Empfehlung zur Verwendung der Gesamtskala ausgesprochen. Der General Health Questionnaire (GHQ) ist, vor allem in der aus 12 Items bestehenden Kurzversion, ein weiteres weitverbreitetes Instrument zum Screening der psychischen Gesundheit, bei dem sehr differenzierende Ergebnisse zur Faktorenstruktur diskutiert werden [4]. Mithilfe einer vergleichenden CFA wurde an einer repräsentativen deutschen Stichprobe eine Ein-Faktoren-Lösung mit korrelierenden Fehlertermen als beste Lösung identifiziert [4]. Die Korrelationen der Fehlerterme bilden dabei eine Besonderheit der Itemformulierung ab, je die Hälfte der Items ist positiv bzw. negativ formuliert. Dieser sog. Wording Effect lässt sich auch bei anderen Instrumenten zeigen. Die Durchführung einer CFA zwingt dazu, theoriegeleitete Entscheidungen zu treffen und die getroffenen Annahmen explizit zu formulieren. Die Anpassung von Modellen (Respezifikationen) auf Basis

empirischer Ergebnisse der Analyse (z. B. Modifikationsindizes oder standardisierte Residuale) sollte theoretisch sinnvoll sein. Idealerweise sollte das geänderte Modell dann an einer anderen, unabhängigen Stichprobe oder durch Kreuzvalidierung (Unterteilung der Stichprobe in 2 Untergruppen) geprüft werden, um der Gefahr des Overfittings (Capitalization on Chance) zu entgehen. Für beide Verfahren gilt aber, dass die Ergebnisse stichprobenabhängig sind, da die Verteilungen und die Streubreite der Antworten bei Fragebogenitems und die Zusammenhänge zwischen einzelnen Items für verschiedene Gruppen von Befragten (z. B. klinische und nicht klinische Stichproben, Männer und Frauen) unterschiedlich sein können und die Zusammenhänge sich gegebenenfalls in unterschiedlichen Faktoren und Ladungsmustern abbilden. Aber auch hier stellt die CFA Möglichkeiten zur Verfügung, diese Unterschiede gezielt zu prüfen (Prüfung von Messinvarianz).

Literatur 1 Hinz A. Sind konfirmatorische Faktorenanalysen wirklich konfirmatorisch? Psychother Psych Med 2014; 64: 41 – 42 2 Zwick WR, Velicer WF. Comparison of five rules for determining the number of components to retain. Psych Bull 1986; 99: 432 – 442 3 Norton S, Cosco T, Doyle F et al. The Hospital Anxiety and Depression Scale: A meta confirmatory factor analysis. J Psychosom Res 2013; 74: 74 – 81 4 Romppel M, Brähler E, Roth M et al. What is the General Health Questionnaire-12 assessing? Dimensionality and psychometric properties of the General Health Questionnaire-12 in a large scale German population sample. Compr Psychiatry 2013; 54: 406 – 413

Fazit für die Praxis Bei der Überprüfung von bestehenden Erhebungsinstrumenten, die ja in der Regel theoriegeleitet entwickelt wurden, spricht vieles für die Verwendung einer CFA und weniges für die Verwendung einer EFA. Nur die CFA erlaubt es, einzelne Modelle zu prüfen oder mehrere konkurrierende Modelle zu vergleichen und ist in diesem Sinn konfirmatorisch. Darüber hinaus bietet die CFA einzigartige Möglichkeiten zur Prüfung differenzierter Fragestellungen (z. B. Bifaktor-Modelle, Methodeneffekte), die bei einer EFA nicht bestehen. Bei neuentwickelten Instrumenten und theoretisch unklaren Inhaltsbereichen kann dagegen eine EFA zur Strukturierung der Variablen sinnvoll sein.

Dr. Matthias Romppel, Institut für Public Health und Pflegeforschung, Abt. Prävention und Gesundheitsförderung, Universität Bremen, Grazer Straße 2, 28359 Bremen, E-Mail: matthias.romppel@ uni-bremen.de

Romppel M. Welche Vorzüge haben … Psychother Psych Med 2014; 64: 200–201 · DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1369965

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Potenziale der CFA

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