Arztrecht in der Praxis Rechtsprechung. Aktuelle Mitteilungen. Problemfälle Redaktion: Rechtsanwalt Dr. Hans-Jürgen Rieger, Karlsruhe 41

Inhalt, Werdegang und Kritik Am 1. September 1989 ist das Rettungsassistenzgesetz in Kraft getreten (1).Es regelt wie andere Gesetze im Bereich der Heilhilfsberufe unter welchen Voraussetzungen die Berufsbezeichnung ~~Rettungsassistentin/Rettungsassistent«geführt werden darf. Voraussetzung hierfür ist der erfolgreiche Abschluß eines zweijährigen Lehrgangs von insgesamt 2800 Stunden Dauer, von denen auf das erste Jahr 1200 Stunden theoretischen und praktischen Unterrichts in anerkannten Schulen für Rettungsassistenten entfallen. Das zweite Jahr umfaßt 1600 Stunden praktische Tätigkeit, die in ermächtigten Einrichtungen des Rettungsdienstes abzuleisten ist. Die staatliche Prüfung wird nach dem ersten Jahr abgelegt. Die praktische Ausbildung wird durch ein Abschlußgespräch abgeschlossen. Wird die Ausbildung nicht in Vollzeitform durchgeführt, so haben Absolventinnen und Absolventen in jedem Fall die Mindestausbildung von 2800 Stunden Unterricht und praktische Tätigkeit, zum Beispiel als Ehrenamtliche, nachzuweisen. Gleichwertige Ausbildungen, etwa bei der Feuerwehr, sind anzurechnen. Krankenpflegepersonal erhält die Erlaubnis nach erfolgreichem Abschluß eines Ergänzungslehrganges von 300 Stunden Dauer. Für Soldaten, Polizeibeamte des Bundesgrenzschutzes und der Polizei eines Landes wird die Ausbildung nach erfolgreichem Abschluß einer Prüfung für den jeweiligen Sanitätsdienst der Bundeswehr, des Bundesgrenzschutzes und der Polizeit eines Landes um 6 Monate oder 600 Stunden verkürzt ( 5 8). Rettungssanitäter, die eine Ausbildung nach der 520-Stunden-Regelung abgeschlossen oder mit einer solchen bei Inkrafttreten des Gesetzes begonnen und nach dem Inkrafttreten des Gesetzes

Dtsch. med. Wschr. 1 1 5 (1990),1160-1162 O Georg Thieme Verlag Stuttgart . New York

erfolgreich abgeschlossen haben, erhalten die Erlaubnis, sich Rettungsassistent zu nennen, wenn sie mindestens 2000 Stunden im Rettungsdienst tätig waren ( 5 13). Mit dem Gesetz wird die seit 1977 geltende 520-Stunden-Regelung für die Ausbildung der Rettungssanitäter abgelöst. Auf sie hatten sich die Beteiligten geeinigt, nachdem der 1973 vorgelegte Entwurf der Bundesregierung unter anderem aus finanziellen Erwägungen nicht Gesetz geworden war. Das bereits seit 1966 von den Hilfsorganisationen vehement geforderte Gesetz wäre zuletzt fast noch an der Bezeichnungsfrage »Rettungssanitäter/ Rettungsassistent« gescheitert. Das Gesetz ist im Grundsatz zu begrüßen. Es enthält aber auch Schönheitsfehler. So wird die staatliche Prüfung bereits nach dem ersten Jahr und nicht, wie sonst üblich, nach Abschluß des gesamten Ausbildungsganges absolviert. Die Übergangsregelung des § 1 3 wird dafür sorgen, daß nahezu alle derzeitigen Rettungssanitäter zum Rettungsassistenten umfirmiert werden, ohne daß etwa eine Nachschulung gefordert wäre, wie sie selbst der Gesetzentwurf von 1973 vorgesehen hatte.

Was ändert sich für den Rettungssanitäter?

Status Aufgrund des Berufsbildes wird der zukünftige Rettungsassistent nunmehr endgültig dem Kreis der Angestellten, nicht dem der qualifizierten Facharbeiter zuzurechnen sein. Bisher bestand im Fall der Berufsunfähigkeit die ernstzunehmende Befürchtung, daß der Rettungssanitäter auf die Tätigkeit eines Hilfsarbeiters verwiesen werden könnte. Nach den Buchstaben des Gesetzes kann dieser Fall eigentlich nicht mehr eintreten. Nur: wie sieht die zumutbare Tätigkeit aus, auf die sich der Rettungsassistent künftig ver-

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Was bringt das Rettungsassistentengesetz?

weisen lassen muß? Es werden im wesentlichen Tätigkeiten bei den Hilfsorganisationen sein, bei denen in der Regel schweres Heben nicht erforderlich ist. Ein Überwechseln bei Berufsunfähigkeit etwa in den Krankenpflegebereich wird wegen eben dieser Einschränkung regelmäßig ausscheiden, auch weil die entsprechenden Gesetze keine Anrechnungsvorschriften vorsehen. Durch die gesetzliche Neuregelung wird dem Notarzt ein qualifizierterer Assistent zur Verfügung stehen, als dies bisher der Fall war. Das Gesetz wird nichts daran ändern, daß die Auswahl der eingesetzten Rettungsassistenten durch die ihn beschäftigenden Organisationen erfolgt.

Selbständige Tätigkeit des Rettungsassistenten im Rahmen der Notkompetenz Nach der Begründung zum Gesetz soll der Rettungsassistent als Assistent des Notarztes grundsätzlich keine Heilkunde ausüben, also nicht selbständig und eigenverantwortlich ärztliche Maßnahmen durchführen. Der Gesetzgeber sah kein Erfordernis, systemsprengend für den Rettungsassistenten etwa eine Ausnahme vom Heilpraktikergesetz vorzusehen. Das Gesetz geht grundsätzlich davon aus, daß der Rettungsassistent gegenüber dem Notfallpatienten eine Garantenstellung hat, aus der eine Garantenpflicht zum Tätigwerden resultiert. Bei Fehlen notärztlicher oder überhaupt ärztlicher Hilfe muß der Rettungsassistent die beste und wirksamste Hilfe leisten, zu der er nach seiner Ausbildung sowie seinen Kenntnissen und Fähigkeiten imstande ist. Das bedeutet, daß der Rettungsassistent nicht wahllos Maßnahmen und Methoden ergreifen darf, die ihm geeignet erscheinen mögen, weil er sie etwa besonders gut beherrscht und gerne einsetzt. Vielmehr hat er streng nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit diejenigen Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der akuten Lebensgefahr beim Notfallpatienten erforderlich, geeignet und notwendig sind und bei denen die Intensität des Eingriffes in vertretbarem Verhältnis zum erwarteten Erfolg steht (Notkompetenz). Die im Rahmen der originären Notkompetenz zu ergreifenden Maßnahmen können somit, müssen aber keine ärztlichen Maßnahmen sein. Einerlei, welche Maßnahmen ergriffen werden: Der Rettungsassistent muß sie beherrschen. Die Pflicht zu helfen hat Vorrang vor dem Verbot aus dem unergiebigen und doch immer herangezogenen Heilpraktikergesetz; den am Notfallort völlig untätigen Rettungsassistenten darf es nicht geben. Hierüber dürfte bei allen Unterschieden im Detail Einigkeit bestehen.

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Ausbildung in ermächtigten Einrichtungen des Rettungsdienstes Im zweiten Jahr seiner Ausbildung wird der angehende Rettungsassistent »Praktikant« genannt. Weder das Gesetz noch die Begründung des § 7 definiert näher, was sein Status sein soll. Wie überall, wo Personal im dualen System ausgebildet wird, darf der in Ausbildung Befindliche zunächst keine eigenverantwortliche Tätigkeit ausüben. Er ist vielmehr anzuleiten und übt seine Tätigkeit unter stetiger Anleitung und Überwachung eines voll ausgebildeten Rettungsassistenten aus (dieser Grundsatz gilt etwa für den nunmehr im medizinischen Bereich tätigen Arzt im Praktikum, und ich hätte keine Bedenken, ihn dem Sinne nach auch auf den Rettungsassistenten in Ausbildung anzuwenden). Immer muß daher sichergestellt sein, daß dem in Ausbildung befindlichen Rettungsassistenten ein befähigter Rettungsassistent zu Hilfe kommen kann, sofern dieser mit einer durchzuführenden Maßnahme Schwierigkeiten hat. Die Grundsätze, die die Rechtsprechung für die Anfängeroperation entwickelt hat, können voll auch auf den Rettungsassistenten übertragen werden.

Ehrenamtliche und Rettungdienst Das Gesetz und die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung sehen für Ehrenamtliche Sonderregelungen vor, die es diesen ebenfalls ermöglichen sollen, die Ausbildung zum Rettungsassistenten berufsbegleitend zu durchlaufen. Die Hilfsorganisationen haben diese Regelung vehement gefordert, nicht zuletzt deshalb, weil sie die motivierten Mitarbeiter in diesem Bereich zur Sicherstellung des Rettungsdienstes benötigen. Dabei läßt sich durchaus fragen, ob das Engagement motivierter Helfer nicht auch auf andere Bereiche gelenkt werden könnte als ausgerechnet auf den Rettungsdienst. Hierzu muß man wohl das Innenleben der Hilfsorganisation näher kennen, um zu verstehen, warum sie auf gerade dieser Regelung so unnachgiebig beharrten. Der Einsatz in der Rettung ist für einen Ehrenamtlichen in der Hierarchie der Organisationen die höchste Stufe, die er nächst der eines Vorstandsmitgliedes erreichen kann. Daß mit diesen Privilegien auch rechtliche Pflichten verbunden sind, machen sich die Helfer am wenigsten, die Organisationen kaum klar. Die Organisationen täten sicher gut daran, ihre Leistungsspektren weniger rettungszentriert aufzubauen und für Ehrenamtliche auch in anderen Bereichen Einsatzmöglichkeiten zu schaffen, die organisationsintern mit einer gewissen Reputation ausgestattet sind.

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DMW 1990, 115. Jg., Nr. 3 0

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Die Ubergangsregelung

In der Übergangszeit, bis die ersten Absolventen der neuen Ausbildung zum Einsatz kommen, können sich Notärzte jedenfalls darauf verlassen, daß Rettungssanitäter, die nach § 1 3 eine Berufserlaubnis erhalten haben, die Kenntnisse und Fähigkeiten der 520-Stunden-Regelung beherrschen und über zusätzliche praktische Kenntnisse und Erfahrungen verfügen. Welche dies sein können, muß im Einzelfall festgestellt werden. Gesonderte Kontrollen und Überprüfungen, wie bisher notwendig, entfallen jedenfalls insoweit. Für die Delegation ärztlicher Aufgaben zur Durchführung auf den Rettungsassistenten (Überleitungsassistenten) gelten die allgemeinen, für die Delegation derartiger Aufgaben auf Pflegepersonal entwickelten Grundsätze unmittelbar. Eine Kontrolle findet nur stichprobenhaft statt, sofern nicht besondere Umstände des Einzelfalles (Unzuverlässigkeit, Fehlverhalten) anderes erfordern. Bei den Absolventen der Ausbildung nach dem Rettungsassistentengesetz und der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung gilt als Sorgfaltsmaßstab die Beherrschung der vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten. Auf ihr Vorhandensein kann sich jeder mit dem Rettungsassistenten kooperierende Arzt verlassen. Dies gilt auch im Hinblick auf die Delegation. Ob es sich bei dem eingesetzten Rettungsassistenten um einen hauptamtlichen oder einen ehrenamtlichen handelt, ist für Verantwortlichkeit und Haftung nach den straf- und zivilrechtlichen Vorschriften unerheblich. Auch für den Ehrenamtlichen gelten dieselben Regeln wie für den Hauptamtlichen. Der unterschiedliche berufliche Status darf zu keiner Klasseneinteilung, vor allem nicht zu einem »Abschlag« im Bereich der anzuwendenden Sorgfalt führen.

1 Gesetz über die Rettungsassistentin und den Rettungsassisten-

ten vom 30. 6. 1989 (BGB1I S. 1384); Lippert, H.-D.: Gesetz über die Rettungsassistentin und den Rettungsassistenten samt Gesetzestext und Materialien (Springer: Berlin-HeidelbergNew York-Tokyo 1990). 2 Ausbildungs- und Prüfungsverordnung vom 7. 11. 1989 (BGB1I S. 1666); Lippert, H.-D.: Gesetz über die Rettungsassistentin und den Rettungsassistenten samt Gesetzestext und Materialien (Springer: Berlin-Heidelberg-New York-Tokyo 1990).

Rechtsanwalt Dr. jur. H.-D. Lippert, Blaustein

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Das Rettungsassistentengesetz trat am 1. 9. 1989 in Kraft, die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung am 7. 11. 1989 (2). Die Übergangsregelung des § 1 3 sorgt dafür, daß nahezu alle derzeitigen Rettungssanitäter die Berufsbezeichnung »Rettungsassistent« führen dürfen. Rettungssanitäter, die nach der Übergangsvorschrift ihre Berufserlaubnis erhalten, haben keine Ausbildung nach dem Gesetz und der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung absolviert. Bei ihnen genügt der Nachweis jahrelanger Tätigkeit im Rettungsdienst. Daß sie in nennenswerter Zahl nachgeschult werden können, ist eher unwahrscheinlich.

Anmerkungen

[What does the rescue assistant regulation have to offer?].

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