AKTUELLE MEDIZIN _ DER BESONDERE FALL

Anämie mit Hyperkalzämie

Was steckte hinter den Knochenschmerzen? Es war weder eine KHK noch ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom, die bei dem 60-jährigen Patienten zu bewegungsabhängigen Thoraxschmerzen führten. Die Ursache der zunehmend stärkeren Schmerzen war komplexer und gravierender. Die definitve Diagnosestellung gelang schließlich durch den Nachweis eines abnormen Proteins im Urin.



Ein 60-jähriger Patient stellte sich beim Hausarzt wegen bewegungsabhängiger Thoraxschmerzen vor. Nach der klinischen Untersuchung wurde der Verdacht auf ein BWS-Syndrom geäußert. Kardiologischerseits ergab sich kein Anhalt für eine hämodynamische wirksame koronare Herzerkrankung. Verdacht auf Knochenmetastasen In den folgenden Wochen breiteten sich die Knochenschmerzen aus. Der Patient klagte jetzt auch über starke Schmerzen im Bereich der gesamten Wirbelsäule, des Becken- und Schultergürtels, und auch das Allgemeinbefinden verschlechterte sich. Laborchemisch zeigten sich eine leichte normochrome Anämie, eine leichte Erhöhung der alkalischen Phosphatase und des Kalziums sowie eine dreistellige Erhöhung der BSG. Da der Patient star-

ker Raucher war, wurde zunächst an ein ossär metastasiertes Bronchialkarzinom gedacht, das aber mittels CT ausgeschlossen werden konnte. Da der PSA-Wert im Normbereich lag, wurde auch ein Prostatakarzinom ausgeschlossen. Leichtketten im Urin Bei Verdacht auf ein multiples Myelom wurde nun eine Immunelektrophorese veranlasst. Im Serum konnte allerdings kein Paraprotein nachgewiesen werden. Doch im Urin fanden sich pathologische Leichtketten, und die Immunfixierung ergab einen stark erhöhten Wert für kappa-Leichtketten. Bei den jetzt angefertigten Knochenaufnahmen zeigten sich multiple Osteolysen im Bereich der gesamten Wirbelsäule, des Beckens, des Femurs beidseits und am Schädel im Sinne eines Schrotschussschädels (siehe Abb.).

Damit lautete die Diagnose: Multiples Myelom vom kappa-Leichtketten-Typ mit multiplen Osteolysen (Stadium 3). Es wurde eine Induktionstherapie mit Bortezomib, Dexamethason und Cyclophosphamid eingeleitet. Zusätzlich erhielt der Patient eine Bisphosphonattherapie. Krebserkrankung des Knochenmarks Das multiple Myelom, früher als Plasmozytom oder Morbus Kahler bezeichnet, ist eine Krebserkrankung des Knochenmarks. Es ist charakterisiert durch eine bösartige Vermehrung von Antikörperproduzierenden Plasmazellen. Die Erkrankung gehört definitionsgemäß zu den B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen. Die entarteten Plasmazellen produzieren „falsche“ Antikörper oder Bruchstücke davon, nämlich Leichtketten, die im Urin als Bence-Jones-Protein nachweisbar sind. Komplette Antikörper können als Paraprotein in der Immunelektrophorese des Serums nachgewiesen werden. Leitsymptom der Erkrankung sind Knochenschmerzen, ausgelöst durch Osteolysen. Ist der Schädelknochen betroffen, entsteht das Bild eines Schrotschussschädels. Es kann sogar zu Spontanfrakturen kommen. Laborchemisch findet sich typischerweise eine dreistellig beschleunigte BSG, eine Hyperkalzämie, ein Anstieg der Nierenretentionsparameter und eine normochrome Anämie, Leukopenie und Thrombozytopenie. Dr. med. Peter Stiefelhagen ■

© sti

Fabula docet

Röntgen-Schädel: multiple Osteolysen im Sinne eines Schrotschussschädels.

MMW-Fortschr. Med.

2015; 157 (11)

Bei diffusen Knochenschmerzen muss auch an ein multiples Myelom gedacht werden. Diagnoseweisend sind neben der stark beschleunigten BSG, der Anämie, der Leukopenie, der Thrombozytopenie insbesondere die Hyperkalzämie. Bestätigt wird die Verdachtsdiagnose durch Nachweis eines Paraproteins im Serum oder von Leichtketten im Urin.

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[What is causing the bone pain?].

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