Kongressbericht

35. Kongress der Europäischen Gesellschaft für Klinische Ernährung und Metabolismus (ESPEN) 2013 – Kongressbericht 35th Congress of the European Society for Clinical Nutrition and Metabolism (ESPEN) 2013 – Congress Report Kongressbericht !

Vom 31.8. bis 3.9.13 fand in Leipzig der 35. Kongress der Europäischen Gesellschaft für Klinische Ernährung und Metabolismus (ESPEN) mit Prof. Dr. Arved Weimann, Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie des Klinikums St. Georg Leipzig, als Kongresspräsidenten statt. Dieser weltweit führende wissenschaftliche Kongress versammelte interdisziplinär und interprofessionell 2500 Experten aus 82 Ländern zu neuesten Ergebnissen der auf krankheitsassoziierte Ernährungsprobleme, aber auch Adipositas fokussierenden Stoffwechselforschung und ihrer Anwendung im klinischen Alltag. Die Teilnehmer wurden in der Eröffnungsveranstaltung auch vom gegenwärtigen Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Prof. Dr. Joachim Jähne, begrüßt. Bereits 1988 hatte der 10. Kongress unter dem damaligen Präsidenten, Prof. Dr. Wolfgang Hartig, der auch der Vorgänger von Weimann am Klinikum St. Georg war, in Leipzig stattgefunden. Hartig hatte 1981 am Klinikum St. Georg eine bis heute bestehende Abteilung für Klinische Ernährung aufgebaut und mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten zum chirurgischen Metabolismus international große Anerkennung gefunden. Der Kongress einer westeuropäisch geprägten Gesellschaft in der DDR war damals eine kleine Sensation und hatte vor allem das Ziel, die „Ostblockländer“ vermehrt in die Aktivitäten der ESPEN einzubinden. Nicht nur mit Bezug zur von Leipzig ausgehenden friedlichen Revolution, zu dem nachfolgenden Mauerfall und zur Wiedervereinigung Deutschlands wurde jetzt das Kongressmotto „Tearing down barriers – nutrition brings people together“ gewählt. Ernährungsmedizinisch zielte das Kongressmotto auf die Barrieren bei der Anerkennung der Bedeutung der Ernährung für eine optimale Patientenbetreuung, einschließlich

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der Implementierung verfügbarer Leitlinien im klinischen Alltag. Auch wenn der Einfluss des Ernährungsstatus auf Komplikationen und Krankenhausverweildauer vielfach belegt ist, wird der vergleichsweise kostengünstigen Ernährungstherapie im klinischen Alltag zu wenig Bedeutung beigemessen. So werden die hierdurch entstehenden Mehrkosten für das deutsche Gesundheitssystem auf jährlich etwa 10 Mrd. Euro geschätzt [1]. Bisher ist ein Patientenscreening auf Mangelernährung bei der Aufnahme in ein Krankenhaus, wie vom Europarat seit 2003 gefordert, noch nicht klinische Routine geworden. Eine Umfrage von Breuer et al. [2] ergab, dass nur in 6 % der deutschen chirurgischen Kliniken bei der Aufnahme auf den Ernährungsstatus geachtet wird. Dies mag daran liegen, dass Defizite, die krankheitsassoziiert auch in einer primär überernährten Gesellschaft bestehen können, nicht realisiert werden. So werden viele Risikopatienten nicht erkannt, eine Ernährungstherapie nicht eingeleitet. Der Ernährungszustand kann dann auch nicht in die Analyse des Falles einschließlich eingetretener Komplikationen, ggf. verlängerter Krankenhausverweildauer und die ökonomische Bewertung eingehen. Diese potenzielle Rationalisierungsreserve ist im klinischen Alltag noch nicht genügend angekommen. So werden einseitig Risiken und Kosten einer künstlichen Ernährung diskutiert, ohne dagegen die Nichterkennung eines Ernährungsdefizits und damit das Unterlassen einer indizierten Ernährungstherapie medizinisch, ethisch und letztlich auch ökonomisch abzuwägen. Beim Kongress vorgestellte Ergebnisse des Klinikums St. Georg, das 2010 ein Screening für alle Patienten bei der Krankenhausaufnahme einführte, zeigen, dass der erhöhte Aufwand für eine chirurgische Klinik im DRG-System refinanziert wird [3]. All dies macht es für den Chirurgen sinnvoll, metabolische Aspekte wie den Er-

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nährungszustand in das perioperative Management seiner Patienten zu integrieren. Die demografische Entwicklung wird mit zunehmender Zahl an großen Tumoroperationen bei hochbetagten Patienten mit Komorbidität zu einer Risikoakkumulation führen. Hierbei ist der Ernährungszustand als Risikofaktor eine beeinflussbare Größe. Entsprechend war auch die ernährungsmedizinische Konditionierung von chirurgischen Risikopatienten ein Thema des Kongresses. Unbestritten ist das sogenannte ERAS-Konzept zur raschen Rehabilitation nach Operationen mit rascher Mobilisation und frühem Kostaufbau zum metabolischen Maßstab des perioperativen Managements geworden. Dies muss jedoch an die besondere Funktionalität des alten Menschen angepasst werden. Auch weiterhin bedarf es als „Plan B“ ernährungsmedizinischer Konzepte, gerade im Fall des Eintretens von Problemen und Komplikationen, die eine normale Magen-Darm-Passage stören. Eine Ernährungstherapie muss ggf. mit supplementierenden Trinklösungen auch poststationär fortgesetzt werden – dies auch mit dem Ziel, zur Verbesserung der Langzeitprognose beizutragen [4]. Hier bestehen in Deutschland transsektorale Barrieren der Erstattungsfähigkeit, welche die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (DGEM) mit einem im Leitlinienprozess entwickelten und beim ESPEN-Kongress vorgestellten Behandlungsalgorithmus zur Transparenz der Indikation überwinden möchte [5]. Thema des Kongresses waren auch Adipositas und bariatrische Chirurgie einschließlich der möglichen postoperativen, kürzlich im Zentralblatt in einer Übersicht vorgestellten, nutritiven Defizite [6, 7]. Die Kongressabstracts finden sich in Clinical Nutrition 2013; 32: Suppl. 1 (ISSN 0261-5614) – s. auch www.espen.org. Die Arbeitsgruppe Chirurgie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (DGEM) wird mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinund Viszeralchirurgie e. V. (DGAV) und der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft Perioperative Medizin (CAPM) der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie e. V. (DGCH) in den nächsten Monaten eine Aktualisierung der mit der ESPEN 2006 [8] und 2009 [9] erarbeiteten S3-Leitlinie zur perioperativen Ernährung vorlegen. Interessierte erhalten weitere Informationen auch unter www.dgem.de.

Interessenkonflikt: Nein

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Literatur 1 Uedelhofen KW, Weimann A. Mangelernährung, ein Kostenfaktor im Gesundheitssystem? Die CEPTON-Studie. In: Weimann A, Schütz T, Lochs H, Hrsg. Krankheitsbedingte Mangelernährung – Eine Herausforderung für unser Gesundheitssystem. Lengerich: Pabst Science Publishers; 2010 2 Breuer JP, Langelotz C, Paquet P et al. Perioperative Ernährung aus Sicht von Chirurgen – Eine deutschlandweite Online-Umfrage. Zentralbl Chir 2011 Nov 23 [Epub ahead of print] 3 Fedders M, Grünewald G, Burkhardt J et al. Nutritional risk screening from a hospital economy point of view. Clin Nutr 2013; 32 (Suppl. 1): S74

4 Hopt U. Wie können wir die Langzeitprognose unserer Tumorpatienten weiter verbessern? Zentralbl Chir 2011; 136: 311 5 Weimann A, Schütz T, Lipp T et al. Supportiver Einsatz von Trinknahrung in der ambulanten Versorgung von erwachsenen Patienten – ein Algorithmus. Aktuel Ernährungsmed 2012; 37; 282–286 6 Stroh C, Benedix F, Meyer F et al. Nutritive Defizite nach bariatrischer Chirurgie – systematische Literaturanalyse und Empfehlungen für Diagnostik und Substitution. Zentralbl Chir 2013 Jul 3 [Epub ahead of print] 7 Stroh C, Meyer F, Manger T. [Increased requirements for the challenging abdominosurgical management of morbid obesity – what does the abdominal surgeon need to know?]. Zentralbl Chir 2013; 138: 456–462 8 Weimann A, Braga M, Harsanyi L et al. ESPEN Guidelines on Enteral Nutrition: Surgery including organ transplantation. Clin Nutr 2006; 25: 224–244

9 Weimann A, Ebener CH, Holland-Cunz S et al. Surgery and transplantation – Guidelines on Parenteral Nutrition, Chapter 18. Ger Med Sci 2009; DOI: 10.3205/000069

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-1360121 Online-publiziert: 04. 02. 2014 Zentralbl Chir 2014; 139: e6–e7 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0044‑409X Korrespondenzadresse Prof. Arved Weimann, MD MA Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie Klinikum St. Georg Leipzig Delitzscher Straße 141 04129 Leipzig Deutschland Tel.: 03 41/9 09 22 00 Fax: 03 41/9 09 22 34 [email protected]

Weimann A. 35. Kongress der … Zentralbl Chir 2014; 139: e6–e7

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A. Weimann Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie, Klinikum St. Georg Leipzig, Deutschland

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