Leitthema HNO 2013 · 61:1005–1010 DOI 10.1007/s00106-013-2725-0 Online publiziert: 26. Oktober 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

C. Sterz1, 2 · R. Mandic1 1 Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde,

Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Marburg 2 Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Uniklinik Köln

Zellen der Tumorfront Ein mögliches therapeutisches Ziel bei der Behandlung von Kopf-Hals-Karzinomen?

Plattenepithelkarzinome des KopfHals-Bereichs sind die häufigsten malignen Tumoren des oberen Aerodigestivtrakts. Sie stellen eine aggressive und invasive Tumorentität mit früher Metastasierung und damit meist schlechter Prognose dar. Für die schlechte Prognose dieser Tumoren werden frühe Resistenzen gegenüber eingesetzten Chemotherapeutika wie z. B. Cisplatin verantwortlich gemacht, deren genaue Mechanismen bis heute nur unzureichend geklärt sind. Zur Verbesserung von Therapie und Prognose ist das Verständnis dieser Resistenzmechanismen von essenzieller Bedeutung.

Hintergrund Plattenepithelkarzinome des Kopf-Hals-Bereichs Karzinome des Kopf-Hals-Bereichs stellen mit über 500.000 Neuerkrankungen im Jahr die sechsthäufigste Malignomart dar. Neunzig Prozent der malignen Tumoren dieser Region sind Plattenepithelkarzinome („head and neck squamous cell carcinomas“, HNSCC), seltener finden sich Adenokarzinome, Sarkome oder Speicheldrüsentumoren [10]. HNSCC zeichnen sich durch ein lokal invasives und aggressiv infiltrierendes Wachstum sowie eine frühe primär lymphogene Metastasierung aus [14]. Mehr als 50% der Patienten weisen bereits bei Diagnosestellung ein regional fortgeschrittenes Tumorstadium auf. Die Prognose hängt

u. a. von der Infiltration des Tumors in angrenzende Strukturen, der Lymphknotenbeteiligung (regionäre Metastasierung) sowie der Absiedlung in entfernte Organe (Fernmetastasierung) ab. Aus diesem Grund sind Früherkennung sowie eine rechtzeitige Therapie der Erkrankung äußerst wichtig.

epithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereichs dar, und gerade Resistenzen gegen Cisplatin bzw. Platinanaloga sind häufige therapielimitierende Faktoren und damit maßgeblich verantwortlich für die in­ fauste Progno­se bei HNSCC-Patienten.

Resistenzen gegen Cisplatin sind häufige therapielimitierende Faktoren

Bereits im 19. Jahrhundert wurde die Existenz stammzellähnlicher Zellen in mali­ gnen Geweben postuliert [16]. Aufgrund des Fehlens spezifischer Stammzellmarker und eingeschränkter technischer Möglichkeiten dauerte es ein ganzes Jahrhundert, bis Tumorstammzellen („cancer stem cells“, CSC) 1997 erstmals bei Patienten mit akuter myeloischer Leukämie isoliert und nachgewiesen werden konnten [1]. Die Existenz von Tumorstammzellkandidaten konnte im Folgenden auch bei soliden Tumoren nachgewiesen werden. Die sog. Tumorstammzellhypothese wird von der Ansicht gestützt, dass Tu-

»

Seit mehr als 30 Jahren konnte keine wesentliche Verbesserung in der Überlebenszeit von Patienten mit Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereichs erreicht werden. Eine wesentliche Ursache hierbei sind Resistenzmechanismen gegen klassische Therapiemaßnahmen wie Radio- und Chemotherapie. Cisplatin stellt das zentrale Chemotherapeutikum bei der Behandlung von Platten­

Tumorstammzellhypothese

Chemotherapie

Erneute Tumorformation

Erneute Tumorformation Kein Tumor, Zelltod

Heterogener Tumor Tumorstammzelle

Normale Tumorzelle

Abb. 1 8 Schematische Darstellung der Tumorstammzellhypothese HNO 12 · 2013 

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Leitthema moren aus einzelnen Zellen hervorgehen und aus diesen wenigen Zellen ein heterogenes Gewebe entsteht, in dem verschiedenste Differenzierungsstufen und Zelltypen vorhanden sind. So konnte für solide Tumoren gezeigt werden, dass nur wenige der Tumorzellen in der Lage sind, neue Tumorzellkolonien zu bilden. Der größte Teil der Tumorzellen besitzt diese Fähigkeit nicht [5]. Dementsprechend wird davon ausgegangen, dass es im Tumor eine kleine Subpopulation von Tumorstammzellen gibt, welche die Fähigkeit zur Selbsterneuerung besitzen und in der Lage sind, aus einzelnen Zellen erneut einen heterogenen Tumor zu bilden, welcher histologisch dem Ursprungstumor entspricht [13]. Molekularbiologisch zeichnen sich Tumorstammzellen durch eine vermehrte Expression antiapoptotischer Proteine [15] bzw. die Expression resistenzfördernder Gene aus [6, 11]. Dieses spezifische Proteinexpressionsmuster trägt zu der beobachteten Therapieresistenz bestimmter HNSCC bei. Eine Hemmung der Tumorstammzellen könnte daher dazu beitragen, dass der ursprüngliche Tumor seine Reproduktionsfähigkeit verliert [3].

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Tumorstammzellen zeichnen sich durch eine vermehrte Expression antiapoptotischer Proteine aus Das in . Abb. 1 dargestellte Modell veranschaulicht das Prinzip der Tumorstammzellhypothese. Tumorrezidive können sich aus einzelnen Tumorstammzellen entwickeln, wobei eine normale Tumorzelle ohne Stammzelleigenschaften hierzu nicht in der Lage ist. Darüber hinaus zeigt die Abbildung das Problem von therapieresistenten Tumorstammzellen, welche eine Therapie überleben und später ein Tumorrezidiv bilden können. Frühere Untersuchungen anderer Gruppen konnten zeigen, dass Tumorzellen aus Plattenepithelkarzinomen des KopfHals-Bereichs, welche den Hyaluronsäurerezeptor (CD44) exprimieren, verstärkt Stammzelleigenschaften aufweisen [17]. Aufgrund der potenziellen klinisch-therapeutischen Bedeutung dieser Zellpopulation sollte diese bei Plattenepithelkarzi-

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Zusammenfassung · Abstract HNO 2013 · 61:1005–1010  DOI 10.1007/s00106-013-2725-0 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 C. Sterz · R. Mandic

Zellen der Tumorfront. Ein mögliches therapeutisches Ziel bei der Behandlung von Kopf-Hals-Karzinomen? Zusammenfassung Hintergrund.  Plattenepithelkarzinome stellen mit etwa 90% die häufigsten Malignome im Kopf-Hals-Bereich dar. Die Tumorstammzellhypothese besagt, dass Tumorstammzellen den eigentlich gefährlichen Anteil eines Tumors ausmachen und mit Invasivität, Metastasierung und Chemotherapieresistenz in Verbindung gebracht werden. Methoden.  Gewebeproben von Kopf-HalsKarzinomen sowie normaler Mukosa wurden auf die Expression verschiedener Tumorstammzellmarker sowie die Expression und Aktivität der Matrixmetalloproteinase ­MMP-9 untersucht. Ergebnisse.  Es zeigte sich, dass die Zellen der invasiven Front der Tumoren positiv sind für die basalzelltypischen Stammzellmarker CD44, ALDH1 und CK14, aber im Gegensatz zur nichtinvasiven Basalzellschicht normaler

Mukosa zusätzlich auch positiv sind für aktives MMP-9, welches die gelatinolytische Aktivität der Tumoren vermittelt. Schlussfolgerung.  Diese Beobachtungen weisen auf ein Modell hin, bei welchem sich Zellen der invasiven Front von der Basalzellschicht normaler Mukosa ableiten und die Tumorstammzellnische beherbergen. Weiterführende Untersuchungen sollten daher insbesondere auf Zellen der invasiven Front fokussieren, da Tumorrezidive sowie Therapieresistenzen möglicherweise hier ihren Ausgang nehmen. Schlüsselwörter Plattenepithelkarzinome des   Kopf-Hals-Bereichs · Tumorstammzellen · Matrixmetalloproteinasen · Invasivität · Neoplasien

Cells of the tumor front. A potential therapeutic target in head and neck cancer therapy? Abstract Background.  With a frequency of about 90%, head and neck squamous cell carcinomas (HNSCCs) are the most common malignancies of the upper aerodigestive tract. The cancer stem cell (CSC) hypothesis postulates that CSCs are the dangerous part of the tumor and are relevant to metastasis, invasiveness and resistance to chemotherapy. Methods.  Tissue samples taken from HNSCCs and normal mucosa were tested for the expression of several established CSC markers. The expression and activity of the matrix metalloproteinase MMP-9 was also investigated. Results.  Cells of the invasive tumor front expressed the basal stem cell markers CD44,   ALDH1 and CK14. However, in contrast to the noninvasive basal cell layer of normal muco-

nomen des Kopf-Hals-Bereichs näher betrachtet werden.

Matrixmetalloproteinasen Die einzelnen Entwicklungsschritte einer Tumorzelle auf dem Weg vom Primärtumor bis zur Gründung einer neuen Zellkolonie in entfernt liegenden Geweben können nach Fidler in der sog. Invasions-

sa, HNSCC samples were also positive for active MMP-9, which lends the tumor its gelatinolytic activity. Conclusion.  These observations suggest a model in which cells of the invasive front are derived from the basal cell layer of normal mucosa and harbour the CSCs. Future studies should thus focus on the cells of the invasive front in particular, since the activity of these cells may form the basis for tumor recurrence and therapy resistance. Keywords Head and neck squamous cell carcinoma · Cancer stem cells · Matrix metalloproteinases · Invasiveness · Neoplasms

Metastasierungs-Kaskade zusammengefasst werden [4]. Diese umfasst verschiedene Schritte, ausgehend von der Absiedlung einer Tumorzelle aus ihrem Zellverband und dem Durchbruch durch die Basalmembran über die Intravasation, Zirkulation im Blut und Extravasation bis zur Kolonisation und Formation einer Metastase. Von zentraler Bedeutung bei den genannten Prozessen werden Ma­

trixmetalloproteinasen (MMP) angesehen [9]. Sie stellen mit derzeit mindes­ tens 25 Mitgliedern eine große Familie von Endopeptidasen mit relativ hoher Substratspezifität dar. MMP sind nicht nur auf physiologischer Basis vielseitig in Wachstums- und Umgestaltungsprozesse involviert, sondern spielen auch in Bezug auf Wachstum, Invasivität und Metastasierung maligner Tumoren eine bedeutende Rolle [19]. Durch Spaltung von Peptidbindungen extrazellulärer Bestandteile führen MMP zur Degradation der extrazellulären Matrix, wodurch eine Expansion und Migration der (Tumor-) Zelle ermöglicht wird. Nach Friedl et al. [7] konnte gezeigt werden, dass MMP von Tumorzellen nicht nur verstärkt exprimiert werden, sondern dass diese die Zellmigration in vitro sowie Metastasierung und Tumordisseminierung in vivo erleichtern. Auch bei Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereichs sind MMP in Wachstum und Metastasierung involviert [18], wobei insbesondere den beiden Gelatinasen MMP-2 und -9 eine Schlüsselrolle zugesprochen wird [22]. Gelatine ist eines ihrer Hauptsubstrate und damit namensgebend für MMP-2 und -9. In vorangegangenen Untersuchungen zeigte sich, dass eher MMP-9 und weniger MMP-2 maßgeblich für die gelatinolytische Aktivität in Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereichs verantwortlich ist, weshalb im Folgenden auf die Rolle von MMP-9 fokussiert wurde.

Studie Zielsetzung Vor dem Hintergrund der Tumorstammzellhypothese sollte der Zusammenhang zwischen MMP-9 und der Invasivität von Plattenepithelkarzinomen des Kopf-HalsBereichs untersucht werden.

Vorgehen Zur Detektion von Tumorstammzellkandidaten wurden verschiedene, bereits etablierte Marker verwendet. Prince et al. [17] zeigten die herausragende Bedeutung des Hyaluronsäurerezeptors CD44 als einen führenden Stammzellmarker.

Leitthema a

c

b

d S

T

T

T

S ALDH1 S

CD44

e

T

CK14

g

f

h

E

E

S

MMP-9

E

S S

CD44

ALDH1

S

CK14

S

MMP-9

Abb. 2 8 Expression von CD44, ALDH1, CK14 und MMP-9 a–d an der invasiven Front von HNSCC-Gewebeproben und e–h in der Basalzellschicht normaler Mukosa. (Aus: [20], mit freundl. Genehmigung von Elsevier)

250-

Molekulargewicht (kDa)

150Aktivität 10075100MMP-9

7510075-

CD44

50Aktin

372a

3a

5

6

7

8

***

10 8

2b

9

r=0,7265

r=0,6501

p=0,0010

p=0,0047

6 4

10

11

12

10

5 2 0 0

2

4 6 8 10 12 14 16 18 Gelatinolytische Akivität

0

13

**

15

MMP-9

MMP-9

4

Gelatinolytische Akivität

1

3b

14

6

n.s.

5

r=0,4363

HNO 12 · 2013

16

p=0,0800

4 3 2 1 0

0

2

4

6

8 10 12 14 16 18 CD44

0

2

4

6

Abb. 3 8 Gelatinaseaktivität in HNSCC-Geweben (oben), MMP-9- und CD44-Proteinexpression (Mitte). Die Pearson-Korrelationsanalyse (unten) zeigt eine signifikante Korrelation (**, ***) zwischen MMP-9-Expression und gelatinolytischer Aktivität sowie zwischen CD44- und MMP-9-Expression. Keine signifikante Korrelation (n.s.) ergab sich zwischen CD44-Expression und gelatinolytischer Aktivität. (Aus: [20], mit freundl. Genehmigung von Elsevier)

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15

8 10 12 14 16 18 CD44

a MMP-9

T S

50.0 um

*

T

S

b CD44

T

T

S

50.0 um

*

S

c CD44

T

MMP-9

T

S

normale Mukosa

50.0 um

*

S

invasiver Tumor

Abb. 4 9 Immunfluoreszenzfärbung der invasiven Front von HNSCC-Gewebeproben. Hier zeigt sich eine Kolokalisation von MMP-9 und CD44. (Aus: [20], mit freundl. Genehmigung von Elsevier) normale Mukosa

Tumorzellinvasion und Metastasierung

Kollagen-IV-positive Basalmembran Basalmembran Normale Basalzellen (CD44+, ALDH1+, CK14+, MMP-9-) Basalzellähnliche Tumorzellen (CD44+, ALDH1+, CK14+, MMP-9+) Höher differenzierte Zellen (CD44-, ALDH1-, CK14-, MMP-9-) Extrazelluläre Matrix (EZM) Vereinzelte metastatische Zellverbände Blut- oder Lymphgefäße

Abb. 5 8 Schematische Darstellung der invasiven Front von HNSCC. (Aus: [20], mit freundl. Genehmigung von Elsevier)

Ursprünglich wurde CD44 als Rezeptor der extrazellulären Matrix entdeckt und ist an diversen Signaltransduktionswegen beteiligt [21]. Über seine Fähigkeit, Verbindung zur extrazellulären Matrix herzustellen, ist CD44 für die Organintegrität von großer Bedeutung. Außerdem

dient CD44 als Korezeptor für verschiedene transmem­bran­­öse Proteine, wie z. B. MMP oder auch Rezeptortyrosinkinasen der ERB-Familie [12]. Als Tumorstammzellmarker scheinen bei Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereichs neben CD44 auch Zytokeratin 14 (CK14), Alde-

hyddehydrogenase 1 (ALDH1; [2]) sowie Bmi1 [8] eine Rolle zu spielen. Es erfolgte zunächst die immunhistologische Beurteilung der Expression verschiedener Tumorstammzellmarker (CD44, ALDH1 und CK14) sowie von MMP-9. Die immunhistologischen Färbungen wurden sowohl für Tumorgewebe als auch für normale Mukosa durchgeführt. Ein besonderer Fokus wurde auf die invasive Front des Tumors gelegt, welcher im Wesentlichen dem Tumor-StromaÜbergang entspricht. Ferner wurde die Expression der genannten Tumorstammzellmarker und MMP-9 mittels WesternBlot-Analyse auf Proteinebene beurteilt. Die Gelatinaseaktivität wurde mittels Zymographie bestimmt.

Ergebnisse Um die Expression verschiedener Stammzellmarker nachzuweisen und ihre Lokalisation im Tumorgewebe zu beurteilen, wurden zunächst immunhistochemische Untersuchungen an formalinfixierten, paraffineingebetteten Gewebeproben durchgeführt (. Abb. 2). Hierbei waren Tumorzellen im Bereich der TumorStroma Grenze, welche der Invasionsfront des Tumors entspricht, verstärkt als CD44-positiv zu beobachten (. Abb. 2a). Diese Tumorzellen waren ebenfalls positiv für Aldehyddehydrogenase 1 (ALDH1, . Abb. 2b). Es zeigten sich klare Überlappungen der Expression von CD44 und ALDH1 in Tumorstammzellen der inva­ siven Front sowie in Basalzellen normaler Mukosa (. Abb. 2e,f), welche die Nische normaler Stammzellen darstellt. In Übereinstimmung mit diesen Beobachtungen zeigten sich die stromanahen Zellen auch positiv für das basalzelltypische Zytokeratin 14 (CK14, . Abb. 2g). Ebenfalls wurde MMP-9 in Tumorzellen der invasiven Front (. Abb. 2d), jedoch nicht in der Basalzellschicht normaler Mukosa nachgewiesen (. Abb. 2h).

»

Es bestand eine signifikante Korrelation zwischen der gelati-  nolytischen Aktivität und MMP-9 Die . Abb. 3 zeigt eine Western-BlotAnalyse für CD44 und MMP-9 sowie die HNO 12 · 2013 

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Leitthema entsprechende gelatinolytische Aktivität der Gewebe. In normaler Mukosa (Probe 1) war hierbei keine MMP-9 Expression und entsprechend auch keine gelatinolytische Aktivität festzustellen, jedoch eine Expression von CD44. In den Tumorgeweben zeigt sich nicht nur eine CD44Expression, sondern ebenso eine MMP-9 Expression, wobei hier eine deutliche gelatinolytische Aktivität nachweisbar war. Die statistische Analyse ergab eine signifikante Korrelation zwischen der gelatinolytischen Aktivität und MMP-9 (p=0,0010). Dies deutet darauf hin, dass MMP-9 wesentlich für die in Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereichs beobachtete Gelatinaseaktivität verantwortlich ist. Die Expression von MMP-9 und CD44 auf Proteinebene wies ebenfalls eine signifikante Korrelation auf (p=0,0047). Eine angedeutete, jedoch nichtsignifikante Korrelation zeigte sich bei einem Vergleich von CD44 und gelatinolytischer Aktivität. In Immunfluoreszenzfärbungen ließ sich eine Kolokalisation von MMP-9 und CD44 feststellen, was die Koexpression beider Proteine in Zellen der invasiven Front bestätigt (. Abb. 4, [20]).

Diskussion Fasst man die genannten Ergebnisse in einem Modell zur Tumorzellinvasion und Metastasierung zusammen (. Abb. 5), so kann das Invasions- und Wachstumsverhalten von HNSCC wie folgt beschrieben werden: Die invasive Front von Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereichs besteht aus Zellen, welche der Basalzellschicht normaler Mukosa ähnlich sind. Sowohl die Basalzellschicht normaler Mukosa als auch die Zellen der invasiven Front des Tumors exprimieren die basalzelltypischen Stammzellmarker CD44, ALDH1 und CK14. Die invasive Front ist jedoch im Gegensatz zur nichtinvasiven Basalzellschicht normaler Mukosa zusätzlich positiv für aktives MMP-9, welches die gelatinolytische Aktivität des Tumors vermittelt [20]. Diese Beobachtungen weisen auf ein Modell hin, bei dem sich die Zellen der invasiven Front in HNSCC von der Basalzellschicht normaler Mukosa ableiten und Tumorstammzellkandidaten beherbergen, welche eine

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zentrale Rolle bei der Invasivität, Metastasierung und Therapieresistenz spielen.

Fazit für die Praxis F Basierend auf dem in . Abb. 5 gezeigten hypothetischen Modell ist es notwendig, weiterführende Untersuchungen, insbesondere auch von Tumorzellen der basalzellähnlichen Zellschicht der invasiven Front von HNSCC, durchzuführen, da anzunehmen ist, dass die Entwicklung von Tumorrezidiven sowie Therapieresistenzen von diesen Zellen ihren Ausgang nehmen. F So soll in Zukunft versucht werden, mittels „laser capture microdissection“ Zellen der invasiven Front des Tumors zu isolieren. F Hierbei ist es ein Ziel, einzelne Kandidatengene zu identifizieren und zu analysieren, um die Mechanismen, die der Entstehung von Therapieresistenzen zugrunde liegen, zu klären. F So können neue therapeutische Ansatzpunkte erkannt werden, welche zur Verbesserung der Therapie und Prognose von HNSCC-Patienten beitragen können.

Korrespondenzadresse C. Sterz Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH Standort Marburg Baldingerstr., 35033 Marburg [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  C. Sterz und R. Mandic geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.     Alle im vorliegenden Manuskript beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethik-Kommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Von allen beteiligten Patienten liegt eine Einverständniserklärung vor. Alle Patienten, die über Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts zu identifizieren sind, haben hierzu ihre schriftliche Einwilligung gegeben. Im Falle von nicht mündigen Patienten liegt die Einwilligung eines Erziehungsberechtigen oder des gesetzlich bestellten Betreuers vor.

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[Cells of the tumor front : a potential therapeutic target in head and neck cancer therapy?].

With a frequency of about 90 %, head and neck squamous cell carcinomas (HNSCCs) are the most common malignancies of the upper aerodigestive tract. The...
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