Übersicht Zerebrales Monitoring E. Kochs Universitäts-KrankehhausEppendorf, Hamburg, Abteilung f kAnästhesiologie(Direktor: Prof. Dr. J. Schulte am Esch)

Summary Several studies have shown that most anaesthesia-related critical incidents are due to human error. There is evidence that cerebral monitoring procedures may be of value for an early detection of cerebral hypoxia or ischaemia. Monitoring of central nervous physiology indudes both evaluation of systemic parameters Iike arterial blood pressure, arterial PO2, PC02, and temperature, and more specific pararneters for the assessment of centrai nervous system function and intracranial haemodynamics. It has been suggested that pararneters from the processed EEG may be used as an indicator for depth of anaesthesia. Even though anaesthetic-induced EEG alterations are unspecific, depth of anaesthesia may be assessed quantitatively by combined monitoring of general Parameters and processed EEG. Interpretation of the EEG signals has to take into acCount that critical events like hypoxia or cerebral ischaemia results in EEG Patterns similar to those Seen under deep anaesthesia. Sensory evoked potentials are frequently used to monitor specific neural pathways that are at risk during surgery. Different pathways may be tested using different trigger modalities (somatosensory, auditory, visual). Changes in latencies and amplitudes of primary components may indicate impaired conduction in the pathway monitored. For operations in which monitoring of evoked responses is indicated, the anaesthetic technique should have minimal impact on latencies and amplitudes. In patients, cerebral blood flow can be monitored only at discrete time intervals. In contrast, non-invasive transcranial Doppler sonography may provide continuous information on intracranial haemodynamics. Relative changes in cerebral blood flow velocity have been shown to correlate closely to changes in cerebral blood flow. Cerebral perfusion pressure can be calculated by monitoring of intracranial pressure in patients with comprornised intracranial compliance.

Obwohl erst durch wenige Studien belegt (15, 27), hat die Annahme, daß durch eine Überwachung vitaler Funktionen die perioperative Morbidität und Mortalität günstig beeinflußt werden kann, zu Empfehlungen über

Anästhesiol. Intensivrned. Norfailmed. Schmerzther. 26 (1991)363-374 O Georg Thieme Verlag Stuttgarr . New York

Zusammenfassung Ein zerebral orientiertes Monitoring soll zu einer frühzeitigen Erkennung zerebral belastender Situationen (Hypoxie, Ischämie) beitragen sowie Entscheidungshilfen fiir die Steuerung der Anästhesietiefe geben. Als Grundlage dient die Überwachung allgemeiner Systemparameter (z. B. arterieller Blutdruck, Blutgase) mit direkten Auswirkungen auf die Funktion und den Metabolismus des zentralen Nervensystems (ZNS). Direkte Monitorparameter (z. B. zerebraler BlutfluiJ, Blutströmungsgeschwindigkeitenin den basalen Hirnarterien, intrakranieller Druck, EEG, evozierte Potentiale) geben Auskunft über die intrakranielle Hämodynamik und ZNS-Funktion. Bei speziellen operativen Eingriffen ist die Kombination mehrerer, sich ergänzender Überwachungsverfahren sinnvoll. Mit Hilfe elektrophysiologischer Methoden (EEG, evozierte Potentiale) kann einerseits die Integrität zentralnervöser Strukturen überwacht werden und andererseits eine Abschätzung der Narkosetiefe vorgenommen werden. Hierzu bieten sich derzeit vor allem com~uterunterstüate EEG-Ableitungen mit " Berechnung unvariater Variablen an. Für spezielle Operative Eingriffe konnte die Sensitivität und Spezifität elektrophysiologischer Methoden (EEG, evozierte Potentiale) zur Abschätzung eines postoperativen neurologischen Defizites beleet " werden. Der zerebrale Blutfld kann bei Patienten nur in wenigen speziellen Situationen zu bestimmten Zeitpunkten bestimmt werden. Im Gegensatz dazu bietet die nicht-invasive Erfassung der zerebralen Blutströmungsgeschwindigkeit in den basalen Hirnarterien mittels der transkraniellen Dopplersonographie die Möglichkeit, Veränderungen des zerebralen Blutflusses kontinuierlich abzuschätzen. Wechselseitige Beeinflussungen zwischen intrakranieller ~ ä m o d ~ a m iund k ZNS-Funktion können durch kombinierte Ubenvachung mittels der transkraniellen Dopplersonographie und elektrophysiologischer Methoden (EEG, evozierte Potentiale) erkannt werden.

die perioperative Anwendung von Monitorstandards gefuhrt (58). Als essentiell wird die Überwachung kardiovaskuIärer, ventilatorisch-respiratorischer Parameter sowie der Körpertemperatur betrachtet. Eine Überwachung des ZielOrgans einer Allgemeinanästhesie - das zentrale Nervensystem (ZNS) - wird hierbei nicht besonders berücksichtigt. Ziele eines zerebralen Monitorings sind die Erkennung kritischer Situationen für das ZNS und Entscheidungshilfen für

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Cerebral Monitoring

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E. Kochs

Tab. 1 Zerebrale Monitorverfahrenunterteilt nach allgemeinen und speziellen (spezielle intraoperative Eingriffe bzw. krankheitsbedingte) Verfahren. Bei den allgemeinen Verfahren wird nach direkten, dieVeränderungender zerebralen Homöostaseunmittelbar erfassenden, und indirektenVerfahren unterschieden. Mit der Messung indirekter Paramter werden systemisch bedingte Einflüsse auf das zentrale Ne~enSystem erfaßt. Zerebrales Monitoring Allgemeine Übewachungsparameter Überwachungdirekter (zerebraler) Parameter

Überwachung indirekter Parameter mit Rückwirkungauf die zerebrale Homöostase

KontinuierlicheMessung - ElektrischeZNS-Aktivität - IntrakraniellerDruck (ICP) Diskontinuierliche Messung - Zerebraler Bluffluß (CBF) - Zerebraler Metabolismus (CMRO„ CMR„ L a b t , Aminosäuren)

Arterieller Blutdruck - Arterielle Sauerstoffsättigung (SaO,) - Hirnvenöse Sauerstoffsättigung (SJO,) - PaO, - PaCO, - Blutzucker - Flüssigkeits-/Elektrolytbilanzen . '

Sitzende Position

Lufiembolie

Endarteriekiomie

Ischämie

Tumor, Aneurysma Rückenmarkstrauma

Ischämie Ischämie ,SympatheMomieM Ischämie Verlust der zerebrovaskulären Autoregulation Verschlechterungdes neurologischenStatus

Hirnödem

Monitorverfahren Ösophagusstethoskop Doppler (transthorakal,transösophageal) Massenspektrometer EEG, EP „Stumpfdruckmessung" Drucksensor, EP EP Pulmonaliskatheter EEG, EP ICP, CPP, TCD Coma scales „Trend Monitor: EEG, EP"

CMRO, = zerebraleSauerstoffaufnahme;CMR, =zerebrale Glukoseaufnahme;EEG =spontane elektrischeAktivität; EP = evozierte elektrische Aktivität; ICP= IntrakraniellerDruck; CPP = Zerebraler Perfusionsdruck;TCD = transkranielle Dopplersonographie

die Anästhesieführung bei zu flacher oder zu tiefer Narkose. Es wird unterstellt, daX bei fortlaufender klinischer Überwachung kritische Situationen für das ZNS vermieden werden können, wenn die derzeit routinemaig überwachbaren Systemparameter (z. B. arterieller Blutdruck, Blutgase) in physiologischen Grenzen gehalten werden. Zur Strukturierung der zu übemachenden Funktionen und der hierzu anwendbaren Verfahren bietet sich eine Unterteilung in allgemeine Überwachungsparameter und ein Monitoring zu speziellen klinischen Situationen an. Bei den allgemeinen Monitorverfahren mui3 nach Parametern unterscvhieden werden, die direkt und ausschliei3lich Veränderungen in der Physiologie des ZNS beschreiben (2.B. zerebraler Blutflui;: und Metabolismus, intrakranieller Druck) und solchen, die das ZNS nur indirekt neben anderen Organen beeinflussen (Tab. 1).

einen diskontinuierlichen Informationsgewinn, der durch Verfahren wie Einsatz von kontinuierlich registrierender " Kapnometrie und Pulsoximetne ergänzt werden kann. Die fortlaufende endexspiratorische C02:Messung stellt eine der akustischen Überwachung über Osophagusstethoskop überlegene Uberwachungsmethode zur Emboliedetektion dar (16). Als neuere, sehr sensitive Methode kann die trancösophageaie Doppler-Echokardiographie (TEE) das Auftreten von embolischen Ereignissen direkt visuell darstellen, wodurch U. a. Episoden &it einer paradoxen Luftembolie (d. h. Übertritt von Luft in den arteriellen Kreislauf) erkannt werden können (9).

Spontanes und evoziertes Elektroenzephalogramm

E i e wichtige kontinuierliche Information über den zerebralen Funktionsstand bietet die nicht-invasive Ableitung des spontanen (EEG) und evozierten (EP) ElekNicht spezifisch zerebral orientierte troenzephalogramms. Die abgeleiteten Signale sind jedoch Übenuachungsgrößen gegenüber anderen physiologischen Gröi3en (z. B. EKG) Die Überwachung ventilatorisch-respiratori- sehr störanfäilig und bieten z.T. sehr komplexe Bilder, descher und hämodynamischer Parameter steht im Mittel- ren Deutung gröi3ere neurophysiologische Erfahrungen vorpunkt der globalen Sicherung eines adäquaten Sauerstoffan- aussetzt. Solange die Kontinuität der Beobachtung gesichert gebotes. Das hämodynamische Basismonitoring soll an die- ist und auf das EEG und EP einwirkende Faktoren (z. B. ser Stelle nicht niher besprochen werden. Zur Einschätzung Sedativa/Hypnotika/Analgetika, OT und CO2-Spannung, des Gasaustausches gibt die arterielle Blutgasanalyse nur Körpertemperatur, Hämatokrit, arterieller Druck, zerebrale

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Überwach;ngsparamterzu speziellen klinischen Situationen Indikation Risiko

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Ischämie) bekannt sind, können die gewonnen Parameter wertvolle Hilfsmittel bei der Beurteilung der ZNS-Funktion darstellen.

Tab.2

EEG-Parameter zur Narkosetiefenbestimmung.

Methode

Fouriertransformation Spectral-Edge-Frequency Für die intraoperative Überwachung wird die spontane EEG-Aktivität kontinuierlich abgeleitet und computerunterstützt weitewerarbeitet. Durch mathematische Transformation (z. B. Fourieranalyse, aperiodische Wellenanalyse) wird die Quantifizierung verschiedener aus dem EEG extraherbarer Parameter möglich. Der ,cerebral function monitor" (CFM) bzw. der ,cerebral function analysing monitor" (CFAM) wurde als erstes Gerät zur intraoperativen EEG-Darstellung entwickelt (45). Dargestellt werden die mittlere Amplitude und Frequenz, die jedoch fiir anästhesiologische Bedürfnisse als zu wenig spezifisch und sensitiv eingeschätzt werden müssen. Die Methode der EEG Darstellung mit Hilfe der spektralen Leistungsdichte, bei der, abgesehen von der Phasenbeziehung, die gesamte im EEG enthaltene Information erhalten bleibt, wurde von Bickford eingefuhrt (4). Mit Hilfe eines Computers wird hierbei das EEG über vorher festgelegte Zeitintewalle (2-16s) digitaiisiert und einer Fouriertransformation unterzogen. Hieraus können die Amplituden bzw. die jeweilige Leistung in den verschiedenen Frequenzbändern berechnet werden. Aus der Spektraldarstellung wurden verschiedene, anästhesiologisch relevante EEGTrendparameter berechnet. Im einzelnen handelt es sich hierbei um die ,spectral-edge frequency" (59, 60), die die Frequenz bei 90% bzw. 95 O/o der Gesamtleistung angibt; die ,peak-power frequencyU,die die Frequenz mit der größten Einzeikomponente des Powerspektrums beschreibt und die mediane Frequenz (67). Eine andere Technik benutzt die aperiodische Analyse, die im wesentlichen die Nulldurchgänge des EEG-Signals erfaßt. Im Einzelfall vermag jeder dieser Parameter Variationen der Narkosetiefe wiederzugeben. Bislang ungeklärt ist jedoch, welcher Parameter auch kritische Situationen (z. B. Blutdruckabfall, Hypoxie/Ischämie) sensibel und spezifisch erfassen kann. Die Vielzahl der zur Anästhesieübenvachung vorgeschlagenen EEG-Parameter (4, 9, 20, 21, 33, 67) verdeutlicht, daß noch keine allgemein akzeptierte Standardmethode fur die perioperative EEG-Überwachung zur Verfugung steht.

Obwohl alle Anästhetika Veränderungen im spontanen EEG hervorrufen, konnte in ersten Untersuchungen keine Korrelation zwischen dem visuell ausgewerteten EEG-Befund und der klinisch eingeschätzten Anästhesietiete nachgewiesen werden (22). Quantifizierende EEG-Untersuchungen zur Erfassung von Medikamenteneffekten setzen in der EEG-Analyse erfahrene Mitarbeiter voraus. Für die anästhesiologische Überwachung kann das zerebrale Monitoring nur einen Teilaspekt der während einer Narkose wahrzunehmenden Aufgaben darstellen. Aus diesem Grunde muß das EEG-Rohsignal soweit verarbeitet und transformiert werden, daß Anästhetikaeffekte in Abgrenzung einer zerebralen Hypoxie oder Ischämie, aber auch Schmerzreaktionen frühzeitig und eindeutig erkannt werden können. In einer vergleichenden Studie über die Aussagekraft spektraler

Median

Unersuchte Anästhetika Thiopental,Halothan, Enfluran Fentanyl,Alfentanil. Sufentanil ~tomidate,Propofol, Methohexital Isofluran, Ketamin

Aperiodische EEG-Analyse Gesamtzahl der Wellen/s Thiopental, Fentanyl,Sufentanil Alfentanil Gesamtleistung bei 1 Hz Kumulative Leistung bei 3 Hz Kumulative Leistung bei 4 Hz Frequenz bei 90 % der kumulativen Leistung

EEG-Parameter im Rahmen von Narkoseeinleitungen kommt Levy (41) zu dem Schluß, daß wegen des Auftretens von multimodaler EEG-Aktivität in 64% aller Fälle univariate Deskriptoren (d. h. die gesamte EEG-Information wird in einen einzigen Parameter komprimiert) den jeweiligen Anästhesiezustand nicht korrekt wiedergeben. Ein Hauptgrund h r diese zunächst enttäuschenden Ergebnisse liegt darin, daß in einigen Untersuchungen eine Vielzahl von Medikamenten in unkontrollierter Art und Weise appliziert wurde. Nach neuerem Verständnis rufen jedoch die verschiedenen Anästhetika unterschiedliche EEG-Effekte, die von ausgeprägter Exzitation bis zu tiefer Depression reichen, hervor. Eine quantifizierende Abschätzung der Anästhesietiefe muß deshalb für die jeweilige Anästhetikakombination separat erfolgen. Neuere Untersuchungen unter standardisierten Bedingungen konnten jedoch zeigen, daß univariate EEG-Desknptoren grundsätzlich die Möglichkeit der Überwachung einer adäquaten Narkosetiefe sowie einer einfach zu interpretierenden Trenddarstellung bieten (59, 67, 68). Die Wahl des jeweiligen EEG-Parameters wurde hauptsächlich empirisch unter Berücksichtigung folgender pharmakologischer Kriterien begründet: 1. Der Ausgangswert soll bei minimaler Variation stabil sein. 2. Mit Hilfe des jeweiligen Parameters sollen maximale EEG-Veränderungen charakterisiert werden können. 3. Mit steigender bzw. abnehmender Pharmakonkonzentration soll sich der jeweilige Parameter voraussagbar ändern. Für nahezu aiie derzeit empfohlenen EEGParameter wurden Korrelationen mit der klinisch eingeschätzten Anästhesietiefe bzw. dem pharmakokinetischen Profil anhand von Plasmaspiegelbestimrnungen beschrieben (Tab.2). Nach Untersuchungen an Ca. 1500 Patienten kommen Pichlmayr und Lips (54, 55) zu dem Ergebnis, daß es durch die Darstellung des EEG Leistungsspektrums möglich ist, die Anästhesietiefe abzuschätzen. In diesen Untersuchungen wurden jedoch keine quantifizierenden oder statistischen Methoden verwandt. Für die ,spectral-edge frequency" (SEF) zeigten Rampil und Mitarb. (60) im Rahmen von Laryngoskopien und Intubationen nach Gabe von Thiopental, daß eine SEF von größer als 14 Hz mit signifikanten Anstiegen im arteriellen Blutdruck einhergeht. Diese hämo-

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Zerebrales Monitoring

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E. Kochs

Latenzzeit

~ t ~1b .Kennzeichnung evozierter Potentiale nach Latenzzeit (Zeit zwischen Reiz und Auftreten der einzelnen Potentialkomponenten) und Amplituden entweder zwischen einem Gipfel und der Grundlinie (Al ) oderzwischen zwei aufeinanderfolgenden Gipfeln (A2).

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[Cerebral monitoring].

Several studies have shown that most anaesthesia-related critical incidents are due to human error. There is evidence that cerebral monitoring procedu...
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