892.

Hoyer u. a.: Hirndurchblutung und -stoffwechsel bei traumatischen Hirnschäden

Deutsche Medizinische Wochenschrift

Dtsch. med. Wschr. loo (1975), 892-896

Veränderungen der Hirndurchblutung und des oxidativen Hirnstoffwechsels bei akuten substantiellen traumatischen Hirnschäden* S.

Hoyer, H. Stoeckel und H. Penzholz

Institut für Pathochemie und Allgemeine Neurocheniie der Universität Heidelberg, Abteilung für Neurochirurgie der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg und Abteilung für Anästhesiologie der Universitätskliniken, Bonn

Bei 15 bewußtlosen Patienten wurden in der akuten Phase nach einem

Schädel-Hirn-Trauma die globale Durchblutung und der oxidative Stoffwechsel des Gehirns in normokapnischer Ausgangslage, in Hypound Hyperkapnie gemessen. In der Ausgangslage ergaben die gemessenen Daten keine besonderen, der Schwere des Krankheitsbildes entsprechenden Normabweichungen. Erst durch Anwendung von Funktionstests unter Änderungen des arteriellen pCO2 zeigten sich in der Hyperkapnie deutliche Veränderungen im oxidativen Stoffwechsel des Gehirns, was auf eine Funktionsstörung zerebraler Regulationsmechanismen hindeutet. Untersuchungen der gleichen Parameter 14 Tage nach der Hirnverletzung zeigten einerseits das Fortbestehen dieser Veränderung, andererseits aber auch eine Normalisierung der zuvor deutlich erhöhten zerebralen Glucoseaufnahme. Beim Vergleich der zerebralen Durchblutungs- und Stoffwechseldaten zwischen Patienten, die das Hirntrauma überlebten, und solchen, die in der akuten Phase der Hirnverletzung starben, fanden sich keine signifikanten Unterschiede. In die Suche nach Störungen der Hirnfunktion auf dem

Boden traumatischer Hirnschäden sollten heute neben anderen Untersuchungsverfahren Messungen von Durchblutung und oxidativem Stoffwechsel des Gehirns einbezogen werden. Dadurch können Möglichkeiten zur besseren Objektivierung und zur Überwachung von pathologisch veränderten Hirnfunktionen geschaffen Professor Dr. P. Röttgen zum 65. Geburtstag

Changes in cerebral blood flow and oxidative cerebral metabolism after extensive acute head trauma

Total cerebral blood flow and oxidative cerebral metabolism were measured at normal pCO2, hypocapnia and hypercapnia in 15 unconscious patients in the acute phase after head trauma. In the basal position (normal CO.,) measurements were within normal limits and did not correspond to the severity of the clinical picture. But on altering arterial pCO., there were marked changes in oxidative cerebral metabolism, which suggests an abnormal cerebral regulatory mechanism. Measurement of the same functions 14 days later indicated, on the one hand, persistence of changes, but, on the other, a return to normal of previously markedly elevated cerebral glucose uptake. Comparing cerebral blood flow and metabolism between patients who survived and those who died in the acute phase after brain damage, there were no significant differences.

und gleichzeitig Angriffspunkte für eine gezielte Therapie gewonnen werden. Die Objektivierung pathologischer Veränderungen, ihre Abschätzung und eine mögliche therapeutische Beeinflussung müssen aus naheliegenden Gründen vorzugsweise die akute Phase der Hirnläsion betreffen. Unsere Untersuchungen zielten daher darauf ab festzustellen, welche Veränderungen der Durchblutung und des oxidativen Stoffwechsels des Gehirns kurz nach Ein-

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tritt einer substantiellen traumatischen Hirnschädigung und zwei Wochen später vorliegen und ob sich Unterschiede zwischen Patienten aufzeigen lassen, die die akute Phase der Hirnverletzung überlebten oder in ihr starben.

Patienten und Methodik 15 Patienten im Durchschnittsalter von 33 Jahren wurden in den ersten 3 Tagen nach einer substantiellen traumatischen Hirnläsion in die Untersuchung einbezogen. Zur Prüfung der Ansprechbarkeit der Meßgrößen auf Änderungen des pCO2 im arteriellen Blut wurden die Patienten in Normokapnie (n = 15], in Hypokapnie (n 15), in Hyperkapnie (n = 10) und nach einstündiger Hypokapnie (n = 5) untersucht. Sieben der insgesamt 15 Patienten starben in den ersten Tagen nach dem Hirntrauma. Von den übrigen acht Patienten konnten wir bei fünf 14 Tage nach der ersten Untersuchung nochmals Messungen der Hirndurchblutung und des Hirnstoffwechsels in Normokapnie, Hypo- und Hyperkapnie vornehmen. Alle Patienten waren bei der ersten Untersuchung bewußtlos (komatös, allenfalls soporös) und zeigten keine Hinweise auf eine fokale Hirnschädigung. Während der Meßdauer wurden die Patienten relaxiert und mit einem Engström-Respirator beatmet. Jeweils am Ende eines iSminütigen >steady state erfolgten die Messungen in Normo-, Hypo- bzw. Hyperkapnie. Blutdruck und arterielle Sauerstoffspannung wurden konstant bzw. über 100 Torr gehalten. Die Hirndurchblutung wurde nach der Methode von Kety und Schmidt (10) in der Modifikation von Bernsmeier und Siemons (2) bestimmt. Im simultan mit Hilfe von Motorspritzen über 10 Minuten entnommenen Blut aus der A. femoralis und aus dem Bulbus superior V. jugularis internae wurden die Volumina von Sauerstoff und CO2 gaschromatographisch (18) und die Konzentrationen von Glucose und Lactat substratspezifisch enzymatisch ermittelt. Aus den arterio-venösen Substratdifferenzen und der Hirndurchblutung wurden die Umsatzraten der jeweiligen Substrate errechnet. Die Bestimmung der Blutgas-Partialdrücke und des Säure-Basen-Haushaltes erfolgte im Astrup-Gerät. Die statistischen Berechnungen wurden mit Hilfe des F- und t-Tests bzw. der einfachen Varianzanalyse vorgenommen.

Ergebnisse Mittelwerte und Signifikanzen der Hirndurchblutung und der Größen des oxidativen Hirnstoffwechsels, ge-

messen in den ersten drei Tagen nach Eintritt der Hirnverletzung, sind in Tabelle 1 wiedergegeben. Beim Vergleich mit einer Gruppe gesunder Probanden (8) zeigte die Hirndurchblutung in Normokapnie keine Veränderung. Der zerebrale Sauerstoffverbrauch war bei den Hirntraumatikern deutlich vermindert, die Aufnahme von Glucose ins Gehirn und die Lactatabgabe aus dem Gehirn waren dagegen erhöht. Unter Änderung des arteriellen pCO2, die in allen hier mitgeteilten Gruppen jeweils das gleiche Ausmaß hatte, sank die Hirndurchblutung in Hypokapnie signifikant ab und stieg in Hyperkapnie ebenfalls signifikant an. Im umgekehrten Sinne veränderten sich die zerebralen arterio-venösen Differenzen von Sauerstoff und CO2, so daß die Umsatzraten dieser Substrate in Hypo- und Hyperkapnie wohl konstant, im Vergleich zur Norm jedoch herabgesetzt blieben. Die bereits in Normokapnie erhöht vorliegende zerebrale arterio-venöse Glucosedifferenz stieg signifikant unter hypokapnischen Bedingungen weiter an, änderte sich jedoch im hyperkapnischen Bereich nicht. Die zerebrale Glucoseaufnahme blieb in der hypokapnischen Phase der Untersuchung im Vergleich zur Normokapnie konstant, stieg aber unter Erhöhung des arteriellen pCO2 signifikant an. Während sich die zerebrale arterio-venöse Lactatdifferenz in Hypo- und Hyperkapnie im Vergleich zur Normokapnie überhaupt nicht änderte, stieg die Abgabe von Lactat aus dem Gehirn unter hyperkapnischen Bedingungen signifikant an. Tabelle 2 enthält die Mittelwerte von fünf überlebenden Patienten, bei denen wir 14 Tage nach der ersten Untersuchung erneut in Normokapnie, Hypound Hyperkapnie die Hirndurchblutung und die Größen des oxidativen Hirnstoffwechsels bestimmen konnten. Unter normokapnischen Bedingungen bewegte sich die Hirndurchblutung im Rahmen der Norm, in Hypokapnie sank sie deutlich ab und in Hyperkapnie stieg sie

Tab. 1. Mittelwerte und Signifikanzen von Hirndurchblutung und oxidativem Stoffwechsel des Gehirns bei iS bzw. 10 Patienten mit akuten substantiellen Hirnläsionen in Normo-, Hypokapnie und Hyperkapnie. Im Vergleich dazu Normaiwerte

Normokapnie

Normaiwerte

15

15

10

paCO2

38

21

73 94,7***

52,9

Einheit

15

mm Hg

52,1

36,1***

arterio-venöse Sauerstoffdifferenz

5,2

8,5***

1,9**

6,7

Vol°/o

Sauerstoffaufnahme

2,61

3,10

2,31

3,54

ml/lOO g

arterio-venöse CO5-Differenz

6,1

2,2***

7,1

Vol°/o

CO5-Abgabe

3,15

2,48

3,77

ml/lOO g

arterio-venöse Glucosedifferenz

17,2

1O,S

3,70

ml/lOO g

27,0**

15,2

9,4

mg/dl

min min

min

8,45

10,67

18,43*

4,97

mg/lOO g min

arterio-venöse Lactatdifferenz

1,9

1,9

2,4

0,7

mg/dl

Lactatabgabe

0,91

0,59

2,78***

0,36

mg/lOO g min

Glucoseaufnahme

*

Hyperkapnie

n

Hirndurchblutung

**

Hypokapnie

ci

ci ci

=

0,05 0,01 0,001

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893

Hoyer u. a.: Hirndurchblutung und -stoffwechsel bei traumatischen Hirnschäden

Nr, 16, 18. April 1975, 100. Jg.

894

Deutsche Medizinische Wochenschriít

Hoyer u. a. Hirndurchblutung und -stoffwechsel bei traumatischen Hirnschäden

Tab. 2. Mittelwerte von Hirndurchblutung und oxidativem Hirnstoffwechsel in Normo- Hypo- und Hyperkapnie 14 Tage nach der ersten Untersuchung bei fünf Patienten mit substantiellen traumatischen Hirnläsionen

Hypokapnie

Hyperkapnie

Einheit

78

mm Hg

34,5

144,3

ml/lOO

5,4

8,5

2,2

Vol°/e

Sauerstoffaufnahme

2,69

2,94

3,11

ml/lOO g min

arterio-venöse CO2-Differenz

7,9

3,2

VoI°/o

CO-Abgabe

3,95

5,20

ml/lOO g

arterio-venöse Glucosediffercnz

9,0

9,6

mg/dl

Glucoseaufnahme

4,51

14,41

mg/lOO

paCO,

35

19

Hirndurchblutung

49,6

arterio-venöse O-Differenz

11,9

3,94 14,8

5,22

g min

min

g min

arterio-venöse Lactatdifferenz

1,4

1,3

2,2

mg/dl

Lactatabgabe

0,72

0,52

2,98

mg/lOO g min

an. Die gegenüber Normaiwerten in Normokapnie verminderte arterio-venöse Sauerstoffdifferenz nahm in Hypokapnie zu und in Hyperkapnie ab, so daß die Umsatzraten konstant, im Vergleich zur Norm jedoch herabgesetzt blieben. Die arterio-venösen CO2-Dïfferenzen verhielten sich ebenso wie die vom Sauerstoff: Die Abgaberaten waren ebenfalls konstant, bewegten sich aber im Rahmen der Norm. In Normokapnie waren die zerebraie arterio-venöse Glucosedifferenz und die Aufnahme von Glucose im Vergleich zur Norm unauffällig. In Hypokapnie war eine Zunahme der arterio-venösen Differenz zu verzeichnen. Eine Abnahme trat in Hyperkapnie jedoch nicht ein. Die Umsatzraten von Glucose blieben in Normo- und Hypokapnie gleich und stiegen in Hyperkapnie deutlich an. Die zerebrale arterio-venöse Lactatdifferenz lag unabhängig von der Höhe des arteriellen COa im Vergleich zur Norm mäßig gesteigert vor. In Hyperkapnie war die Lactatabgabe deutlich erhöht. - Da diese Stichprobe mit nur fünf Patienten relativ klein ist, wurde auf weitergehende statistische Berechnungen verzichtet. In Tabelle 3a sind die Meßdaten von acht Patienten zusammengefaßt, die das schwere Hirntrauma überlebten. Die Ergebnisse wurden in den ersten drei Tagen nach dem Trauma gewonnen. Die wiedergegebenen Befunde umfassen deshalb nur die normo- und hypokapnischen Phasen, da der Stichprobenumfang aus der hyperkapnischen Phase zu klein war und so keine statistische Bearbeitung zuließ. Es zeigte sich, daß die normokapnische Ausgangslage dieser acht Patienten mit derjenigen der Gesamtgruppe von 15 Patienten vergleichbar war und daß unter hypokapnischen Bedingungen die gleichen Veränderungen eintraten wie in der gesamten Stichprobe. Tabelle 3b gibt die Meßdaten von sieben Patienten wieder, die in den ersten Tagen nach dem Hirntrauma an den zerebralen Verletzungsfolgen gestorben waren. Für diese Gruppe gelten die gleichen Untersuchungsbedingungen und Einschränkungen wie bei den acht

oben angeführten Patienten. Auch in dieser Gruppe waren weder in Normokapnie noch in Hypokapnie Unterschiede zur Gesamtgruppe zu sichern. Wurden die acht überlebenden mit den sieben nicht überlebenden Patienten jeweils in Normokapnie und Hypokapnie miteinander verglichen, so fanden sich zwischen diesen beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede. Die Meßwerte der Hirndurchblutung, der zerebralen arterio-venösen Differenzen von Sauerstoff und COa sowie die Glucoseaufnahme in Normokapnie zwischen Überlebenden und Verstorbenen waren zwar different, die Unterschiede erreichten aber keine statistische Signifikanz. Das gleiche war bei der Glucoseaufnahme in Hypokapnie der Fall.

Diskussion In einer früheren Studie haben wir bereits auf die Diskrepanz zwischen der Schwere des klinischen Bildes einerseits und den vergleichsweise geringen Veränderungen der Hirndurchblutung und des oxidativen Hirnstoffwechsels andererseits hinweisen können (9, 15). Auch unsere jetzigen Ergebnisse mit einem größeren Stichprobenumfang zeigten als wesentliche Normabweichungen im Durchschnitt eine mäßige Verminderung der zerebralen Sauerstoffaufnahme sowie eine geringe Erhöhung der Aufnahme von Glucose ins Gehirn und Abgabe von Lactat aus dem Gehirn. Holbach und Mitarbeiter (6) kamen bei zehn Patienten mit akuten Hirnverletzungen bei Bestimmung der zerebralen arterio-venösen Differenzen von Sauerstoff und Glucose zu ähnlichen Ergebnissen. Beim Vergleich der das Trauma überlebenden Patienten mit den in den ersten Tagen nach dem Trauma gestorbenen war auffällig, daß die Hirndurchblutung bei den nicht überlebenden Patienten zwar nicht signifikant, aber doch deutlich höher war als in der Uberlebensgruppe. Auch Rossanda und Mitarbeiter (13) fanden bei zwei von drei Patienten, die nach dem Trauma gestorben waren, Durchblutungsraten von 60-80 ml/lOO g mm, während bei den übrigen Patien-

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Normokapnie

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Hoyer u. a.: Hirndurcliblutung und -stoffwechsel hei traumatischen Hirnschäden

Nr. 16, 18. April 1975, 100. Jg.

Tab. 3. Mittelwerte der Hirndurchblutung und des oxidativen Hirnstoffwechsels bei acht Patienten, die das Hirntrauma überlebt haben (a), und bei sieben Patienten, die in den ersten Tagen nach dem Trauma gestorben waren (b), in Normo- und Hypokapnie. Statistisch signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen bestehen nicht b

a

Einheit

Hypokapnie

Normokapnie

8

8

7

7

paCO2

37

20

39

23

mm Hg

Hirndurchblutung

47,9

36,9

61,2

35,2

ml/lOO g min

arterio-venöse 02-Differenz

6,8

8,9

4,6

8,1

VoI°/o

Sauerstoffaufnahme

3,00

3,21

2,88

2,97

ml/lOO g min

arterio-venöse C07-Differenz

8,1

CO2-Abgabe

3,58

n

20,3

arterio-venöse Glucosedifferenz

10,5

3,82 23,3

5,8

3,80

10,5

3,55

VoI°/o

ml/lOO g min

17,1

31,3

mg/dl mg/lOO g min

Glucoseaufnahme

8,30

9,43

11,00

12,09

arterio-venöse Lactatdifferenz

2,9

2,0

1,4

2,0

mg/dl

1,36

0,70

0,64

0,54

mg/lOO g min

Lactatabgabe

ten mit akutem Hirntrauma die Durchblutung im Durchschnitt erniedrigt war (20-35 ml/lOO g mm). Eine hohe Hirndurchblutung kann somit nicht ohne weiteres eine gute Prognose einschließen, worauf auch Arbus und Mitarbeiter (1) hinwiesen, die gleiche Untersuchungen an einer vergleichbaren Gruppe von Kranken ausführten. Fieschi und Mitarbeiter (4) untersuchten bei zwölf komatösen Patienten 10, 12 und 36 Stunden sowie 3 und 10 Tage nach schwerem Hirntrauma die Hirndurchblutung und fanden, daß sie anfangs herabgesetzt war und sich 48-96 Stunden nach dem Trauma besserte, ohne daß es gleichzeitig auch zu einer klinischen Besserung kam. Die Ansprechbarkeit der Hirndurchblutung auf Änderungen des mittleren arteriellen Blutdrucks war in den ersten drei Tagen weniger gestört als auf Änderungen des arteriellen CO2-Partialdruckes. Auch bei dieser Untersuchung hatten Patienten, die aus zerebralen Ursachen gestorben waren, eine relativ hohe mm), wohingegen PaHirndurchblutung (60 ml/lOO tienten, die sich erholten, eine Durchblutungsminderung von durchschnittlich 34,6 ml/lOO g min aufwiesen. Schließlich konnten Bruce und Mitarbeiter (3) zeigen, daß bei hirnverletzten komatösen Patienten keine Korrelation bestand zwischen intrakraniellem Druck und neurologischem Status, zwischen intrakraniellem Druck und Hirndurchblutung sowie zwischen Hirndurchblutung und neurologischem Status. Diese Feststellung kann aber nicht gleichzeitig bedeuten, daß zwischen der Höhe des intrakraniellen Druckes und dem Schicksal des hirntraumatisch geschädigten Patienten keine Beziehung vorliegt. Vapalahti und Troupp (17) sowie Troupp und Mitarbeiter (16) wiesen darauf hin, daß der Verlauf bei Patienten mit höheren intraventrikulären Drücken im allgemeinen schlechter ist als bei denen mit niedrigeren Drücken.

g

Unsere Untersuchungen zeigten, daß Art und Ausmaß der Störungen von Durchblutung und oxidativem Stoffwechsel des Gehirns nach schweren substantiellen Hirnschäden erst unter Veränderungen des pCOa im arteriellen Blut deutlich wurden. Durchblutung sowie die zerebralen arterio-venösen Differenzen von Sauerstoff und CO änderten sich zwar entsprechend, so daß die Umsatzraten dieser Metabolite in Hypo- und Hyperkapnie im Vergleich zur Normokapnie konstant blieben, was auch von Gordon und Bergvall (5) bei zehn Patienten in der akuten Phase der Hirnverletzung bei kontrollierter hypokapnischer Hyperventilation hinsichtlich Durchblutungsabnahme und Konstanz des zerebralen Sauerstoffverbrauchs gefunden wurde. Die zerebralen arteriovenösen. Differenzen von Glucose und Lactat allerdings boten ein gegenüber den normalen zerebralen Regulationsvorgängen abweichendes Verhalten. Wenn auch noch die arterio-venöse Glucosedifferenz in Hypokapnie anstieg, so daß bei abfallender Durchblutung die Glucoseaufnahme konstant gehalten wurde, so änderte sie sich unter hyperkapnischen Bedingungen nicht, was zusammen mit dem Durchblutungsanstieg der Anlaß für die signifikante Steigerung der Glucoseaufnahme ins Gehirn war. Obwohl unter den gleichen Bedingungen die zerebrale Lactatabgabe anstieg, was ebenfalls nicht normalen Verhältnissen entspricht, wuchs das schon in der normokapnischen Ausgangslage bestehende Mißverhältnis zwischen Glucoseaufnahme und Sauerstoffverbrauch des Gehirns weiter an. Unter CO.,-Einfiuß nahm das traumatisch geschädigte Gehirn viel mehr Glucose auf, als es überhaupt zu oxidieren in der Lage war. Was mit dem Glucose-»Überschuß« im Gehirn geschieht, ist noch unklar. Zu erwägen bleibt, daß die nicht metabolisierte Glucose im Gehirn als Glucosepolymer (11, 12, 14) in Form von Corpora amylacea

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Normokapnie

Hypokapnie

Hoyer u. a.: Hirndurchblutung und -stoffwechsel hei traumatischen Hirnschädcn

Deutsche Medizinische Wochenschrift

abgelagert oder aber als Aminosäuren (7) vom Gehirn wieder abgegeben wird. An diesen Befunden wird das ganze Ausmaß der Störungen in der akuten Phase substantieller Hirnläsionen deutlich. Nicht die Beeinträchtigung einzelner Parameter, sondern der schädigende Einfluß auf Regulationsmechanismen der Größen untereinander steht im Vordergrund des pathophysiologischen

C., A. Beduschi. A. Agnoli, N. Battistini, M. Collice, M. Prencipe, M. Risso: Regional cerebral blood flosv and intraventricular pressure in acute brain in) u ries. Eu top. Neurol. 8

Prozesses. 14 Tage nach dem Hirntrauma hatte sich das klinische Bild insofern gebessert, als nur noch eine leichte Bewußtseinsstörung bestand, jedoch immer noch deutliche Anzeichen einer kurz zuvor erlittenen substantiellen Hirnschädigung zu erkennen waren. Die Messungen von Durchblutung und oxidativem Stoffwechsel des Gehirns ergaben unter Änderung des arteriellen pCO das gleiche Verhalten wie in der akuten Phase der Hirnverletzung. Bemerkenswert erschien allerdings, daß sich die zerebrale arterio-venöse Differenz und die Aufnahme von Glucose in Normokapnie normalisiert hatten. Möglicherweise hängt dieser Umstand mit der Besserung auf klinischem Gebiet zusammen. Unsere Untersuchungen ergaben bislang keine signifikanten Unterschiede zwischen Patienten, die das schwere Hirntrauma überlebten, und solchen, die in der akuten Phase an der Hirnverletzung starben. Diese Aussage gilt für die Befunde in Normo- und Hypokapnie. Da aber Hirndurchblutung, zerebrale arteriovenöse Differenzen von Sauerstoff und Glucose sowie Glucoseaufnahme gewisse, wenn auch nicht signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen erkennen lassen, ist es erforderlich, an einer größeren Falizahi weitere statistische Uberprüf ungen vorzunehmen.

16)

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Prof. Dr. H. Penzholz Abteilung für Neurochirurgie der Chirurgischen Universitätsklinik 69 Heidelberg, Kirschnerstr. 1

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[Changes in cerebral blood flow and oxidative cerebral metabolism after extensive acute head trauma (author's transl)].

Total cerebral blood flow and oxidative cerebral metabolism were measured at normal pCO2, hypocapnia and hypercapnia in 15 unconscious patients in the...
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