Falldarstellung 386

Das Common-Channel-Syndrom - 2 Fallberichte U. Klingel, G. Steinau l, A. TitteZZ, G. Alzen2, V. Schumpelick 1

Zusammenfassung Das Common-Channel-Syndrom (CCS) ist eine Erkrankung vorwiegend junger Mädchen. Anhand zweier eigener Fälle wird die Problematik dieser Erkrankung aufgezeigt. Verbesserte diagnostische Möglichkeiten (Sonographie, ERCP auch im Kindesalter) lassen eine Verkürzung des Intervalls vom Symptomenbeginn bis zur Diagnosefindung von bislang meist mehreren Jahren erwarten. Bei jeder Hyperamylasämie oder chronischen Pankreatitis im Kindesalter sind pathologische Veränderungen des Galleabflusses auszuschließen. Therapeutisch ist eine chirurgische Sphinkteroplastik mit Choledochusrevision oder eine Hepatikoenterostomie durchzuführen. Schlüsselwörter Common·Channel-Syndrom - Hyperamylasämie - Chronische Pankreatitis The Common Cbannel Syndrome 2 Case Reports The common channel syndrome is a disease mostly of young girls. To demonstrate the problems of diagnosis and therapy we report on 2 cases operated on in 1987 and 1989. The long delay of several years between the onset of symptoms and the diagnosis might be shortened by improved diagnostic possibilities (illtrasound, ERCP). In any case of hyperamylasemia or chronic pancreatitis in childhood an obstruction of the biliary tract should be excluded. The common channel syndrome can be treated by means of sphincteroplasty or a bilidigestive anastomosis. Key words Common bile duct - Hyperamylasemia Common channel syndrome - Pancreatitis

Das Common-Channel-Syndrom (Synonyme: Anomalous junction of the pancreaticobiliary ductal system AJPBDS, common bile duct CBD) tritt vorwiegend bei jungen Mädchen unter 10 Jahren auf. Dabei handelt es sich um die seltene Form eines gemeinsamen Ausführungsganges von Ductus Eingegangen am 10. März 1990 Z Kinderchir 45 (1990) 386-388 «:> Hippokrates Verlag Stuttgart

choledochus und Ductus pancreaticus. Der Zusammenfluß erfolgt vor der Papille außerhalb der als Verschlußmechanismus dienenden Duodenalwand. Ist nach Untersuchungen von Miyano und Mitarb. (1) eine gemeinsame Wegstrecke bis zu 0,4 cm bei Kindern und 0,6 cm bei Erwachsenen noch als normal anzusehen, so ist diese beim CCS auf teilweise über 2 cm verlängert. Die Erstbeschreibung des Common-ChannelSyndroms erfolgte 1916 durch Kizumi und Kodama (2). Charakteristisch beim CCS ist eine Zeitspanne von mehreren Jahren zwischen Symptombeginn und endgültiger Diagnose (1). Zu den intermittierend auftretenden Beschwerden gehören krampfartige Oberbauchschmerzen, gelegentlich Ikterus und Fieber, Hyperamylasämie sowie pathologische Leberenzymwerte (Tab. 1). Richtungsweisend ist der sonographische Nachweis eines gestauten Ductus choledochus ohne - auch im Kindesalter möglichen - Konkrementhinweis (3), beweisend die direkte Darstellung des Common Channel mittels ERCP. Zum Ausschluß anderer pathologischer Veränderungen kann unter Umständen ein CT hilfreich sein (Tab. 2). Aufgrund des verbreiteten Einsatzes der Sonographie und der ERCP auch im Kindesalter dürfte die Inzidenz des CCS weiter zunehmen bei gleichzeitiger Verkürzung des diagnostischen Intervalls. An zwei eigenen Fällen soll das Krankheitsbild des CommonChannel-Syndroms dargestellt werden, da es eine wichtige Differentialdiagnose der Hyperamylasämie und der chronischen Pankreatitis im Kindesalter darstellt. Kasuistik 1 Seit Dezember 1986 traten bei dem damals 2jährigen Mädchen M. G. intermittierend auftretende Bauchschmerzen 1-2mal pro Woche auf. Ein stationärer Aufenthalt 2/87 ergab die Diagnose einer Enteritis mit Begleithepatitis. 5/87 erfolgte eine Zuweisung in die hiesige Kinderklinik. Laborchemisch fand sich eine Erhöhung der Leberwerte (SGOT 161 V/I, SGPT 2520/1, Gamma-GT 115 V/I, AP 868 V/I) bei leicht erhöhter Serum-Lipase (312 VII), und normaler AlphaAmylase (96 VII). Die wiederholt durchgeführte Abdominal-Sonographie zeigte inkonstant einen bis auf maximal 12 mm erweiterten Ductus choledochus mit einer 8 mrn im Durchmesser großen reflexreichen Zone im distalen Anteil des Choledochus als Hinweis auf ein präpapilläres Konkrement (Abb. 1). Dieser Befund ließ sich durch die nachfolgend durchgeführte ERCP bestätigen. Zusätzlich stellte sich ein gemeinsamer Ausführungsgang von D. choledochus und Ductus pancreaticus (Länge 7 mm) im Sinne eines Common Channel dar (Abb. 2). Am 30. 6. 87 erfolgte die Laparotomie. Dabei zeigte sich ein erweiterter Ductus choledochus. Ein Konkrement ließ sich nicht nachweisen. Allerdings entleerte sich bei der Choledochotomie mit weichem Sediment versetzte Galle. Anschließend erfolgt eine Choledoch usrevision und Papillenbougierung mit nachfolgend freiem Galleabfl uB. Der postoperative Verlauf war komplikationslos. Eine Röntgenkontrolle über ein intraoperativ eingebrachtes Kehrsches T -Drain ergab einen unbehinderten freien Abfluß. Am 23. 7. 87 entlie-

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1Chirurgische Klinik der medizinischen Fakultät deli RWTH Aachen (Direktor: Prof. Dr. V. Schumpelick), und 2Radiologische Klinik der medizinischen Fakultät der RWTH Aachen (Direktor: Prof. Dr. R. W. Günther)

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Abb, 3

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den Gallewegen (6). In 85 % der Fälle vereinigt sich der Pankreasgang nach dorsaler Wanderung in der Papilla Vateri mit dem Ductus choledochus. Eine Störung dieser Entwicklung führt zur Vereinigung proximal (bis zu 2-3 cm) dieses Verschlußmechanismus mit konsekutivem Reflux von Pankreassekret in die Gallenwege und Ausbildung einer Choledochusdilatation (20 % zylindrisch, 80 % zystisch [5]). Tierexperimentelle Untersuchungen von Ohkawa (4) konnten zeigen, daß ein cholangio-venöser Reflux zur Hyperamylasämie führt. So hatten alle seine Patienten Serum-Amylasewerte > 500 VII und Amylasewerte in der Galle von> 50000 V/I. Dabei ließen sich Pankreasveränderungen im Sinne einer Pankreatitis meist nicht nachweisen (4)! Beide von uns behandelten Kinder hatten intermittierende Oberbauchschmerzen, die gelegentlich mit Fieber einhergingen. Ein vorübergehender Ikterus, wie er bei 40 % der Patienten bestehen soll, konnte nur bei der ersten Patientin beobachtet werden (4). Bei dieser Patientin entwickelte sich auf dem Boden der Abflußbehinderung in den Gallenwegen sogar ein Konkrement. Die Beschwerden unserer Patienten stehen damit in Einklang mit den Angaben der Literatur. In beiden Fällen handelt es sich um Mädchen. Die Latenzzeit zwischen Symptombeginn und DiagnosesteIlung betrug 1/2 bzw. 11 Jahre. Okada et al (4) verzeichneten bei ihren 6 Patienten, ebenfalls ausschließlich Mädchen, entsprechende Intervalle von 1,5 bis 6,5 Jahren. Erste Hinweise auf das Vorliegen eines Common-Channel-Syndroms ergeben sich aus der Erhöhung von Leberenzym- und/oder Pankreasenzymwerten) bei entsprechender klinischer Symptomatik. Richtungsweisend ist die Sonographie (Dilatation des Ductus choledochus) (3), beweisend die ERCP (Darstellung des Common Channel). Die ERCP sollte bei jeder Hyperamylasämie oder dem klinischen Bild einer "chronischen Pankreatitis im Kindesalter" durchgeführt werden. Durch den damit möglichen Ausschluß von Galleabflußbehinderungen lassen sich ähnlich lange Verläufe wie bei unserer zweiten Patientin vermeiden. Therapeutisch wird die Durchführung einer Hepatiko-Duodenostomie (1, 3, 5) oder einer Hepatiko-

Jejunostomie nach Roux (4) empfohlen. Allerdings gibt es auch Befürworter der von uns angewandten chirurgischen Sphinkteroplastik (7). Bei unserer Patientin mit dem relativ kurzen Common Channel scheint die Papillenbougierung ausreichend gewesen zu sein, um über eine Schwächung des Sphinkterapparates den Rückfluß von Pankreassekret in die Gallenwege zu beseitigen. Da bei der Therapie des CCS die Beseitigung des Pankreassekret-Refluxes in die Gallenwege entscheidend ist, sind die folgenden therapeutischen Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen: 1. Schwächung des Papillensphinkters (Fallt; Bougierung bei kurzem Common Channel), 2. Sphinkteroplastik bis zur Vereinigung von D. pancreaticus und D. choledochus (Fall 2; mittellanger Common Channel) oder 3. getrennte Ableitung der Galle durch Anlage eines extraanatomischen Bypass (biliodigestiven Anastomose bei langem Common Channel). Es bleibt abzuwarten, ob mit den weniger belastenden Eingriffen und dem Verzicht auf die Anlage einer biliodigestiven Anastomose ähnlich gute Langzeitresultate zu erzielen sind, wie mit der Hepatikoenterostomie. Hierbei erscheint auch eine endoskopische Papillotomie (EPT) eine therapeutische Möglichkeit darzustellen.

Literatur Akira 0, Oguchi Y, Kamata Sh, Ikeda Y, Kawashima Y, Saito R: Common channel syndrome - Diagnosis with endoscopic retrograde cholangiopancreatography and surgical management. Surgery 93 (1983) 634-642 2 Doty], Hassall E, Fonkalsrud E: Anomalous drainage of the common bile duct into the fourth portion of the duodenum. Arch Surg 120 (1985) 1077-1079 3 Gharib M, Engelskirchen R, Ebel KI-D: Diagnostische Probleme und Therapie der zystisch-zylindrischen Gallenwegsdilatation im Kindesalter. Der Kinderarzt 16 (1985) 303-305 4 Ohkawa H, Sawaguchi Sh, Khalil B, Ishikawa A, Yamazaki Y: Cholangiovenous reflux as a cause of recurrent hyperamylasemia in choledochal dilatation with anomalous pancreaticobiliary ductal union: An experimental study. J Pediatr Surg 20 (1989) 53-57 5 Takuji T, Watanabe Y, Fujji T, Toki A, Uemura S, Koike Y: Cylindrical dilatation of the choledochus: a special type of congenital bile duet dilatation. Surgery 98 (1985) 964-969 6 Tröbs R-B, Mahnke P-F: Untersuchungen zur Anatomie der Mündungen von Gallengang und Pankreasausführungsgang im Säuglings-, Kindesund Jugendalter. Zbl Chir 113 (1988) 235-240 7 Wood W] jr, Trump DS: Pancreaticobiliary common channel associated with common duct stricture. J Pediatr Surg 21 (1986) 738-740 1

Dr. med. Uwe Klinge Chirurgische Klinik der RWTH Aachen Pauwelsstraße 5100 Aachen

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Tab. 1 Symptomatik beim CCS.

U. Klinge et al

[Common channel syndrome--2 case reports].

The common channel syndrome is a disease mostly of young girls. To demonstrate the problems of diagnosis and therapy we report on 2 cases operated on ...
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