Nr. 22, 30. Mai 1975,

100. jg.

Doehn u, a.: Konservative ileustherapie

Aktuelle Therapie

I 2.49

Redaktion: Prof. Dr. H. Hornbostel, Hamburg Prof. Dr. W. Kaufmann, Köln Prof. Dr. W. Siegenthaler, Zürich

Dtsch. ned. Wschr. 100 (1975), 1249-125(1 © Georg Thietne Verlag, Stuttgart

Der Versuch einer dekomprimierenden Sondentherapie beim lieus ist berechtigt, wenn dadurch die notwendige Diagnostik nicht vernachlässigt und eine notwendige chirurgische Indikationsstellung nicht verzögert wird. Die Fortsetzung der Behandlung verbietet sich übereinstimmend, wenn nach 12 Stunden klinisch und röntgenologisch keine Besserung eingetreten ist. Eine besondere Bedeutung kommt der Entlastung ais Sofortmaßnahme in der Behandlung des postoperativen Frühileus zu (1, 2, 4). Nach Eingriffen in die Bauchhöhle und andere (benachbarte) Organsysteme sowie schweren allgemeinen Traumen ist eine Transportstörung des Darms stets als 'bedrohliche Komplikation zu werten. Neben der generell ernsten Prognose stellen sich regelmäßig Schwierigkeiten für die notwendige differenzierte Krankheitserkennung und die Behandlung ein. Ileussymptome, die später, nachdem die Darmtätigkeit bereits eingesetzt hatte, auftreten, sind meist mechanischer Natur. Die fortgesetzte Paralyse dagegen läßt sich regelmäßig nicht oder nur sehr unsicher von einem mechanischen lieus durch Verlegung, Verwachsung, Strangbildung oder andere Zufälle unterscheiden. Die klinische Untersuchung erbringt nur häufig allzu vage Hinweise, die Kommunikation mit dem Kranken ist oft gestört oder nicht möglich. Der Entschluß zur Laparotomie erfolgt nicht selten unter dem vermeintlichen Zwang, einen möglichen mechanischen (Dünndarm-)Ileus nicht zu übersehen. Ein eindeutig gesteigertes Operationsrisiko wird dabei zwangsläufig hingenommen.

Konservative Behandlung Die konservative Therapie mit Hilfe einer intestinalen Verweilsonde ist eine alte Methode (3). Sie ist pathophysiologisch in ihrer Wirkung plausibel und klinisch erprobt (3, 4, 6, 7). Durch intermittierende Absaugungen wird eine möglichst frühzeitige Entlastung des mit Flüssigkeit und Gas überfüllten Darmrohrs erstrebt. Der Circulus vitiosus: Wandüberdehnung Zirkulations- und dem zwangsläufig daraus Permeabilitätsstörungen mit resultierenden Chaos im Wasser-, Elektrolyt- und SäureBasen-Haushalt sollte durchbrochen werden, Ihre Aufgabe ist insbesondere auch im Zeitgewinn zu sehen. Es geht um die möglichst sichere Abgrenzung funktioneller

-

M. Doehn, M. Rehner, N. Soehendra und H. Weh'ling Chiritrgische Universitätsklinik und -Poltklinik, Atiästhesiologische Abteilung (1) rektor: Prof. D r. K. Ho ratc Abteilung fur Allgenieinchirtirgie (Direktor: i'rof. Dr. H. W Schreiber) sosvie Radiologische Universitätsklittik uttd Strahletttnstitut, Abteilung ffir Riitttgendiagnostik (Direktor: Prof. E. G. Bucheler), Hamburg

und organisch-reversihler Störungen einerseits und persistierender, schließlich operationspilichtiger Passagehehinderungen andererseits. Diese zunächst unklare Situation löst sich oft nach Einleitung einer Dekompressionsbehandlung spontan auf. Nicht selten aber stehen diesem konservativen Behandlungsansatz technische Komplikationen und Schwierigkeiten im Wege, vor allem mangelhafte Kooperation durch Bewußtseinstriihung, Immobilisation usw. sowie unüberwindhare Passagehehinderung der Entlastungssonde über den Pylorus hinaus. Speziell bei einer Kombination dieser Behinderungen ergehen sich mit Hilfe der Endoskopie verbesserte Möglichkeiten, die Dekompressionsbehandlung sicher und zügig einzuleiten. Wir haben in der Zeit vom 1. 7. 1973 bis 31. 12. 1974 insgesamt hei acht Patienten mit postoperativem Friihileus dieses Hilfsverfahren mit Erfolg angewendet. In durchschnittlich 20 Minuten gelang es uns, die Sonde ins Duodenum einzuführen. Zur Pankreasfunktionsprüfung hei Billroth-lIMagen haben Tympner und Rösch (5) kiirzlich über eine ähnliche Einführungstechnik für die Lagerlöf-Sonde mit Hilfe der Endoskopie berichtet.

Technik Die Intestinalsonde (zum Beispiel nach Miller-Abbot,

Cantor oder Argyle-Dennis) wird mit mehreren Catgutschlingen an der Spitze in üblicher Weise transnasal in den Magen eingeführt (Abbildung 1's). Nach Absaugen des Mageninhalts wird anschließend ein Fiberskop mit prograder Optik (Gastrointestinoskop) oral eingefiihrt. Uni eine Aspiration zu vermeiden, sollte ein zweites Absauggerät zur Beseitigung regurgitierten Mageninhalts bereitgehalten werden. Eine Prämedikation mit Sedativa ist gewöhnlich nicht erforderlich. Bei unruhigen Patienten mit noch kompensierteni Kreislauf reicht im allgemeinen die intravenöse Gabe von 2-5 mg Diazepam (Valium®) aus. Im Magen wird zunächst die mit Fadenschlingen versehene Spitze der Ballonsonde aufgesucht und mit Hilfe einer Fremdkörperzange an den Fäden unter Sicht pyloruswärts gezogen und in das Duodenum gebracht (Abbildung 2). Dies gelingt manchmal auch durch das Greifen des Gummiballons mit einer üblichen BiopsieAbbildungen I und 2 siehe Tafel Seite 1232

Heruntergeladen von: NYU. Urheberrechtlich geschützt.

Konservative Ileustherapie: endoskopische Behandlungshilfen

Bremer: Lymphozytenkinetik bei chronischer lymphatischer Leukämie

Zange, ohne dabei den Ballon zu schädigen. ist die Sondenspitze in das Duodenum plaziert, wird der Ballon sofort mit etwa 80 ml Wasser oder Luft geblockt, um das Zurückrutschen der Sonde bei Entfernung des Endoskops zu vermeiden. Danach sollte die Füllung auf etwa 20 bis 30 ml reduziert werden. Für den weiteren Transport der Sonde dies geschieht bei noch vorhandener Peristaltik im allgemeinen relativ schnell muß sie stündlich um 10 nachgeschoben werden. Regelmäßige Röntetwa cm genkontrollen der Sondenlage sind erforderlich. Die Ableitung des gestauten Darminhalts erfolgt über einen Schlauch in einen Sammelbehälter; er sollte ausreichend tief unter dem Körperniveau angebracht sein. Die kontinuierliche Registrierung des Entlastungsvolumens erlaubt neben einer Erfolgsbeurteilung die bessere Bilanzierung von Ein- und Ausfuhr. Gelegentlich kann es sinnvoll sein, die Entlastung durch manuelle aktive Absaugung zu unterstützen. Bei maschineller Saugdrainage sollte ein

-

-

Dauersog wegen der Gefahr von Ansaugnekrosen durch automatischen Vakuumunterbrecher vermieden werden. Zu diesem Zweck eignet sich besonders auch die dreiläufige Argyle-Dennis-Gastrointestinalsonde. Neben den Entlastungsbemühungen gehört die intensive Wiederherstellung des Gleichgewichts im gestörten Wasser-, Elektrolyt- und Metaboliten-Stoffwechsel zu den

Deutsche Medizinische Wochenschrjft

vordringlichsten Aufgaben. Auch bei gut liegender und funktionierender Sonde sollte der Krankheitsverlauf ständig überwacht werden. In unklaren Ileusfällen muß die Frage nach der Relaparotomie erneut aufgeworfen werden. Literatur

lichkeiten und Grenzen der Ileusbehandlung mit der Miller-Abbot-Sonde.

Deucher, F., A. Alder, R. Moser, F. Noethiger: lieus. In: Demiing, L.

Chirurg 45 (1974), 33. Tympner, F., W. Rösch: Pancreatic function test in patients with Biliroth Il resection with the aid oí an endoscope. Endoscopy 6 (1974), 245. Wachsmuth, W.: Pathophysiologie und Klinik des lieus. Langenbecks Arch. kim. Chit. 308 (1964), 143. Wangensteen, O. H.: Einige Oberlegungen zur Behandlung des Darmverschlusses. Langenbecks Arch. kIm. Chir.

(Hrsg.): Klinische Gastroenterologie. Bd. I (Thieme: Stuttgart 1973), 521. Deucher, F., I. Oesch: Postoperativer Frühiieus: Prophylaxe und Relaparotomie. Chirurg 45 (1974), 195. Hamelmann, H., H. Pichimaier: Dic Bedeutung langer Darmsonden bei der Ileusbehandlung. Chirurg 32 (1961), 555.

Schumann, J., H. Wehling: Mög-

308 (1964), 167.

Dr. M. Doehn Anäsrhesiologische Abteilung Dr. M. Rehner, Dr. N. Soehendra Abteilung für Ailgemeinchirurgie Chirurgische Universitätsklinik

Privatdozent Dr. H. Wehling Radiologische Universitätsklinik und Strahleninstitut 2 Hamburg 20, Martinistr. 52

Heruntergeladen von: NYU. Urheberrechtlich geschützt.

I 2.50

123Z Zur Arbeit Doehn u. a. (Seite 1249-1250)

Konservative Ileustherapie: cncloskopischc Behandlungshilfen

Heruntergeladen von: NYU. Urheberrechtlich geschützt.

Abb. 1. Instrumentarium: Miller-Abbot-Sonde mit zwei CatgutSchlingen an der Spitze, daneben die Fremdkörper- bzw. BiopsieZangen.

Abb. 2. Vorgang der endoskopischen Sondeneinfiihrung: Die Sondenspitze wird mit der Zange gefal?t und pyloruswärts gezogen (a). Die Sonde ist unter endoskopischer Sicht ins Duodenum gebracht (h).

[Conservative ileus therapy: endoscopic therapeutic aids].

Nr. 22, 30. Mai 1975, 100. jg. Doehn u, a.: Konservative ileustherapie Aktuelle Therapie I 2.49 Redaktion: Prof. Dr. H. Hornbostel, Hamburg Prof...
426KB Sizes 0 Downloads 0 Views