Übersicht

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Konservative Therapie des trockenen Auges

Autoren

J. Hefner, H. Reinshagen

Institut

Augenzentrum, Pallas Kliniken, Olten, Schweiz

Schlüsselwörter " Bindehaut l " Kornea l " trockenes Auge l

Zusammenfassung

Abstract

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Der Einsatz topischer antientzündlicher Substanzen hat einen wichtigen Stellenwert in der Behandlung des trockenen Auges eingenommen. Neben der Basistherapie mit Tränenersatzmitteln, der Anwendung mukolytischer Augentropfen oder Eigenserumaugentropfen kommen daher bei ausgeprägten Formen des trockenen Auges immer häufiger topische Kortikosteroide oder Cyclosporin-A-Augentropfen zur Anwendung. Eine besondere Bedeutung kommt zudem der konsequenten Behandlung einer häufig zugrundeliegenden Meibom-Drüsen-Dysfunktion zu. Eine erfolgreiche Behandlung dieses häufigen Krankheitsbilds erfordert sowohl das Verständnis für die Chronizität der Erkrankung als auch eine langfristige Mitarbeit vonseiten des Patienten.

The use of topic anti-inflammatory drugs has become very important in the treatment of dry eye disease. Besides the basic therapy including tear replacement, use of serum eye drops and mucolytic eye drops, the topical application of corticosteroids and cyclosporin A is more commonly used in moderate to severe forms of dry eye disease. The consistent treatment of Meibomian gland dysfunction as a frequent reason for evaporative dry eye is also of particular importance. Understanding the chronicity of the disease and longterm compliance are the essential for successful therapy of this widespread disease.

Einleitung

Anamnese und klinische Untersuchung

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Das trockene Auge ist aufgrund seiner hohen Prävalenz eines der häufigsten Krankheitsbilder im augenärztlichen Praxisalltag [1]. Die oft ausgeprägten Symptome und der subjektive Leidensdruck können zu einer starken Beeinträchtigung von Lebensqualität und Arbeitsleistung der betroffenen Patienten führen [2]. Eine erfolgreiche Behandlung erfordert sowohl das Verständnis für die Chronizität der Erkrankung als auch eine langfristige Mitarbeit vonseiten des Patienten. Die aktuelle Definition des trockenen Auges des International DEWS (Dry Eye Work Shop) betont neben der multifaktoriellen Genese der Erkrankung das Vorliegen einer begleitenden Entzündung der Augenoberfläche [3] Somit haben in den letzten Jahren neben der symptomatischen Behandlung auch kausale Therapieansätze, wie z. B. der Einsatz topischer antiinflammatorischer Substanzen, einen wichtigen Stellenwert in der Behandlung des trockenen Auges eingenommen [4].

Unerlässlich für einen Therapieerfolg sind eine ausführliche Anamnese und korrekte Diagnosestellung unter Zuhilfenahme von Basis- sowie spezifischen Zusatzuntersuchungen. Besonderes Augenmerk ist dabei auf Lidschluss, Lidschlagfrequenz, Lidstellung, Beurteilung der Lidkante, Tränenmeniskus, lidkantenparallele Bindehautfalten, Hornhautsensibilität, Tränenfilmaufrisszeit, Tränensekretionstests und Vitalfärbungen zu legen [5]. Allein durch die spaltlampenbiomikroskopische Untersuchung und eine gezielte Anamnese kann hiermit bereits eingeschätzt werden, ob es sich um ein trockenes Auge bei verminderter Tränenproduktion (hyposekretorische Form) oder aufgrund vermehrter Verdunstung (evaporative Form) des Tränenfilms handelt. Als eigenständiges Krankheitsbild wird die Dysfunktion der Meibom-Drüsen angesehen, die durch Obstruktion der Ausführungsgänge und/oder Veränderungen der Drüsensekretion charakterisiert ist und da-

Key words " conjunctiva l " cornea l " dry eye l

eingereicht 26. 5. 2014 akzeptiert 26. 6. 2014 Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1382976 Online-publiziert 2.10.2014 Klin Monatsbl Augenheilkd 2014; 231: 1093–1096 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0023-2165 Korrespondenzadresse Dr. Juliane Hefner Augenzentrum Pallas Kliniken Louis-Giroud-Strasse 20 4600 Olten Schweiz Tel.: + 41/62/2 86 62 00 Fax: + 41/62/2 86 62 00 [email protected]

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Conservative Treatment of Dry Eye

Übersicht

Tab. 1 Stufenschema zur konservativen Therapie des trockenen Auges. Die Stufen bauen je nach Befund und Ansprechen aufeinander auf. Maßnahmen

Stufe 1

Stufe 2

Stufe 3

Modifikation von Umwelteinflüssen Anpassung von Medikamenten Ernährungsanpassung (Omega-3-Fettsäuren) Tränenersatzmittel Lidkantenpflege Entzündungshemmung erweiterte Blepharitisbehandlung (z. B. Minozyklin) Tränenretention (Punctum Plugs) Stimulation der Sekretion Eigenserumaugentropfen Kontaktlinsen (Sklerallinsen, Verbandslinsen)

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durch zu Störungen des Tränenfilms, okulärer Reizung und Entzündung mit konsekutiver Benetzungsstörung führen kann [6]. Im Rahmen der Anamnese sollten nachgewiesene Risikofaktoren wie z. B. frühere refraktiv-chirurgische Eingriffe, Strahlenbehandlungen, bestimmte systemische und ophthalmologische Medikamente oder bekannte Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus unbedingt erfragt werden [7].

Behandlungsschema nach Schwerestufen !

Je nach Schweregrad der Befunde hat sich in der Therapie des trockenen Auges die Anwendung eines Stufenschemas von einfachen, nebenwirkungsarmen zu intensiveren Therapieformen bewährt [8, 9]. Die Behandlungsstufen bauen aufeinander auf und werden nacheinander immer dann angewandt, wenn die vorhergehende Stufe nicht erfolgreich ist. Behandlungsstufe 4 stellt chirurgische Maßnahmen wie Tränenwegsoperationen, Amnionmembran- oder Speicheldrüsentransplantationen dar, " Tab. 1 fasst das die nicht Gegenstand dieser Übersicht sind. l Schema überblickartig zusammen.

Behandlungsstufe 1: Modifikation der Einflüsse von Umwelt, Medikamenten und Ernährung; Tränenersatz; Lidbehandlung Die Stufe 1 beinhaltet die weitestgehende Ausschaltung oder Modifikation von Umwelteinflüssen wie niedrige Luftfeuchtigkeit, Bildschirmarbeit oder Tragen von Kontaktlinsen im Alltag des Patienten [9, 10]. Falls möglich, sollten schädliche systemische Medikamente eliminiert werden. Ebenso sollten die Ernährungsgewohnheiten beleuchtet werden. Als ganzheitlicher Ansatz ist eine sinnvolle Nahrungsergänzung mit essenziellen Fettsäuren anzusehen. Es konnte in einer prospektiven randomisierten Studie gezeigt werden, dass die Zufuhr von Omega-3- und Omega6-Fettsäuren die entzündliche HLA‑DR-Expression des konjunktivalen Epithels signifikant gesenkt hat, während sich die Symptome des trockenen Auges tendenziell besserten [11]. Omega-3und Omega-6-Fettsäuren sind Bausteine der Eicosanoide in der Kaskade entzündlicher Prozesse. Während Omega-3-Fettsäuren antiinflammatorisch und antikoagulierend wirken, haben Omega-6-Fettsäuren eine proinflammatorische und koagulatorische Wirkung. Omega-3-Fettsäuren kommen in verschiedenen Fischsorten sowie in Oliven- oder Weizenkeimöl vor. Soja-, Palm und Sonnenblumenöl sowie tierische Fette enthalten Omega-6-Fettsäuren. Offenbar senkt ein niedriges Verhältnis Omega-6 zu

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Omega-3 von etwa 4 : 1 die Mortalität kardiovaskulärer Erkrankungen und u. a. das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, und ist deshalb für einen gesunden Lebenswandel anzuraten [12]. Die entzündungshemmende Wirkung von Omega-3-Fettsäuren kann man sich auch zur Stabilisierung des Tränenfilms zunutze machen. In einer prospektiven randomisierten Studie bei Patienten mit Meibom-Drüsen-Dysfunktion führte eine 3-monatige orale Gabe von 1,5 g Omega-3-Fettsäuren signifikant zu einer Verbesserung von Tränenfilmaufrisszeit, Schirmer-Test und des Ocular Surface Disease Index sowie zu einem Rückgang der Lidrandentzündung [13]. Wir empfehlen daher unseren Patienten eine ausgewogene, vitaminreiche Ernährung mit regelmäßigem Genuss von Fisch, hochwertigen Ölen, Nüssen und die Aufnahme von viel Flüssigkeit. Gesättigte Fettsäuren und tierische Fette sollten in geringem Ausmaß konsumiert werden. Alternativ stehen Omega-3-Zubereitungen als Nahrungsergänzungsmittel als kommerzielle Produkte zur Verfügung. Den Hauptschwerpunkt in der konservativen Behandlung des trockenen Auges bilden nach wie vor die zahlreich verfügbaren Tränenersatzmittel. Selten können durch die Anwendung von Substitutionspräparaten Symptome gänzlich eliminiert werden, es sind jedoch oft Verbesserungen und damit eine Steigerung der Lebensqualität möglich [8]. Die Palette reicht von niedrig viskösen Tränenersatzmitteln für leichte Formen des trockenen Auges bis hin zu höher viskösen Präparaten, die bei schwereren Formen zum Einsatz kommen. Zu den niedrig viskösen Substitutionspräparaten gehören Polyvinylalkohole (PVA) und Polyvinylpyrrolidone (PVP). Eine höhere Viskosität weisen Zellulosederivate, Carbomere, Dexpanthenol oder Hyaluronsäure auf. Die Dosierung beginnt bei 3- bis 5-mal täglicher bis hin zu stündlicher Anwendung, wobei bei häufiger und länger dauernder Applikation ganz besonders auf Konservierungsmittelfreiheit geachtet werden sollte. Für die intensive Benetzung während der Nacht stehen zusätzlich zu den höherviskösen Gelformulierungen auch Augensalben zur Verfügung [10]. Konservierungsstoffe, vor allem Benzalkoniumchlorid (BAC), haben durch Störung der wässrigen Tränenfilmphase, der Lipidphase und der Tränenstabilität eine ungünstige Auswirkung auf den Tränenfilm und können zu Schädigungen der Augenoberfläche sowie sowohl zu toxischen als auch allergischen Reaktionen führen [14]. Aufgrund o. g. negativer Effekte spricht daher gerade bei der Behandlung von Benetzungsstörungen sehr viel für die Anwendung konservierungsmittelfreier Präparate. Zu den neueren Substanzklassen der Tränenersatzmittel gehören u. a. Präparate wie Optive® (Allergan), welches die kompatiblen Solute Erythritol, Levocarnitin und Glycerol enthält und damit theoretisch in der Lage ist, Oberflächenschäden, verursacht durch einen hyperosmolaren Tränenfilm, zu vermindern. Zu den thixotropen Präparaten zählt das Hydroxypropylguar (HP Guar) enthaltende Systane® (Alcon). HP Guar ähnelt in seiner Molekülstruktur dem Muzin der Augenoberfläche [15]. Man nimmt an, dass HP Guar besonders an die ausgetrockneten oder geschädigten Bereiche der Oberflächenepithelien bindet und diese so schützt. Christensen und Mitarbeiter konnten zeigen, dass sich unter Anwendung von HP Guar sowohl objektive Zeichen verbessert haben als auch subjektive Symptome verringert wurden [16]. Bei filiformer Keratitis mit vermehrter Mucusbildung verabreichen wir zusätzlich zur Therapie mit Tränenersatzmitteln 5%ige Acetylcystein-Augentropfen 3-mal täglich (Euronac® 5 %, Doliage). Zur Behandlung des evaporativen trockenen Auges aufgrund einer Meibom-Drüsen-Dysfunktion stehen mittlerweile zahlreiche Produkte zur Behandlung von Lipidphasendefekten zur Ver-

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fügung. Bei diesem Krankheitsbild kommt zudem der regelmäßigen, täglichen Lidkantenhygiene eine besondere Bedeutung zu. Dies beinhaltet die Applikation warmer Umschläge oder Gelmasken sowie die anschließende Lid- bzw. Lidkantenmassage. Bei ausgeprägter Blepharitis sollten orale Tetrazyklinderivate in Erwägung gezogen werden. Tetrazykline besitzen antiinflammatorische und antibakterielle Eigenschaften, welche durch Reduktion der bakteriellen Flora zu einer Verminderung lipolytischer Exoenzyme und Lipasen mit weniger Meibom-Lipidabbauprodukten führen und damit eine Lipidmodulation bewirken [8]. Bei der Behandlung der Rosazea spielt zudem der antiangiogene Effekt von Tetrazyklin eine Rolle [8]. Insgesamt bewährt hat sich aus unserer Erfahrung eine orale Therapie mit Minozyklin 50 mg 1-mal täglich für 8–12 Wochen. In einer Studie von Yoo und Mitarbeitern war auch eine niedrigere Dosierung von 2-mal 20 mg täglich Doxyzyklin für eine Therapiedauer von 4 Wochen klinisch erfolgreich [17].

Stufe 2: Entzündungshemmung, Tränenretention, Sekretagoga Spätestens seit der Dry Eye Workshop das Vorliegen einer Entzündung der Augenoberfläche in die Definition des trockenen Auges einbezogen hat, hat sich auch in der Praxis mehr und mehr der Nutzen einer antientzündlichen Therapie bei schweren Formen der Erkrankung durchgesetzt [3]. Entzündungen können nicht nur durch systemische Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder Sjögren-Syndrom oder durch chronische Reizbelastung wie Kontaktlinsen verursacht werden, sondern auch ein hyperosmolarer Tränenfilm stimuliert die Bildung von Entzündungsmediatoren auf der Augenoberfläche. Hyperosmolarität kann einerseits aufgrund übermäßiger Verdunstung oder andererseits als Ergebnis bei Wasserverdunstung von der exponierten Augenoberfläche in Situationen eines geringen Tränenflüssigkeitsflusses entstehen [3, 8]. Es konnte nachgewiesen werden, dass die durch Hyperosmolarität stimulierten Entzündungsereignisse zum Untergang von Oberflächenepithelien einschließlich Becherzellen führen, sodass anzunehmen ist, dass ein Verlust an Becherzellen mit den Auswirkungen einer chronischen Entzündung in Zusammenhang steht [18, 19]. Eine effektive antientzündliche Therapie ist mit Kortikosteroiden erreichbar. So konnte gezeigt werden, dass die Lokaltherapie mit Steroiden zu einer Reduktion der Fluoreszein- und Bengalrosafärbung der Hornhaut bei Patienten mit Keratoconjunktivitis sicca führte [20]. Wir bevorzugen bei ausgeprägter Oberflächenproblematik die Anwendung konservierungsmittelfreier Steroide 2-mal täglich für einen Zeitraum von 6–8 Wochen, danach absteigend 1mal täglich für 6–8 Wochen, zuletzt 1-mal jeden 2. Tag für weitere 6–8 Wochen. Da die möglichen okulären Nebenwirkungen der Steroide nur eine kurz- bis mittelfristige Therapie erlauben, stellen wir bei gutem Ansprechen und entsprechender Notwendigkeit einer längerfristigen antiinflammatorischen Behandlung auf Cyclosporin-A-Augentropfen 0,05 % 2-mal täglich um. Topisches Cyclosporin A wird in der Augenheilkunde zur Behandlung verschiedener Erkrankungen der Augenoberfläche wie Keratoconjunktivitis vernalis, Thygeson-Keratitis oder bei persistierenden visusbeeinträchtigenden Nummuli nach Keratoconjunktivitis epidemica angewendet [15]. Der Einsatz von Cyclosporin-AAugentropfen zur Behandlung des trockenen Auges wurde u. a. durch Sall und Mitarbeiter untermauert, die in 2 randomisierten Multicenterstudien zeigen konnten, dass es unter Therapie mit Cyclosporin-A-Augentropfen in verschiedenen Dosierungen (0,05 % oder 0,1%) sowohl zu signifikanter Verbesserung subjekti-

ver Kriterien als auch objektiver Zeichen wie Reduktion der Fluoreszeinfärbung der Hornhaut und Anstieg der Basissekretionswerte im Schirmer-Test kam. Es wurde kein Dosiseffekt verzeichnet und systemische Nebenwirkungen wurden ebenfalls nicht beschrieben [21]. Der Behandlungserfolg setzt i. d. R. erst nach einigen Wochen ein und zur Aufrechterhaltung der therapeutischen Effekte ist eine dauerhafte Therapie erforderlich. Bei Patienten mit Tränenflüssigkeitsmangel bewirkt eine Verminderung des Tränenabflusses eine erhöhte Tränenretention. Um die Wirkung dieses therapeutischen Mittels zu testen, können zunächst resorbierbare Stöpsel (Punctum Plugs) eingesetzt werden. Bewährt sich dies, kann auf länger wirksame, nicht resorbierbare Stöpsel oder gar Kauterisation umgestiegen werden. Der Nutzen der Punctum Plugs ist gut dokumentiert [8, 22]. Bei 75–84 % der Patienten mit Flüssigkeitsmangel mit und ohne Sjögren-Syndrom, neurotropher oder diabetischer Keratopathie brachten Punctum Plugs Vorteile in Bezug auf objektivierbare Befunde wie verlängerte Tränenfilmaufrisszeit, Abnahme der Tränenfilmosmolarität und erhöhte Becherzelldichte [8, 22]. Punctum Plugs sind indiziert, wenn der Schirmer-Test mit Anästhetikum in 5 Minuten kürzer als 5 mm ausfällt und wenn zugleich die Augenoberfläche anfärbbar ist [8, 22]. Komplikationen sind Extrusion oder interne Migration der Stöpsel mit der Folge einer Infektion oder eines pyogenen Granuloms [8]. Gegen den Einsatz von Punctum Plugs spricht die Verminderung des Auswascheffekts von entzündungsfördernden und zytotoxischen Substanzen von der Augenoberfläche. Insbesondere bei entzündlicher Mitbeteiligung – wie sie definitionsgemäß fast immer vorliegt – sind Punctum Plugs aus unserer Sicht daher meistens kontraindiziert und werden nur in Ausnahmefällen eingesetzt. Zudem scheint die Absorption von Tränenflüssigkeit in den Epithelien der ableitenden Tränenwege eine Rolle im Rückkopplungsmechanismus der Tränenfilmhomöostase zu spielen [23]. Vor einigen Jahren wurden die lokal applizierten Wirkstoffe INS365 (Diquafosol) und 15(S)-HETE zur Stimulation von Tränenflüssigkeits- und/oder Muzinbildung ausführlich untersucht [1, 8]. Eine 2%ige Diquafosol-Lösung zeigte eine Reduzierung der Anfärbung der Augenoberfläche beim Menschen und stimulierte die Muzinfreisetzung und Tränensekretion bei der Ratte [24, 25]. 15(S)-HETE fördert die MUC1-Muzinsekretion und die Sekretion von Glykoproteinen auf dem Hornhautepithel des Kaninchens [26]. Beide damals vielversprechenden Augentropfen haben jedoch nicht den Durchbruch zur therapeutischen Anwendung geschafft. Bei Patienten mit Sjögren-Syndrom können in schwersten Fällen systemische cholinerge Agonisten, wie Pilocarpin oder Cevimelin, Trockenheitssymptome und Tränenflüssigkeitsproduktion signifikant verbessern; allerdings sind die cholinergen Nebenwirkungen erheblich [27, 28]. Daher sollte eine derartige Behandlung zwingend interdisziplinär entschieden und begleitet werden.

Stufe 3: Eigenserumaugentropfen, Kontaktlinsen Wenn die Maßnahmen der Stufen 1 und 2 nicht erfolgreich sind, stellen Eigenserumaugentropfen eine weitere hilfreiche Therapieoption für Erkrankungen der Augenoberfläche dar. Sie enthalten zahlreiche biologisch aktive Substanzen, wie epitheliotrophe Wachstumsfaktoren und Vitamine, die zur Erhaltung der Augenoberfläche beitragen [8]. Eigenserum kann unverdünnt oder in Verdünnungen bis zu 20% angewendet werden [10]. Es konnte gezeigt werden, dass sich nach Anwendung von Eigenserumaugentropfen sowohl subjektive Symptome als auch objektive Zeichen wie Tränenfilmaufrisszeit und Fluoreszein- sowie Ben-

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galrosafärbung signifikant verbesserten [29]. Die Herstellung von Eigenserumaugentropfen unterliegt jedoch dem Arzneimittelund Transfusionsgesetz und erfordert daher eine spezielle Herstellungserlaubnis. In sehr schweren Fällen können schließlich Verbandskontaktlinsen oder große Skleralinsen zum Schutz und zur Hydrierung der Hornhautoberfläche eingesetzt werden. Dies führt zu Reduktion der kornealen Epitheliopathie und zur Heilung persistierender Defekte des Hornhautepithels [30]. Allerdings besteht ein gewisses Infektionsrisiko.

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Fazit !

Die mittlerweile verfügbaren kausalen Therapieansätze in der Behandlung des trockenen Auges haben zu einer Erweiterung des therapeutischen Spektrums bei moderaten bis schweren Formen der Erkrankung geführt. Dennoch bleibt die adäquate und erfolgreiche Therapie ein langfristiger Prozess, der in hohem Maße Compliance und Verständnis für das Krankheitsbild seitens der Patienten erfordert.

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Interessenkonflikt ! 21

Nein.

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