Schwerpunkt Herz 2014 · 39:32–36 DOI 10.1007/s00059-014-4062-9 Online publiziert: 12. Februar 2014 © Urban & Vogel 2014

H. Fox · O. Oldenburg · G. Nölker · D. Horstkotte · K.-J. Gutleben Klinik für Kardiologie, Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen, Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum, Bad Oeynhausen

Detektion und Therapie respiratorischer Störungen durch implantierbare (kardiale) Devices

Einführung Die Therapie unterschiedlicher Erkrankungen der kardialen Reizbildung und -leitung mittels implantierbarer Devices wie Herzschrittmacher stellt eine seit mehr als einem halben Jahrhundert etablierte und technisch weit entwickelte Behandlungsmethode dar. Die erste Implantation eines Herzschrittmachers wurde am 8. Oktober 1958 von Åke Senning in Zusammenarbeit mit dem Elektroingenieur Rune Elmqvist der Firma Siemens Elema in Stockholm durchgeführt. Damit waren die Grundlagen zur späteren Entwicklung von implantierbaren Defibrillatoren (ICD), vorangetrieben durch die Pionierarbeit von Miechel Marowski (1924–1990), und der biventrikulären Stimulation zur kardialen Resynchronisationstherapie (CRT) gelegt. Alle genannten Systeme haben heute einen großen Stellenwert in der Behandlung verschiedener kardialer Erkrankungen. Neben zahlreichen speziellen Therapiealgorithmen sind vielfältige Diagnostik-

funktionen heute integraler Bestandteil aller modernen implantierbaren kardialen Devices. So wird beispielsweise die transthorakale Impedanz seit vielen Jahren zur Detektion der Atmung verwendet. Seit Ende der 90er-Jahre ist sie in vielen Herzschrittmachern als Atemminutenvolumensensor Grundlage des Algorithmus zur Frequenzanpassung [1]. In den letzten Jahren wurde dieser Parameter darüber hinaus zur Erkennung kardialer Dekompensationen durch ein erhöhtes thorakales Flüssigkeitsvolumen [2] und zur Erfassung von schlafbezogenen Atmungsstörungen (SAS) verwendet [3]. SAS wiederum haben eine hohe Prävalenz bei Patienten mit Herzrhythmusstörungen und Herzinsuffizienz und damit letztlich auch bei Patienten mit implantierten elektrischen Rhythmus-Devices wie Schrittmachern, ICD oder CRTSystemen [4, 5, 6, 23, 24, 25, 26]. Eine Assoziation von SAS und akuten kardialen Dekompensationsereignissen ist ebenfalls bekannt. So konnte gezeigt werden, dass eine Verschlechterung der

Herzinsuffizienz mit einer Verschlechterung von SAS einhergeht [7, 27]. In einer Kohorte von 32 unselektierten Pateinten, die mit einem Herzschrittmacher versorgt wurden, konnte kürzlich eine Prävalenz für SAS von 75% gefunden werden [8].

Detektion respiratorischer Störungen durch implantierbare kardiale Devices Als Goldstandard zur Erfassung von SAS gelten die Polygraphie und insbesondere die Polysomnographie [9]. Für diese aufwändigen Untersuchungen besteht allerdings eine eingeschränkte Kapazität, sodass neue Methoden zur Erkennung dieRDI

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Beginn ASV-Therapie

Tab. 1  Ergebnisse von Polygraphie (PG), Polysomnographie (PSG) und SAS-Diagnostik

(AP-Scan) aus dem CRT-Schrittmacher (Invive™, Boston Scientific) eines 84-jährigen Patienten (gleicher Patient wie in . Abb. 1) mit Herzinsuffizienz und schwerem zentralen SchlafapnoeSyndrom vor und nach Einleitung einer adaptiven Servoventilation (ASV)  

Messung 1 vor Therapie

Messung 2 vor Therapie

Methode AHI/RDI (n/h)

AP-Scan 46

AP-Scan 45

PG 42

PG 46

AHA Apnoe-Hypopnoe-Index, RDI „respiratory disturbance index“.

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Messung 3 unter ASVTherapie AP-Scan PSG 17 12

Abb. 1 8 Darstellung der Apnoe- und Hypopnoe-Episoden als „respiratory disturbance index“ (RDI), detektiert durch den CRT-Schrittmacher (Invive™, Boston Scientific) bei einem 84-jährigen Patienten mit Herzinsuffizienz und zentraler Schlafapnoe (gleicher Patient wie in . Tab. 1): Nach Einleitung einer adaptiven ­Servoventilation (ASV) kommt es zu einer ­deutlichen Reduktion der nächtlichen Atmungs­störungen

Abb. 2 9 a Kontrastmitteldarstellung der epikardiophrenischen Vene nach selektiver Intubation; b Einbringen der Stimulationselektrode über einen Führungsdraht; c Kontrastmitteldarstellung der Vena azygos; d,e postoperative Röntgenthoraxaufnahme mit Abbildung des früher implantierten CRTICD links pektoral und des Phrenikusstimulationsgeräts (remedē®-System, Respicardia Inc.) rechts pektoral (* Phrenikusstimulationselektrode, + SensingElektrode)

ser Störungen oder zur Verlaufsbeurteilung unter Therapie wünschenswert sind. Seit knapp 10 Jahren ist die Detektion von SAS durch Herzschrittmacher möglich [10, 11]. Die dazu verwende­te transthorakale Impedanz, gemessen zwischen einer endokardial implantierten Elektrode und dem pektoral gelegenen Aggregat ist abhängig vom Verhältnis von Luft zu Flüssigkeit zwischen den Messpunkten. So findet man einen Anstieg der Impedanz während der Inspiration und einen Abfall während der Exspiration [1]. Der Algorithmus in den Herzschrittmachern der Firma Sorin (Paris, Frankreich) definiert ein Apnoe-Ereignis als Ausbleiben eines Atemzyklus über mehr als 10 s. Ein Hypopnoe-Ereignis wird registriert, wenn das Atmungssignal für 10 s oder länger um mindestens 50% reduziert ist. Aus der Anzahl der Ereignisse pro Stunde ergibt sich der „respiratory dis­tur­bance index“ (RDI; [10]). Ein weiterer Algorithmus, implementiert in Aggregate der Firma Boston Scientific (St. Paul, Minnesota, USA) detektiert Hypopnoe- bzw. Apnoe-Ereignisse, wenn die Amplitude der transthorakalen Impedanz für 10 s oder länger um mindestens 26% abfällt. Dem

in der konventionellen Diagnostik üblichen Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) entspricht in der Device-basierten Diagnostik auch in diesem Algorithmus der RDI. Für beide Algorithmen ist dieser Parameter mit dem polysomnographisch ermittelten AHI verglichen worden. So fanden Defaye et al. für den Sorin-Algorithmus unter Verwendung der Talent™-3Schrittmacher der Firma ELA Medical (Montrouge, Frankreich) an 42 Schrittmacherpatienten eine gute Übereinstimmung. Der Detektionsalgorithmus der Schrittmacher ermittelte schwere SAS mit einer Sensitivität von 75% und einer Spezifität von 94% [10]. Shalaby et al. fanden in einer Untersuchung an 60 Patienten, die mit einem Herzschrittmacher der Firma Boston Scientific versorgt wurden, eine gute Korrelation zwischen dem RDI und dem polysomnographisch erhobenen AHI (r=0,8). Eine fortgeschrittene SAS wurde mit einer Sensitivität von 82% und einer Spezifität von 88% detektiert [11]. In Geräten der neusten Generation der Firmen Sorin und Boston Scientific finden diese Algorithmen in überarbeiteter Form erneut Anwendung. Untersu-

chungen mit dem aktuellen Herzschrittmacher Reply™ 200 der Firma Sorin wurden kürzlich vorgestellt: Bei 31 Patienten wurde der SAM („sleep apnea monitoring“)-Algorithmus evaluiert. Die Device-basierten Daten wurden mit einer 30 bis 90 Tage nach der Implantation durchgeführten Polysomnographie verglichen. Eine schwere SAS konnte mit einer Sensitivität von 89% und einer Spezifität von 85% detektiert werden [12]. Erstmalig ist ein Algorithmus (ApneaScan™) zur Detektion von SAS nun auch in ICD und CRT-Aggregate der Firma Boston Scientific integriert. . Tab. 1 zeigt das Ergebnis der Polysommnographie eines 84-jährigen Patienten aus unserer Klinik, bei dem eine schwere zentrale schlafbezogene Atmungsstörung mit Cheyne-Stokes-Atemmuster detektiert werden konnte, vor und nach Einleitung einer adaptiven Servoventilation (ASV). Korrelierend zu dem polysomnographisch deutlich verbesserten Befund fand sich im ApneaScan™ des CRT-Schrittmacheraggregats (Invive™, Boston Scientific) eine positive Entwicklung mit einem Rückgang der Ereignisse (. Tab. 1; . Abb. 1). Derzeit läuft eine klinische Studie zur Evaluation des AlHerz 1 · 2014 

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Schwerpunkt gorithmus in den Geräten der Incepta™ICD-Familie der Firma Boston Scientific im Vergleich zu konventionell durchgeführten Polygraphien (ClinicalTrials.gov identifier: NCT01979120). Ergebnisse großer randomisierter Studien liegen derzeit noch nicht vor, dennoch ist die Technologie vielversprechend und scheint insbesondere vor dem Hintergrund der eingeschränkten Verfügbarkeit der konventionellen Diagnostik einen Stellenwert im Screening von Device-Patienten zu erlangen. Besonders die Möglichkeit der kontinuierlichen Verlaufskontrolle bietet vielversprechende Möglichkeiten der Diagnostik von SAS und ggf. auch der Therapieanpassung bei herzinsuffizienten Patienten [28, 29, 30].

Therapie von respiratorischen Störungen durch implantierbare kardiale Devices Patienten mit bedeutsamer SAS als Komorbidität bei schwerer symptomatischer Herzinsuffizienz sollten zunächst eine optimale Behandlung der Herzinsuffizienz erhalten. Liegt eine hochgradig eingeschränkte linksventrikuläre Pumpfunktion mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion (EF) von 35% oder weniger bei gleichzeitig bestehendem Linksschenkelblock vor, besteht die Indikation zur CRT [13]. Diese kann einen positiven Einfluss auf zentrale respiratorische Ereignisse haben. So konnte in einer Untersuchung an 79 Patienten aus unserer Klinik gezeigt werden, dass sich je nach Ansprechen auf die CRT auch die zentrale schlafbezogene Atmungsstörung (CSA) unter CRT signifikant bessert [14]. Zur apparativen Behandlung mittel- bis schwergradiger SAS werden je nach Typ [obstruktive schlafbezogene Atmungsstörung (OSA) oder CSA] verschiedene Therapieverfahren zur Überdruckbeatmung empfohlen. Zusammengefasst haben sich die CPAP („continuous positive airway pressure“) zur Behandlung der OSA und die ASV zur Therapie der CSA oder der komplexen SAS bewährt und werden insbesondere bei kardialer Grunderkrankung von den Fachgesellschaften empfohlen [15, 31, 32, 33, 34, 35].

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Zusammenfassung · Abstract Herz 2014 · 39:32–36  DOI 10.1007/s00059-014-4062-9 © Urban & Vogel 2014 H. Fox · O. Oldenburg · G. Nölker · D. Horstkotte · K.-J. Gutleben

Detektion und Therapie respiratorischer Störungen durch implantierbare (kardiale) Devices Zusammenfassung Schlafbezogene Atmungsstörungen (SAS) stellen eine häufige Komorbidität bei kardiologischen Patienten dar. Die Prävalenz ist insbesondere bei Patienten mit Rhythmusstörungen und Herzinsuffizienz (HI) sehr hoch. Entsprechend finden sich häufig SAS bei Patienten mit Herzschrittmacher (SM)- und/ oder implantierbaren Defibrillator (ICD)-Systemen inkl. Resynchronisationstherapien (CRT). Moderne SM-, ICD- oder CRT-Geräte verfügen über die Möglichkeit, aus der transthorakalen Impedanz die Atmung zu quantifizieren und SAS sensitiv zu erfassen, was in Polysomnographiekontrollen gezeigt werden konnte. Diese Methode könnte zukünftig eine bedeutende Rolle für Screening und Verlaufskontrollen spielen. Erste Verlaufsdaten zeigen die Möglichkeit der Therapie von obstruktiven schlafbezogenen Atmungsstörungen (OSA) durch die selektive Stimulation

von Hirnnerven (hier v. a. N. hypoglossus) bei selektierten Patienten. Dies erfordert jedoch eine aufwendige Diagnostik und Therapie durch verschiedene Fachdisziplinen und ist nicht Gegenstand dieser Übersichtsarbeit. Mit der Möglichkeit zur einseitigen transvenösen Stimulation des N. phrenicus hingegen bietet sich dem Kardiologen die Möglichkeit, auf bekannten Zugangswegen die zentrale schlafbezogene Atmungsstörung (CSA) und v. a. die HI-assoziierte Cheyne-Stokes-Atmung zu behandeln. Erste Verlaufsdaten werden dargestellt. Schlüsselwörter Schlafbezogene Atmungsstörungen · Herzinsuffizienz · Herzschrittmacher · Defibrillatoren · Kardiale Resynchronisationstherapie

Detection and therapy of respiratory dysfunction by implantable (cardiac) devices Abstract Sleep-disordered breathing (SDB) represents a common comorbidity in cardiac patients. The prevalence of obstructive sleep apnea (OSA) and central sleep apnea (CSA) is very high, particularly in patients with heart rhythm disorders and heart failure (HF). Patients with pacemakers (PM) and implantable defibrillators (ICD) including cardiac resynchronization therapy (CRT) show SDB prevalences up to 75%. However, some modern PM, ICD and CRT devices allow the detection of SDB via transthoracic impedance analysis with high sensitivity compared to polysomnographic (PSG) controls. Thus, this method could be of relevance in screening and monitoring SDB in patients with implantable cardiac devices. Preliminary studies demonstrated the possibility to treat OSA in selected pa-

Trotz stetig verbesserter Therapieverfahren gelingt die Initiierung einer solchen Behandlung nicht immer. Eigene Erfahrungen zeigen, dass etwa 15% der Patienten mit gesicherter Indikation eine Beatmungstherapie von vornherein ablehnen oder nicht tolerieren. Hinzu kommen weitere rund 15%, die eine eingeleitete Beatmungstherapie innerhalb des

tients by stimulation of the cranial nerves, especially the hypoglossal nerve. However, this requires extensive diagnostics and advanced surgical approaches including many medical disciplines and is not part of this review article. However, unilateral and transvenous stimulation of the phrenic nerve to treat central sleep apnea and Cheyne-Stokes respiration in HF patients in particular can be performed by cardiologists. This article summarizes preliminary data on the results of this promising therapy. Keywords Sleep apnea syndromes · Heart failure · Artificial cardiac pacemaker · Defibrillators · Cardiac resynchronization therapy

ersten halben Jahres abbrechen [16, 17, 33, 36]. Zur Behandlung von Patienten mit CSA steht nun ein implantierbares Gerät (remedē®-System) der Firma Respicardia Inc. (Minnetonka, Minnesota, USA) zur einseitigen nächtlichen Stimulation des Nervus phrenicus zur Verfügung. Das System besteht aus einer Stimulations-

elektrode, einer Sensing-Elektrode, dem Stimulationsgenerator selbst und einem Programmiergerät mit Telemetrieeinheit. Die Implantationsprozedur erfolgt unter Lokalanästhesie pektoral rechts, ähnlich wie eine herkömmliche Herzschrittmacheroperation [18]. . Abb. 2 zeigt ein Beispiel aus unserer Klinik: Nach Punktion der Vena subclavia wird ein geeigneter Führungskatheter in die linke Vena brachiocephalica eingebracht. Hier mündet die epikardiophrenische Vene, die den linken Nervus phrenicus begleitet. Nach selektiver Sondierung und Kontrastmitteldarstellung wird in „Over-thewire“-Technik die Stimulationselektrode eingebracht (. Abb. 2). Alternativ kann eine Stimulationselektrode in die rechte Vena brachiocephalica zur Stimulation des rechten Nervus phrenicus eingebracht werden. Die Sensing-Elektrode wird ebenfalls nach selektiver Sondierung mit einem geeigneten Katheter in die Vena azygos in eine zwerchfellnahe Position vorgeführt (. Abb. 2). Nach Entfernung der Führungskatheter und Fixierung der Elektroden wird das Aggregat letztlich in eine subfasziale Tasche implantiert. Dort ist es über eine spezielle Telemetrieeinheit abfragbar und (re-)programmierbar. Die ersten Ergebnisse mit aktivierten Geräten zeigen, dass die Stimulation gut toleriert wird. Darüber hinaus konnte in den polysomnographischen Kontrollen eine deutliche Verbesserung zentraler respiratorischer Parameter gefunden werden. So konnte polysomnographisch in einer ersten multizentrischen Studie an 31 Patienten gezeigt werden, dass die Therapie über passager implantierte Elektroden unter Verwendung eines externen Therapiegeräts im Vergleich zu einer Kontrollnacht ohne Therapie zu einer hochsignifikanten Reduktion zentraler Hypopnoen und Apnoen führte [19]. Inzwischen liegen die Sechsmonatsdaten einer Kohorte von 47 Patienten vor, bei denen das System komplett implantiert wurde. Es handelt sich um Patienten mit meist symptomatischer (70%) Herzinsuffizienz und deutlich eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion (EF: 31±12%), bei denen eine schwere CSA mit einem durchschnittlichen AHI von 50±15/h und einem zentralen Apnoe-Index (CAI) von 30±15/h vorlag. In den polysomnogra-

phischen Kontrollen nach 3 und 6 Monaten konnten unter laufender Therapie hochsignifikante Verbesserungen [AHI: von 25±13/h auf 24±13/h (p

[Detection and therapy of respiratory dysfunction by implantable (cardiac) devices].

Sleep-disordered breathing (SDB) represents a common comorbidity in cardiac patients. The prevalence of obstructive sleep apnea (OSA) and central slee...
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