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Distal biceps tendon injuries

Einleitung ▼▼

Die distale Bizepssehnenruptur ist mit einer Inzidenz von 1,2/100000 Patienten / Jahr und 3 % der Bizepsverletzungen selten (Safran MR & Graham SM. Clinical orthopaedics and related research 2002, DOI: 275–283) und betrifft überwiegend Männer in einem Alter von 40–60 Jahren. Im Gegensatz zu proximalen Rupturen, die meist nur einen geringen Kraft- und Funktionsverlust des Arms zur Folge haben, geht die vollständige distale Bizepssehnenruptur mit einem ausgeprägten Defizit der Supinations- und Flexionsfunktion des Ellenbogengelenks einher.

rosis gebildet, der nach medialseits verläuft, dort in die Faszie einstrahlt und die Übertragung der Flexion verstärkt. Die meisten Rupturen finden sich ca. 1–2 cm proximal des radialen Sehnenansatzes, wo sich ein fibrokartilaginäres Transitionsareal mit relativer Hypovaskularisierung befindet (Koch S & Tillmann B. Anatomischer Anzeiger 1995; 177: 467–474). Dieses unterliegt im interossären Spalt zwischen Ulna und Radius einem erhöhten mechanischen Impingement bei Pronationsbewegungen (Seiler JG et al. Journal of shoulder and elbow surgery / American Shoulder and Elbow Surgeons 1995; 4: 149–156).

Schallfenster bieten sich von anterior, posterior, medial und lateral an (Miller TT & Adler RS. AJR American journal of roentgenology 2000; 175: 1081–1086). Von anterior wird die Sehne erst mittels von transversal geführtem Schallkopf identifiziert und anschließend in sagittaler Ebene longitudinal dargestellt. Sie imponiert als fibröse, hyperechogene Struktur. Als Leitstruktur lässt sich die A. brachialis heranziehen, die medial zur Sehne verläuft

Klinik ▼▼

Distale Bizepssehnenrupturen werden in Total- und Partialrupturen unterteilt: Eine vollständige Ruptur äußert sich häufig mit einem peitschenartigen Knall, nachfolgender Hämatombildung und Proximalisierung der äußerlich sichtbaren Muskelbäuche („Popeye“-Zeichen). Im chronischen Verlauf kommt es zur Retraktion der Sehne, sodass eine anatomische Refixation nur mittels Sehnentransplantaten möglich ist. Abb. 1 Übersichtssonografie der distalen Bizepssehne von anterior am gesunden Probanden. Die Bizepssehne (Pfeil) lässt sich anhand der A. brachialis (A) als Leitstruktur einfach identifizieren. Bei flexiertem Arm wird die Lagebeziehung zum Radius (R) und dem Radiusköpfchen (*) deutlich. P: Proximal. D: Distal.

Anatomie ▼▼

Der Biceps brachii ist ein zweiköpfiger Muskel, der funktionell supinierend und flexierend im Ellenbogengelenk wirkt. Dabei verläuft die distale Sehne von proximal medioventral nach distal laterodorsal um 90 ° rotiert, sodass die vormals anteriore Komponente die Lateralseite im Ansatzbereich bildet. Als häufige Normvariante findet sich in ca. 25 % der Fälle eine Zweiteilung der distalen Bizepssehne (Dirim B et al. AJR American journal of roentgenology 2008; 191: W248–255). Eine aponeurotische Verbindung zur tiefen Unterarmfaszie wird durch den Lacertus fib-

Partialläsionen hingegen gehen meist mit unspezifischen Schulter- und Ellenbogenschmerzen einher. Insbesondere bei intakter Aponeurose mit reduzierter Retraktion der Sehne ist daher die klinische Diagnose schwierig. Auch bei vollständigen Sehnenrupturen kann bei ausbleibender Schädigung des Lacertus fibrosus und der damit verbundenen reduzierten Retraktion des Muskelbauchs der Eindruck einer Partialruptur entstehen. In diesen Fällen ist die bildgebende Diagnostik mit der Integritätsprüfung des Lacertus fibrosus essenziell.

Sonografie ▼▼

Die Sonografie hat bei der Darstellung der distalen Bizepssehne aufgrund ihrer hohen Sensitivität einen großen Stellenwert (Lobo Lda G et al. AJR American journal of roentgenology 2013; 200: 158–162).

Abb. 2 Sonografie von medial („Pronator Window“) mit longitudinaler Darstellung der Bizepssehne (Pfeile) am gesunden Probanden. Es zeigt sich die homogene hyperechogene Texturierung der Sehne ohne Nachweis einer Kontinuitätsstörung der Sehnenfasern. Im medialen Schallfenster ist der Ansatzbereich am Radius (R) gut zu beurteilen. Der Stern (*) markiert das Caput radii. P: Proximal. D: Distal.

(q Abb. 1). In der transversalen Schnittführung ist insbesondere auf eine angeborene Zweiteilung der Bizepssehne zu achten, da diese andernfalls mit einer Partialruptur verwechselt werden kann. Von medial („Pronator Window“) und lateral wird der Schallkopf bei rechtwinklig gebeugtem Ellenbogengelenk und supiniertem Unterarm jeweils parakoronar auf die Sehne aufgesetzt, wodurch Anisotropie­ effekte minimiert werden (q Abb. 2). Der mediale Ansatz ermöglicht zudem eine überlagerungsarme Beurteilung der ansatznahen Sehnenanteile. Im posterioren Schallfenster kann der Insertionsbereich einfach mittels Pronation des Unterarms fokussiert werden (q Abb. 3). Die dynamische Untersuchung mit aktiver oder pas-

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Verletzungen der distalen Bizepssehne

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Abb. 3 Transversale Sonografie des Ansatzes der distalen Bizepssehne von posterior / dorsal am gesunden Probranden. Dieses Schallfenster erlaubt eine dedizierte Beurteilung des Sehnenansatzes. Bei proniertem Arm windet sich die hyperechogene, in diesem Fall intakte Sehne (Pfeile) um den Radius (R). U: Ulna.

siver Bewegung des Arms ist insbesondere bei der Differenzierung von Total- und Partialrupturen hilfreich. Letztere äußern sich sonografisch mit einer Schwellung und irregulärer Darstellung bis zum Verlust der fibrillären Sehnentextur. Das sonografische Bild einer vollständigen Sehnenruptur beinhaltet die deutlich abgrenzbare Diskontinuität der Sehne mit unterschiedlich ausgeprägter Retraktion der Sehnenstümpfe. Der Grad der Retraktion ist abhängig von einer eventuellen Schädigung des Lacertus fibrosus. Eine chronische oder subakute Ruptur kann aufgrund des regredienten peritendinösen Hämatoms und reaktiver Narbenbildung schwierig zu identifizieren sein und mit einer Partialruptur verwechselt werden.

Magnetresonanztomografie ▼▼

In klinisch unklaren Fällen sollte eine MRT des Ellenbogengelenks durchgeführt werden. Die Sensitivität der Methode beträgt 92–100 % für Komplett- und ca. 60 % für Partialrupturen (Festa A et al. The Journal of hand surgery 2010; 35: 77–83). Zur optimalen, longitudinalen Darstellung der schräg verlaufenden Bizepssehne ist neben konventionellen Einstellungen die Lagerung des Arms in der FABS-Stellung (Flexed elbow, abducted shoulder, forearm supinated) zu empfehlen, wobei die Patienten in Bauchlage mit dem betroffenem Arm über dem Kopf, rechtwinklig flexiertem Ellenbogengelenk und Unterarm in Supinationsstellung gelagert werden (Giuffre BM & Moss MJ. AJR American journal of roentgenology 2004; 182: 944–946). Diese Stellung erzeugt Spannung in der Bizepssehne und minimiert die anatomische Rotations- und Querlage-

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Abb. 4 MRT einer Totalruptur der distalen Bizepssehne. In der T2-gewichteten, transversalen Sequenz (a) imponiert die Signalanhebung der distalen Bizepssehne (Pfeil). Die sagittale STIR-Sequenz (b) zeigt eine Signalanhebung sowie peritendinöse Flüssigkeitsansammlungen im ehemaligen Sehnenverlauf mit Diskontinuität der Sehne und Auflockerung der Sehnenfasern zwischen dem proximalen (kurzer Pfeil) und dem distalen (langer Pfeil) Sehnenstumpf. In T1-gewichteten Sequenzen (c) lässt sich die begleitende Retraktion der proximalen Sehnenanteile (Pfeil) bei synchron rupturiertem Lacertus fibrosus abgrenzen.

komponente sowie eventuelle Partial­ volumeneffekte. Die wichtigsten diagnostischen Kriterien der Sehnenruptur sind der Nachweis einer Faserdiskontinuität (ggf. mit Retraktion; q Abb. 4), eine Signalanhebung des Bizeps, der Sehne und des umliegenden Gewebes sowie der Nachweis peritendinöser Flüssigkeitsansammlungen. Seltener findet sich ein Knochenödem im Bereich der Tuberositas radii. Auch subtotale Rupturen bieten ein eindrucksvolles Bild mit nur noch vereinzelt abgrenzbaren Sehnenfasern (q Abb. 5). Bei geringgradigen Partialrupturen sind diese Zeichen häufig schwächer ausgeprägt, was die Diagnose erschwert (Festa A et al. The Journal of hand surgery 2010; 35: 77–83). Der Lacertus fibrosus ist bei vollständigen Rupturen häufig ebenfalls komplett oder partiell rupturiert (q Abb. 6), kann aber auch überdehnt (q Abb. 7) oder intakt sein. Die

Arbeitsgemeinschaft Muskuloskelettale Radiologie der Deutschen Röntgengesellschaft empfiehlt zur Routineuntersuchung des Ellenbogengelenks eine koronare T1w-Spinecho-Sequenz, eine koronare wassersensitive Sequenz (z. B. PD, STIR) und eine axiale und fakultativ sagittale PDw-Sequenz. Zusätzlich sollte eine longitudinale, anatomische Darstellung der distalen Bizepssehne in T1w-Spin­ echosequenzen in sagittaler oder koronarer Orientierung erfolgen. Grundsätzlich empfehlen sich bei Ellenbogenschmerz auch T2-gewichtete Sequenzen zur Differenzialdiagnose von Hämatomen, Abszessen oder einer eventuellen Bursitis.

Weitere Pathologien ▼▼

Eine wichtige Differentialdiagnose zur Bizepssehnenruptur stellt die bicipitoradiale Bursitis dar, die infolge von repetitiver

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Abb. 5 MRT einer subtotalen Ruptur der distalen Bizepssehne. Ansatznah imponiert in der transversalen T2-Wichtung eine Signalanhebung (a). In der sagittalen STIR- (b) und der koronaren protonengewichteten (PD) Sequenz (c) zeigt sich eine Signalanhebung im ehemaligen Sehnenverlauf mit Umgebungsreaktion (kurzer Pfeil), während sich nur noch einzelne intakte Fasern abgrenzen lassen (langer Pfeil). Die T1-gewichteten Sequenzen in transversaler (d) und sagittaler Schichtführung (e) verdeutlichen die tendinöse Auffaserung mit nur noch vereinzelt abgrenzbaren, immobilen Fasern.

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Abb. 6 Komplettruptur mit intaktem, aber geschädigtem Lacertus fibrosus. Bei T2-Signalanhebung der vollständig rupturierten Bizepssehne (a, Pfeil) und irregulärer Darstellung der aufgefaserten Sehnenanteile in den T1-gewichteten Sequenzen erscheint der Lacertus fibrosus (b) signalalteriert mit Texturverlust und Auftreibung der distalen Fasern (c, Pfeil).

Traumatisierung, mechanischer Überbeanspruchung oder inflammatorischen Veränderungen entstehen kann (Draghi F et al. Journal of ultrasound 2012; 15: 39– 41). Auch degenerative Veränderungen der Bizepssehne im Sinne einer Tendino-

sis können synchron zu Partialrupturen und einer Bursitis auftreten und differenzialdiagnostisch schwierig abzugrenzen sein. Sonografisch zeigt sich ähnlich wie bei der Partialruptur das Bild einer hypoechogenen und aufgetriebenen, jedoch in-

takten Sehne. Des Weiteren können Verletzungen des M. brachialis auftreten, welche ebenfalls mit Ellenbogenschmerzen und einer Kraftminderung bei Flexionsbewegungen einhergehen (q Abb. 8).

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Abb. 7 Partialruptur mit Überdehnung des intakten Lacertus fibrosus. Die axiale T2-gewichtete MRT (a) zeigt eine ansatznahe Signalanhebung der distalen Bizepssehne mit begleitender inter- und peritendinöser Signalanhebung in der PDw-Sequenz (b). In den T1-gewichteten (c) und den sagittalen PDw-Sequenzen (d) imponiert die verwaschene Darstellung der distalen Sehnenfasern (dicker Pfeil), der Lacertus fibrosus (dünner Pfeil) zeigt sich infolge dessen überdehnt mit Rarefizierung seiner distalen Faszikel (d, dünner Pfeil).

Therapie ▼▼

Bei vollständigen Sehnenrupturen besteht bei operablen Patienten die Indikation zur operativen Refixation, da die konservative Therapie einen persistierenden Kraftverlust der betroffenen Seite zur Folge haben kann (Henry J et al. The American journal of sports medicine 2007; 35: 1950–1954). Bei Partialrupturen erfolgt meist ein nicht-operatives Vorgehen, aktuelle Studien belegen jedoch den Nutzen einer operativen Versorgung bei Sportlern und körperlich aktiven Patienten (Dellaero DT & Mallon WJ. Journal of shoulder and elbow surgery / American Shoulder and Elbow Surgeons 2006; 15: 215–217). Chronische Bizepssehnenrupturen mit Retraktion der Sehne erfordern die Transplantation einer allogenen oder körperei-

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genen Sehne. Da diese mit höheren Komplikations- und reduzierten Erfolgsraten einhergehen (Aldridge JW et al. Hand clinics 2000; 16: 497–503), ist die frühzeitige Diagnosestellung und Therapieeinleitung essenziell.

Schlussfolgerungen ▼▼

Die Diagnostik der distalen Bizepssehnenruptur und dabei insbesondere die Differenzierung von Total- und Partialrupturen stellt aufgrund der komplexen Anatomie und der variablen Klinik eine Herausforderung dar, daher sollten Sonografie und MRT bei nicht eindeutigen klinischen Befunden zur Anwendung kommen: Die Sonografie als dynamisches Untersuchungsverfahren bietet die Möglichkeit der schnellen Bedside-Diagnose, während die

Abb. 8 Traumatische Ruptur des M. brachialis. In den T2w-Sequenzen zeigt sich eine langstreckige Signalanhebung des an der Ulna inserierenden M. brachialis (a, kurzer Pfeil, mit Fettsättigung) bei intakter Bizepssehne (langer Pfeil) mit Diskontinuität der distalen Fasern (b) im ulnaren Ansatzbereich.

MRT eine hohe Sensitivität für intramuskuläre und intraossäre Veränderungen aufweist. Bei schneller Diagnostik kann die Funktion und Kraft des Arms mit hoher Effizienz operativ wieder hergestellt werden. G. Homann, C. Müller-Horvat, C. D. Claussen, M. Horger, Tübingen

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