Journal Club Med Klin Intensivmed Notfmed 2015 · 110:65–67 DOI 10.1007/s00063-014-0446-0 Online publiziert: 3. Dezember 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 Redaktion

S. Kluge, Hamburg

U. Janssens1 · W. Druml2 1 Klinik für Innere Medizin, St.-Antonius-Hospital, Eschweiler 2 Abteilung für Nephrologie, Klinik für Innere Medizin III, Wien

Frühe parenterale oder enterale Ernährung bei Intensivpatienten Ergebnisse der CALORIES-Studie

Originalpublikation Harvey SE, Parrott F, Harrison DA et al (2014) Trial of the route of early nutritional support in critically ill adults. N Engl J Med. doi:10.1056/NEJMoa1409860

Hintergrund Metabolische Folgen einer schweren Erkrankung haben für die mittel- und langfristige Prognose kritisch kranker Patienten eine erhebliche Bedeutung. Der durch die Katabolie bedingte Verlust an Muskelmasse und Funktionsproteinen führt zu einer verstärkten Anfälligkeit für nosokomiale Infektionen, einer erschwerten Entwöhnung vom Respirator und einer verzögerten Remobilisation [7]. Es ist unstrittig, dass Intensivpatienten ernährt werden müssen. Die optimale Form der Ernährung, die Zusammensetzung, der Zufuhrweg, die Geschwindigkeit des Ernährungsaufbaus und die Wirkung besonderer Ernährungszusätze sind zwar Gegenstand verschiedener Studien gewesen [11], dennoch bleiben weiterhin­ viele Fragen ungeklärt. Die Wahl des initialen Zugangswegs (enterale vs. parenterale Gabe) ist im klinischen Alltag immer wieder Gegenstand kritischer Debatten, obwohl sowohl die amerikanischen (American Society for Parenteral and Ente­ral Nutrition, ASPEN; [9]) als auch die europäischen (European Society­ for Clinical Nutrition and Metabolism,

ESPEN; [6, 10]) Fachgesellschaften sich zu dieser Thematik klar aber transkontinental z. T. abweichend geäußert haben. Die enterale Ernährung (EE) soll wenn immer möglich vorzugsweise eingesetzt werden, hier sehen beide Fachgesellschaften einen klaren Vorteil. Ist eine enterale Ernährung nicht möglich oder unzureichend, muss die Indikation zur parenteralen Ernährung (PE) gestellt werden. Die ESPENLeitlinien befürworten in dieser Situation einen früheren Einsatz der PE schon nach 24–48 h [10], während die ASPEN-Leitlinie hier erst nach 7 Tagen eine Indikation sehen [9]. Die wissenschaftliche Evidenz, die einen eindeutigen Vorteil der EE gegenüber der PE belegt, ist allerdings dürftig. Nicht vergessen werden dürfen auch potenzielle Nebenwirkungen. Eine frühe EE kann zu einem erhöhten gastralen Residualvolumen, konsekutiv zu vermehrtem gaströsophagealen Reflux und schließlich zu einer Intoleranz der gastralen enteralen Ernährung führen [8]. Eine bakterielle Besiedlung des Magens und das Risiko einer Aspirationspneumonie sind hier ebenfalls zu nennen [3], wie eine mögliche Unterernährung. Die PE kann eine Mukosaatrophie begünstigen und zu einer Hyperalimentation der Patienten führen, die mit einer schlechteren Prognose und vermehrten Komplikationen, wie Infektionen, assoziiert ist. Die Vorbehalte gegenüber der parenteralen Ernährung wurden sicherlich durch die EPaNIC-Studie („impact of early­par-

enteral nutrition completing enteral nutrition in adult critically ill patients“ [1] noch zusätzlich verstärkt. Hier führte ein früher Beginn einer PE (innerhalb von 48 h nach Aufnahme auf die Intensivstation) gegenüber einer späten PE (nicht vor Tag 8) zu wesentlich mehr Komplikationen (Infektionen, Cholestase, Beatmungsdauer, Nierenersatztherapie, Aufenthaltsdauer sowie Kosten) bei allerdings unveränderter Mortalität.

Methodik Angesichts der unklaren Datenlage wurde die CALORIES-Studie („trial of the route­ of early nutritional support in critically ill adults“, [4]) in Großbritannien durchgeführt. Unter der Leitung des Intensive Care National Audit and Research Centre­ (ICNARC) wurde die Studienhypothese­ überprüft, ob eine frühe PE einer EE bei Patienten mit einer ungeplanten Aufnahme auf eine Intensivstation überlegen ist. Die Studie wurde an 33 Intensivstationen in Großbritannien durchgeführt. Es wurden Patienten (≥18 Jahre) eingeschlossen, die ungeplant auf eine Intensivstation aufgenommen wurden, bei denen von einer Intensivliegedauer von mehr als 3 Tagen ausgegangen wurde und die voraussichtlich eine Ernährung für mindestens 2 Tage­ erhalten mussten. Patienten, bei denen keine EE oder PE durchgeführt werden konnte oder die innerhalb der letzten 7 Tage eine zusätzliche Ernährung

Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 1 · 2015 

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Journal Club Parenterale Ernährung

Enterale Ernährung

Parenterale Ernährung, adjustiert

Enterale Ernährung, adjustiert

überschreiten. Als primärer Endpunkt wurde die Gesamtsterblichkeit an Tag 30 festgelegt.

40

Ergebnisse

Patienten (%)

30

20

10

0 1

2

3

4

5

6

Tage nach Beginn der frühen Ernährung

Abb. 1 8 Anteil der Patienten mit parenteraler Ernährung und enteraler Ernährung, die an den Tagen 1–6 nach Studieneinschluss das angestrebte Ziel einer täglichen Kalorienaufnahme von 25 kcal/kgKG erreichten. In beiden Gruppen lag der Anteil deutlich unter 40%. (Adaptiert nach [4]) 45 40 35

p = 0,40 p = 0,94 33.1

37.3

39.1

PE (n = 1191)

EE (n = 1197)

34.2

Anteil in %

30 25 p

[Early parenteral or enteral nutrition in intensive care patients. Results of the CALORIES Trial].

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