Trübestein u. a. Fibrinolytische Therapie arterieller Verschlußkrankheit und Phlebothrombosen

1687

Dtsch. med. Wschr. 100 (1975), 1687-1694 @ Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Die fibrinolytische Therapie bei arterieller Verschlußkrankheit und Phlebothrombosen

Fibrinolytic treatment of peripheral artery disease and phiebothrombosis

G. Trübestein, H. Esser und A. Sobbe

Standardised streptokinase-heparin treatment was used in 30 patients with stenoses or occlusions of the large arteries and phiebothrombosis. Apart from three cases of occlusion of the popliteal artery it was possible to revascularise all occluded vessels and markedly widen any haemodynamically effective stenoses.

Medizinische Poliklinik (Direktor: Prof. Dr. F. Krück) und Radiologische Klinik (Direktor: Prof. Dr. P. Thurn) der Universität Bonn

30 Patienten mit Stenosen und Verschlüssen der großen Arterien sowie

Phlebothrombosen wurden mit einer standardisierten StreptokinaseHeparin-Therapie bei vorgegebener Indikationsstellung behandelt. Abgesehen von drei Patienten mit einem Verschluß der Arteria poplitea gelang es, sämtliche Gefäßverschlüsse wieder zu eröffnen und die hämodynamisch wirksamen Stenosen erheblich zu weiten. Die fibrinolytische Therapie zur Beseitigung peripherer arterieller Stenosen und Verschlüsse sowie venöser Verschlüsse gehört heute zu den anerkannten therapeutischen Möglichkeiten bei Gefäßerkrankungen. Entscheidend für den Erfolg dieser Therapie ist neben der Beachtung der

Kontraindikationen und einer guten klinischen Überwachung die Indikationsstellung. Im folgenden berichten wir über eine Gruppe von 30 Patienten mit arterieller Verschlußkrankheit sowie Phlebothrombosen, die mit einer kombinierten Streptokinase-

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Nr. 34, 22. August 1975, 100. Jg.

Triibestein u. a. Fibrinolytische Therapie arterieller Vcrschlußkrankhcit und Phicbothromboscn

Heparin-Therapie unter einheitlicher Indikationsstellung nach einem standardisierten Behandlungsschema behandelt und überwacht wurde.

Eigene Erfahrungen indikation. Die Indikation zu einer fibrinolytischen Therapie mit Streptokinase wurde bei subakuten Verschlüssen und Stenosen der großen Arterien gestellt. Verschlüsse der Arteria iliaca communis und externa wurden nach den Erfahrungen von Schoop (13, 17, 18) und anderen Autoren (2, 5, 6) bis zu einer Dauer von 3 Monaten, Verschlüsse der A. femoralis und poplitea bis zu einer Dauer von 6 Wochen nach Eintritt des akuten Ereignisses mit Streptokinase (Streptase) behandelt. Stenosen im Bereich der A. iliaca und A. femoralis wurden nach ihrer hämodynamischen Wirksamkeit und nach röntgenmorphologischen Kriterien anhand der Angiogramme ausgesucht, wobei eine »krümelige« und »asymmetrische« Struktur entscheidend war. Verschlüsse der tiefen Bein- und Beckenvenen sowie der Oberarmvenen einschließlich der Vena subclavia wurden nach eigenen Erfahrungen und denen anderer Autoren (1, 8) bis zu einer Dauer von 6 Tagen nach Eintritt des Ereignisses mit Streptokinase behandelt (Ta-

Vorhof flimmern gezählt (24). Hierbei besteht die Gefahr einer Mobilisation wandadhärenter Thromben im linken Vorhof infolge der Fibrinolyse mit nachfolgender peripherer oder zerebraler Embolie. Ferner kann der frische embolische Verschluß einer Extremitätenarterie eine Gefahr für die betroffene Extremität darstellen, so daß ein chirurgisches Vorgehen vorzuziehen ist. Zu den relativen, wenig beachteten Kontraindikationen (Tabelle 3) wurde auch die vorausgegangene intramuskuläre Injektion bis zu einer Dauer von 7 Tagen gezählt. In den zurückliegenden Jahren waren wir dreimal gezwungen, eine fibrinolytische Behandlung wegen eines sehr schmerzhaften Muskelhämatoms abzubrechen. Bei einem Alter über 65 Jahre führten wir nach eigenen Erfahrungen (26) nur noch unter besonders günstigen Bedingungen diese Therapie durch. Tab. 3. Relative Kontraindikationen der fibrinolytischen Therapie schwerer Leberschaden

Streptokokkeninfekt Alter über

Tab. 1. Zeitliche Begrenzung für die Indikation einer StreptokinaseTherapie nach Eintritt des Verschlusses Verschluß

A. iliaca

3

Monate

communis / externa Verschluß

A. femoralis A. poplitea

6

Wochen

Verschluß

V. femoralis / iliaca V. axillaris / subclavia

6

Tage

65

Jahre

intramuskuläre Inlektionen bis zu 7 Tagen

belle 1).

Kontraindikationen. Zu den absoluten Kontraindikationen (Tabelle 2) einer fibrinolytischen Therapie wurden im Gegensatz zu anderen Autoren auch Mitralvitien mit

Deutsche Medizinische 'Wochcnschrift

Dosierungsschema. Als Dosierungsform wurde bei dieser Gruppe eine standardisierte Streptokinase-Heparin-

Therapie gewählt. Initial wurden 250 000 E Streptokinase über 20 Minuten mit einer Perfusor-Pumpe infundiert und anschließend kontinuierlich 100000 E Streptokinase in der Stunde gegeben. Nach 16-18 Stunden wurde Heparin, beginnend mit 1200 E in der Stunde, hinzugegeben und je nach Ausfall der partiellen Thromboplastinzeit' (PTT) so geändert, daß die PTT zwischen 60 und 80 Sekunden lag. Einen Tag vor Beendigung der Streptokinasezufuhr wurde mit der Medikation von Cumarin in Form von Phenprocoumon (Marcumar) begonnen (Abbildung 1). 1

Ta y

2lag

4Tag

3.Tag

6.Tag

5.Tag

Tab. 2. Absolute Kontraindikationen der fibrinolytischen Therapie o

hämorrhagische Diathese

gastroduodenale Ulzera

enzephalomalazische Insulte Vorhof flimmern maligne Tumoren frische operative Eingriffe

Katheterangiographie bis zu 7 Tagen

translumbale Angiographie bis zu 14 Tagen

0

8

16

0

8

16

0

8

16

0

Heparin

Cumarin

Hämaturie Hypertonie über loo mm Hg diastolisch

0 8 8 8 16 16 16 0 SK 250000 E/20 min ID SK 100000E/h

C

C

Abb. 1. Dosierungsschema einer kombinierten Streptokinase(SK)Heparin-Therapie. ID = Initialdosis, C = Cumarin-Medikation.

Hämostaseologische Kontrollen. Als wichtige und einfach zu bestimmende Parameter wurden bei jedem Patienten täglich zur Überwachung der Fibrinolyse das Fibrinogen (Hitzefibrinbestimmung nach Schulz [19]), zur Steuerung der Heparinzufuhr die partielle ThromboplastinDie PTT (spartial thromboplastin timea) als Kontrollmöglichkeit der kombinierten Streptokinase-Heparin-Behandlung wurde erstmals von Hirsh und Mitarbeitern (10) angegeben. Auch zur Steuerung der alleinigen Heparinbehandlung hat sie sich bewährt (21). 1

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1688

1689

Trübestnn u. a. Fibrinoyrische Therapie arterieller Verschlußkrankheit und Phkbothrombosen

zeit (15) und später nach Zugabe von Phenprocoumon die Thromboplastinzeit nach Quick bestimmt. Weitere gerinnungsphysiologische Untersuchungen erfolgten unter anderen Aspekten. Bebandlungskontrollen. Abgesehen von zwei Patienten mit Iliaca-Stenosen sowie zwei Patienten mit nicht eröffneten Poplitea-Verschlüssen wurde bei sämtlichen Patienten vor und nach Behandlung eine Angiographie durch-

geführt. Zur Verlaufskontrolle wurde während der Behandlung neben der klinischen Untersuchung bei den arteriellen Obliterationen täglich ein Oszillogramm, bei den Phlebothrombosen nach 2 und 4 Tagen ein Phiebogramm angefertigt. Nebenwirkungen. Frühreaktionen innerhalb der ersten 5 bis 15 Minuten traten bei insgesamt 14 Patienten auf. Neun Patienten klagten über Hitzegefühl, Flush und Dyspnoe, fünf Patienten über ziehende Schmerzen im Rükken. Diese als allergische Reaktionen auf Streptokinase

zu deutenden Symptome klangen nach Abstellen der Infusion und sofortiger intravenöser Gabe von 50 mg

Prednisolon innerhalb von Minuten ab und waren kein Grund zum Abbrechen der Therapie. Um Frühreaktionen zu vermeiden, erhielten sieben Patienten vor Einleiten der Therapie 100 mg Prednisolon intravenös; sie zeigten keine Frühreaktionen. Leichtere Blutungen in den ersten Stunden wie Zahnfleischbluten oder leichtes Nasenbluten bedurften keiner Therapie. Temperaturen zwischen 38 und 39 °C traten unter Streptokinase bei 23 Patienren auf; diese sprachen gut auf eine symptomatische Therapie mit Dipyron (Novalgin®) an und klangen nach Absetzen der Streptokinase innerhalb von Stunden ab. Zusätzlich kam es bei einem Patienten nach 20 Minuten zu einer schweren allergischen Reaktion mit Lidödem, Uvulaödem, Dyspnoe und allergischem Exanthem, die sich jedoch auf intravenöse Gabe von 250 mg Prednisolon langsam zurückbildete. Nach einer Stunde wurde

Tab. 4. Arterielle Verschlüsse und Stenosen Initialen, Geburtsdatum

Fall

Diagnose

Alter (Wochen)

Behandlung mit Streptokinase: Eröffnungszeit (Tage)

Nachuntersuchung (Monate)

erfolgreich

(+)

1

K. F.

13. 9. 1909

Stenose der A. femoralis

> 26

2

3

+

2

L. H.

26. 7. 1910

Stenose der A. femoralis

> 26

1

30

+

3

D. H.

15. 1. 1929

Stenose der A. femoralis

>2

3

10

+

4

B. H.

15. 10. 1916

Verschluß der A. femoralis

6

3

29

+

5

K. A.

14. 12. 1914

Verschluß der A. femoralis

6

2

3

+

6

P. G.

2. 1. 1911

Verschluß der A. femoralis

5

2

am 3. Tag rethrombosiert

nein

7

S. E.

7. 9. 1907

Verschluß der A. femorilis und poplitea

6

26

+

8

F. H.

28. 4. 1922

Verschluß der A. femoralis und poplirea

2

6

+

P. J.

28. 4. 1916

Verschluß der A. femoralis

2

lo

J.

0.

17.

2. 1923

1

+

Stenose der A. ¡haca externa

> 26

3

6

+

J. P.

30. 9. 1923

Stenose der A. ihiaca

>20

11/2

4

+

12

K. K.

28. 6. 1914

Stenose der A. ihiaca

>

12

2

1

+

13

R. J.

9. 2. 1925

Stenose der A. ¡haca beiderseits

> 52

2

16

+

14

V. G.

26. 4. 1918

Verschluß der A. iliaca

3

4

23

+

15

K. M.

21. 1. 1917

Verschluß der A. ¡haca

5

3

46

+

16

H. A.

5. 12. 1915

Verschluß der A. iliaca

8

4

24

+

17

G. H.

31. 3. 1932

Verschluß der A. poplirea

5

4/

3

nein

1g

Sch. W.

30. 9. 1923

Verschluß der A. poplitea

4

4

2

nein

19

s. s.

5. 1946

Verschluß der A. pophirca

5

5

1

nein

1.

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Nr. 34, 22. August 1975, 100. Jg.

Tab.

5.

Trübestein u. a. Fibrinolytische

Tlicrpic .irtericller Verschlußkriinkhcit

und Phlchothronihoscn

Deutsche Medicu nische Wochenschri (r

Venöse Verschlüsse

Initialen, Geburtsdatum

Fall

Alter (Tage)

Behandlung mit Streptokinase: Eriiffnungszeit (Tage)

Nachuntersuchung (Monate)

erfolgreich (

+

Beinvenenthrombose

3

2

10

+

8. 1936

Oherschcnkelvcncnthromhosc

I

2

6

9. 1912

Beinvenenthrombose

4

4

4

Bein-, Bcckcnvcncnthromhose

2

4

14

Beinvcnenthromhose

6

4

6

+ + + +

Beckenvenenthrombose

2

4

2

+

Oherarmvencnthromhose

6

4

22

+

Thrombose der V. subclavia

4

4

15

+

4

+

5. 3. 1928

20

B. A.

21

G.

0.

5.

22

M. E.

14.

23

P. L.

4. 9. 1923

24

B. E.

24. 9. 1915

25

Seh. E.

13.

26

L. L

16. 11. 1947

27

R. B.

9.

Diagnose

7. 1908

6. 1942

28

S. W.

5. 2. 1928

Thrombose der V. suhclavia/axillaris

4

3

29

P. L.

31. 10. 1953

Thrombose der V. suhclavia/axillaris

3

5

8

+

30

C. H.

30. 7. 1925

Thrombose der V. subclavia!axillaris

1

6

4

+

die fibrinolytische Behandlung ohne weitere Komplikationen erfolgreich fortgesetzt. Bei zwei Patienten entwikkelte sich während der Therapie eine Pneumonie, die hei eincm Patienten nur schwer zu beherrschen war. Bei allen Patienten kam es während der StreptokinaseTherapie zu einem Anstieg der Transaminasen (GOT, GPT), die in einem Fall bis auf 200 U/l (GOT) anstiegen, meist jedoch mit ihrem Maximum zwischen 40 und 70 U/I lagen. Die erhöhten Transaminasenwerte normalisierten sich innerhalb von 8 bis 14 Tagen. Nachbehandlung. Alle Patienten mit chronischer Arteriopathie wurden einer Daucrantikoagulation mit Phenprocoumon unterzogen, bei erfolgreich behandelten Phiehothrombosen wurde die orale Antikoagulation auf 6 Monate begrenzt, bei einem Teil der Patienten wurde für weitere 6 Monate Acetylsalicylsäure (Colfarit®) gegeben. Beim Auftreten höherer Temperaturen während der Streptokiriase-Therapie wurde wegen der erhöhten Infektionsgefahr innerhalb der ersten Woche prophylaktisch ein Breitbaridantihiotikum gegeben. Alle Patienten wurden klinisch in drei- bis sechsmonatlichen Abständen nachuntersucht.

Ergebnisse Ergebnisse. In der Zeit vom 1. 1. 1971 bis 30. 12. 1974 wurde nach dem angegebenen Therapieschema bei 30 Patienten mit Gefäßverschli.issen und -stenosen unter strenger Tndikationsstellung eine fibrinolytische Behandlung mit Streptokinase durchgeführt. Das Durchschnittsalter lag bei 49 Jahren, der jüngste Patient war 21, der älteste 65 jahre (Tabellen 4 und 5). Von den 19 Patienten mit obliterierender Arteriopathie hatten sechs einen Verschluß der Arteria femoralis und drei eine Stenose der A. femoralis, drei Patienten hatten

einen Verschluß der A. iliaca und vier eine Stenose der A. iliaa sowie drei einen Verschluß der A. poplitea. Von den elf Patienten mit Venenverschlüssen hatten fünf einen Verschluß der Vena subclavia mit teilweiser Einbeziehung der V. axil]:ris, sechs hatten einen Verschluß der tiefen Beinvenen, und eine Patientin hatte einen Verschluß der V. iliaca. Es gelang, sämtliche sechs Verschlüsse der A. femoralis wieder zu eröffnen, wobei es bei einem Patienten kurz nach Beendigung der Streptokinase-Therapie zu einer Rethrombosierung des eröffneten Gefäßes kam, nachdem während der Nacht infolge eines Maschinendefektes der Perfusor-Pumpe kein Heparin infundiert worden war. Desgleichen konnten die drei Verschlüsse der A. iliaca communis bzw. externa vollständig beseitigt werden (Abbildung 2*). Die drei Stenosen der A. femoralis und die vier Stenosen der A. iliaca konnten so weit geweitet werden, daß im Belastungsoszillogramm nach 40mal Zehenstand bzw. 20mal Kniebeugen keine negative Belastungsreaktion mehr nachweisbar war. Die Kontrollarigiographien zeigten eine deutliche Weitung der Stenosen. Die drei Verschlüsse der A. poplitea mit Übergreifen aut die Trifurkation konnten nicht beseitigt werden. Bei einem dieser drei Patienten war S Wochen zuvor eine Desobliteration der A. poplitea durchgefiihrt worden und offenbar postoperativ ein erneuter Verschluß aufgetreten. Bemerkenswert war die rasche Wiedereröffnung der distalen A. femoralis und poplitea bei einem S2jährigen Patienten innerhalb von 22 Stunden; hierbei hatte es sich offensichtlich um eine Embolie, ausgehend von einer Stenose der A. iliaca externa, gehandelt (Abbildung 3). Die fünf Verschlüsse der Vena subclavia und axillaris und die sechs Verschlüsse der tiefen Beinvenen, einmal Abbildungen 2-4 siehe Tafel Seite 1691 und 1692

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1690

Trübestein u. a.: Fibrinolytische Therapie arterieller Verschiu0krankheit und Phlebothrombosen

mit Beteiligung der Beckenvene, sowie der Beckenvenenverschluß konnten alle vollständig beseitigt werden (Abbildung 4). Die klinische, oszillographische und teilweise phlebographische Nachuntersuchung ergab keinen erneuten Verschluß der eröffneten Gefäße. Desgleichen ergab die Nachuntersuchung der geweiteten Stenosen keinen Anhalt für eine erneute Verengung des geweiteten Gefäßabschnittes.

Diskussion Der Erfolg einer fibrinolytischen Therapie mit Streptokinase bei Gefäßverschlüssen und -stenosen hängt von vielen Faktoren ab. So spielen da Alter des Thrombus, die Gefäßwandbeschaffenheit, die Ausdehnung und Lokalisation des Thrombus, der Fibrinogen- und Plasminogengehalt des Thrombus sowie der zirkulierende Piasminogengehalt des Blutes unter anderem eine Rolle (3, 4, 20). Wesentlich scheint auch das Dosierungsschema, etwa die Kombination mit Heparin bei der Auflösung von Thromben, zu sein (2, 4). Die Indikation zu einer fibrinolytischen Therapie wurde bei dieser Patientengruppe bei Beachtung der aufgeführten Kontraindikationen nach Angiographie vom anamnestisch ermittelten Beginn des Gefäßverschlusses abhängig gemacht. Nach den Erfahrungen von Schoop (17, 18) und ande'ren Autoren (2, 5, 6) wurden nur solche Verschlüsse der A. femoralis berücksichtigt, die nicht älter als 6Wochen waren, sowie Verschlüsse der A. iliaca communis und externa, die nicht älter als 3 Monate waren. Die Indikation zu einer fibrinolytischen Therapie bei hämodynamisch wirksamen Stenosen wurde, da die Anamnese mit Gehverschlechterung oft im Stich ließ, von röntgenmorphologischen Kriterien wie »krümeliger« und »asymmetrischer« Beschaffenheit abhängig gemacht. Venenverschlüsse der tiefen Oberschenkelvenen, der Bekkenvenen und Oberarmvenen einschließlich der Vena subclavia wurden bis zu einer Dauer von 6 Tagen nach Eintritt des akuten Ereignisses behandelt. Die Sammelstatistik von Hess (8) hatte gezeigt, daß es möglich ist, Phlebothrombosen, die 2 bis 3 Tage alt waren, in 70%, solche, die 6 bis 9 Tage bestanden, noch in 30% wieder zu eröffnen. Cber 10 Tage alte Thromben konnten nicht wieder eröffnet werden. Heute wissen wir, daß es in Einzelfällen möglich ist, auch ältere Verschlüsse der tiefen Bein- und Beckenvenen sowie der Vena subclavia aufzulösen (25, 27). Bei diesen späten, noch erfolgreichen Thrombolysen muß man annehmen, daß die Organisation des Thrombus langsamer verläuft. Das bei dieser Patientengruppe angewandte standardisierte Behandlungsschema mit einer Streptokinase-Initialdosis von 250 000 E in 20 Minuten und einer folgenden Gabe von 100 000 E Streptokinase in der Stunde stützt sich auf früher durchgeführte Bestimmungen des Anti-Streptokinase-Titers und Mitteilungen anderer Autoren, nach denen diese Initialdosis zur Inaktivierung des Anti-Streptokinase-Titers in 80 bis 90% ausreichend ist (7, 10, 11). Im Gegensatz zu anderen Autoren wurde ab der 16. bis 18. Stunde Heparin zugegeben, zumal Martin und Mitarbeiter (12) während der Fibrinolyse

1693

mit Streptokinase bei chronischen Arteriopathien frische Gefäßverschlüsse sahen. Es konnte gezeigt werden, daß die Wirkung der Fibrinogenspaltprodukte zu diesem Zeitpunkt im Abklingen ist. Als Teilursache einer erhöhten Thrombosegefahr während und im Anschluß an eine mehrtägige Streptokinase-Therapie wird die Hyperkoagulabilität angesehen. Zusätzlich wird die Freilegung gerinnungsaktiver Bindegewebstexturen nach Thrombolyse in Betracht gezogen (12, 14). Darüber hinaus ergaben Untersuchungen von Duckert und Mitarbeitern (4), daß die Erfolgsrate der fibrinolytischen Therapie bei Venenthrombosen, deren Fibrinogenspiegel bei dieser Behandlung über 0,8 g/l lag, bei Zugabe von Heparin signifikant besser war. Entsprechend prospektiven Langzeitstudien über die Wirkung oraler Antikoagulantien auf das Fortschreiten von Extremitätenverschlüssen (16, 22, 23) und deren hemmenden Einfluß auf das weitere appositionelle Wachstum eines Thrombus wurde nach erfolgreicher Fibrinolyse bei den chronischen Arteriopathien eine Dauerantikoagulation mit Phenprocoumon durchgeführt. Bei erfolgreich behandelten Phiebothrombosen wurde die orale Antikoagulation auf 6 Monate begrenzt, einem Teil der Patienten wurde für weitere 6 Monate Acetylsalicylsäure gegeben. Wegen der erhöhten Infektionsgefährdung der Patienten während und nach einer Langzeit-Fibrinolyse sowie hierbei beobachteter tödlich verlaufener Sepsisfälle (Schoop, W.: persönliche Mitteilung 1974) wurde bei länger anhaltenden Temperaturen zwischen 38,5 und 39 °C während und im Anschluß an die StreptokinaseBehandlung ein Breitbandantibiotikum, meist Ampicillin, zunächst intravenös, später oral für etwa 8 Tage gegeben. Trotz dieser prophylaktischen Maßnahme entwickelte sich bei zwei dieser 30 so behandelten Patienten eine Pneumonie, die sich bei einer Patientin, bei der ein Infekt der oberen Luftwege vorausgegangen war, nur schwer beherrschen ließ. Abgesehen von kleinen Blutungen aus den Stichkanälen sahen wir keine schwerere Blutung während der Streptokinase-Heparin-Therapie. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß es bei gegebener Indikation mit einer standardisierten Streptokinase-Heparin-Therapie gelang, die Verschlüsse der Arteria femoralis und der A. iliaca im Laufe von 1-5 Tagen aufzulösen, die arteriellen Stenosen während 2 bis 3 Tagen entscheidend zu bessern und die Verschlüsse der tiefen Bein- und Beckenvenen sowie der Oberarmvenen einschließlich der Vena subclavia vollständig wieder zu eröffnen. Es gelang jedoch nicht, die drei Verschlüsse der A. poplitea zu beseitigen, obwohl der Verschluß bzw. die vorausgegangene Operation nicht länger als 5 Wochen zurücklag. Hierbei ist anzunehmen, daß bei diesen relativ jungen Patienten die bindegewebige Organisation des arteriellen Thrombus schon so weit fortgeschritten war, daß eine Thrombolyse nicht mehr möglich war. Ein 6-Wochen-Intervall kann demnach für die Thrombolyse eines Poplitea-Verschlusses schon zu lange sein. Dem entsprechen auch pathologische Untersuchungen von Beneke (3) sowie Sinapius und Pini (20), die zeigten, daß die Geschwindigkeit der Organisation eines Thrombus

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Nr. 34, 22. August 1975, 100. Jg.

Wüstner, Orfanos: Nagelverfärbung und Haarausfall durch kosmetische Bleichmitrel

von proximal nach distal im Verlauf einer Arterie zunimmt. Insgesamt kann jedoch festgehalten werden, daß sich die fibrinolytische Therapie in der standardisierten Form bei dieser Indikationsstellung bewährt hat.

Martin, M., W. Schoop, E. Zeitler: Thrombolyse bei chronischer Arteriopathie (Huber: BernStuttgartWien

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1970).

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Dr. G. Trübestein, Dr. H. Esser, Privatdozent Dr. A. Sobbe Medizinische Universitäts-Poliklinik 53 Bonn 1, Wilhelmstr. 35-37

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1694

1691 Zur Arbeit Trilbestein u. a. (Seite 1687-1694)

Die fibrinolytische Therapie bei arterieller

Abb. 2. Fall 16: erfolgreiche Fibrinolyse eines

8

Wochen alten Verschlusses der A. iliaca communis. a) Vor, h) nach Behandlung.

Abb. 3. Fall 8: erfolgreiche Fibrinolyse eines 2 Wochen alten Verschlusses der disralen A. fernoralis und A. poplirea. a) Zirkubire Stenose der A. iliaca coniniunis links, b) Vor (links) und nach Behandlung (rechts).

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Verschlugkrankheit und Ithlebothrornbosen

1692 Zur Arbeit Triihestein u.

i.

(Seitc 1687-1694)

Die fibrinolytische Therapie hei arterieller Verschlußkrankheit und

Abb. 4. Fall 22: erfolgreiche Fibrinolyse eines 4 Tage alten Verschlusses der V. feinoralis und poplitea. a) Vor, b) nach Behandlung.

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Phlcbothromboscn

[Fibrinolytic treatment of peripheral artery disease and phlebothrombosis (author's transl)].

Standardised streptokinase-heparin treatment was used in 30 patients with stenoses or occlusions of the large arteries and phlebothrombosis. Apart fro...
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