© Klaus Rüschhoff, Springer Medizin

Nervenarzt 2014  DOI 10.1007/s00115-014-4084-9 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

3 Punkte sammeln auf...

springermedizin.de/ eAkademie Teilnahmemöglichkeiten Diese Fortbildungseinheit steht Ihnen  als e.CME und e.Tutorial in der Springer  Medizin e.Akademie zur Verfügung.  –  e.CME: kostenfreie Teilnahme im  Rahmen des jeweiligen Zeitschriftenabonnements –  e.Tutorial: Teilnahme im Rahmen des  e.Med-Abonnements

Zertifizierung Diese Fortbildungseinheit ist mit 3 CMEPunkten zertifiziert von der Landesärztekammer Hessen und der Nord rheinischen  Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung und damit auch für  andere Ärztekammern anerkennungsfähig.  

Hinweis für Leser aus Österreich Gemäß dem Diplom-Fortbildungs-Programm (DFP) der Österreichischen Ärztekammer werden die in der e.Akademie erworbenen CME-Punkte hierfür 1:1 als fachspezifische Fortbildung anerkannt.

Kontakt und weitere Informationen Springer-Verlag GmbH Springer Medizin Kundenservice Tel. 0800 77 80 777 E-Mail: [email protected]

CME Zertifizierte Fortbildung K. Amadori1 · R. Püllen2 · T. Steiner1 1 Klinik für Neurologie, Klinikum Frankfurt Höchst, Frankfurt am Main 2 Medizinisch-Geriatrische Klinik, Agaplesion Frankfurter Diakonie Kliniken, Frankfurt am Main

Gangstörungen im Alter Zusammenfassung

Gangstörungen sind eines der häufigsten gerontoneurologischen Symptome überhaupt. Stürze mit mitunter gravierenden Verletzungen sind hochrelevante Folgeerscheinungen. Im Zentrum des diagnostischen Prozesses stehen die klinisch-neurologische Untersuchung und die inspektorische Ganganalyse, welche Hypothesen bezüglich der gestörten Strukturen und eine gezielte Zusatzdiagnostik ermöglichen. Das ergänzende motorische Assessment quantifiziert die resultierende Mobilitätseinschränkung und Sturzgefahr mithilfe etablierter Instrumente. Charakteristisch für die Gangstörung im Alter ist ihre multifaktorielle Genese. Die Herausforderung besteht in der möglichst vollständigen Identifikation, korrekten Priorisierung und adäquaten Behandlung aller beitragenden Teilursachen. Das Therapiekonzept ist multiprofessionell und beinhaltet neben der möglichst kausalen Behandlung zugrunde liegender Erkrankungen u. a. physiotherapeutische Trainingsprogramme, Hilfsmittelverordnungen und ernährungstherapeutische Interventionen. Übergeordnete Bedeutung kommt der Identifikation und Beseitigung von – auch iatrogenen – Risikofaktoren für Gangstörungen und Stürze zu.

Schlüsselwörter

Gangstörung · Alter · Motorisches Assessment · Sturzprävention · Potenziell inadäquate Medikation

Der Nervenarzt 2014

| 1

CME

Lernziele Nach der Lektüre dieses Beitrages… F haben Sie die Physiologie und Pathophysiologie des Ganges im Alter einschließlich typischer alternsassoziierter Veränderungen rekapituliert, F können Sie die wichtigsten Gangstörungen als Leitsymptome gerontoneurologischer Erkrankungen nach ihrem klinischen Bild beschreiben und nosologisch einordnen, F kennen Sie die wichtigsten etablierten Instrumente des motorischen Assessments bei älteren Patienten, F wissen Sie um die überwiegend multifaktorielle Genese der Gangstörung im Alter und deren Implikationen für Diagnostik und Therapie, F kennen Sie wesentliche Komponenten des multiprofessionellen Behandlungskonzeptes bei Gangstörungen im Alter.

Hintergrund

Eine manifeste Mobilitätsstörung resultiert, wenn die körpereigenen Kompensationsmechanismen überfordert sind

Nach dem Erwerb der aufrechten Gehfähigkeit im Kleinkindesalter ist die Fortbewegung auf zwei Beinen für uns Menschen zunächst selbstverständlich und eine Grundvoraussetzung unserer unabhängigen Lebensführung. Dass der scheinbar so einfache, automatisierte Vorgang des Gehens aber durch ein komplexes und fein aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel zahlreicher Systeme gewährleistet wird, realisieren wir erst, wenn dieses gestört wird. Eine manifeste Mobilitätsstörung resultiert, wenn die körpereigenen Kompensationsmechanismen überfordert sind. Auch wenn eine allgemeingültige Definition weiterhin kontrovers diskutiert wird, ist eine Gangstörung üblicherweise rein klinisch bei Vorliegen eines pathologischen Gangmusters mit oder ohne Verlangsamung der Gehgeschwindigkeit auf Werte unterhalb der Altersnorm zu diagnostizieren.

Epidemiologie Bei über 70-jährigen zuhause lebenden Menschen liegt die Gesamtprävalenz einer Gangstörung bei 35%

In einer rezenten Kohortenstudie von zuhause lebenden Menschen über 70 Jahre lag die Gesamtprävalenz einer Gangstörung bei 35% und stieg von 24,3% in der Altersgruppe der 70- bis 74-Jährigen auf 59,4% in der Gruppe der 80- bis 84-Jährigen an [1]. Höhere Prävalenzen finden sich bei gehfähigen Pflegeheimbewohnern und Patienten in stationärer Krankenhausbehandlung [2]. Bei Patienten einer akut-neurologischen Klinik wurde eine Prävalenz von 60% erhoben, was die Gangstörung zu einem der häufigsten neurologischen Symptome überhaupt macht; höheres Lebensalter war hier der wichtigste Risikofaktor [3].

Gait disorders in the elderly Abstract

Gait disorders are one of the most common gerontoneurological symptoms. Falls that occasionally cause severe injuries are highly relevant consequences. A clinical neurological examination and inspectoral gait analysis are the core investigations of the diagnostic process, which yields hypotheses with respect to the impaired structures as well as to specific diagnostic measures. The supplemental motor assessment quantifies the resulting impairment of mobility and risk of falling with the help of well-established instruments. Characteristic of gait disorders in the elderly are the multifactorial causes which make the complete identification, correct prioritization and adequate treatment the biggest challenges. The therapeutic concept is multiprofessional and includes the causal treatment of underlying diseases, physiotherapeutic training programs, prescription of medical aids and nutritional interventions. Identification and modification of risk factors (including those that are iatrogenic) are of superior importance.

Keywords

Gait disorders · Elderly · Motor assessment · Fall prevention · Potentially inadequate medication

2 | 

Der Nervenarzt 2014

CME

Abb. 1 9 Das lokomotorische System. ZNS Zentralnervensystem

Physiologie und Pathophysiologie des Ganges im Alter Voraussetzung für einen sicheren aufrechten Gang sind die intakte Funktion und Interaktion aller daran beteiligten Systeme (. Abb. 1): F das visuelle, vestibuläre und somatosensorische System einschließlich der Proprio- und Exterozeptoren, welche alle sensorischen Informationen aus der Körperperipherie, die dem Erhalt der statischen und dynamischen Balance dienen, sammeln und zentripetal weiterleiten; F das zentrale Nervensystem, in dem die afferenten sensorischen Informationen integriert und prozessiert und die Bewegungsimpulse generiert werden; F die peripheren Effektororgane (u. a. Muskulatur, Skelett, Gelenke), die die motorischen Efferenzen empfangen und umsetzen; F zudem mittelbar an der Fortbewegung beteiligte Organsysteme wie das kardiovaskuläre oder respiratorische System.

Voraussetzung für einen sicheren aufrechten Gang sind die intakte Funktion und Interaktion aller an der Lokomotion beteiligten Systeme

Folglich kann die lokomotorische Kompetenz durch all jene, häufig alternsassoziierten Defizite und Erkrankungen beeinträchtigt werden, die die genannten Systeme affizieren. So sind bereits beim gesunden älteren Menschen typische Gangveränderungen als Kompensationsstrategien bei  reduzierter Gleichgewichtsfähigkeit zu beobachten: F Die Gehgeschwindigkeit nimmt jenseits des 65. Lebensjahres um etwa 1% pro Jahr ab. F Die Schrittlänge wird auf weniger als eine Fußlänge verkürzt, die beidfüßige Doppelkontaktphase am Boden verlängert [4]. F Die Fußführung in der Schwungbeinphase wird flacher („schlurfend“). F Zur Stabilisierung bei zunehmenden Lateralschwankungen von Kopf und Rumpf wird das Gangbild breitbasiger. F Eine eingeschränkte Rotation im Schulter- und Beckengürtel führt zu geringerem Mitschwingen der Arme beim Gehen. Es resultiert ein  kompensatorisch-protektiver Gang, dessen Vollbild mitunter als  „idiopathische senile Gangstörung“ bezeichnet wird [5]. Ob diese als natürliche Alternsfolge oder pathologisch konzeptualisiert werden sollte, wird derzeit kontrovers diskutiert. Studien konnten allerdings zeigen, dass die sog. senile Gangstörung das Risiko für kognitive Beeinträchtigung und Demenz [6] sowie die Mortalität signifikant erhöht [7]. Zudem ist eine verlangsamte Gehgeschwindigkeit bei ansonsten gesunden Älteren mit einem erhöhten Risiko für Behinderung, Hospitalisierung und Tod assoziiert [8] und – neben ungewolltem Gewichtsverlust, subjektiver Erschöpfung, Minderung der Handkraft und geringer körperlicher Aktivität – eines der fünf Kriterien für „frailty“ (Gebrechlichkeit) nach Fried [9].

Der Nervenarzt 2014 

| 3

CME Tab. 1  Neuroanatomische Klassifikation der Gangstörungen. (Nach Nutt et al. [5]) Level Lower

Middle

Higher

Anatomische Lokalisation Muskel Neuromuskuläre Endplatte Peripherer Nerv Motoneuron Großhirn Stammganglien Kleinhirn Myelon Übergeordnete neuronale Netzwerke

Neurologische Erkrankung (Beispiel) Myopathie Myasthenia gravis Neuropathie Amyotrophische Lateralsklerose Hirninfarkt/-blutung Parkinson-Syndrome Zerebelläre Ataxien Myelopathie Demenz, subkortikale vaskuläre Enzephalopathie, Normaldruckhydrocephalus „Cautious gait“ „Careless gait“ Psychogene Gangstörung

Tab. 2  Normwerte der Gehgeschwindigkeit im Alter Alter (Jahre) 60–69 70–79 80–89

Geschlecht

Männlich Weiblich Männlich Weiblich Männlich Weiblich

Durchschnittliche Gehgeschwindigkeit (m/s) 1,34 1,24 1,26 1,13 0,97 0,94

Klassifikation der Gangstörungen Eine einheitliche Klassifikation von Störungen des Ganges steht bislang aus. Die von Nutt et al. [5] vorgeschlagene, neuroanatomisch orientierte Einteilung in Lower-, Middle- und Higher-Level-Störungen ist weithin verbreitet, jedoch im klinischen Alltag nur bedingt hilfreich. Sie ist in . Tab. 1 jeweils mit exemplarischen neurologischen Erkrankungen ausgeführt. Zu den  Lower-Level-Störungen zählen darüber hinaus auch die im Alter häufigen Erkrankungen des Bewegungsapparates sowie (multi-)sensorische Defizite. Die  Higher-Level-Störungen sind pathophysiologisch bislang unzureichend verstanden und umfassen eine heterogene Gruppe von Erkrankungen, denen eine Störung der beiden für das Gehen fundamentalen Prozesse Haltungskontrolle und Lokomotion durch pathologische Veränderungen in übergeordneten neuronalen Netzwerken gemeinsam ist. Alternativ ist eine  syndromatische Klassifikation der Gangstörung als hemiparetisch, paraparetisch, ataktisch, apraktisch, hypokinetisch, sensorisch, dyston, choreatisch etc. möglich [10]. Im Folgenden sollen Gangstörungen nosologisch als Leitsymptome neurologischer und nichtneurologischer Grunderkrankungen klassifiziert werden, die über die klinische Untersuchung und gezielte Zusatzdiagnostik zu identifizieren sind.

Diagnostisches Vorgehen Ein Romberg-Test zur Prüfung der statischen Balance mit und ohne visuelle Kontrolle ist obligat

4 | 

Der Nervenarzt 2014

Die Diagnostik von Gangstörungen beginnt mit einer ausführlichen Anamnese inkl. Sturzanamnese und kompletten körperlichen Untersuchung einschließlich neurologischem und orthopädischem Status. Ein Romberg-Test zur Prüfung der statischen Balance mit und ohne visuelle Kontrolle ist obligat. In der anschließenden  inspektorischen Ganganalyse ist insbesondere auf die selbst gewählte Gehgeschwindigkeit, die Schrittlänge, -breite, -höhe und -frequenz sowie deren Symmetrie und Variabilität, auf Abnormitäten im Gangmuster, die Stellung und Bewegung in Hüft-, Knie- und Sprunggelenken sowie auf die Mitbewegungen der Arme zu achten. Falls zumutbar werden erschwerte

CME

Abb. 2 8 Modifizierter Romberg-Test

Gangprüfungen mit  Blind- und Seiltänzergang ergänzt. Eine aufwendige, apparativ-quantitative Ganganalyse, beispielsweise über eine tragbare Matte mit integrierten Drucksensoren (GAITRite®) oder ein dreidimensionales Bewegungsanalysesystem, ist im klinischen Alltag meist verzichtbar und daher spezialisierten Zentren sowie wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten. Das bei älteren Patienten grundsätzlich sinnvolle, ergänzende motorische Assessment objektiviert und quantifiziert die aus der Gangstörung resultierende Mobilitätseinschränkung und Sturzgefahr. Hierfür stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung, die entweder einzeln oder als Komponenten eines umfassenden, multidimensionalen geriatrischen Assessments eingesetzt werden können: Timed-up-and-go-Test.  Der Proband wird aufgefordert, sich von einem Stuhl mit Armlehnen zu erheben, eine Strecke von 3 m zu gehen, umzukehren und sich dann wieder setzen [11]. Bei einem Zeitbedarf bis 10 s ist die Mobilität unbeeinträchtigt, bei 11–19 s liegt eine geringe, bei 20–29 s eine funktionell relevante und weiter abklärungsbedürftige und bei >30 s eine schwere Mobilitätseinschränkung mit Interventionsbedarf vor. Gehgeschwindigkeit.  Die Gehgeschwindigkeit sollte über eine Strecke von mindestens 10 m in m/s gemessen werden. Werte unter 0,8 m/s prognostizieren eine erhöhte Sturzgefährdung, korrelieren aber auch positiv mit Pflegeabhängigkeit und Mortalität [12]. Das sichere Überqueren einer Straße während der Grünphase erfordert eine Gehgeschwindigkeit von 1,4 m/s [13]. Orientierende altersund geschlechtsspezifische Normalwerte sind . Tab. 2 zu entnehmen [14].

Eine apparativ-quantitative Ganganalyse ist im klinischen Alltag meist verzichtbar Das motorische Assessment objektiviert und quantifiziert die aus der Gangstörung resultierende Mobilitätseinschränkung

Bei einem Zeitbedarf bis 10 s ist die Mobilität unbeeinträchtigt

Werte unter 0,8 m/s prognostizieren eine erhöhte Sturzgefährdung

Five Chair Rise.  Der Proband soll so schnell wie möglich 5-mal mit vor der Brust gekreuzten Armen aus dem freien Sitz von einem Stuhl üblicher Höhe aufstehen, wodurch insbesondere die  proximale Beinkraft geprüft wird. Ein Zeitbedarf über 12 s oder die Unfähigkeit, sich fünfmalig zu erheben, signalisiert erhöhte Sturzgefährdung. Modifizierter Romberg-Test.  Der Proband wird aufgefordert, jeweils 10 s im hüftbreiten, dann im geschlossenen Stand, danach im Semitandemstand und schließlich im Tandemstand zu stehen (. Abb. 2; [15]). Ist der Semitandemstand nicht möglich, weist dies auf eine erhöhte Sturzgefahr hin. Bei nicht durchführbarem Tandemstand besteht ein relevantes Balancedefizit.

Bei nicht durchführbarem Tandemstand besteht ein relevantes Balancedefizit

Short Physical Performance Battery (SPPB).  In der SPPB [16] sind die drei Tests Ganggeschwindigkeit, Five Chair Rise und modifizierter Romberg-Test zu einem im klinischen Alltag gut praktikablen, reliablen und validen Triplett zusammengefasst. Dual Tasking.  Der Proband wird aufgefordert, während des Gehens eine zweite, kognitive Aufgabe, z. B. Sprechen oder Subtraktionen, auszuführen. Dabei hat sich die Unfähigkeit, während des Gehens eine Konversation aufrechtzuerhalten ( „stops walking while talking“), als Prädiktor für zukünftige Stürze bei Älteren herausgestellt [17]. Die Verlangsamung der Gehgeschwindigkeit, das sog. DualTask-Dekrement, wird auf Beeinträchtigungen der Exekutivfunktion und der (geteilten) Aufmerksamkeit zurückgeführt und ist daher insbesondere bei Patienten mit Morbus Parkinson oder Demenz vom Alzheimer-Typ zu beobachten [18].

Während des Gehens ist eine zweite, kognitive Aufgabe, z. B. Sprechen oder Subtraktionen, auszuführen

Der Nervenarzt 2014 

| 5

CME Die bis hierhin rein klinisch erhobenen Befunde ermöglichen Hypothesen bezüglich der affizierten Systeme bzw. Strukturen und leiten die gezielte individualisierte Zusatzdiagnostik mit bildgebenden Verfahren, Elektrophysiologie, Labor-/Liquoranalysen u. v. a. m. ein.

Leitsymptom Gangstörung bei gerontoneurologischen Erkrankungen Gangstörung bei Parkinson-Syndromen

In Frühstadien des idiopathischen Parkinson-Syndroms sind die Veränderungen typischerweise asymmetrisch ausgebildet

Häufig erlaubt die charakteristische hypokinetische Gangstörung bei Parkinson-Syndromen bereits die  Blickdiagnose. Die Körperhaltung ist gebunden und vornübergebeugt. Hüft- und Kniegelenke sind ebenso wie beide Arme leicht flektiert, die Hände proniert. Das Mitschwingen der Arme ist vermindert und kann durch einen begleitenden Tremor überlagert werden. In Frühstadien des idiopathischen Parkinson-Syndroms sind die Veränderungen typischerweise asymmetrisch ausgebildet. Die Gehgeschwindigkeit ist verlangsamt und die Ganginitiation erschwert; gelegentlich werden vor dem Start einige Schritte auf der Stelle „getrippelt“ ( Starthemmung). Schrittlänge und -höhe sind reduziert, die Füße schlurfen über den Boden, die Bodenkontaktzeit ist verlängert. Die Wendeschrittzahl ist erhöht. Im Krankheitsverlauf treten – v. a. vor Hindernissen – Freezing-Phänomene als passagere unwillkürliche motorische Blockaden hinzu. Als  Festination bezeichnet man eine plötzliche Beschleunigung der Schrittfolge bei zunehmender Verkürzung der Schrittlänge mit Propulsionstendenz und häufiger Sturzfolge. Typischerweise lässt sich die Parkinson-Gangstörung durch externe Stimuli als Ersatz für den gestörten internen Schrittmacher, etwa Marschmusik oder eigenes Anzählen, verbessern.

Gangstörung bei subkortikaler vaskulärer Enzephalopathie (SVE) Das Gangbild ist kleinschrittig

Das Gangbild ist kleinschrittig, wobei infolge unilateraler mikrovaskulärer Infarkte häufig eine gewisse  Asymmetrie der Schrittlängen und Synkinesien der Arme zu beobachten ist. Die Schritthöhe ist vermindert, die Füße streifen über den Boden. Die Schrittauslösung kann gestört sein; Trippeln auf der Stelle oder ein „Festkleben“ der Füße am Boden kommen vor.

Gangstörung bei Normaldruckhydrozephalus (NPH)

Willkürliche Beinbewegungen im Sitzen und Liegen sind einfacher möglich

Es bestehen viele Gemeinsamkeiten mit dem Gangbild bei SVE, und beide Störungen werden den sog. „frontalen Gangstörungen“ (Syn.: frontale Gangapraxie/Gangataxie) zugerechnet. Typisch für diese Gruppe ist, dass trotz einer erheblich gestörten aufrechten Lokomotion willkürliche Beinbewegungen im Sitzen und Liegen einfacher möglich sind. Charakteristisch bei NPH sind eine verkürzte Schrittlänge und eine  erheblich reduzierte Schritthöhe („Füße bügeln über den Boden“). Die Mitbewegungen der Arme sind erhalten, gelegentlich sogar gesteigert. Anders als bei Parkinson-Syndromen ist das Gangmuster kaum durch externe Stimuli zu beeinflussen [19].

Gangstörung bei Demenzen Bei Demenzkranken ist die Schrittlänge typischerweise variabler als bei gesunden Kontrollpersonen, insgesamt jedoch verkürzt bei einer  Verlängerung der Doppelstandphase. Die Gehgeschwindigkeit ist verlangsamt, korreliert mit dem Schweregrad der kognitiven Beeinträchtigung und ist bei vaskulären Demenzen signifikant stärker reduziert als bei der Demenz vom Alzheimer-Typ [20].

Gangstörung bei Hemi- und Paraparese Bei Hemiparese wird das in Extension spastisch-paretische Bein in der Schwungphase zirkumduziert Bei Paraparese resultiert durch die beidseitige Adduktorenspastik häufig ein sog. Scherengang

6 | 

Der Nervenarzt 2014

Bei Hemiparese, z. B. nach Hirninfarkt, wird das in Extension spastisch-paretische, hierdurch funktionell verlängerte Bein in der Schwungphase zirkumduziert. Die Zehen schleifen über den Boden, der Fuß wird mit der Spitze aufgesetzt. Der betroffene Arm ist spastisch flektiert und wird beim Gehen weniger mitgeschwungen. Bei Paraparese, z. B. nach traumatischer Rückenmarksläsion, resultiert durch die beidseitige Adduktorenspastik häufig ein sog. Scherengang mit Überkreuzen der Beine beim Gehen. Bei überwiegender Spastik der Hüftbeuger kommt es durch kompensatorische Aktivierung der Extensoren zu Spitzfußstellung und Zehengang.

CME

Zerebelläre Gangataxie Das Gangbild ist typischerweise breitbasig mit ausscherender Gangspur und arrhythmisch bei variablen Schrittparametern. Kompensatorisch werden im Verlauf Geschwindigkeit, Schrittlänge und -frequenz reduziert. Im Romberg-Stehversuch sind starke Schwankungen des Rumpfes bereits bei geöffneten Augen zu beobachten. Läsionen der zerebellären Mittellinienstrukturen (Lobus flocculonodularis, Vermis und paravermale Zone) führen zu Rumpf-, Stand- und Gangataxie, während bei Schädigungen der Hemisphären eine ipsilaterale Extremitätenataxie resultiert. Ursächlich kommen neben Infarkten, Blutungen, Entzündungen, Tumoren und Paraneoplasien auch toxische Einflüsse sowie hereditäre Erkrankungen (z. B. spinozerebelläre Ataxien) infrage.

Das Gangbild ist typischerweise breitbasig mit ausscherender Gangspur und arrhythmisch bei variablen Schrittparametern

Sensible Gangataxie Das Gangmuster ähnelt dem bei zerebellärer Schädigung, jedoch ist hier die Fähigkeit zur visuellen Kompensation besser erhalten. Betroffene sehen daher beim Gehen häufig auf ihre Füße und den Boden davor; im Romberg-Versuch stellt sich erst nach Augenschluss eine deutliche Standataxie ein. Manche Patienten versuchen, durch  übertriebene Beinbewegungen und kräftiges Aufstampfen der Füße das abgeschwächte propriozeptive Feedback zu verstärken. Die typischerweise beinbetonte Ausprägung ist auf die erhöhte Vulnerabilität der langen afferenten Bahnen der Beine zurückzuführen. Zugrunde liegen Läsionen der peripheren Nerven und spinalen Hinterstränge, z. B. durch Diabetes mellitus, Vitamin-B12-Mangel, Neurolues oder Paraproteinämien, seltener auch des parietalen Kortex.

Das Gangmuster ähnelt dem bei zerebellärer Schädigung, jedoch ist die Fähigkeit zur visuellen Kompensation besser erhalten

Gangstörung bei zervikaler Myelopathie Bei einer zervikalen Myelopathie – im Alter meist verursacht durch vertebragene und/oder diskogene Kompression – kombinieren sich Zeichen der sensiblen Gangataxie durch Hinterstrangläsionen mit einem paraspastischen Gangbild durch Schädigung der Pyramidenbahnen. Im Extremfall resultiert ein Scherengang mit beidseitiger Zirkumduktion. Begleitend können radikuläre Defizite der Arme durch assoziierte Foraminalstenosen vorliegen.

Im Extremfall resultiert ein Scherengang mit beidseitiger Zirkumduktion

Gangstörung bei Myopathien Bei Schwerpunkt der Kraftminderung in proximalen Muskelgruppen, wie etwa bei der Steroidmyopathie, Dermato- oder Polymyositis, resultiert ein  watschelnder Gang mit oder ohne TrendelenburgZeichen. Paresen der peronealen Muskulatur führen hingegen zu dem charakteristischen  Steppergang mit herabhängendem Fuß und Überbeugung des Spielbeins in Hüfte und Knie.

„Cautious gait“ Der vorsichtige Gang als klassische Higher-Level-Störung ist bei älteren Menschen häufig [21] und resultiert aus einer erhöhten Sturzangst nach tatsächlichen oder Beinahe-Stürzen, vor allem bei physischem und/oder psychischem  Liegetrauma [22]. Das Gangbild ist hochgradig verlangsamt, ängstlich, kleinschrittig und breitbasig. Die Betroffenen suchen stets Halt an Wänden, Möbelstücken oder Begleitpersonen. Hüft- und Kniegelenke sind angebeugt, der Muskeltonus in den Beinen ist erhöht. Demgegenüber ist der sog. „careless gait“ [23] bei Überschätzung der eigenen lokomotorischen Kompetenz, beispielsweise bei Demenz, Delir oder frontaler Dysfunktion, gekennzeichnet durch ein unangemessen schnelles, unkoordiniertes Gangbild, oft mit Propulsionstendenz und hoher Sturzund Verletzungsgefahr.

Der vorsichtige Gang resultiert aus einer erhöhten Sturzangst

Bei Überschätzung der eigenen lokomotorischen Kompetenz resultiert der „careless gait“

Psychogene Gangstörung Während der „cautious gait“ eine Reaktion auf die berechtigte Sturzangst bei erhöhter Sturzgefahr darstellt, ist die Ursache einer im Alter eher seltenen psychogenen Gangstörung meist weniger offensichtlich. Der Gang ist oft exzessiv verlangsamt, bizarr und dramatisch ausgestaltet mit extremen Körperhaltungen; dennoch sind Stürze mit Verletzungsfolgen selten. Typisch ist eine fluktuie-

Typisch ist eine fluktuierende Ausprägung mit Aggravierungstendenz unter Beobachtung und Normalisierung bei Ablenkung Der Nervenarzt 2014 

| 7

CME rende Ausprägung mit Aggravierungstendenz unter Beobachtung und Normalisierung bei Ablenkung [24]. Organische Korrelate erklären die Störung nicht hinreichend. Zugrunde liegende psychiatrische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen sprechen auf psychotherapeutische Verfahren an.

Nichtneurologische Ursachen für Gangstörungen im Alter

Bei lumbaler Spinalkanalstenose führt eine Kyphosierung durch Vornüberbeugen zur Beschwerdelinderung Herz- und Lungenkrankheiten sind als Komorbiditäten bei der Therapieplanung zu berücksichtigen Die sensible Gangataxie verschärft sich durch zusätzliche (multi-)sensorische Defizite

Die Frühmobilisation ist ein wesentliches Therapieprinzip in der Geriatrie

Zu dieser großen und im klinischen Alltag sehr bedeutsamen Gruppe zählen die hochprävalenten  Arthrosen und Arthritiden der Hüft- und Kniegelenke mit Anlaufschmerz, Schonhaltung und Dysbalance, aber auch Frakturfolgen im Bereich der unteren Extremitäten – v. a. nach Implantation von Gelenkendoprothesen – sowie Erkrankungen der Füße wie die häufigen  Fuß- und Zehendeformitäten. Wenn degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule eine lumbale Spinalkanalstenose bedingen, resultiert die klassische Claudicatio spinalis mit belastungsabhängigen, oft asymmetrischen Lumboischialgien durch polyradikuläre Kompression. Typischerweise führt eine Kyphosierung durch Vornüberbeugen, etwa beim Hinsetzen, Radfahren oder Treppaufsteigen, zur Beschwerdelinderung, nicht aber das bloße Stehenbleiben. Dies ermöglicht neben dem peripheren Pulsstatus die differenzialdiagnostische Abgrenzung gegenüber der ischämiebedingten Verkürzung der Gehstrecke bei  peripherer arterieller Verschlusskrankheit. Herz- und Lungenkrankheiten wie koronare Herzkrankheit oder chronisch obstruktive Lungenerkrankung limitieren die kardiopulmonale Reserve und sind insbesondere als Komorbiditäten bei der Therapieplanung zu berücksichtigen. Vor allem die sensible Gangataxie bei Abschwächung der propriozeptiven Afferenzen verschärft sich durch zusätzliche (multi-)sensorische Defizite, z. B. eine Visusminderung durch Makuladegeneration oder Glaukom, eine Presbyakusis oder eine Vestibulopathie, etwa durch ototoxische Substanzen. Aber auch  Medikamente können – beispielsweise durch sedierende, muskelrelaxierende oder extrapyramidal-motorische Effekte – Gangstörungen verursachen bzw. aggravieren und die Sturzgefahr erhöhen. Ausdrücklich seien hier die für ältere Patienten oftmals schon nach kurzer Akuterkrankung gravierenden Immobilisationsschäden mit generalisierter Dekonditionierung, Inaktivitätsatrophie der Muskulatur, Malnutrition und orthostatischer Dysregulation hervorgehoben, die eine vorbestehende Gangstörung u. U. bis zur Steh- und Gehunfähigkeit verschlechtern können. Daher ist die Frühmobilisation ein wesentliches Therapieprinzip in der Geriatrie.

Die multifaktorielle Gangstörung

Alle Teilursachen sind vollständig zu identifizieren, um daraus adäquate Interventionen ableiten zu können

Da sich im Alter typischerweise mehrere der oben angeführten Erkrankungen kombinieren und verschiedene Systeme der Lokomotion betreffen, ist die resultierende Gangstörung ganz überwiegend multifaktoriell bedingt und somit eine der häufigsten Diagnosen in der Geriatrie. Diese Diagnose birgt jedoch nur dann einen Benefit für den Patienten, wenn im diagnostischen Prozess alle beitragenden Teilursachen vollständig identifiziert und korrekt nach ihrer individuellen Relevanz priorisiert werden, um daraus adäquate Interventionen ableiten zu können.

Therapie der Gangstörungen und Sturzprävention

Insbesondere zur Sturzprävention hat sich ein progressives Balancetraining von mehr als 1 h pro Woche als effektiv erwiesen

8 | 

Der Nervenarzt 2014

Neben der  möglichst kausalen Behandlung ursächlicher Erkrankungen, deren Darstellung den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen würde, umfasst das Therapiekonzept bei Gangstörungen im Alter zahlreiche weitere Interventionen, die prinzipiell auf eine bestmögliche Kompensation der akkumulierten Defizite abzielen. Im Vordergrund stehen individualisierte störungsspezifische physiotherapeutische Trainingsprogramme, die bei chronischer Mobilitätsstörung lebensbegleitend erforderlich sind. Insbesondere zur Sturzprävention hat sich ein progressives Balancetraining, u. U. mit Elementen des Tai Chi Chuan, als inhaltlicher Schwerpunkt in einer Dosis von mehr als 1 h pro Woche als effektiv erwiesen [25]. Bei muskulär geschwächten Patienten mit Kraftdefiziten vor allem der Beine ist ein flankierendes Muskelaufbautraining notwendig. Ebenfalls große Bedeutung hat die  professionelle Verordnung adäquater Hilfsmittel wie Peroneusschienen, Gehstöcke, Unterarmgehstützen und Rollatoren, die die Standfläche vergrößern und so die Balance verbessern, ggfs. auch zusätzliche propriozeptive Informationen über die Handgrif-

CME fe vermitteln. Entscheidend für ihren hilfreichen Einsatz ist ein physiotherapeutisches Gebrauchstraining sowie eine regelmäßige Wartung und Anpassung an sich ändernde Bedürfnisse. Das Schuhwerk soll passend und bequem, mit flachen breiten Absätzen und rutschfester Sohle ausgestattet sein. Anti-Rutsch-Socken können insbesondere bei kognitiv beeinträchtigten Patienten die Sturzgefahr reduzieren. Ferner gehören eine  effektive Analgesie bei mobilitätsbegrenzenden Schmerzen, der bestmögliche Ausgleich sensorischer Defizite durch Seh- und Hörhilfen sowie ernährungstherapeutische Interventionen wie die Normalisierung von Untergewicht, Sarkopenie und/oder Eiweißmangel durch hochkalorische bzw. proteinreiche Nahrungsergänzungen zum therapeutischen Gesamtkonzept. Eine Metaanalyse, die 8 randomisierte kontrollierte Studien einschloss, konnte eine signifikante Reduktion der Sturzraten bei Älteren durch Supplementation von 700 bis 1000 IE Vitamin D täglich zeigen, möglicherweise über kombinierte Effekte an Muskulatur und Zentralnervensystem [26]. Die aktuelle Konsenserklärung der American Geriatrics Society [27] empfiehlt eine höhere Dosis von mindestens 1000 IE Vitamin D täglich zur Sturz- und Frakturprävention. Übergeordnete Bedeutung kommt der Identifikation und Beseitigung von Risikofaktoren für Gangstörungen und Stürze zu. Dabei sind iatrogene Faktoren und hier insbesondere Medikamente – oftmals im Kontext einer Polypharmazie – ärztlicherseits offensichtlich direkt beeinflussbar. Gerade bei älteren Patienten mit Gangstörungen empfiehlt sich daher die regelmäßige Durchsicht und kritische Indikationsprüfung aller verordneten Medikamente, ggfs. unter Berücksichtigung von Negativlisten für potenziell inadäquate Medikamente im Alter wie der deutschen  Priscus-Liste [28] oder den aktualisierten  Beers-Kriterien der American Geriatrics Society aus 2012 [29]. Letztere klassifizieren beispielsweise Neuroleptika, Benzodiazepine, Z-Drugs und Antidepressiva als ungeeignet für ältere Patienten nach stattgehabten Stürzen. Indessen zeigte eine prospektive Kohortenstudie, dass das Absetzen sog. FRIDs („fall risk increasing drugs“), zu denen neben den o. g. psychotropen Substanzen auch die große Gruppe der Anticholinergika sowie Antihypertensiva, Antidiabetika und Opiate zählen, bei geriatrischen Patienten sicher ist und die Sturzrate signifikant senken kann [30]. Hieran zeigt sich exemplarisch das große Potenzial scheinbar einfacher geriatrischer Interventionen, wenn sie denn konsequent umgesetzt werden können.

Das Schuhwerk soll passend und bequem sein

Eine Supplementation von 1000 IE Vitamin D täglich wird zur Sturzund Frakturprävention empfohlen

Die Medikamentenliste sollte regelmäßig kritisch geprüft werden

Fazit für die Praxis F Gangstörungen sind im Alter sehr häufig und betreffen mehr als die Hälfte der über 80-Jährigen. F Zahlreiche gerontoneurologische Erkrankungen gehen mit einer distinkten Gangstörung als Leitsymptom einher. F Erste und wichtigste diagnostische Schritte sind die klinisch-neurologische Untersuchung und inspektorische Ganganalyse. F Instrumente des ergänzenden motorischen Assessments objektivieren und quantifizieren die Mobilitätseinschränkung und Sturzgefahr. F Wird die (im Alter häufige) Diagnose einer multifaktoriellen Gangstörung gestellt, verpflichtet dies zur vollständigen Identifikation aller Teilursachen, um hieraus adäquate Interventionen abzuleiten. F Das Therapiekonzept ist grundsätzlich multiprofessionell; maßgeschneiderte physiotherapeutische Trainingsprogramme sind eine zentrale Komponente. F Auch iatrogene Störungen, insbesondere durch Verordnung von für ältere Patienten potenziell inadäquaten Medikamenten wie in der deutschen Priscus-Liste [27] oder den Beers-Kriterien der American Geriatrics Society [28] gelistet, sind relevante und ärztlicherseits direkt modifizierbare Risikofaktoren für Gangstörungen und Stürze.

Korrespondenzadresse Dr. K. Amadori Klinik für Neurologie, Klinikum Frankfurt Höchst Gotenstr. 6–8, 65929 Frankfurt am Main [email protected]

Der Nervenarzt 2014 

| 9

CME

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  K. Amadori, R. Püllen und T. Steiner geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur   1. Verghese J, LeValley A, Hall CB et al (2006) Epidemiology of gait disorders in community-residing older adults. J Am Geriatr Soc 54:255–261   2. Sudarsky L (2001) Gait disorders: prevalence, morbidity, and etiology. Adv Neurol 87:111–117   3. Stolze H, Klebe S, Baecker C et al (2005) Prevalence of gait disorders in hospitalized neurological patients. Mov Disord 20:89–94   4. Ferrandez AM, Pailhous J, Durup M (1990) Slowness in elderly gait. Exp Aging Res 16:79–89   5. Nutt JG, Marsden CD, Thompson PD (1993) Human walking and higherlevel gait disorders, particularly in the elderly. Neurology 43:268–279   6. Camicioli R, Wang Y, Powell C et al (2007) Gait and posture impairment, parkinsonism and cognitive decline in older people. J Neural Transm 114:1355–1361   7. Bloem BR, Gussekloo J, Lagaay AM et al (2000) Idiopathic senile gait disorders are signs of subclinical disease. J Am Geriatr Soc 48:1098–1101   8. Cesari M, Kritchevsky SB, Penninx BW et al (2005) Prognostic value of usual gait speed in well-functioning older people – results from the health, aging and body composition study. J Am Geriatr Soc 53:1675–1680   9. Fried LP, Tangen CM, Walston J et al (2001) Frailty in older adults: evidence for a phenotype. J Gerontol A Biol Sci Med Sci 56:M146–M156 10. Jankovic J, Nutt JG, Sudarsky L (2001) Classification, diagnosis, and etiology of gait disorders. Adv Neurol 87:119–133 11. Podsiadlo D, Richardson S (1991) The timed „Up and Go“: a test of basic functional mobility for frail elderly persons. J Am Geriatr Soc 39:142– 148 12. Guralnik JM, Ferrucci L, Pieper CF et al (2000) Lower extremity function and subsequent disability: consistency across studies, predictive models, and value of gait speed alone compared with the short physical performance battery. J Gerontol A Biol Sci Med Sci 55:M221–M231

10 | 

Der Nervenarzt 2014

13. Alexander NB (1996) Gait disorders in older adults. J Am Geriatr Soc 44:434–451 14. Bohannon RW, Williams Andrews A (2011) Normal walking speed: a descriptive meta-analysis. Physiotherapy 97:182–189 15. Guralnik JM, Ferrucci L, Simonsick EM et al (1995) Lower extremity function in persons over the age of 70 years as a predictor of subsequent disability. N Engl J Med 332:556–561 16. Guralnik JM, Simonsick EM, Ferrucci L et al (1994) A short physical performance battery assessing lower extremity function: association with self-reported disability and prediction of mortality and nursing home admission. J Gerontol 49:M85–M94 17. Lundin-Olsson L, Nyberg L, Gustafson Y (1997) „Stops walking when talking“ as a predictor of falls in elderly people. Lancet 349:617 18. Yogev-Seligmann G, Hausdorff JM, Giladi N (2008) The role of executive function and attention in gait. Mov Disord 23:329–342 19. Stolze H, Kuhtz-Buschbeck JP, Drucke H et al (2001) Comparative analysis of the gait disorder of normal pressure hydrocephalus and Parkinson’s disease. J Neurol Neurosurg Psychiatry 70:289–297 20. Iersel van MB, Hoefsloot W, Munneke M et al (2004) Systematic review of quantitative clinical gait analysis in patients with dementia. Z Gerontol Geriatr 37:27–32 21. Calandre L, Conde I, Bermejo Pareja F (2005) Gait and stability disorders of the elderly. Clinical analysis of a series of 259 patients older than 70 years. Neurologia 20:232–239 22. Tideiksaar R (1997) Falling in old age: its prevention and management. Springer, New York 23. Snijders AH, Warrenburg BP van de, Giladi N et al (2007) Neurological gait disorders in elderly people: clinical approach and classification. Lancet Neurol 6:63–74 24. Salzman B (2010) Gait and balance disorders in older adults. Am Fam Physician 82:61–68

25. Sherrington C, Whitney JC, Lord SR et al (2008) Effective exercise for the prevention of falls: a systematic review and meta-analysis. J Am Geriatr Soc 56:2234–2243 26. Bischoff-Ferrari HA, Dawson-Hughes B, Staehelin HB et al (2009) Fall prevention with supplemental and active forms of vitamin D: a meta-analysis of randomised controlled trials. BMJ 339:b3692 27. American Geriatrics Society Workgroup on Vitamin D Supplementation for Older Adults (2014) Recommendations abstracted from the American Geriatrics Society consensus statement on vitamin D for prevention of falls and their consequences. J Am Geriatr Soc 62:147–152 28. Holt S, Schmiedl S, Thürmann PA (2010) Potentially inappropriate medication in the elderly – PRISCUS list. Dtsch Arztebl Int 107:543–551 29. The American Geriatrics Society 2012 Beers Criteria Update Expert Panel (2012) American Geriatrics Society updated Beers Criteria for potentially inappropriate medication use in older adults. J Am Geriatr Soc 60:616–631 30. Velde N van der, Stricker BH, Pols HA, Cammen TJ van der (2007) Risk of falls after withdrawal of fall-risk-increasing drugs: a prospective cohort study. Br J Clin Pharmacol 63:232– 237

springermedizin.de/eAkademie

CME-Fragebogen Bitte beachten Sie: • Teilnahme nur online unter: springermedizin.de/eAkademie • Die Frage-Antwort-Kombinationen werden online individuell zusammengestellt. • Es ist immer nur eine Antwort möglich .

??Bei über 70-Jährigen liegt die Gesamt

??Ein 78-jähriger Patient kommt zur Abklä-

prävalenz von Gangstörungen bei etwa… 10% 20% 35% 50% 65%

??Was ist keine typische alternsassoziierte

Gangveränderung?  erlangsamung der Gehgeschwindigkeit V Verbreiterung der Gangspur Reduktion der Schrittfrequenz Abnahme der Schrittlänge Verlängerung der Doppelfußkontaktzeit

??Welches klinische Zeichen ist typisch für

einen Normaldruckhydrozephalus? Zirkumduktion eines Beines Beidseitiger Steppergang Bessere willkürliche Beweglichkeit der Beine im Sitzen oder Liegen Freezing-Phänomene an Hindernissen Beeinflussbarkeit des Gangmusters durch externe Stimuli



rung einer seit 2 Jahren progredienten Gangstörung in Ihre Praxis. Er beschreibt eine Zunahme der Gangunsicherheit im Dunkeln, auf Nachfrage auch eine begleitende Dranginkontinenz. Klinischneurologisch fallen an den Beinen sehr lebhafte Muskeleigenreflexe, beidseits positive Pyramidenbahnzeichen und eine Pallanästhesie auf. Das Gangbild ist breitbasig mit angedeuteter Zirkumduktion der Beine; der Romberg-Versuch ist positiv. Zudem wirken die kleinen Handmuskeln beidseitig atrophisch, die Feinmotorik ist leicht gestört. Welches zugrunde liegende Krankheitsbild vermuten Sie primär? Subkortikale vaskuläre Enzephalopathie Funikuläre Myelose Thorakales Meningeom Atypisches Parkinson-Syndrom Zervikale Myelopathie

??Welche Aussage zur Short Physical Per





??Eine alleinlebende, multimorbide

??Ein 76-jähriger Patient stellt sich Ihnen



mit einer Gangstörung vor, die Untersuchung zeigt ein beidseitiges Trendelenburg-Zeichen. In der Anamnese werden Schmerzen in Schulter- und Hüftgürtel angegeben. Welche Diagnose vermuten Sie? Koxarthrose beidseits Spastische Spinalparalyse Folgen eines Gehirninfarktes Polymyositis Normaldruckhydrozephalus

formance Battery trifft nicht zu? S ie ist ein international verbreitetes Instrument des motorischen Assessments. Sie beinhaltet die Messung der Gehgeschwindigkeit, den „five chair rise“ und die Überprüfung der statischen Balance im Romberg-Test. Eine Gehgeschwindigkeit unter 0,8 m/s korreliert positiv mit erhöhtem Sturzrisiko, kognitiver Dysfunktion, Pflegebedürftigkeit und Mortalität. Die Befunde der SPPB erlauben Rückschlüsse auf die Ursache der Gangstörung. Sie kann zur Überprüfung der Effektivität therapeutischer Interventionen herangezogen werden.











85-Jährige wird nach nächtlichem Sturz mit mehrstündiger Liegezeit morgens eingenässt, unterkühlt und exsikkiert vom Pflegedienst aufgefunden und in Ihre Klinik eingewiesen. Die Kreatinkinase im Serum ist deutlich auf 1184 U/l erhöht. Wie gehen Sie weiter vor? Nach stattgehabtem epileptischem Anfall beginnen Sie eine antikonvulsive Medikation. Bei wahrscheinlicher Synkope veranlassen Sie eine umfängliche diesbezügliche Abklärung. Da die häusliche Versorgung offensichtlich nicht mehr gewährleistet ist, regen Sie den Umzug in eine Pflegeeinrichtung an. Sie ergänzen ein geriatrisches Assessment, dass u. a. die Domänen Mobilität, Sturzangst und soziale Situation evaluiert. Bei Multimorbidität und bereits etabliertem Pflegedienst ist eine anschließende Rehabilitation nicht indiziert.

D Für Zeitschriftenabonnenten ist die Teilnahme am e.CME kostenfrei Der Nervenarzt 2014 

| 11

CME-Fragebogen

??Welche Aussage zur Vitamin-D-Supple







mentation bei Älteren trifft nicht zu?  urch unzureichende SonnenlichtbestrahD lung und Zufuhr mit der Nahrung liegt bei vielen Älteren ein Vitamin-D-Mangel vor. Vor Erstverordnung von Vitamin D muss der 25-(OH)-Vitamin-D3-Spiegel bestimmt werden. Vitamin D ist gut verträglich, langfristig sicher und kostengünstig. Durch Vitamin-D-Supplementation lässt sich das Sturz- und Frakturrisiko Älterer signifikant reduzieren. Aktuellen Empfehlungen zufolge sollte eine Dosis von 1000 IE Vitamin D täglich verordnet werden.

??Die Priscus-Liste…



ist eine Negativliste für potenziell inadäquate Medikamente für ältere Patienten. wurde ursprünglich für den US-amerikanischen Markt entwickelt. gruppiert Medikamente nach Indikationen. enthält keine Empfehlungen zu Therapiealternativen. ist bei bestehender Polypharmazie nicht hilfreich.

??Welche der folgenden Substanzen er

höht das Sturzrisiko nicht? Z olpidem Amitryptilin Pipamperon Hydrochlorothiazid Clopidogrel

Diese zertifizierte Fortbildung ist 12 Monate auf springermedizin.de/ eAkademie verfügbar. Dort erfahren Sie auch den genauen Teilnahmeschluss. Nach Ablauf des Zertifizierungszeitraums können Sie diese Fortbildung und den Fragebogen weitere 24 Monate nutzen.

12 | 

Der Nervenarzt 2014

[Gait disorders in the elderly].

Gait disorders are one of the most common gerontoneurological symptoms. Falls that occasionally cause severe injuries are highly relevant consequences...
539KB Sizes 0 Downloads 0 Views