Editorial

Management von Glaukompatienten Management of Glaucoma Patients

Carl Erb

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0042-100350 Klin Monatsbl Augenheilkd 2016; 233: 132–133 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0023-2165 Korrespondenzadresse Prof. Dr. Carl Erb Augenklinik am Wittenbergplatz Kleiststr. 23–26 10787 Berlin Tel.: +49/(0) 30/2 11 48 62 [email protected]

Das Glaukom ist eine chronische Erkrankung, die nicht nur über Jahre, sondern über Jahrzehnte den Patienten belastet. Dieses Chronizität hat ihre Besonderheiten. Auf der einen Seite gewöhnt man sich als Betroffene an diese Erkrankung, und so verliert das Glaukom mit ihren anfänglich geringen Sehstörungen an Schrecken. Man fühlt sich durch die Behandlung beim Augenarzt gut versorgt und vergisst und/oder verdrängt erfolgreich die möglichen Folgen, die mit diesem Krankheitsbild verbunden sind. Damit geht einher, dass Kontrolltermine nicht zuverlässig eingehalten und die Augentropfen zum Teil nicht angewendet werden, weil man sowieso nichts spürt und das Sehen in Ordnung ist. Auf der anderen Seite weiß man, dass allein die Diagnose Glaukom zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität führen kann. Meistens sucht man im Internet nach Informationen und findet zum Thema Glaukom viel Unsinniges, zum Teil ergänzt durch unkommentierte Meinungen von unwissenden Patienten. Daraus ergibt sich ein Bild mit einem Horrorszenarium, das immer mit einer Erblindung endet. Zwischen diesen beiden Extremen bewegen sich die meisten Patienten, und es ist unter dem Zeitdruck in Praxis und Klinik eigentlich nicht möglich, diese komplexen Wechselwirkungen des Individuums mit seiner Krankheit, mit seiner direkten Umgebung und mit seinem Beruf vollständig zu erfassen. Dabei ist es ausgesprochen wichtig, die Verbindung zwischen dem Patienten und dem betreuenden Augenarzt so vertraulich wie möglich zu gestalten, um jede Art von Abweichung zu erfahren oder vorzubeugen. Eine optimale Glaukomeinstellung gelingt nur dann, wenn der Patient die Möglichkeit hat, über Unverträglichkeiten, Schwierigkeiten bei der Tropfapplikation oder überhaupt von dem generellen Umgang mit den Augentropfen sprechen zu können, ohne das Gefühl zu haben, lästig zu erscheinen oder nicht verstanden zu werden. In diesem Sinne ist der Beitrag „Kommunikationsstrategien im Umgang mit Glaukompatienten“ von Herrn Sander (Bonn) eine enorme Hilfestellung für den Alltag. Die Fehler im Umgang mit dem Patienten beginnen in der Kommunikation, egal, wie fachlich richtig die Aussagen des Arztes sind. Wir als Augenärzte müssen uns zunehmend bewusst machen, dass die Verordnung von Augentropfen alleine nicht ausreicht. Wir müssen uns ein Gesamtbild von dem Patienten bilden und mit diesem eine globale Langzeitstrategie zu Beginn der Therapie erstellen. Dabei sind so wichtige Fragen zu stellen, ob der Patient im Kontext seiner zu-

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grundeliegenden Augen- und Systemerkrankungen die speziellen Augentropfen überhaupt bekommen darf. Verschlechtern sie vielleicht den Allgemeinzustand des Patienten (zum Beispiel lokale Betablocker bei Diabetespatienten, lokale Alpha-2-Agonisten bei Patienten mit einer Depression), sind sie sogar kontraindiziert (zum Beispiel Alpha-2-Agonisten bei Kindern), oder lösen sie sogar neue Krankheitsschübe aus, wie zum Beispiel lokale Prostaglandinanaloga ein Herpes-Keratitis-Rezidiv bewirken können. Hinzu kommt die wichtige Frage, ob die Patienten die Tropfen überhaupt richtig anwenden können. Hierzu gibt der Beitrag von Herrn Dietlein (Köln) mit „Umsetzung und Schwierigkeiten bei Tropftherapien – der ältere Glaukompatient im Fokus“ einen wichtigen Einblick in diese Materie. Darüber hinaus ergibt sich die Notwendigkeit, über Hilfsmittel nachzudenken, die das alltägliche Umsetzen der Tropftherapien erleichtern können. Frau Zimmermann (Berlin) stellt deshalb die „Hilfsmittel für Patienten mit Glaukom und Sehbehinderung“ vor und zeigt eindrücklich, dass wir als Augenärzte ein breites Spektrum zur Verbesserung der Tropfanwendungen anbieten können. Neben diesen pragmatischen Hilfsmitteln und Ratschlägen ergibt sich aus dem chronisch schleichenden Prozess der glaukomatösen Optikusneuropathie eine Vielfalt von visuellen Störungen. Hierbei kommt es unter anderem neben den Gesichtsfeldbeeinträchtigungen, die erst recht spät im Verlauf der Erkrankung wahrgenommen werden, zu Kontrastsinn- und Farbsinnstörungen, zu einer erhöhten Blendempfindlichkeit, zu einem gestörten Stereosehen und zu Schwierigkeiten im Erkennen von Gesichtern. Daraus ergeben sich erhebliche Einschränkungen im Alltagsleben, weshalb Herr Hirneiß (München) auf die „Lebensqualität bei Glaukompatienten“ intensiv eingeht, die man durchaus mit standardisierten Messverfahren erfassen kann. Diese Erkenntnisse sind deshalb wichtig, weil viele Glaukompatienten sich zurückziehen, sich sozial isolieren und eine depressive Neigung entwickeln. Dadurch werden sie weniger zugänglich, und für das soziale Umfeld wird der Umgang mit ihnen erheblich schwieriger. Eine der wichtigsten Alltagsprobleme ist die Frage der Fahrtauglichkeit des Patienten. Dieses für das normale Leben eines Glaukompatienten so wichtige Thema wird oft zu wenig in der Praxis und Klinik besprochen, obwohl hinreichend bekannt ist, dass Glaukompatienten signifikant häufiger Autounfälle haben als altersentsprechende gesunde Personen. Deshalb bin ich Herrn Lachenmayr (München) zu großem Dank

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verpflichtet, dass er die „Verkehrsophthalmologischen Aspekte für Glaukompatienten“ thematisch aufgearbeitet hat und an Hand vieler praktischer Beispiele die Grenzen der Fahrtüchtigkeit aufzeigt. Immerhin sind wir Augenärzte verpflichtet, den Patienten rechtzeitig auf seine Fahruntauglichkeit hinzuweisen. Zusätzlich ist ein Akteneintrag sinnvoll, um diese Aufgabe auch dokumentiert zu haben. Neben diesen alltagsrelevanten Fragen ist der Augenarzt auch gefordert, den Glaukompatienten auf seine rechtlichen Ansprüche hinzuweisen. In diesem Bereich wird Vieles nicht besprochen und die entsprechenden Anträge oft viel zu spät gestellt. Frau Stamm (Berlin) gibt deshalb einen elementar wichtigen Einblick in die „Sozialmedizinischen und versorgungsrechtlichen Aspekte des Glaukoms“. Zusammen zeigen alle Beiträge, dass das Management von Glaukompatienten für die Patienten selbst, aber ganz besonders für

die Augenärzte sehr komplex und vielschichtig ist. Der professionelle, umfassende Umgang mit allen diesen Einzelaspekten verlangt viel Offenheit, Vertrauen und gegenseitige Bereitschaft der Zusammenarbeit. Nur mit den Patienten und seinem sozialen Umfeld zusammen wird man dieser Aufgabe gerecht werden können. Ein Lösungsweg sind Patientenschulungen, die außerhalb der üblichen Praxis- oder Klinikzeiten durchgeführt werden. In diesem Rahmen können schwierige Sachverhalte zeitlich ausreichend dargestellt werden und es entsteht eine gewisse Gruppendynamik, die dem einzelnen Glaukompatienten zeigt, dass er mit seinen Problemen nicht alleine ist. Für uns Augenärzte mögen die diesjährigen Beiträge im Schwerpunkheft Glaukom 2016 eine Hilfe sein. Carl Erb, Berlin

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